Ronaldo versucht Comeback bei Corinthians São Paulo
Von Karl Weiss
Ronaldo – ja, DER Ronaldo, nicht Ronaldinho, nicht Cristiano Ronaldo – ist seit einem Jahr verletzt und musste Operationen über sich ergehen lassen. Der AC Mailand hat ihm keine Vertragsverlängerung angeboten. Mit seinen 32 Jahren ist seine internationale Karriere beendet. Aber für Brasilien reicht es noch, dachte sich da jemand.
Ronaldo im Trikot von Corinthians
Zuerst versuchte er beim Club seines Herzens unterzukommen, Flamengo Rio de Janeiro – Ronaldo ist aus Rio – aber da war das Interesse wohl nicht gross genug.
Dann wurde er mit Corinthians São Paulo in Verbindung gebracht, dem Verein mit den zweitmeisten Anhängern in Brasilien – nach Flamengo - und glatten 70 % der Fussballfans in der 20-Millionenstadt São Paulo. Tatsächlich unterschrieb er im Dezember einen 1-Jahresvertrag bei Corinthians.
Corinthians brauchte dringend eine Identifikationsfigur, denn man war vor zwei Jahren in die zweite Liga abgestiegen und schaffte letztes Jahr den unmittelbaren Wiederaufstieg als Meister der zweiten Liga. Niemand kann vorhersehen, wo Corinthians in dieser Meisterschaftsrunde stehen wird.
Das Verhältnis der brasilianischen Fussball-Anhänger zu Ronaldo ist durchweg gemischt. Einerseits erkennt man seine Leistungen an. Immerhin war er es, der die zwei Tore in Japan im WM-Endspiel 2002 gegen Deutschland schoss, an was sich deutsche Fussball-Fans meist noch erinnern und speziell Torhüter Kahn, dem beim ersten Tor nach einem Gewaltschuss von Rivaldo der Ball aus den Händen sprang.
Ebenso ist zu erwähnen, dass Ronaldo mit 15 Toren die Torschützenliste in Weltmeisterschaften anführt. Allerdings hat Ronaldo dazu 4 WMs (1994, 1998, 2002 und 2006) gebraucht, während der wirkliche Rekord der von Gerd Müller ist, der in lediglich zwei Weltmeisterschaften 14 Tore schoss (1970, 1974).
Andererseits ist aber Ronaldo in Brasilien auch der als Hauptverantwortlich geltende für die beiden Niederlagen gegen Frankreich im Endspiel 1998 und bei der WM in Deutschland 2006. In Frankreich hatte er einen nervösen Krampfanfall vor dem Endspiel, wurde aber trotzdem aufgestellt und brachte auf dem Feld nichts zustande. In Deutschland waren er und Roberto Carlos die Symbolfiguren für ein schwaches Auftreten der ganzen Elf, die der Niederlage gegen Frankreich keinen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen schien.
Ronaldo war immerhin drei Mal zum Fussballer des Jahres gewählt worden und stellte für Jahre eine der Symbolfiguren Brasiliens dar. So nahmen und nehmen ihm viele Brasilianer seine Affären übel, die ihn zwar nicht als Fussballer, aber als Menschen disqualifizieren.
Zum einen ist Ronaldo einer der notorischsten Weiberhelden unter allen Prominenten. Als er sich nach mehreren Affären mit bekannten Frauen mit allem Pomp mit dem brasilianischen Topmodell Cicarelli verheiratet hatte, ging die Ehe innerhalb von 14 Tagen auseinander, weil sie ihn in einem anderen Bett erwischt hatte.
Der Begriff Weiberheld ist auch nicht ganz korrekt, denn da war auch ein Travesti unter den „Weibern“. Ende letzten Jahres , als er sich in Rio von der letzten Operation erholte, wurde er polizeinotorisch mit einem Travesti, der reklamierte, Ronaldo habe ihm nicht den vereinbarten „Liebeslohn“ bezahlt.
Das war besonders peinlich, denn zur gleichen Zeit war er mit Maria Antony liiert, die eine gemeinsame Tochter erwartete, welche am 24. Dezember geboren wurde. Kurze Zeit danach trennte sich das Paar. Danach wurde Ronaldo wiederholt mit verschiedenen unbekannten Frauen in diversen Diskotheken und Clubs fotografiert.
Aber auch die mangelnde Disziplin Ronaldos ist weithin bekannt. Als er in Deutschland 2006 vor der Weltmeisterschaft zum Team Brasiliens stiess, hatte er um die zehn Kilo Übergewicht. Er hatte sich nicht an die Trainingseinheiten gehalten, die er in den Wochen vorher hätte absolvieren müssen. Jeder andere wäre postwendend nach Hause geschickt worden, aber er war eben Ronaldo, das Phänomen, wie man ihn in Brasilien zur Unterscheidung von Ronaldinho nennt, der hier meist mit dem Zusatz „Gaúcho“ versehen wird, weil er aus dem südlichsten brasilianischen Bundesland Rio Grande do Sul stammt. Ein weiterer Grund, warum die Brasilianer Ronaldo als einen der Hauptverantwortlichen für das schwache Abschneiden in Deutschland ansehen.
Jetzt, im Hotel, in dem sich Corinthians auf die kommende Saison vorbereitet, verschwand er vergangene Freitag Nacht und wurde in einen Nachtlokal zusammen mit dem früheren brasilianischen Nationalspieler Antonio Carlos gesehen, der bei Corinthians Fussball-Direktor war. Erst im Morgengrauen kam er zurück und wurde mit den üblichen Geldstrafen versehen. Antonio Carlos musste von seinem Posten zurücktreten.
Wie man bei einem Probetraining am Wochenende sehen konnte, ist Ronaldo weiterhin übergewichtig. Nach Angaben seines Trainers steht er nicht mehr als eine Halbzeit durch. Nun soll er am Wochenende bei einen Pokalspiel gegen die unterklassige Mannschaft von Itumbiara auf die Bank gesetzt werden und darf wohl in der zweiten Halbzeit spielen. Das wäre sein erster Einsatz seit fast einem Jahr.
Veröffentlicht am 5. März 2009 in der Berliner Umschau
Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/5561613/modTrackback