Rechts bricht der Horror aus
Von Karl Weiss
Am äußersten rechten Rand des deutschen politischen Spektrums gibt es ein schwarz-braunes Geschwurbel, das es (noch?) nicht wagt, offen mit den faschistischen Horden der NPD zu marschieren, aber in Vielem mit diesen übereinstimmt. Es handelt sich um Personen und Gruppen, die üblicherweise CDU (oder CSU) wählen, aber auch schnell zu einer DVU oder NPD überwechseln, wo diese eine Chance haben, ins Parlament zu kommen.
Ein Teil von ihnen ist auch Mitglied in CDU oder CSU. Ihre poltischen Repräsentanten sind Leute wie Schönbohm, Koch, Beckstein und ähnliche.
Es gibt aber auch eine nicht zu unterschätzende braun-schwarze Szene außerhalb der ach so christlichen Parteien. Um diese Gruppen von Personen zu integrieren , hat die NPD Tarnorganisationen aufgemacht, wie zum Beispiel „Pro Köln“ und „Pro NRW“. So wird u.a. berichtet: Teile der Führungsriege dieser Rechtsaussen-Organisationen traf sich am 11. September 2007 „mit anderen Kader aus der rechtsextremen Szene .... . Im Rahmen der so genannten Dienstagsgespräche sei diesmal Holger Apfel, Fraktionschef der NPD im sächsischen Landtag, als Referent eingeladen gewesen, hieß es.“ ( Quelle )
In dieser Art von Organisation sind nur wenige ausgewiesene NPDler, aber man versteht sich auch so blind.
Der Faschist Filbinger war damals Stellvertreter Kohls als Parteivorsitzender der CDU
Es braucht keinerlei Erklärung, dass diese Klientel natürlich hell begeistert war, als Hessens Ministerpräsident Koch sein Schmutzkampagne gegen junge Ausländer begann. Das entsprach genau ihrem Geschmack. Vor allem natürlich, weil sie sicher waren, auch diesmal würde das Türken-Bashing funktionieren. Man muss nur an die niedrigsten Instinkte der Bundesbürger appellieren, schon reagieren sie mit Zustimmung zu extrem rechten Anschauungen und wählen wieder ‚richtig‘.
Nach den Umfragen hatte sich nämlich eine von diesen Leuten als gefährlich angesehene Situation ergeben, denn die Prozentzahlen der voraussichtlichen SPD-, Grüne- und Linke-Wähler stand praktisch gleichauf mit der vereinigten christlichen und FDP-Wählerschaft, wenn es der Linken gelingen würde, in den Landtag einzuziehen. Ohne die Linke könnte sich eine Mehrheit Rot-Grün finden.
Nun aber, mit Koch, der in der braunen Kiste kramt, würde der gleiche Effekt eintreten, der damals zum Wahlsieg Kochs geführt hatte: Der erschrockene Teil der Bundesbürger, der die Lüge glaubt, die Ausländer hätten ihre Arbeitsplätze abgebaut, würde erneut für Kochs Wahlsieg sorgen.
Doch zum Befremden Kochs und der braun-schwarzen Suppe geschah dies nicht, jedenfalls nicht in den Umfragen. Die weit überwiegende Mehrheit der Befragten beurteilt Kochs Vorstoss als Wahltaktik und sprang nicht auf den Zug des hessischen braun-schwarzen Expresses auf. Die letzten Umfragen ergeben sogar einen geringen Vorsprung (allerdings innerhalb der Fehlermarge) des Rot-Rot-Grün-Gespanns.
Der Faschist Globke war eine wichtige juristische Figur im Hitlerfaschismus. Adenauer holte ihn als Staatssekretär in seine Regierung.
Als Koch damals die „Anti-Doppelpass-Aktion“ durchzog, hatten sich noch glatte 5% der Wähler auf seine Seite geschlagen, die vorher nicht da gestanden hatten. Sieht ganz so aus (unabhängig davon, wie die Wahlen wirklich ausgehen), als ob der Bundes-Michel lernfähig ist. Er lässt sich nicht so leicht ein zweites Mal für dumm verkaufen.
Jener Teil der Wähler nämlich, die auf „Ausländer raus“ oder eigentlich genauer auf „Türken raus“ stehen, werden ständig an der Nase herumgeführt. Auch in dieser Diskussion wieder ging es ja im Kern darum: Wie werden wir die vielen Türken wieder los? Wäre nicht ein praktischer Ausweg, jeden, der einmal mit dem Gesetz in Konflikt kam, in die Türkei abzuschieben? Das wird suggeriert und man hofft, der erschrockene Bundesbürger fällt darauf herein.
Wie sind aber die Tatsachen? Wer in Deutschland geboren ist, akzentfrei deutsch spricht, niemals in der Türkei gelebt hat (oft nicht einmal akzentfrei türkisch spricht) und mit dem Gesetz in Konflikt kommt, ist nach internationalem Recht, über das sich Deutschland nicht einfach hinwegsetzen kann, Deutscher und hat das Recht auf deutsche Staatsbürgerschaft und darauf, hier bestraft und eventuell eingesperrt zu werden. Allerdings gibt es die Regelung, er muss dafür die türkische aufgeben, was viele nicht gern tun – und so öffnen sich rechtliche Leerräume, wenn es sich um Einzelfälle handelt.
