Lehrerchaos in Deutschland
Von Karl Weiss
Lehrermangel droht! Der deutsche Philologenverband klagt: „Es fehlen 45 000 Lehrer!“. Doch Zehntausende von Lehramtsanwärtern bekommen keine Referendarstelle oder nach dem Referendar keine feste Anstellung! Was ist los? Bundesdeutsches Lehrerchaos!
Früher einmal waren die Deutschen weltweit bekannt für ihr Organisationstalent. Ein jüdischer Freund des Bürgerjournalisten hat sogar einmal jene jüdische Form des schwarzen Humors ins Extreme gedehnt, als er sagte: „Kein anderes Volk der Erde hätte das geschafft. Innerhalb von weniger als 4 Jahren 6 Millionen Juden! Nur die Deutschen!“
Das scheint sich gelegt zu haben. Soll man sagen „leider“ oder „Gott sei Dank!“?
Jedenfalls sind die deutschen Kultusministerien nicht ansatzweise in der Lage, Zahl und Verteilung unter den Bundesländern der Lehramtsanwärter (sprich Lehramtsstudenten der verschiedenen Fächer und Referendare) unter sich zu regeln, mit ihnen in Kontakt zu treten und für eine Versorgung sowohl der jungen Anwärter mit Referendarstellen und Lehrerstellen zu sorgen als auch der Schüler, die Lehrer brauchen.
Offensichtlich verhindern die persönlichen und Parteiinteressen der Kultusminister und ihrer Adjutanten sowie auch deren obrigkeitsstaatliche Ansichten („die sollen sich gefälligst bewerben“) eine positive Zusammenarbeit zum Wohl von jungen Lehrern und der Schüler. Dabei gibt es sogar die Institution der „Ständigen Konferenz der Kultusminister“, die bei so etwas helfen könnte. Aber auch diese Organisation scheint mehr mit Kleinkrieg beschäftigt zu sein als sonst etwas.
Da berichtet „heute“ vom ZDF zum Beispiel von einem Berliner Lehramtsanwärter, dessen eines Fach Mathematik ist, genau das, welches am meisten gesucht wird – wenn es denn gesucht würde. Er bestand 2008 die Abschlussprüfung mit 2,1, also einer wirklich guten Note.
Dann bewarb er sich um einen Referendarplatz und wurde für zwei Jahre nicht angenommen!! Dabei wird gerade in Berlin besonders laut über den Mangel an Mathelehrern geklagt. Erst jetzt, mehr als zwei Jahre später, bekam er einen Referendarplatz – in Hamburg!
Weiter berichtet ‚heute’, dass in Nordrhein-Westfalen jetzt, im Sommer 2010, von 2762 Bewerbern für Referendarstellen nur 957 angenommen wurden. Da spielt auch eine Rolle, dass sich in Nordrhein-Westfalen viele bewerben, die nicht dort ihren Abschluss gemacht haben.
Hessen dagegen, so wird berichtet, würde weit weniger Referendare annehmen, als es ausgebildet hätte.
In Bayern ist es wiederum so, dass für alle, die sich bewerben, Referendarstellen da sind. Allerdings werden später ein großer Teil von ihnen nicht als Lehrer eingestellt.
Dabei muss man auch berücksichtigen, dass viele der Anwärter für Referendarplätze und Lehrerstellen bereits an die 30 Jahre auf dem Buckel haben. Wer einige Scheine in einem Semester nicht schafft, muss wiederholen. Dann bekommt er auch Bafög gesperrt und ist gezwungen zu jobben, um sich über Wasser zu halten. Das führt dann dazu, dass er wiederum einige Scheine nicht schafft usw. Dazu kommen jetzt auch noch die Studiengebühren, die manche Studenten zwingen, semesterweise zu jobben.
Mit 30 hat man aber oft schon Verantwortlichkeiten. So mancher ist schon verheiratet oder will heiraten, hat eventuell schon ein Kind. Dann ist es fast unerträglich, zwei Jahre hingehalten zu werden, bis man auch nur eine Referendarstelle bekommt – ganz zu schweigen davon, dass man nicht weiß, ob und wo man danach als Lehrer angestellt wird.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat verlauten lassen, allein in Berlin würden im nun beginnenden Schuljahr bis zu 400 Mathematik- und Physiklehrer fehlen. Der zuständige Senator dagegen, Zöllner von der SPD, behauptet, da sei nichts dran.
Der Bürger-Journalist hat einen Lehrer gefragt, der sagte, es seien schon in den ganzen letzten Jahren Stellen eingespart worden. Nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch innerhalb der Länder, sei die Organisation katastrophal. Eigentlich müsste immer ein Potential von Aushilfslehrern zur Verfügung stehen, wenn mal jemand krank wird. Tatsächlich würden aber immer mehr Stunden ausfallen.
Hört sich gut an, was? Das praktisch rohstoffreie Deutschland, das vollständig auf gut ausgebildeten Nachwuchs angewiesen ist, verschläft diese Aufgabe, weil die Politiker vollständig mit Intrigen und Antichambrieren in der Partei und gegen andere Parteien beschäftigt sind und für so unwichtige Dinge wie die Bildung unserer Jugend keine Zeit haben.
Noch eine Zahl, damit Sie auch sehen, es geht wirklich überall hanebüchen zu : In Brandenburg haben sich dieses Jahr 1039 Absolventen um Referendarplätze beworben. Nur 293 wurden angenommen.
Der Lehrer, unser wichtigstes Gut in Deutschland! Zuerst lässt man ihn Jahre auf einen Referendarplatz warten, dann hat er glücklich seine Referendarzeit abgedient und wird nicht in den Schuldienst übernommen. Er schlägt sich mit Taxifahren oder als Zeitarbeiter in einer Firma durch, nimmt anderen Leuten den Arbeitsplatz weg und wenn er dann eventuell drankäme, ist er eventuell schon gar nicht mehr in der Lage, Schulstunden zu geben.
Prost Mahlzeit, die Zukunft Deutschlands! Aber unsere Politiker, unsere Politiker, sind alles ehrenwerte Männer!
Veröffentlicht am 27. August 2010 in der Berliner Umschau
Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/6484614/modTrackback