Heftiger Wortwechsel zwischen König Juan Carlos und Chávez

Abschluss des 17. Ibero-Amerikanischen Gipfeltreffens

"Por que não se cala?"

Von Karl Weiss

Auf dem 17. Ibero-Amerikanischen Gipfeltreffen in Santiago de Chile, das an diesem Wochenende zu Ende ging, kam es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen dem spanischen König Juan Carlos und dem Venezuelanischen Präsidenten Chávez. Dieser hatte den früheren spanischen Premier einen „Faschisten“ genannt und der König wies ihn mit ausgestrecktem Finger zurecht: „Por que não se cala?“ „Warum halten Sie nicht den Mund?“

Früher waren die Ibero-amerikanischen Gipfeltreffen eher langweilige Ereignisse ohne viel Bedeutung. Diese Treffen hatte Spanien als eine Gegenorganisation zur US-geführten Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) ins Leben gerufen und es stellte so etwas wie das Gegenstück zum britischen Commonwealth dar, denn es umfasste die früheren spanischen Kolonien in Amerika und Brasilien. Um es nicht zu sehr als eine Auffrischung des Kolonialismus erscheinen zu lassen, hat man auch Portugal und Andorra dazu gerufen, so dass es nun zu einen Treffen der Länder der iberischen Halbinsel mit denen Lateinamerikas wurde.

Der einzige erwähnenswerte Punkt war früher meistens die Teilnahme von Fidel Castro. Diesmal konnte der aber aus Krankheitsgründen nicht kommen.

Nun, da in Lateinamerika eine politische und revolutionäre Gärung begonnen hat, die sich bisher in der Wahl von gemäßigt linken Präsidenten ausdrückt, sind alle Zusammenkünfte der lateinamerikanischen Führer mit Spannung geladen.

Die Abschlusserklärung des Gipfels fordert denn auch die USA zum x-ten Male auf, die Sanktionen gegen Cuba fallen zu lassen. In den Reden, die gehalten wurden, traten auch deutlich die Ablehnungen gegenüber der imperialistischen Politik der Vereinigten Staaten zu Tage. Speziell Hugo Chávez benannte sie mit diesen Worten.

Er erinnerte in seiner Rede auch daran, dass früher die Ibero-amerikanischen Gipfeltreffen zu Propagandaveranstaltungen des Neoliberalismus wurden. Speziell griff er den damaligen spanischen Premier Aznar an, der dafür verantwortlich gewesen sei und nannte ihn einen Faschisten.

Er wurde daraufhin unterbrochen und der jetzige spanische Premier Zapatero forderte ihn auf, gewählte Führer der anwesenden Länder mit Respekt zu behandeln. Chávez wiederholte, Aznar sei ein Faschist und erwähnte, in einem persönlichen Gespräch bei einem Gipfel vor zehn Jahren habe Aznar bezüglich der armen Länder zu ihm gesagt: „...eles se fodem“ („...sie sollen sich selbst ficken“).

Daraufhin unterbrach ihn der spanische König und forderte ihn erregt und mit dem Zeigefinger auf ihn zeigend auf, den Mund zu halten.

Chávez hat nicht so ganz unrecht. Die Partei Aznars setzt sich im wesentlichen aus früheren Anhängern des faschistischen Putschisten Franco zusammen, der mit heftiger Unterstüzung Hitler-Deutschlands an die Macht gebracht wurde. Zwar haben jene Ex-Faschisten nun Kreide gefressen und sich einen Schafspelz von „Demokraten“ umgelegt, aber ob sie sich wirklich geändert haben, darf bezweifelt werden. Juan Carlos I. dagegen muss natürlich so tun, als sei er fest überzeugt, Aznars Partei sei von lauter lupenreinen Demokraten bevölkert.

Danach verteidigten der nicaraguanische Präsident Ortega und der kubanische Premier Lages den Venezuelanischen Präsidenten. Ortega kritisierte in diesem Zusammenhang die spanischen Botschafter und die spanische multinationale Firma Unión Fenosa. An dieser Stelle erhob sich der spanische König und verliess den Raum.

Die Gastgeberin, die chilenische Präsidentin Bartelet, ging hinter ihm her und konnte ihn überzeugen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Juan Carlos, Bachelet und Chávez
Der König, Frau Bachelet und Chávez im Gespräch in einer Verhandlungspause, als sich die Gemüter wieder beruhigt hatten

Ortega erinnerte auch daran, dass die USA in der ersten sandinistischen Regierungsperiode sein kleines Land mit Krieg überzogen hatten. Chávez erinnerte später noch an den Putsch gegen den damaligen chilenischen Präsidenten Allende.

Ortega nannte die OAS offen ein Instrument der „Yankees“.

Der Präsident von Equador, Correa, sagte, jetzt sei eine neue Epoche angebrochen, „die Stunde der Völker“. Es müsse nun ein souveränes Vaterland geschaffen werden, das sich nicht vor den Mächtigen erniedrige und sich zusammen mit den Brüdervölkern des ibero-amerikanischen Raums würdig des Erbes der „Befreier“erweise.

Die Befreier, die „Libertadores“, das sind Simon Bolivar und andere lateinamerikanische Führer vom Beginn des 19. Jahrhunderts, die sich gegen die spanische Herrschaft auflehnten und fast ganz Südamerika vom Joch der spanischen Kolonialherrschaft befreiten.

Cháves sagte in seiner Rede auch, weder die USA noch Europa hätten die moralische Autorität, dem Iran die Entwicklung von Atomwaffen zu verbieten, dazu müssten sie erst einmal ein Beispiel geben.

Wer in diesen Chor einstimmte, war dann der bolivianische Präsident Evo Morales. Er sagte, „zuerst sei da nur Fidel [Castro] gewesen, aber nun sind es zwar noch nicht viele, doch schon einige“. Morales lud die anderen Präsidenten ein, „das neoliberale Modell zu verlassen“ und sagte, diese Veranstaltung sei schon keine des „Imperiums“ mehr, in Anspielung an die für Jahrzehnte ausschliesslich von den USA bestimmten Treffen der OAS.

Ein anderes Ergebnis des Gipfels ist: Die Länder haben einstimmig ein anderes Kriterium für die wirtschaftliche Entwicklung gefordert von Weltbank, Internationalem Währungsfond IWF und Welthandels-Organisation WTO als das sogenannte Pro-Kopf-Einkommen, also das Brutto-Inlands-Einkommen dividiert durch die Zahl der Bewohner. Da das bisherige Kriterium nicht die Verteilung unter der Bevölkerung berücksichtigt, ist die Zielsetzung der „Entwicklung“ mit diesem Kriterium völlig absurd.

Zudem wird von einer Anzahl südamerikanischer Länder im Dezember die Bank des Südens gegründet, die Entwicklungsprojekte fördern soll, die nicht von neoliberalen Reformen abhängig gemacht werden sollen, wie das bisher Weltbank und IWF tun. Die Hauptprotagonisten dieser Bank sind Chávez und der argentinische Präsident Kirchner, dessen Frau nun zu seiner Nachfolgerin geworden ist.

In einer ersten Bilanz des Treffens haben brasilianische Beobachter die Schlussfolgerung gezogen, dass die „linken“ Präsidenten das Gipfeltreffen dominiert haben und die „gemässigten“ Präsidenten eher hinhaltenden Widerstand leisten.


Veröffentlicht am 12. November 2007 in der Berliner Umschau

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