Besiegte Krankheiten kehren zurück - Gelbfieber in Brasilien

Liebe in den Zeiten des Gelbfiebers

Von Karl Weiss

Einer der wichtigen Romane des großen lateinamerikanischen Dichters und Schriftstellers Gabriel Garcia Marques ist „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“. Dies Werk des kolumbianischen Nobelpreisträgers, sicherlich eine der schönsten Liebesgeschichten der Literatur, erschien 1985 und blieb für lange Zeit in vielen Beststellerlisten.

Letztes Jahr kam die Geschichte als Film heraus, unter Regie von Mike Newell. Der Start des Films in Deutschland ist für den 21. Februar 2008 vorgesehen. Wer Näheres zum Film wissen will, hier ist der Link.

Die Cholera, eine Krankheit, die zu Zeiten des Romans, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, noch eine wichtige Rolle spielte, ist heute nur noch in wenigen Fällen eine wirkliche Gefahr. Das Cholera-Bakterium kann mit Antibiotika bekämpft werden. Das Gelbfieber dagegen, eine Krankheit, die von einem Virus übertragen wird, ist unheilbar und in 70% der Fälle tödlich. Das einzige Mittel dagegen ist die Impfung. Gleichzeitig ist diese Impfung eine der risikoreichsten von allen.

In Marques Roman erscheint die Cholera im Hintergrund, immer als dunkle Bedrohung. So ähnlich fühlt man sich heute in Brasilien, wenn man liebt, wie der Berichterstatter. Das Gelbfieber steht drohend am Horizont, so wird die Liebe um so bedeutender. „Carpe diem“.

Brasilien (topographisch)

Das Gelbfieber hat eine sogenannte wilde Form, die von einer Mücke mit Namen Haemagogus übertragen wird. Sie betrifft hauptsächlich wilde Tiere und nur in Ausnahmefällen Menschen, die sich in wilden, entlegene Gegenden aufhalten. Diese Form ist der Grund, warum allen Reisenden ins Amazonasgebiet die Impfung empfohlen wird.

So gibt es in Brasilien denn auch jedes Jahr in solchen Gegenden, fern jeder Zivilisation, Fälle von Infektionen und Toten durch Gelbfieber.

Die andere Form der Krankheit aber, das „städtische“ Gelbfieber, kann sich aus dieser Wildform entwickeln. Dieses Gelbfieber wird von der Mücke Aedes aegypti übertragen, dem Überträger des Denge-Fiebers - ein guter Bekannter fast aller Brasilianer. In diesem Moment, als diese Zeilen geschrieben werden, summt eine Mücke dieser Art um den Berichterstatter. Im Gegensatz zu deutschen Mücken sind die Dinger unheimlich schwer zu erschlagen.

Moskito Aedes aegypti

Es sind Mücken, etwas kleiner als unsere Deutschen, deren Beine schwarz-weiss gestreift sind – daher leicht zu erkennen.

Nun hat sich, zum ersten Mal in Brasilien seit den Zeiten des 2. Weltkriegs, ein solcher Stamm des Gelbfieber-Virus entwickelt, der von der Aedes-Mücke übertragen wird.

Der erste städtische Gelbfieber-Tote wurde in Brasiliens Hauptstadt Brasilia Anfang Januar registriert. Bis heute (23.1.08) sind es bereits 9 bestätigte Todesfälle durch Gelbfieber. Weitere 14 verdächtige Fälle sind in Untersuchung. Drei Personen haben sich bereits von der Erkrankung erholt oder sind auf dem Wege der Besserung.

Der erste Ausbruch scheint im ländlichen Gebiet des Bundestaates Goiás stattgefunden zu haben, das ist jener ländliche Staat im Landesinneren, der die Hauptstadt Brasilia umgibt. Der erste Todesfall war ein Tourist aus Brasilia, der sich in einem geschützten Erholungsgebiet von Goiás aufgehalten hatte und in einem Krankenhaus in Brasilia verstarb.

Das letzte Mal vorher, dass in Brasilien jemand an „städtischem“ Gelbfieber verstorben war, war 1942.

Erst am 10. Januar kam die Nachricht, es handelte sich wirklich um städtisches Gelbfieber. Die Brasilianer in fast allen Staaten und Regionen wurden aufgerufen, sich impfen zu lassen. Speziell in Goiás sind heute schon viele Einwohner geimpft. Allerdings ging dem Staat der Impfstoff aus und der staatliche Gesundheitssekretär von Goias erklärte, nun würde nur noch geimpft, wer ein staatliches Impfbuch vorweisen könne. Solche Bücher sind in ländlichen Gegenden in der Regel nicht vorhanden. Damit wird genau jenen, die sie am nötigsten brauchen, die Impfung vorenthalten.

Aber auch im Staat Minas Gerais, der an Goiás angrenzt, (von dem aus der Berichterstatter schreibt), besteht der Verdacht auf Gelbfieber. Im Norden des Staates, nahe der Grenze zu Goiás, wurden tote Affen gefunden, die eventuell Opfer der Krankheit wurden. Affen werden vom Gelbfieber genauso wie Menschen betroffen. Die Untersuchungen laufen noch.

1991 hatte sich der Berichterstatter bereits gegen Gelbfieber impfen lassen, weil eine touristische Reise ins Amazonasgebiet anstand. Wenige Tage nach der Impfung wurde er schwer krank und lag mit hohem Fieber und Schmerzen am ganzen Körper im Bett. Das ging zwar nach ein/zwei Tagen vorbei, war aber doch beängstigend.

Das ist eines der Probleme mit der Gelbfieber-Impfung. Die Impfreaktionen sind, individuell unterschiedlich, zum Teil äusserst schwer. Kindern und älteren Menschen wird darum von der Impfung abgeraten, wenn sie nicht unabdingbar ist. Der Impfschutz hält nur 10 Jahre vor und der Berichterstatter ist auch nicht jünger geworden seit 1991.

Bei der Massenabfertigung zum Impfen ist es vorgekommen, dass Personen, die keine Erfahrung damit haben, zweimal geimpft wurden. Sie liegen heute im Krankenhaus. Aber auch nur einfach geimpfte mussten in grosser Zahl in die Krankenhäuser eingeliefert werden. Heute liegen in ganz Brasilien weit mehr Patienten im Krankenhaus wegen der Impfung als wegen des Gelbfiebers.

Hier in Belo Horizonte sind Impfstationen an den beiden Flughäfen und am Busbahnhof eingerichtet, wo es bereits lange Schlangen gibt. Was tun?

So lebt man also seine Liebe in den Zeiten des Gelbfiebers.


Veröffentlicht am 28. Januar 2008 in der "Berliner Umschau"

Originalartikel

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