Der Papst im brasilianischen Wahlkampf
Von Karl Weiss
Am Sonntag findet die Stichwahl für das Amt des Präsidenten von Brasilien statt. In den Umfragen führt bisher noch Dilma Roussef von der Partei der Arbeiter, die von Präsident Lula als Nachfolgerin auserkoren wurde und die erste Frau in der Präsidentschaft des Landes wäre. Bisher noch etwa 10% zurück in den Umfragen liegt José Serra, der Kandidat der brasilianischen Oligarchie, die Brasilien seit der Erklärung der Republik im Jahr 1889 unter ihrer Knute hatte.
Nun hat wenige Tage vor dem entscheidenden Wahlgang der Papst in Rom eine öffentliche Erklärung an die Bischöfe Brasiliens abgesetzt, in der sie auffordert, „für das Leben“ in den brasilianischen Wahlkampf einzugreifen. Wenn Katholiken von „Leben“ sprechen, dann meinen sie nicht das miserable, das die katholischen Autoritäten seit Jahrhunderten der Mehrheit der Menschen zumuten, sondern sie meinen Embryonen, die nach ihrer Ansicht unter keinen Umständen abgetrieben werden dürfen.
Ist der Mensch einmal geboren, dann gilt die Sorge der katholischen Kirche nicht so sehr dem Überleben des Menschen, was ihre Beteiligung an und Unterstützung von Kriegen belegt, aber vor der Geburt, da muss der Embryo unter allen Umständen erhalten werden nach ihrer Doktrin.
Diese zynische Behandlung des „Lebens“ ist in Brasilien noch Gesetz. Es darf auch bei Vergewaltigung nicht abgetrieben werden, es darf in den ersten drei Monaten nicht abgetrieben werden, es darf auch bei Lebensgefahr der künftigen Mutter nicht abgetrieben werden, ja nicht einmal ein 11-jähriges Mädchen, das hier nach einer Vergewaltigung schwanger wurde, durfte eine Abtreibung bekommen.
Präsident Lula hatte schon einmal erkundet, ob man nicht zumindest in den Extremfällen die Abtreibung straffrei stellen könnte, hat dann aber nach dem Aufschrei der „offiziellen“ Katholiken lieber die Finger davon gelassen.
Es wird schon im ganzen Wahlkampf versucht, dieses Thema zum Hauptthema der Wahl zu machen. Man setzt darauf, dass ein überwiegender Teil der Brasilianer gläubig katholisch ist und dass zusätzlich ein Teil evangelikalen Kirchen und Sekten angehört, die ebenfalls die Abtreibung unter allen Umständen bestraft sehen wollen.
Nicht dass in Brasilien weniger abgetrieben würde als etwa in Deutschland, nur sind hier die Abtreibungen illegal und damit sterben weit mehr Schwangere beim Versuch der Abtreibung, die oft unter prekären Umständen durchgeführt wird, als etwa in Deutschland, wo es eine legale Möglichkeit der Abtreibung gibt.
Doch auch das Leben dieser Mütter kann die katholische Kirche nicht erschüttern. Da wird deutlich, es ging nie und geht nicht um „Leben“, es geht darum, die Macht der Kirche über Gesetze des Staates zu demonstrieren.
Nun wird, unmittelbar vor dem entscheidenden Wahltermin, von allen katholischen Kanzeln gepredigt, man habe als Katholik Serra zu wählen, denn bei Frau Roussef könne man nicht sicher sein, ob sie nicht doch ein Gesetz einbringt, das Abtreibungen bei Vergewaltigung und bei Lebensgefahr für die Mutter von Strafe freistellt.
Am Sonntagabend wird man sehen, ob der Papst wirklich noch einen so grossen Einfluss im grössten katholischen Land der Erde hat, dass er den nächsten Präsidenten bestimmt
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