Freitag, 5. Februar 2010

Der WDR-Baganz-Skandal

Sauereien und Korruption

Von Karl Weiss

16. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf treibt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 3. August 2006 [mit ein paar Zusätzen], der weiterhin aktuell ist, denn weiterhin ist der Skandal um Staatssekretär Baganz und den Intendanten des WDR nicht geklärt, ja, er wurde von den "offiziellen" Medien einfach ignoriert, nachdem man ihn kurz erwähnt hatte. Das genau ist ja gerade, was wir den Mainstream-Medien vorwerfen: Die Skandale werden nicht verfolgt. Man nimmt sie nach kurzer Zeit aus der Öffentlichkeit und vertraut auf das kurze Gedächtnis der Bürger. Da aber gerade mal wieder Wahlen in NRW anstehen, ist dieser Artikel so aktuell wie nicht einmal zum Zeitpunkt seines Erscheinens.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat es wirklich eilig. Nur ein Jahr im Amt und bereits der zweite hohe Amtsträger in einen Skandal verwickelt. Nachdem ausgerechnet der Bauminister Wittke Hauptverantwortlicher in einem Bauskandal in Gelsenkirchen ist (die Berliner Umschau berichtete), ist es jetzt der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Dr. Jens Baganz, dessen Name in den Medien in rufschädigenden Zusammenhängen erscheint. Und der WDR (Westdeutscher Rundfunk) hat auch seinen Skandal.

Dabei muß man sich wirklich fragen, ob die CDU in Nordrhein-Westfalen kein weniger kompromittiertes Personal zu bieten hat. Ist die Personaldecke wirklich so dünn, daß man Politiker in höchste Ämter bringen muss, denen der Korruptionsschleim nur so von den Händen tropft? Es handelt sich nämlich in beiden Fällen gar nicht ursächlich um Aktivitäten in der Landesregierung, die jetzt Anlaß zu Skandalen geben, sondern deren „Vorgeschichte“. Beide Spitzenpolitiker haben nämlich eine Vergangenheit als Bürgermeister, Wittke in Gelsenkirchen und Baganz in Mülheim.

Wittke hatte als Gelsenkirchener Bürgermeister einen Vertrag für die Sanierung des damals als Rathaus genutzten Hans-Sachs-Hauses unterschrieben, der dem Stadtrat als Ganzem in der endgültigen Version nicht gezeigt worden war, nur ausgewählten Freunden Wittkes. Er schusterte den Firmen und Banken des Sanierungs-Zusammenschlusses [Konsortiums] lasche 25 Millionen Euro zu, an den Stadträten Gelsenkirchens vorbei. Die Sanierung erwies sich als unbezahlbar und das Hans-Sachs-Haus wurde zur größten Bauruine des Landes - und der neue Bauminister der Verantwortliche. Sowas nennt man Feingefühl bei der Auswahl der Minister, nicht?

Baganz ist dagegen mehr auf der Don-Juan-Spur. Die christliche CDU, christlichen Werten wie der ehelichen Treue verpflichtet und in der Abkehr von diesen Werten den Untergang des Abendlandes vermutend, nimmt es nicht mehr so genau mit der ehelichen Treue, wenn es um herausragende Persönlichkeiten der eigenen Partei geht. Bürgermeister Baganz von Mülheim legte sich nämlich eine Geliebte zu, eine gewisse Ute Jasper, Rechtsanwältin ihres Zeichens und lebte dann auch mit ihr zusammen. Genau dieser Frau gab er einen millionenschweren (1,4 Mio. Euro) Beratervertrag mit der Stadt Mülheim, als Bürgermeister!

Sie war als Beraterin dafür verantwortlich, daß beim Verkauf der städtischen Werte die RWE und nicht die Gelsenwasser die Wasserwerke bekommen hat, obwohl jene 80 Millionen mehr geboten hatte. Ähnlich verhielt es sich beim Verkauf der Mülheimer Entsorgungsbetriebsanteile. Den Zuschlag bekam - ohne Ausschreibung - die vor allem in Köln inzwischen gerichtsnotorische Trienekens.

