Hartz IV: Der angeleinte Mensch

Arbeitslose werden zu Delinquenten

Von Karl Weiss

Bereits im Artikel „Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden“ vom 23. November 2007 hatte der Berichterstatter über einen Fall berichtet, in dem eine Leiterin einer „Arbeitsagentur“ sich als „Verfolgungsbehörde“ bezeichnete. War das vielleicht noch ein Ausrutscher, wenn auch ein aufschlussreicher, nun ist es offiziell: Arbeitslose werden exakt wie Straffällige behandelt. Der Text aus einer „Eingliederungsvereinbarung“, wie sie jetzt mit allen Hartz-IV-Empfängern abgeschlossen werden müssen, ist exakt der gleiche, wie ihn vorzeitig auf Bewährung aus der Haft Entlassene unterschreiben müssen.

Hartz-Protest 02

Sehen Sie hier den Text:

„Halten Sie sich innerhalb des zeit-und ortsnahen Bereiches auf, muss sichergestellt sein, dass Sie persönlich an jedem Werktag an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von Ihnen benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichbar sind.

Sie sind verpflichtet Änderungen (z.B. Krankheit, Arbeitsaufnahme, Umzug) unverzüglich mitzuteilen und bei einer Ortsabwesenheit vorab die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners einzuholen.

Bei einer unangemeldeten unerlaubten Ortsabwesenheit entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch bei nachträglichem Bekanntwerden. Wird ein genehmigter auswärtiger Aufenthalt unerlaubt verlängert, besteht ab dem ersten Tag der unerlaubten Ortsabwesenheit kein Anspruch auf Leistung mehr. Nähere Informationen finden Sie in Kapitel 13.3 des Merkblatts "Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“.


Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Mag man dies für einen vorzeitig, vor Abbüßen seiner Strafe, aus der Haft entlassenen noch als hinnehmbar betrachten – dort ist es ja auch nur zeitlich begrenzt, nämlich bis zum Ablauf der Bewährungsfrist – so ist die Anwendung dieser „Hundekette-Regel“ für Menschen eines freiheitlichen Landes, die nur das Schicksal traf, keine Arbeit zu finden, offensichtlich unmenschlich. Findet er keine Arbeit, ist dies ja „lebenslänglich“. Er liegt an der Leine wie ein Hund – auf Dauer.

Man stelle sich nur einmal die Szene vor, wenn ein so mit der Hundekette-Regel angeleinte Mensch krank wird und ins Krankenhaus in der nächsten Kreisstadt eingeliefert werden muss. Während ein Teil der medizinischen Equipe des Krankenwagens um das Leben des Patienten kämpft, muss der andere Teil versuchen, die Vorabzustimmung des „persönlichen Ansprechpartners“ in der ARGE für den Ortswechsel zu bekommen. Da der aber gerade auf der Toilette ist, kann man ihn leider nicht ans Telefon holen.

Weg mit Hartz IV

Als nach zwanzig Minuten dann schließlich die Genehmigung vorliegt, ist der Patient im Krankenwagen schon gestorben – und das war es denn ja wohl auch, was Merkel und Steinmeier mit der neuen Anlein-Regel erreichen wollten. Tote liegen dem Staat nicht mehr auf der Tasche.

Das ist besonders notwendig in Zeiten, in denen die Gelder des Bundes für wichtigere Dinge gebraucht werden, so zum Beispiel für die Rettung von Banken, die sich verzockt haben.

Hartz-Protest 01

Da passt es gut in die Landschaft, dass in Bayern unter Seehofer und mit FDP-Unterstützung die Zahlungen an die marode Landesbank so hoch sein werden, dass alles Geld fürs Soziale „einer Überprüfung unterzogen werden muss“, sprich: Es wird gestrichen werden.


Veröffentlicht am 15. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

"Hartz und Hunger – Vier Episoden"
geheimrätin - 15. Dez, 15:48

Ortsanwesenheitspflicht

Lieber Herr Weiss

es freut mich sehr dass auch sie diese HATZ IV Ungeheuerlichkeiten hier immer wieder thematisieren. Wir erhielten ja selbst solch eine Eingliederungsvereinbarung (vielmehr meine noch minderjährige Tochter, die kurz vor ihrem Schulabschluss seht) in der diese Erreichbarkeitsordnung miteingearbeitet worden war. Nun erfuhr ich aber von Herrn Hützl vom Erwerbslosenforum dass diese Erreichbarkeitsordnung ohnehin schon so "geseztlich geregelt" für ALG II Bezieher wäre und sie, wie in unserem Fall, nichts in einer Eingliederungsvereinbarung zu suchen hätte! Ich zitiere Herrn Hützl der auf duckhome meinen Blogeintrag kommentiert hatte:

"...Nochmal zur Ortsabwesenheit: Wie gesagt, sie sind ja schon gesetzlich geregelt in der sog. EAO - Erreichbarkeitsanordnung (hier als PDF: http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A20-Intern/A201-Organisation/Publikation/pdf/Anhang-B-Anordnungen-des-Verwaltungsrats.pdf). Wenn dies zusätzlich in der EinV festgelegt wird, mag das sogar Interessenkonflikte bewirken. Ferner hat dieser rein informative Passus deswegen in der EinV nichts zu suchen, weil er speziell nichts regelt, was nicht schon geregelt ist. Was du also explizit aus der EinV als Freiheitsberaubung erkannt hast, ist bereits auch ohne EinV schon Bestandteil des sog. "Förderns und Forderns", also des regulären Leistungsbezugs (oder wie dunkle Zeigenossen sagen: des Sozialschmarotzens)..."

Hätte der "Fallmanager" diese Erreichbarkeitsordnung in unserem Fall nicht fälschlicherweise in die Eingliederungsvereinbarung gepackt, hätte ich von dieser gar nichts gewusst! Und mich weiterhin unwissentlich "strafbar gemacht" wenn ich ohne zu fragen die Stadt verlassen habe. Heute tue ich das wissentlich! Dies nur um die Verwirrung komplett zu machen. (Hätte ich Abitur, ich würde (heimlich!) einen Jurastudiengang belegen...)

Wir müssen uns unsere Souverenität und Demokratie zurückerobern!

MFG
Abha

Karl Weiss - 16. Dez, 12:40

Wie auch immer

Hallo Geheimrätin,

ja , ich hatte auch schon gehört, eine entsprechende Regelung gelte schon und wurde nicht erst durch die Neuregelung der "Eingliederungsvereinbarung" eingeführt, aber ich dachte mir: Ist egal. Wichtig ist, das gilt und wird auf alle Hartz-IV-Geschädigten angewandt. Da gibts nur eins: Hartz muss weg!

Da darf ich Ihnen auch gleich auf ihre "Perlenschnur-Idee" antworten, die Sie schon zweimal hier im Blog gepostet haben:

Weniger als ein Jahr vor Wahlen ans Gründen einer neuen Partei gehen, ist verlorene Liebesmüh. Sowas muss man längerfristig angehen. Was die inhaltlichen Fragen angeht, so ist mir die Idee überhaupt nicht ausgegoren genug. Man muss ja zumindest in den Grundzügen eine Idee haben, was man eigentlich will. Es reicht ja nicht zu sagen, was man nicht will. Ausserdem muss man eine stimmende Analyse der jetzigen Gesellschaft und Situation haben, um nicht völlig daneben zu liegen von vornherein.
Die fehlt mir in "duckhome" völlig.

Bei kühler Analyse der Pareteien in Deutschland muss man zur Einschätzung kommen, es gibt bereits mindestens eine für jede wesentliche politische Richtung. Im Grunde ist es nicht eine Partei, die fehlt.

Der Glaube an "gute Menschen", die hinter der Perlenkette-Idee steckt, ist nicht richtig. Auch gute Menschen können von Geld und Macht korrumpiert werden und dann zu zynischen Politiker-Figuren werden, wie wir sie bis zum Erbrechen kennen.

Was nach meiner Ansicht jetzt ansteht, ist nicht eine neue Partei, sondern eine Volksbewegung, die sich gegen die Herrschenden richtet. Mir scheint dabei die Montagsdemonstration der richtige Ansatzpunkt. Ich würde dafür plädieren, die Montagsdemos wieder zu stärken.
Jakester - 16. Dez, 05:42

Sollte es der Kettenhund H-IV ins Krankenhaus schaffen, sollte er nicht allzu krank sein sollen und den Aufenthalt nicht zu lange gestalten, da er ansonsten bis zu 35% seiner Bezuege gestrichen bekommt um eine Einkommensverbesserung zu vermeiden. http://jakester-express.blogspot.com/2008/01/us-bundesstaat-deutschland.html

geheimrätin - 16. Dez, 13:30

Montagsdemo

und mehr ! Ja danke Herr Weiss. Das mit der Perlenkettenaktion war weniger als "neue Parteigründung" gedacht. Es sollte mehr ein Aufruf an alle Poltiker sein, die ihre Seele noch nicht verkauft haben, sich gemeinsam mit ihren "Wählern" also den Menschen zu verbünden und für einen Kurswechsel zu stimmen. Sicher eine unausgegorene Idee, aber wie gesagt es sollte keine konkreter Plan sein als mehr ein Apell an die letzten "Parlamentarierperlen" auch ihre Kräfte zu bündeln (parteiübergreifend...) Ansonsten stimme ich ihnen natürlich zu und bin froh dass sie hier für und mit uns sprechen! Auch wir werden unsere Kräfte bündeln. Überall auf der Welt! Für eine lebenswerte Zukunft.

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