Boca Juniors ist Sieger der 'Libertadores'

Südamerika-Fussball

Von Karl Weiss

Mit einem Auswärtssieg im Rückspiel der Entscheidung in der ‚Copa Libertadores’ hat sich Boca Juniors in überragender Weise in den Spielen um diese höchste Trophäe Südamerikas durchgesetzt. Riquelme schoss die beiden Tore zum 2:0 –Sieg der Mannschaft aus dem Hafenviertel in Buenos Aires, wurde Torschützenkönig der ‚Libertadores’ mit 7 Toren und krönte damit seine bisherige Karriere. Er dürfte im Moment zusammen mit Kaká vom A.C. Mailand der beste Spieler der Welt sein.

Ausnahmsweise behielt der Berichterstatter einmal Recht mit seinen Vorhersagen, Gremio und Boca würden das Endspiel bestreiten und Boca würde gewinnen (hier und hier).

Hiermit hat Boca in den letzten acht Jahren in fünf Endspielen der Libertadores gestanden und hat viermal gewonnen. Damit hat sich der Verein von Maradona endgültig als dominierende argentinische und südamerikanische Mannschaft etabliert, so wie das in früheren Zeiten Independiente Buenos Aires getan hatte, der Club, der immer noch eine Libertadores Vorsprung vor Boca hat. Boca hat es jetzt insgesamt auf sieben Titel gebracht, Independiente auf acht. Heute ist Independiente allerdings schon fast der Vergessenheit anheimgefallen.

Es dürfte interessant werden, am Ende des Jahres die inzwischen zum vierten Male durch die FIFA ausgetragenen Vereinsweltmeisterschaft zu verfolgen, wo es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Endspiel A.C. Mailand – Boca Juniors kommen wird.

Ob dann Riquelme allerdings noch bei Boca ist und es wirklich zum Direktvergleich Kaká – Riquelme kommt, steht in den Sternen. Boca hat ihn bisher nur bis zur Ende der Libertadores unter Vertrag und er wird wohl nach Europa zurückkehren wollen, denn hier auf der Südhalbkugel droht er vergessen zu werden. Er könnte z.B. wieder zu Sevilla zurückkehren, das bis zum letzten Spieltag im Kampf um die spanische Meisterschaft stand.

In Brasilien wurden inzwischen die nächsten Runden der nationalen Meisterschaften ausgetragen. Wiederum gab es überraschende Ergebnisse und solche, die den Erwartungen entsprachen.

Die grösste Überraschung ist der Spitzenreiter: Botafogo Rio de Janeiro mit einer Anzahl überzeugender Ergebnisse, wie z.B. einem glatten 4:0 über den Lokarivalen Vasco da Gama, der auch noch unter den ersten 9 zu finden ist. Noch in der Endphase der Rio-Staatsmeisterschaft im Mai hatte man sich – ebenfalls im Maracanã-Stadion – mit 4:4 getrennt.

Am Sonntag, den 24. Juni gab es drei der grossen Lokalderbys.

In Belo Horizonte gewann Cruceiro gegen Atletico Mineiro mit 4:2 in einem hochklassigen Spiel und konnte sich so revanchieren für die Niederlage in den beiden Endspielen der Staatsmeisterschaft, die in der Summe das gleiche Ergebnis hatte, nur für Atlético. Hier in Belo Horizonte hallten noch die halbe Nacht die Rufe „Zeiro“ durch die Strassen.

In São Paulo trafen der São Paulo F.C. und der F.C. Santos aufeinander, im Moment als die beiden besten der vier „grossen“ São Paulo-Mannschaften eingeschätzt. Das Spiel in der ‚Vila Belmiro’, dem Stadion von Santos im gleichnamigen Stadtviertel von Santos, wird jedes Jahr mit besonderer Aufmerksamkeit registriert, denn es pflegen da oft wahre heroische Schlachten stattzufinden. Diesmal war wieder ein Spiel mit vielen Fouls und vielen Auseinandersetzungen im Mittelfeld zu sehen, das, wie so oft, durch Details entschieden wurden wurde. Zweimal passte die Abwehr von Santos nicht genügend auf und São Paulo ging als Sieger mit 2: 0 vom Platz.

Santos, das noch vor kurzem nur um ein Tor das Endspiel der Libertadores verpasst hatte, war damit unter Wert geschlagen, aber Meister São Paulo unterstrich seine ansteigende Form und damit seinen Anspruch auf den zweiten Meistertitel hintereinander. Der Weggang von Zé Roberto hat Santos offenbar grundlegend geschwächt. Man muss in Frage stellen, ob der Club ohne ihn noch mit zu den Meisterschaftsfavoriten gezählt werden kann.