Es wurde nie eindeutig bewiesen, ob und wieviel die Rechtanwältin und/oder ihr ‚Lover’ für diese Liebesdienste von RWE und Trienekens erhielten, aber der gesunde Menschenverstand ...

Als dies alles herauskam, trat Baganz einfach zurück und - nichts. Keine Ermittlungen. Keine „brutalstmögliche Aufklärung“. Das ist nun immerhin schon 4 Jahre her.

Er verschwand von der Bildfläche (die Menschen haben ein kurzes Gedächtnis) und arbeitete eine Zeit als „Berater“, interessant, nicht? Diese Art von Leuten fallen immer auf die Füße.

Und die Partei stand weiter wie ein Mann hinter ihm. Kaum kam man in Nordrhein-Westfalen an die Regierung, wurde er schon wieder in ein hohes Amt gerufen. Seine Geschichte prädestinierte ihn ja für so etwas, nicht wahr?

Die Schlauberger und die „Experten“ finden immer zusammen, nicht?

Nun passierte aber etwas unschönes. Im Zuge ihrer Recherchen über die desaströsen Privatisierungen nordrhein-westfälischer Kommunen stießen der Kölner Autor und Klüngel-Experte Werner Rügemer und die Redakteurin Leslie Rosin vom WDR auf die Mühlheim-Geschichte. Sie wurde auf dem Rundfunksender WDR 5 gesendet. Das Manuskript, wie üblich, im Internet zur Verfügung gestellt.

Na, fast niemand hört WDR 5, aber wer hat es schon gerne, wenn seine Machenschaften im Internet eingesehen werden können? Ermutigt von seinem CDU-Parteifreund Thomas Kemper, damals Medien-Staatssekretär, beschwert sich Baganz gleich ganz oben, bei WDR-Intendant Fritz Pleitgen und verlangte, das Material aus dem Internet zu nehmen.

Hätte es irgendeine nicht belegte Behauptung oder gar Unwahrheit enthalten, hätte Baganz einfach eine teure Abmahnung oder gleich einen Prozeß androhen und so erreichen können, daß der Beitrag hätte entfernt werden müssen. Daß er das nicht tat, belegt also, daß alles wahr und belegt ist. Er weiß das alles ganz genau als promovierter Volljurist.

Immer Juristen. Haben die im Jura-Studium ein Fach 'Sauereien und Korruption'?

Ab diesem Moment, wird das Ganze von einem Skandal Baganz zu einem Skandal WDR-Baganz. Denn statt der üblichen vorgedruckten Antwort, die normale Bürger bekommen, wenn sie sich über schlechte Behandlung ihrer Person im Äther beschweren, nach dem Motto: „Haben nichts zurückzunehmen, wenn Sie sich beleidigt oder verleumdet fühlen, steht Ihnen der Rechtsweg offen“, reagierte der WDR unter Pleitgen damit, das ganze 35-seitige „Feauture“ des WDR 5 auf Fehler absuchen - und siehe da, man wurde fündig.

Der Rundfunkbeitrag hatte tatsächlich die Aussage von Baganz, er werde vom RWE-Konzern und der WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) unterstützt, auf kurz vor dem Rücktritt gelegt. Die war aber schon Monate vorher gefallen.

Damit hatte man einen Vorwand, dem Wunsch nachzukommen, das CDU-inkriminierende Material aus dem Internet zu nehmen.

Rein zufällig ist Pleitgen für seine Wiederwahl auf die CDU-Stimmen angewiesen. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.

Wie es sich gehört bei Obrigkeit, muß man sich natürlich auch noch entschuldigen. Das tat WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel in einen Entschuldigungsbrief an CDU-Staatssekretär Baganz. Unterwürfigst liest man da: "Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen."

Es lebe die Demokratie! Wenn es sie denn gäbe.

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