BVG hebt Teile des Bayerischen Versammlungsgesetzes auf
Von Karl Weiss
Eine Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in letzter Zeit haben Zweifel an dessen Rolle als Schützer von Menschenrechten aufkommen lassen, so z.B. das Absegnen der Vorratsdatenspeicherung. Diesmal aber scheint das BVG seinen Pflichten nachgekommen zu sein und hat das bayerische Versammlungsgesetz in wesentlichen Teilen gekippt, das als letzte Entscheidung der damaligen CSU-Alleinregierung durch den Landtag gepeitscht worden war.
Dies wurde in einer Eilentscheidung verkündet, was extrem unüblich ist. Nur in Fällen von schwersten Verletzungen von Bürgerrechten werden Gesetze in Eilentscheidungen verändert. Im einzelnen wird noch zu prüfen sein, was wirklich gestrichen wurde und was weiterhin gültig ist. Aber es wird sowieso noch eine Verhandlung und Entscheidung inder Hauptsache geben.
Nachdem sogar die SPD sich der Klage gegen dieses Gesetz angeschlossen hat, neben den Grünen, der FDP und der Linken, Attac, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaft Verdi, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Bund Naturschutz in Bayern, dem Bayerischen Journalistenverband, der Humanistischen Union und dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, war bereits abzusehen, das könne keinen Bestand haben.
Doch der Skandal ist, dass dies Gesetz überhaupt eingebracht und beschlossen wurde. Dabei geht es hier nicht um einen speziell bayerischen oder CSU-Alleingang, denn in Baden-Württemberg wurde bereits ein fast gleichlautendes Gesetz vorbereitet. Dies Gesetz dokumentiert, was die ach wie so christlichen Unionsparteien vorhaben: den Obrigkeitsstaat.
Man sehe sich nur Details des in einem deutschen Landtag beschlossenen Gesetzes an:
Als „Versammlung“ wurde definiert jedes Zusammenkommen ab zwei (!) Personen, das nun einer schriftlichen Anmeldung bedurfte. Wenn ein junger Mann sich mit seiner Freundin trifft, kann das bereits als Versammlung definiert werden und zu hohen Geldbussen wegen der Nicht-Anmeldung führen. Man stelle sich dann erst einen Stammtisch vor, oder einen Fussballverein, ein Damen-Kränzchen oder einfach eine geschäftliche Besprechung. Um was geht es? Natürlich nicht darum, geschäftliche Besprechungen zu unterbinden. Es geht darum, dass man gegen jeden Missliebigen eine Waffe in die Hand bekommt, mit der er ganz legal kriminalisiert werden kann. Es geht um Handhaben gegen Dissidenten.
So war das immer mit Obrigkeitsstaaten, wie zum Beispiel dem preussischen damals. Man hat auslegbare Gesetze, mit denen man jedem an den Kragen gehen konnte, der unerwünscht war.
Die in ganz Deutschland vorher geltende Bestimmung, dass es aus aktuellen Anlässen zu spontanen Versammlungen kommen kann, die keiner Anmeldung bedürfen, wurde aufgehoben. Jede Versammlung brauchte nun nicht nur eine Anmeldung, sondern auch eine Genehmigung.
Besonders exzessiv waren die Überwachungsrechte, die den „Sicherheitsbehörden“ bei Versammlungen zugestanden wurden: „ ... erlaubt dieses Gesetz der Polizei, von jeder Versammlung "Übersichtsaufnahmen" anzufertigen und die per Video oder sonstwie gewonnenen Daten von jeder Einzelperson auszuwerten und unter Umständen sogar unbegrenzt zu speichern.“ berichtet die „Süddeutsche“.
Speziell der gepfefferte Bussgeldkatalog wurde aufgehoben, denn für Bestrafungen müssen offensichtlich eindeutige Bestimmungen und Beschreibungen der „Straftaten“ vorliegen. Auch hier wieder: Die Absicht war, Handhaben gehen missliebige Personen zu haben.
Auch wurde in Bayern eine Versammlung illegal und bussgeldpflichtig, wenn sie „ein einschüchterndes Erscheinungsbild“ habe. Das kann beliebig ausgelegt werden und genau darum geht es ja auch, wenn man einen Obrigkeitsstaat will.
Der Bürger, konstatiert das BVG, hat ein Kommunikationsgrundrecht, das nicht ohne klare Begründung und fest umrissenen Bedingungen eingeschränkt werden kann. Die gilt auch für die Kommunikation über Telefon und Internet. Die entsprechenden Entscheidungen des BVG hierzu stehen noch aus.
Wir sind also gewarnt: Die Union will ohne Rücksicht auf Verluste den Obrigkeitsstaat und wird alles, aber auch alles versuchen, um ihn unter allen möglichen Vorwänden einzuführen.
Auf die FDP, die sich früher einmal als Partei der Rechtsstaatlichkeit versuchte zu profilieren, kann man bei der Abwehr dieser Gefahren nicht setzen. Obwohl die CSU nach der verlorenen Landtagswahl auf den Partner angewiesen war, machte sie die Zusammenarbeit mit der Obrigkeitsstaatspartei nicht von einer Änderung dieses Gesetzes abhängig – obwohl selbst die „Süddeutsche“ dies Gesetz als „Aberwitz“ bezeichnet.
Veröffentlicht am 3. März 2009 in der Berliner Umschau
Das zeigt aber auch deutlich wie viel Angst die Politiker inzwischen wohl vor 'ihrem' Volk haben müssen, wenn sie glauben solche Gesetze zu brauchen...
Die wissen wohl nur zu gut, wer - um mal mit dem "Anhalter" zu sprechen - als erstes an die Wand gestellt werden wird, wenn die Revolution kommt...
P.S: letzteres meinte nicht, was ich tun würde... sondern was weniger rücksichtsvolle Menschen dann tun werden...