Lasst uns allle unsere Automobil-Industrien retten!
Von Karl Weiss
Über Jahrzehnte haben die imperialistischen Staaten ihren „Untertanen“, den Staaten der Dritten Welt und den Schwellenländern, eingeschärft, was sie zu tun hätten: Staatsausgaben senken, den Staat zurückfahren bis fast zum Nullpunkt, alle Staatsunternehmen privatisieren, keinerlei Subventionen für die heimische Industrie und Landwirtschaft, in welcher Form auch immer, Einfuhrzölle kappen und keine Exporte subventionieren. Wer sich nicht daran hielt, wurde dem Orkus preisgegeben. Beispiel: Zimbabwe.
So, dozierte man, würden diese Länder sich instandsetzen, den Entwicklungsrückstand aufzuholen und einer prosperierenden Zukunft entgegensehen. Das Ergebnis davon war ein Desaster für die Entwicklungsländer. Sie gerieten in immer größere Abhängigkeit von den Imperialisten und deren Kredite, konnten aber nicht aus der Umklammerung heraus, weil sie von den Krediten von Weltbank und IWF abhingen, die nur den „Gehorsamen“ gewährt wurden. Soweit sich einige Länder der Dritten Welt (China, Indien, Brasilien) zu Schwellenländern entwickeln konnten, erreichten sie dies dort und in dem Masse, indem sie alle diese Regeln missachteten und das Gegenteil taten, sobald sie halbwegs unabhängig von neuen Weltbank- und IWF-Krediten waren.
Man hätte dies leicht voraussehen können, denn die Entwicklung von einem unterentwickelten Land zu einem modernen Industriestaat wurde in allen Fällen im wesentlichen durch das Gegenteil erreicht.
England, Frankreich, die USA, Japan, Deutschland, sie alle hatten während der ganzen Zeit ihrer Entwicklung einen aufgeblähten Staatsapparat, der mit überdurchschnittlicher Bezahlung eine wachsende Binnennachfrage schaffte als Grundlage der Entwicklung. Alle diese Staaten hatten während ihrer Entwicklung eine Wand von Einfuhrzöllen rund um sich aufgebaut und stärkten so die einheimische Industrie und Landwirtschaft. Sie alle hatten während dieser Periode alle wesentlichen Dienstleistungen und Grossindustrien in der Hand des Staates (mit wenigen Ausnahmen), wie zum Beispiel die Stahlindustrie und die Minen, die Post- und Telefondienste, die Bahnen, das Erziehungswesen und die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, ebenso wie die Abwasserbehandlung und den Bau und Unterhalt von Straßen und in manchen Fällen auch die Banken.
Sie subventionierten alle ihre Exporte und Deutschland tut dies bis heute mit den berühmten Hermes-Krediten. Bis heute schützen sowohl die USA wie auch Japan und die EU ihre einheimische Landwirtschaft mit horrenden Subventionen. Auch die einheimische industrie erhält durch verschiedene Mechanismen hohe Subventionen. Es gibt in allen imperialistischen Ländern praktisch keine größere Industrieansiedlung, die nicht durch dutzende, hunderte oder tausende von Millionen Euro, Dollar oder Yen subventioniert wird. Von kostenloser Überlassung des Geländes über zinsfreie Kredite oder solche mit unüblich niedrigen Zinsen, über Steuerbefreiungen hin zu verlorenen Zuschüssen ist alles in der Palette.
Demgegenüber wurden die Entwicklungsländer gezwungen, jeden Ansatz einer heimischen Industrie absterben zu lassen, die eigene Landwirtschaft nicht gegen die subventionierten Produkte aus den imperialistischen Ländern zu schützen und sich ausschließlich auf Erzeugung von Rohstoffen zu konzentrieren, deren Preise mehr und mehr verfielen.
Das Ergebnis ist die wachsende Verelendung der Bevölkerung in den Entwicklungsländern, Kriege um Rohstoffe, instabile und korrupte Regierungen, Rebellen-Organisationen, die durch Imperialisten gesponsert werden, keinerlei nennenswerte einheimische Industrie und keine ausreichende einheimische Nahrungsmittelerzeugung. Als Folge dieser Politik der Ausbeutung und Unterdrückung sterben heute Zig Millionen Menschen jährlich an Hunger und anderen Begleitumständen des Elends, davon einige Millionen Kinder.
All dies war bereits vor dem Beginn der Krise bekannt, doch nun nimmt die Farce immer groteskere Züge an.
Die Prediger der Regeln der Nicht-Entwicklung (allen voran Bundespräsident Köhler, über Jahre Chef des IWF) sind weiterhin am Ruder und tröten ihre Weisheiten weiterhin in die Landschaft, so als ob die Realität nicht bestünde. Einige „Marktwirtschafts“-Fanatiker der Union und die gesamte FDP machen sich dabei besonders lächerlich.
Das wird jetzt besonders absurd, weil in der Krise nun alle imperialistischen Staaten wiederum zu den Werkzeugen greifen, die sie so lange benutzt hatten: Verstaatlichung, Teilverstaatlichung, großzügige Kredite zu Winz-Zinsen, Subventionen für die heimische Industrie, speziell die Autoindustrie und gigantische Aufblähung der Staatsausgaben, um den Abschwung zu verlangsamen.
