Die Lehren aus Kopenhagen
Von Karl Weiss
Verdächtig schnell hat sich das Medien-Echo auf das völlige Fiasko des Kopenhagen-Klima-Gipfels gelegt. Das wichtigste Ereignis von 2009 wird gerade mal am Ende der Jahresrückblicke kurz gestreift, ansonsten ist es aber schon zu den Akten gelegt. Nirgendwo konnte man einen wirklich ernsthaften Versuch lesen, hören oder sehen, zu ergründen, WARUM denn der Kopenhagen-Gipfel so grandios gescheitert ist.
Man war sich lediglich einig, dass die Abschlusspapiere nichts enthalten, was nicht längst vorher als Absicht verkündet worden war und nun erneut als unverbindliche Absicht erklärt wird.
Ja, der Bürger-Journalist hätte diesmal etwas darum gegeben, wenn seine Vorhersagen nicht gestimmt hätten, aber sie trafen voll ein. Bereits nach der ebenso gescheiterten Bali-Konferenz vor zwei Jahren hatte er geschrieben (17. Dezember 2007):
„Ein weiterer Flop. Nach dem absolut ergebnislosen Gipfel von Heiligendamm, nach den misslungenen Versuchen, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation wieder in Gang zu bringen, nach dem Gipfel von Anaheim [Nahostkonferenz], der lediglich das Ergebnis brachte, man werde weiter verhandeln, ist nun auch der Weltklimagipfel auf Bali in Indonesien völlig ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Man schrieb zwar in einen Anhang, eigentlich bräuchte man 25 bis 40% weniger Ausstoß von CO2 bis 2020, aber darauf konnte man sich eben nicht als Verpflichtung einigen. Das einzig Konkrete wie in Anaheim: Weitere Verhandlungen sollen folgen.
Was geht also vor, was macht es unmöglich, internationale Vereinbarungen zu schließen?
Zum einen ist dies ein deutliches Anzeichen der absoluten Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, noch zur Lösung irgendeiner Frage der Menschheit beitragen zu können. Da der Kapitalismus noch nicht vom Sozialismus abgelöst wurde, geht er in seiner Endphase in die kapitalistische Barbarei über.
Das zeigt sich deutlich darin: Die Staaten als einzige Macht in den Ländern werden schwächer, [es ist ihnen immer weniger erlaubt, Verträge abzuschließen, die den Monopolen nicht in den Kram passen] und können immer weniger internationale Vereinbarungen abschließen. Gleichzeitig werden kriminelle Mafia-Organisationen und Unternehmen, die ähnlich wie solche agieren (siehe: Siemens), immer stärker und beginnen die Staatsmacht herauszufordern. Die Tendenz geht zu Warlord-Ländern, wo von internationalen Vereinbarungen nicht einmal mehr geträumt werden kann. Einige Entwicklungsländer sind schon weit fortgeschritten auf diesem Weg.
Die sozialistische Revolution steht in jeder Beziehung auf der Tagesordnung.“
Liest man heute einmal nach, welche Hoffnungen noch im Oktober, November und teilweise Anfang Dezember für den Kopenhagen-Gipfel geweckt wurden, ist das Abtauchen des Themas in die Versenkung drei Tage nach dem Ende der Konferenz absurd. Die Welt würde gerettet werden in Kopenhagen, jubilierte man. Ein 30 %iges Absenken des Treibhausgas-Ausstoßes (im Vergleich zu 1990) bis 2020 werde vereinbart werden, die USA und China würden ins Boot geholt werden, der frisch gebackene Nobelpreisträger Obama werde das Umwelt-Thema auf seine Fahnen heften und siegreich aus dem Gipfel hervorgehen mit weitgehenden Verpflichtungen, mit internationalen Kontroll-Mechanismen und mit Riesen-Investitionen in alternative Energieträger.
Doch das tatsächliche Ergebnis der Konferenz sind nur unverbindliche, leere Worte und der Hinweis auf weitere Verhandlungen und weitere Konferenzen. Wäre es da nicht des Schweißes der Edlen wert gewesen, die Ursachen dieses Desasters herauszufinden? Doch die „Analysen“ blieben seltsam allgemein. Die Politiker hätten sich als „unfähig“ erwiesen, die diplomatischen Kanäle seien nicht ausreichend genutzt worden, man hätte China mehr unter Druck setzen müssen, nein, Obama hätte mehr Druck gebraucht, usw.
Nun, tatsächlich hatte die chinesische Delegation schlicht und einfach alles abgelehnt, keine Verpflichtung, keine Überwachung, nichts! Tatsächlich war die Rede Obamas am letzten Konferenztag, die eigentlich einen Durchbruch hätte bringen sollen, von allen, die nicht engste US-Verbündete sind, als Enttäuschung bezeichnet worden und enthielt wirklich nur leere Worte, Allgemeinplätze und Unverbindlichkeiten – aber warum waren diese Leute denn nicht unter Druck gesetzt worden?
Einen kleinen Hinweis bekommt man, wenn man den Kommentar von Arbeitgeber-Präsident Hundt zum Scheitern der Konferenz hörte. Er sei enttäuscht, so Hundt, denn ein Abkommen hätte Verbesserungen der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie bedeuten können. So, ohne Abkommen, sei dies nicht erreicht worden.
Moment mal, ging es nicht um die Verhinderung der Umwelt-Katastrophe? Ja, das dachten Sie! In Wirklichkeit waren alle da, um ihren jeweiligen Monopolen (Groß-Konzernen und -banken) zu verbesserter Ausgangsstellung am internationalen Markt zu verhelfen. Und da hierzu nun mal unterschiedliche Interessen vorliegen, konnte natürlich keine Einigung erzielt werden.
Das ist eben das, was der Bürger-Journalist als Eintreten in die kapitalistische Barbarei bezeichnet hatte: Lauter Einzelinteressen. Die gemeinsamen interessieren nicht (mehr). Herr Hundt ist um das Klima genauso besorgt, wie darum, ob auf dem Mond eine Tür zufällt.
Der Kapitalismus kann kein einziges Problem der Menschheit mehr lösen. Wie viele Beweise wollen Sie noch?
Aber Kopenhagen war nicht nur ein Desaster, es gab auch zu Hoffnungen Anlass. Aber wegen dem, was vor den Toren der Konferenzgebäude vor sich ging. Bis zu 200.000 Menschen demonstrierten dort zeitweise. In vielen Teilen der Welt gab es große Proteste, die auch beginnen kämpferischer zu werden. Das gibt Hoffnung auf eine neue, kämpferische Umweltbewegung, getragen auch und gerade von der Jugend.
Kampf – sie verstehen keine andere Sprache!
Veröffentlicht am 4. Januar 2010 in der Berliner Umschau
Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/6120149/modTrackback