Jetzt hat die Regenwaldvernichtung Gesichter

Neues brasilianisches Gesetz erlaubt Abholzen und Abbrennen

Von Karl Weiss

Wenn in einigen Jahrzehnten einmal feststehen wird, dass die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes mit entscheidend zu der Situation beigetragen hat, die ein Überleben der Menschheit, wie wir sie kennen, unmöglich machen wird, so könnte eventuell der Juni 2009 als einer der entscheidenden Meilensteine auf diesem Weg hervorgehoben und die Namen der jetzigen Brasilianischen Präsidenten Lula und der Brasilianischen Senatorin Abreu als Hauptverantwortliche genannt werden.

Regenwald-Abholzung Brasilien

In Brasilien wird im Moment gerade ein Gesetz beraten, das allen Landbesetzern im Amazonas-Gebiet, die sich Staatsland angeeignet haben und dabei auf keinen Widerstand gestoßen sind, die Besitzrechte auf dieses Land zuschreibt und gleichzeitig bis zu 40% des Landes zum Abbrennen oder Abholzen freigibt.

Das Gesetz wurde in einer ersten Version in die beiden Kammern eingebracht und im Senat leicht verändert, aber die wichtigen Eckpunkte sind geblieben. Präsident Lula hat das Gesetz eingebracht und gleichzeitig die Vertreterin der brasilianischen herrschenden Schicht von (hauptsächlich) Großgrundbesitzern, die Senatorin Kátia Abreu, zur Sprecherin für dieses Gesetz ernannt, was in der Regel noch weitere Verschlechterungen des Gesetzestextes verursacht.

Brasilianische Senatorin Kátia Abreu

Im Amazonasgebiet sind große Teile des Landes im Staatsbesitz. Interessierte an solchen Ländereien, sei es zur Viehzucht, sei es zur Edelholzgewinnung, eignen sich solche Gebiete an und werden daran in der Regel nicht gehindert, weil die Brasilianische Bundesregierung ebenso wenig wie die Landesregierungen der Amazonas-Staaten mit Polizei oder Truppen gegen solche Inbesitznahmen vorgeht. Das hat daher eine Bedeutung, weil nach einem Brasilianischen Gesetz alle, die einen gültigen Rechtstitel auf Land im Amazonasbecken haben, das Recht haben, 40% davon abzuholzen oder abzubrennen.

Chávez und Lula
Hier sei noch angemerkt, dass Venezuela ebenfalls einen grossen Bereich von Regenwald hat, wo mit gleicher Geschwindigkeit abgeholzt und abgebrannt wird wie in Brasilien

Wird also jetzt mit dem neuen Gesetz diese illegale Inbesitznahme nachträglich legitimiert, ist eine weitere Beschleunigung der sowieso schon beängstigend schnellen Abholzung der Regenwälder im Amazonasgebiet vorgezeichnet – und vor allem dann völlig legal.

Wenn in einigen Jahrzehnten, eventuell schon im Jahr 2030, vom Amazonasregenwald nur noch unzusammenhängende Stücke vorhanden sein werden, wird auch der Rest schnell verschwinden, weil dann die vom Wald selbst verursachten häufigen Niederschläge ausbleiben werden, die ihm den Namen Regenwald gegeben haben. Innerhalb von Jahren kann das Gebiet dann zu einer Steppe bzw. Wüste werden.

Damit würde soviel zusätzliches CO2 in die Erdatmosphäre kommen, dass die schon begonnene Klimakatastrophe mit hoher Wahrscheinlichkeit unumkehrbar wäre. Damit wäre das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, eingeleitet.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Angesichts der Rolle als Einpeitscherin der Großagrarier, die hauptverantwortlich für die Regenwaldvernichtung sind, ist es zynisch, dass Frau Abreu die Regierung Lula anklagt, keine Umweltpolitik zu haben. Sie hat vollständig recht damit, kocht aber eben gerade ihre Süppchen auf diesem Fakt.

Nachdem die zuständige Ministerin Marina Silva vor wenigen Monaten spektakulär zurückgetreten war, wird nun zum zweiten Mal in kurzer Zeit deutlich: Die Regierung Lula tut in Wirklichkeit nichts gegen die Vernichtung des Regenwaldes im Amazonasgebiet, trotz gegenteiliger Beteuerungen – im Gegenteil, sie ist in diese Vernichtung selbst involviert.


Veröffentlicht am 17. Juni 2009 in der Berliner Umschau

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