Hier eine kleine Zusammenstellung (wer weiss, vielleicht lernen ja die Entwicklungsländer, wie man es machen muss):
Frankreich gewährte seiner Automobilindustrie (Renault, Peugeot, Citroen und RenaultTrucks, das zu Volvo gehört) einen großzügigen Kredit von 6,5 Mrd. Euro über fünf Jahre bei einem Zinssatz von 6% - bei den Banken hätte es das Doppelte gekostet. Als Bedingung wurde gestellt, die Firmen dürften keinen ihrer Standorte in Frankreich schließen (will sagen: „Die in anderen Ländern dürft ihr zumachen, soviel ihr wollt“). Außerdem hat Frankreich mit 19 Mio. Euro einen Anteil am Autozulieferer Valeo erworben sowie eine Abwrackprämie von 1000 Euro eingeführt.
Schweden – ein Land mit geringer Bevölkerung – hat für die heimische Automobilindustrie ein Paket in der Höhe von umgerechnet 2,6 Mrd. Euro geschnürt, verteilt auf Notkredite, Bürgschaften und Fördermittel. Davon profitiert vor allem Volvo, eine Ford-Tochter. Dagegen sieht man lächelnd zu, wie Saab (GM-Tochter) gegen die Wand fährt.
Man beachte: Scheinbar unerklärliche Willkür ist Bestandteil aller Subventionen. In den USA ließ man Lehmann Brothers den Bach hinunter gehen, rettete aber deren Konkurrenten Goldmann Sachs und die Grossbanken Bank of Amerika und Citi Group.
In den USA erhielten General Motors bereits 13,4 Mrd. $ und Chrysler 4 Mrd. $. Beide fordern mittlerweile schon einen Nachschub von rund 13 Mrd. $.
Deutschland hat bereits 1,5 Mrd. Euro des 50-Mrd-Konjunkturprogramms speziell für die Abwrackprämie als Unterstützung der Automobilindustrie bereitgestellt – mit 2500 Euro die höchste von allen. Jetzt wird ernsthaft erwogen, ob auf irgendeine Weise Opel und /oder Schäffler unterstützt werden sollen, während man andere Autoteilehersteller kalt lächelnd Pleite gehen ließ.
Italien hat 2 Mrd. Euro für eine Abwrackprämie von 1500 Euro bereitgestellt, die allerdings auch für Elektrogeräte gelten soll. Wie in Frankreich, wurde die Gewährung an die Automobilindustrie davon abhängig gemacht, dass Beschäftigungsgarantien für die italienischen Werke gegeben werden (auch hier: „Im Ausland dürft ihr alles zumachen“).
Südkorea hat Daewoo (GM-Tochter) bereits eine Unterstützung in noch unbekannter Höhe zugesagt. Neben der Automobilindustrie wird gezielt auch die Stahl- und Schiffsbau-Industrie unterstützt.
Russland schützt die Autoindustrie des Landes durch die Erhöhung der Importzölle. Im fernen Osten des Landes gibt es deshalb schon Aufstände, weil die Bevölkerung eigentlich auf die billigen Autos aus Japan angewiesen ist. Außerdem will die Regierung Autokäufer mit Beihilfen zu Krediten unterstützen. Die Regierung will den Banken rund 2 Mrd. Rubel (rund 44 Mio. Euro) zahlen, damit diese die Zinsen für Kaufkredite für 30 ausgewählte Modelle senken.
Sehr interessant, dass für alle diese „Hilfen“ keinerlei Regeln gelten, sie willkürlich nach „Nasenprämie“ und ohne irgendwelche „Gerechtigkeitsanforderungen“ vergeben werden, obwohl es sich in allen Fällen um horrende Beträge handelt. Haben Sie in Deutschland z.B. einen Wagen, der acht Jahre alt ist und keine neun, gehen Sie leer aus, während ihr Nachbar mit seiner alten Gurke 2500 Euro einsteckt. Dazu kommt, dass Hartz-IV-Geschädigte von der Teilnahme ausgeschlossen wurden. Nun haben da natürlich die meisten sowieso längst kein Auto mehr, aber für eine kleine Zahl von ihnen hätte das eine wichtige Hilfe sein können, doch noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, z.B. in die nächste grössere Stadt fahren zu können, wo es noch eine Montagsdemonstration gibt.
Auch wurde bisher in keinem einzigen Fall eine Unterstützung davon abhängig gemacht, dass die Welt-Auto-Industrie ihren Boykott von alternativen Autos ohne oder jenen mit stark verringertem Kohlendioxid-Ausstoß aufgibt. Alle Elektro-, Wasserstoff-, Solar-, Brennstoffzellen-, Biokraftstoff- usw. Autos sind bisher erfolgreich von den Autobossen verhindert wurden, weil man sein Monopol behalten will.
In Brasilien baut Renault dieses und andere Flex-Autos, die Benzin und Alkohol in jeder Mischung verarbeiten können. In Europa: Fehlanzeige.
Diese Subventionen und Verstaatlichungen sind aber auch und gerade darum ein Skandal, weil man den armen Ländern das Gegenteil predigte und predigt. Es herrscht das Motto: Tu, was ich sage, tu nicht , was ich tue!
Nun sollten wir aber das Gegenteil tun und diese Politiker bei ihren Taten nehmen, nicht den Worten. Wir sollten in wochenlanges Hohnlachen ausbrechen, wenn sie uns das nächste Mal erklären, es sei kein Geld da für einen Kindergarten, eine Krippe oder einen Hort, für ein Schwimmbad, für kleinere Klassen in der Schule, für die Gebührenfreiheit der Universitäten, für ein Jugendzentrum, für die Rückführung von Ein-Euro-Jobs in bezahlte Arbeit und vieles, vieles mehr.
An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!
Veröffentlicht am 27. Februar 2009 in der Berliner Umschau
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