FTD: Dramatischer Dollar - Verfall bedroht deutschen Export
Von Karl Weiss
Ein Leitartikel der „Financial Times Deutschland“ malt ein Horrorszenario über die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland anhand des Verfalls des Dollars. Der Verfall sei nicht aufzuhalten, ein Euro von $ 1,50 – 1,60 sei denkbar. Der deutsche Export werde zusammenklappen wie ein Kartenhaus und zusammen mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und dem Abschöpfen von Kaufkraft durch die Mehrwertsteuererhöhung werde Deutschland in das tiefste Wirtschaftsloch der Geschichte der Bundesrepublik fallen.
Unter der Überschrift: „Amerika, ein Gruselmärchen“ bringt die „Financial Times Deutschland“ in ihrem Leitartikel vom 28.11.2006 ein Gruselstück, nur ist es leider kein Märchen, sondern verspricht Realität zu werden. Jetzt demnächst.
Die Analyse ist:
Der Zusammenbruch der Immobilienblase in den USA, der immer noch in freiem Fall abläuft, hat eine Abschwächung der US-Konjunktur ausgelöst, die nun folgerichtig trotz mannigfacher Stützungsmaßnahmen in eine Abschwächung des Dollars umgeschlagen ist. Nur ist diese Abschwächung durch grundlegende Daten bestimmt (also vor allem durch die hohe Auslandsverschuldung der USA – weltweit die höchste, durch das hohe Budget-Defizit der USA – weltweit das höchste und durch das hohe Außenhandelsdefizit der USA – weltweit das höchste), nicht durch den konkreten Anlass. Deshalb ist es auch nicht möglich, dieses Abrutschen des Dollars durch Notenbankinterventionen aufzuhalten. Zwar werden solche Interventionen zeitweise die Geschwindigkeit reduzieren können, aber eben weder die Tendenz aufhalten noch das am Ende zu erreichende Niveau, das von dem Wirtschafts-Journalisten auf etwa $1,50 bis 1,60 pro Euro geschätzt wird.
Abgesehen davon, dass der Dollareinbruch in den USA eine Krise verursachen wird, weil die Importe verteuert werden und dadurch Kaufkraft abgeschöpft wird, wird genau diese US-Krise so oder so eine Weltwirtschaftskrise auslösen, weil die Dominanz der US-Wirtschaft so riesig ist, dass sich keine einzige nationale Wirtschaft dem Abwärtstrudel wird entziehen können.
Die US-Fed wird auch nicht durch Maßnahmen wie drastische Zinssenkungen dagegen angehen können, denn das geht nur mit einem starken Dollar. Ein schwacher Dollar trägt Inflation ins Land. Um die nicht überhand nehmen zu lassen, muss die Fed mit lediglich kleinen Abwärtsschritten bei den Zinsen reagieren, was die Krise nicht wird verhindern können.
Speziell für Deutschland allerdings wird das Ganze zum Desaster werden. Das Wachstum ist sowieso schon spärlich, unter 2%, das wird von einem Dollar, der 1,40 Euro erreicht, bereits auf Null gesetzt, denn dieser Dollarkurs beeinträchtigt die deutschen Exporte. Deutschland konkurriert auf vielen Märkten der Welt mit US-Exportprodukten oder anderen aus dem Dollarraum. Wo jene deutlich billiger werden, muß der deutsche Export klein beigeben.
Doch damit nicht genug: Der deutsche Binnenmarkt gibt überhaupt nichts her. Kein Wunder, es hat in der deutschen inflationsbereinigten Lohnsumme seit 1991 nur negative Zahlen gegeben, also ständige reale Kaufkraftverluste. Die Renten, das Arbeitslosengeld, alles wurde zusammengestrichen. Die Massen haben kein Geld, zu kaufen und damit die Krise zu verringern.
Aber auch das ist noch nicht alles: In ihrer unendlichen Weisheit hat die Bundesregierung genau für den Moment, in dem sich dies zuspitzt, zum 1. Januar 2007, die Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozentpunkten beschlossen. Das ist die größte Steuererhöhung der Geschichte der Bundesrepublik mit fast 20 % Erhöhung. Dies wird nach Experteneinschätzungen etwa zwischen 1 und 3% bezogen auf die ganze Wirtschaft ausmachen, sagen wir 2%. Damit sind wir für nächstes Jahr nicht mehr bei +/- 0, sondern bei –2%.
Nun kommt aber die Wirkung der Krise als solche dazu: Massenentlassungen, Anstieg der Zahl der Arbeitslosen (der wirklichen, die veröffentlichten Zahlen mag man manipulieren können), Kurzarbeit, Werksschließungen, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen usw. Das wird die Massenkaufkraft zusätzlich schwächen und weitere Prozente ausmachen, schätzen wir konservativ ebenfalls 2%. Damit sind wir bei –4%
Nun aber: Der Dollar wird nicht etwa bei 1,40 im Vergleich zum Euro stehen bleiben. Er wird bis zu 1,50 gehen. Damit bricht der deutsche Export, die einzige Hoffnung in Deutschland, weiter ein: Weitere 2%, damit kommen wir auf –6%. Das würde bereits die bei weitem tiefste Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik ausmachen.
Der Rückschlag der Wirtschaftskrise aus anderen Ländern käme noch dazu: Die können nicht mehr soviel deutsche Produkte kaufen, da sie selbst in der Krise stecken. Sind glatt noch einmal 2%, da sind wir auf –8%.
