Hartz IV: 'Berliner Zeitung' schert aus dem Chor der Mißbrauchsankläger aus
Von Karl Weiss
Während fast alle bundesdeutschen Groß-Medien zusammen mit der Politiker-Kaste das Lied von den angeblichen Mißbräuchen der Arbeitlosen singen, scherte ein Kommentator der „Berliner Zeitung" am 10. Juni aus dieser einmütigen Schelte aus und bezeichnete stattdessen die verschärfenden Gesetze gegen die Arbeitslosen und Bedürftigen als ‚Kriegserklärung’ des Staates an seine Bürger.
Es ist erfreulich zu sehen, daß die Medien-Großkonzerne noch nicht in allen Fällen die vereinheitlichte Einheitsmeinung der allseits geliebten Politiker durchsetzen können. Es gibt noch Journalisten in Deutschland, es gibt noch mutige Männer und Frauen, die gegen den Strich bürsten.
Ein Beispiel hierfür der Kommentar „Kriegserklärung" von Christian Bommarius in der „Berliner Zeitung" vom 10. Juni. Er schreibt u.a.:„Nicht die Armut ist zu bekämpfen, sondern der Mißbrauch des Sozialstaats durch die Armen. Nicht das Schicksal der Hartz-IV-Empfänger gehört ins Zentrum der Debatte, sondern ihr Versuch, diesem Schicksal mit legalen oder halblegalen, jedenfalls aber für den Staat, den "Steuerzahler" kostspieligen Methoden zu entkommen."
Besonders klagt er dabei an, daß nun nicht nur das Hinterherschnüffeln hinter jedem Pubs der Arbeitslosen verordnet wurde, sondern auch die Prozeßkostenhilfe, die es bisher noch für Bedürftige gab, nach einem Gesetzentwurf der Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden soll.
Bisher nämlich hatten die Hartz-IV-Geschädigten immer noch die Möglichkeit, gegen die Entscheidungen der örtlichen Agentur oder ARGE vor Gericht zu ziehen und dabei Prozeßkostenhilfe vom Staat zu bekommen. Nun sind die Kosten der Prozeßkostenhilfe deutlich angestiegen, weil die Entscheidungen der Sachbearbeiter der Armenverwaltung so oft Anlaß zu verzweifelten Anrufungen des Gerichts geben.
Klar, daß die unsäglichen Politiker darauf so reagieren, daß sie diese Prozeßkostenhilfe fast unmöglich machen wollen. Damit wären die Armen dieser Gesellschaft endgültig der Willkür und den Launen der Sachbearbeiter ausgesetzt, die in einer Reihe von Fällen längst bewiesen haben, daß von vielen von ihnen nicht das geringste Verständnis, sondern brutale bürokratische Schikanen zu erwarten sind.
So ist es keine Übertreibung, wenn Bommarius dies eine Kriegserklärung gegen die Armen nennt.
Er klagt dabei auch an, daß die Begründung für dieses Gesetz wiederum nichts anderes als mögliche Mißbräuche sind, genauso wie es beim Hartz-IV-Verschärfungsgesetz war. Die Datenschutzbeauftragten hatten schon deutlich gemacht, daß die Möglichkeit eines Mißbrauchs keine Begründung für generelle Einschränkungen ist, ja, niemals sein kann. Es gibt bereits jetzt ausreichend Handhaben gegen eventuellen Mißbrauch, wobei außer zwei, drei Fällen bundesweit überhaupt keine tatsächlich belegten Mißbrauchsfälle vorliegen.
Das gilt sowohl für den angeblich vorliegenden Mißbrauch von Arbeitslosengeld-II-Leistungen als auch für den jetzt angeklagten Mißbrauch der Leistungen der Prozeßkostenhilfe.
Soweit es sich um die Frage der Kostenanstiege handelt, argumentiert der Berliner-Zeitung-Kommentator mit Recht, daß die Beträge, die die bundesdeutschen öffentlichen Haushalte durch Steuerhinterziehung verlieren, mit einer geschätzten Höhe von 200 Milliarden Euro weit höher sind als alle Kosten für die Armen-Almosen und die Prozeßkostenbeihilfe zusammen.
Er klagt an: „ ... eher spaziert ein Steuerhinterzieher mit einem Kamel durch ein Nadelöhr als ins Gefängnis. Das ist tröstlich, denn flexibel ist die Leistungselite nur auf freiem Fuß."
Link zum Originalartikel hier
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