Aber die Türkei würde natürlich nie zulassen, dass eine grössere Anzahl solcher junger Menschen dorthin gekarrt wird – und hat internationales Recht auf ihrer Seite. Dies Tatsachen werden den Bürgern konsequent vorenthalten. Sie wurden in der ganzen Diskussion nie erwähnt. Die Rechtsaussen suggerieren, man könnte alle Türken zurückschicken und die dagegen argumentieren, vergessen zu sagen, das ist sowieso Illusion.
In diesem Zusammenhang muss eben auch erwähnt werden, warum wir so viele Türken hier haben. In der Situation des deutschen Wirtschaftswunders in den 50er und 60er Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft so schnell, dass bereits nach kurzer Zeit alle vorhandenen Arbeitskräfte absorbiert waren und das Wachstum sich allein deshalb zu verringern drohte, weil Arbeitskräfte fehlten. So beschloss man, in anderen Ländern Arbeitskräfte anzuwerben. Den grössten Erfolg hatte man damit in der Türkei. Viele Jahre lang zogen deutsch-türkische Anwerber-Kolonnen durch die Türkei – mit Vorliebe durch das Innere Anatoliens, wo das blanke Elend hauste – und versprachen den Himmel für die Männer, wenn sie nach Deutschland arbeiten kämen.
So kamen Hunderttausende von türkischen Männern hierher, die üblicherweise in Männerwohnheimen zusammengepfercht wurden. Doch nach einer Anzahl von Jahren in Deutschland hatten sie eben bereits das Recht auf eine Daueraufenthaltserlaubnis und die Industriebetriebe wollte die eingearbeiteten und fleissigen Arbeiter auch nicht wieder verlieren und so wurde ihre Situation offiziell und deutsch.
Bald hatten sie auch das international garantierte Recht auf Familienzusammenführung und durften Frau und Kinder nachkommen lassen. Sie zogen vom Männerwohnheim in Wohnungen um. Hätte man wirklich verlangen wollen, sie sollten Jahrzehnte von ihren Familien getrennt leben?
Diese türkischen Arbeiter haben einen wesentlichen Anteil am Schaffen jener Werte, die in Deutschland einen mässigen Wohlstand schufen. Sie haben soviel Recht hier zu sein, wie Sie und ich!
Diese türkischen Arbeiter, ihre Frauen, ihre Kinder und inzwischen auch schon Enkel und Urenkel sind längst Teil des Volkes in Deutschland geworden, sie sind Deutsche mit allen Rechten, auch wenn man mit einigen Tricks noch verhindert hat, dass sie alle die deutsche Staatsbürgerschaft bekamen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger bei seiner legendären Reinwasch-Rede für den Faschisten Filbinger
Wenn die Rechtsaussen wieder und wieder suggerieren, man könne sie alle deportieren in die Türkei, so gibt es dafür weder eine irgendwie geartete Berechtigung noch Rechtsgrundlage. Die Kampagnen, die den Ex-Türken die Angst eintreiben, sie könnten deportiert werden, veranlassen sie, die türkische Staatsbürgerschaft nicht aufzugeben und das wiederum wird als Voraussetzung für die deutsche verlangt. So schafft man sie in ein Loch ohne Ausweg und Koch, Pofalla und Beckstein schenken ihnen auch noch ein Hohngelächter (das man angeblich von ihnen gehört haben will).
So macht man auf dem Rücken eines wesentlichen Teiles der Bevölkerung dreckige reaktionäre Politik.
Doch nun muss der rechte Sumpf fürchten, dass seine Rezepte nicht mehr aufgehen, dass der mündige deutsche Bürger immer wenige in diese Fallen stapft und die Demagogie zu durchschauen beginnt. Da bricht blankes Entsetzen aus, der Horror!
Hier erweist Schäuble dem Faschisten Filbinger "die letzte Ehre"
Ein Beispiel: Im Blog kewil (hier), der dem braun-schwarz-gestreiften Sumpf zuzuordnen ist, konstatiert man entsetzt: „Wahlprognosen: Ypsilanti gewinnt“.
Ein Kommentator auf jener Site mit dem Pseudonym „Onkel Peter“ bringt dies in jener typischen Weise auf den Punkt:
„Falls diese Prognosen zutreffen sollten, hat das deutsche Volk seinen Untergang verdient. Wegen erwiesener Dummheit ist es unwürdig weiterzuleben und hat anderen lebenstüchtigeren Völkern platzzumachen.“
Sehen Sie sich nur einmal an, wer bei „kewil“ im Impressum als Verantwortlicher genannt wird:
Mr Kewil B. R. Gozo
1571, Knights Templar Rd
Valletta, VLT01
Malta
Zwar wird dann gleich erklärt, diese Umfragen sind ja immer unzuverlässig und ein Beispiel der falschen Vorhersagen vor der Bundestagswahl 2005 gebracht, aber das klingt wie Pfeifen im Wald. Was damals nämlich falsch vorhergesagt wurde, war ein weit besseres Abschneiden der CDU/CSU als es dann tatsächlich eintrat. Nun ist die Hoffnung gering, dass diesmal die Umfragen genau im umgekehrten Sinn falsch sind.
Aber das letzte, was stirbt , ist die Hoffnung.
Auch wenn es diesmal erneut für Koch reichen sollte, die Rechtsaussen-Szene ist in heller Aufregung. Es droht die „strukturelle linke Mehrheit“ - wobei noch zu ergründen sein wird, was da links ist. Auf jeden Fall aber: Einen Glückwunsch an den aufgeklärten deutschen Bürger!
Veröffentlicht am 23. Januar 2008 in der Berliner Umschau
Originalartikel
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