Gar nicht daran zu denken, was passiert, wenn der Dollar tatsächlich die 1,60 im Vergleich zum Euro erreichen würde. Oder der weitere Rückschlag auf Deutschland mit weiteren Pleiten, Entlassungen und Arbeitslosenzahlen, die das Szenario von 2006 als Paradies erscheinen lassen werden. Nicht einmal eine zweistellige Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ist völlig auszuschließen für einzelne Quartale im Jahresvergleich. Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.
Der Kommentator der Financial Times nennt es eine tektonische Umschichtung, was uns für die nächsten Jahre bevorsteht.
Es ist nicht unbedingt garantiert, daß die momentane Dollarabschwächung bereits direkt in diese Entwicklung übergeht. Es kann auch noch ein wenig dauern. Soeben – nach Erscheinen des Leitartikels in der FTD – wurde die erste Schätzung des Wachstums des GNP der USA im dritten Quartal 2006 von 1,6% auf 2,2% korrigiert. Die Steilheit des Absturzes (im ersten Quartal waren es noch über 6%!) hat sich etwas abgemildert. Ob das aber ausreichen wird, den Ausbruch der Krise wesentlich hinauszuschieben, bleibt abzuwarten. Letztendlich ist der Unterschied von 1,6 zu 2,2 nicht so tiefgreifend.
Am gleichen Tag dieser Meldung (29.11.06) kam aber auch eine andere: Wal-Mart, die bei weitem größte Supermarkt-Kette in den USA, hat zum ersten Mal seit über 10 Jahren eine Verminderung des Umsatzes im Vormonatsvergleich gemeldet. Das könnte auf spezielle Wal-Mart-Probleme zurückzuführen sein, aber eher wahrscheinlich ist, es handelt sich bereits um die Auswirkungen der massiven Kaufkraftabschöpfung durch die Zins- und Immobilienmarktprobleme in den USA.
Der entscheidende Moment wird nach Einschätzung des Berichterstatters sowieso der 1. Januar 2007 sein. An diesem Tag nämlich werden Millionen von US-Bürgern die Rechnung vorfinden, wie viel sie monatlich für ihr Haus abzahlen müssen. Das hängt damit zusammen, daß es in den USA üblich ist, im Jahr des Kaufs bzw. des Bezugs eines Hauses noch keine Zinsen und Tilgung zu verlangen, sondern erst ab dem darauffolgenden Jahr.
Da 2006 sehr viele US-Bürger ein Haus gekauft bzw. gebaut haben, wird die Zahl der Menschen in die Millionen gehen, die nun plötzlich eine unerwartet hohe Rechnung vorfinden werden. Aber auch viele andere, die noch am Haus abzahlen, werde deutliche höhere Monatsraten blechen müssen.
Es gibt in den USA keine auf 5 oder 10 Jahre konstanten Zinsen, wie in Deutschland üblich, die monatlichen Raten und Zinsen werden vielmehr jährlich der Zinsentwicklung angepasst – und die Zinsen wurden deutlich gesteigert. Das bedeutet: Ab 1. Januar wird ein deutlicher zusätzlicher Einbruch in der Gesamt-Kaufkraft des US-Konsumenten eintreten. Die Experten streiten darüber, wie viel dies wirklich ausmachen wird, aber niemand meint, es werde wenig sein.
Natürlich hätte die Bundesregierung Mittel in der Hand, diese Krise in ihren Auswirkungen auf Deutschland abzuschwächen (verhindern oder hinauszögern kann sie wohl jetzt sowieso niemand mehr). Man könnte die Mehrwertsteuererhöhung aussetzen, stattdessen Maßnahmen der Förderung der Massenkaufkraft beschließen, z.B. eine massive Steuersenkung für die Masse der niedrigen Einkommen, eine Grundversorgung für alle Bürger, die Verdreifachung des Kindergelds und so vieles mehr. All das könnte einfach finanziert werden, wenn man alle Steuererleichterungen für die Konzerne der rot-grünen Koalition rückgängig machte und wieder auf den Stand der Unternehmenssteuern am Ende der Ära Kohl ginge, sowie die sofortige Einstellung der EG-Beihilfen an Großagrarier und Konzerne und der großzügigen Finanzierung der Kirchen ebenso wie ein Ende aller militärischen Abenteuer im Ausland beschlösse.
Nun, daß dies so getan wird, ist ungefähr so wahrscheinlich wie das Stürzen des Mondes auf die Erde noch in diesem Jahr. Die Bundesregierung ist sogar dabei, ihre letzte größere Waffe in diesem Sinn zu verschenken: Die erhöhten Steuereinnahmen durch die Mehrwertsteuererhöhung werden nicht für ein Konjunkturprogramm verwendet, sondern als Geschenk an Großkonzerne und -banken in Form von weiteren Erniedrigungen ihrer Steuern verschleudert.
Aber so wie alles seine zwei Seiten hat, wird auch dies seine gute Seite zeigen.
Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! Es wird notwendig sein, den Menschen die konkreten Wege des Kampfes um ihre grundlegenden Interessen aufzuzeigen. Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!
Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 1. Dezember 2006
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Alles halb so schlimm
Alles halb so schlimm, wird da ein radikaler angebotsorientierter klügster Wirtschaftsprofessor Deutschlands sagen. Die Löhne spielen ja eh keine Rolle bei der Binnenkonjunktur und außerdem weis er auch nicht wie höhere Löhne die Binnennachfrage stimmulieren könnten. Da kann man doch einfach die Löhne soweit absenken, daß der Euro-Höhenrausch wieder ausgeglichen wird. Dann berührt das auch nicht die Exporte. Sollen doch die Menschen schauen wo sie bleiben, für Wasser und Brot wird's schon reichen. Und von den Gewinnen wird dann auch noch etwas, wenn auch nicht viel, nach unten tröpfeln ....
[Sakasmus aus]
Schöne Aussichten!