Das dritte grosse Lokalderby fand in Porto Alegre, ganz im Süden Brasiliens statt, „Gre-Nal“ zwischen Internacional und Gremio. Immerhin standen sich hier der letztjährige Sieger der Libertadores und Vereinsweltmeister der FIFA und der diesjährige Vize der Libertadores gegenüber. Der Berichterstatter hatte die Möglichkeit, das Spiel am Fernsehen zu verfolgen.

Das Spiel hatte die Klasse eines Spitzenspiels der Bundesliga. Wer meinte, die Mannschaft von Gremio würde deprimiert auftreten nach den zwei verheerenden Niederlagen gegen Boca Juniors, hatte sich getäuscht. Im Gegenteil, man beherrschte den Gegner über weite Strecken, obwohl man im Stadion von Internacional spielte und nur 2500 Karten für die Gremio-Anhänger ausgegeben worden waren. Solche Tricks gehen nur zu oft als Schuss nach hinten los.

Der Trainer von Gremio hatte sich eine Überraschung ausgedacht, um die Abwehr von „Inter“ zu irritieren. Er stellte den Stamm-linken-Aussenverteidiger Lúcio ins offensive Mittelfeld und improvisierte einen Innenverteidiger auf der Aussenbahn. Die Rechnung ging voll auf. Als einer der Inter-Verteidiger einen Ball mit dem Fuss zum Torwart zurückspielte und der mit dem Fuss weiterspielen musste, stürmte einer der Gremio-Stürmer auf ihn zu und brachte ihn in Bedrängnis.

Das zahlte sich aus. Clemer, ansonsten eine fast unüberwindliche „Mauer“ im Tor, hatte nicht genug Zeit, den Ball gezielt zu einem eigenen Mann zu schlagen und so kam der Ball genau zu Lúcio in einer halblinken Position. Der setzte sofort einen Lauf mit dem Ball zum Tor an. Von zwei Verteidigern attackiert, gelang es ihm, den Ball zwischen beiden durch zu spielen und sich dann dann selbst zwischen ihnen durchzumogeln. So stand er plötzlich allein vor dem Tor und liess sich die Chance nicht entgegehn. Mit dem schlechteren, dem rechten Fuss, schlenzte er den Ball ins lange Eck: 1:0 für Gremio.

Übrigens Talentsucher in Deutschland: Notieren: Lúcio, linker Aussenverteiger von Gremio.

Das zweite Tor dagegen war gekonnt herausgespielt. Gremio gewann 2:0 und setzte sich damit aus der Nähe der Abstiegszone ab, wo nun allerdings Internacional herumkrebst.

Die beiden wichtigsten jungen Talente waren übrigens auf beiden Seiten nicht im Spiel, beide Stürmer, denn es wird gerade die Südamerikameisterschaft der Auswahlelfs „unter 18“ ausgetragen. Pato von Inter und Lucas von Gremio dürften zu den interessantesten Talenten der letzten beiden Jahre gehören in diesem nicht gerade talentarmen Land. Der erste soll angeblich ein Angebot von Chelsea haben, der andere von Liverpool. Aber nicht verzagen, Talentsucher, solche Gerüchte werden oft gestreut, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Hier noch eine persönliche Talentempfehlung des Berichterstatters: Sidney, Verteidiger von Inter, gerade 18 geworden.

Hinter Botafogo, das, wie gesagt, überraschend an der Spitze steht mit 3 Punkten Vorsprung, folgen nach sieben Runden – ebenfalls überraschend – Parana mit 14 und dann SãoPaulo mit 13. Dahinter eine Dreiergruppe mit 12 Punkten: Goiás, Pokalsieger Fluminense und Corinthians São Paulo, der Meister vom vorherigen Jahr.

In der Abstiegszone haben sich bereits drei Mannschaften eingefunden, die eben aus der 2. Liga aufgestiegen sind: Sport Recife, Náutico Recife und América Natal, alle drei aus dem armen Nordosten Brasiliens. Als vierte Mannschaft in der Abstiegszone steht Flamengo Rio de Janeiro, die gerade eben noch die Staatsmeisterschaft gewonnen hatte, der Rekordmeister und Club mit der grössten Anhängerschaft in Brasilien. Das könnte eine heisse Saison werden für Flamengo.


Veröffentlicht am 27. Juni 2007 in der "Berliner Umschau"

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