Mittwoch, 6. September 2006

Steinmeier in der Klemme

Wie das Auswärtige Amt mit Bürgern zweiter Klasse umgeht

Von Karl Weiss und Hans Georg

Das ist neu: Ein Artikel von mir (in diesem Fall zusammen mit Hans Georg) wurde nun auch in der vor etwa einem Jahr neu gegründeten "Neuen Rheinischen Zeitung" veröffentlicht, hier in der Ausgabe vom 5.9.06. Die NRhZ ist einer der traditionellsten Namen im deutschen Journalismus.

Khaled Al Masri - Sie erinnern sich, das war jener Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnsitz in Neu-Ulm, der auf einer Reise im Balkan an der mazedonischen Grenze Ende 2003 auf Anordnung der US-Regierung festgenommen und in Afghanistan vom CIA gefoltert wurde. An den Verhören war auch ein BKA-Mann beteiligt, wie inzwischen zugegeben werden mußte. Doch statt sich um die Freilassung des Entführten zu bemühen, beugte sich der damals für die Geheimdienste verantwortliche Kanzleramtschef Steinmeier der Staatsraison. Die USA sind schließlich Verbündete.

Lektion gelernt: Es gibt Bundesbürger erster und zweiter Klasse. Bei denen erster Klasse wird - wenn sie entführt werden - ein Medienspektakel mit der Hauptfigur des inzwischen zum Außenminister aufgestiegenen Steinmeier aufgezogen, und es wird - wie im Fall Susanne Osthoff - in dramatischen Worten an die Entführer appelliert, die Entführten freizulassen. Bei denen zweiter Klasse hält man zugunsten des Großen Bruders die Klappe. Außerdem hat man es nicht so gerne, wenn eigene Beteiligung ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird.

Dies erfährt der seit vier Jahren in Syrien gefangene Hamburger Haydar Zammar. Nach Hinweisen der Berliner Geheimdienste von der CIA entführt und in ein Foltergefängnis nach Damaskus verbracht, ist dieser Deutsche bis heute ohne reguläre diplomatische Betreuung. Dem Auswärtigen Amt, das in Damaskus über eine luxuriös ausgestattete Botschaft verfügt, gelingt es angeblich nicht, für die Überführung Zammars in sein Heimatland zu sorgen - undenkbar, würde es sich bei Zammar um eine Person mit Wirtschaftsanbindung handeln. Über ähnliche Erfahrungen verfügt auch der türkische Staatsbürger Murat Kurnaz, der nach viereinhalb Jahren illegaler Haft in Guantanamo jetzt in seine Heimatstadt Bremen zurückkehren konnte - dank öffentlicher Proteste und begleitet von betretenem Schweigen der deutschen Diplomatie. Die Bundesregierung habe ein feiges und zynisches Doppelspiel betrieben, weil sie die Öffentlichkeit anlog und die Schutzbefohlenen des Auswärtigen Amtes im Stich ließ, urteilen liberale Kritiker der deutschen Außenpolitik.

Dies gilt natürlich auch weiter für Al Masri, wie aus einer Pressemitteilung seines Anwalts Manfred Gnjidic vom 28. August hervorgeht. Al Masri braucht nämlich zur Entschädigung für alles, was ihm widerfahren ist, Zeugen, obwohl man ja auch einfach beim großen Bruder nachfragen könnte. Und wenn nun endlich ein Zeuge, ein ehemaliger - ebenfalls vom CIA gefolterter - Mitgefangener Al Masris mit Namen Laid Saidi aus Algerien in Deutschland aussagen will - verständlicherweise aber nur in Gegenwart seines Rechtsanwalts - erfindet Steinmeiers Außenministerium einen neuen Trick, wie es die für den Chef vermutlich peinliche Zeugenaussage verhindern kann: Man lässt Laid Saidis Anwalt vom deutschen Konsulat in Algerien einfach kein Einreisevisum ausstellen.

Das ist schließlich das gute Recht des Außenministeriums, nicht wahr? Ob das Bundesverfassungsgericht das auch so sieht, will Al Masris Anwalt nun überprüfen lassen.

Mehr bei www.german-foreign-policy.com/de

Link zum Originalartikel hier

Full Crash - Zweites Anzeichen einer Weltwirtschaftskrise?

Immobilienpreise in den USA stürzen ab

Von Karl Weiss


Nach einigen Anzeichen scheint sich die von einer Anzahl von Beobachtern bereits vorausgesehene weltweite Wirtschaftskrise in diesem Moment zu entwickeln. War für den letzten Ausbruch einer Wirtschaftskrise im Jahr 2001 vor allem der Zusammenbruch der Blase (künstlich weit über Wert gehandelt) der „dotcom“-Gesellschaften in den USA der Auslöser, so scheint es diesmal die Immobilien-Blase in den USA zu sein, die der Weltwirtschaft den entscheidenden Anstoß gibt, in den Keller zu rauschen.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Die Werte von Häusern und anderen Immobilien in den Vereinigten Staaten haben innerhalb kurzer Zeit bis zu 30% nachgegeben. Die Zahl unverkaufter neuer Häuser ist auf dem höchsten Stand seit 10 Jahren. Der Absatz neuer Eigenheime, eine der wichtigsten US-amerikanischen Konjunkturindikatoren, ist im Juni stark gesunken. Jetzt kamen auch die Juli-Zahlen: Ein Einbruch von 22% im Jahresvergleich!. So einen starken Rückgang hat dieser Index seit Menschengedenken nicht gezeigt.

Immobilienkrise USA

Aktienmärkte wie der wichtige japanische haben bereits nervös reagiert und einen steilen Abwärtsgang eingeschlagen. Auch der Aktienindex BOVESPA in Brasilien verlor deutlich an Wert.

Der Chefökonom des US-Brokerhauses Capital Economics wird vom britischen ‚Observer’ mit folgender Aussage zitiert: „Die Dinge laufen sehr schnell zur schlechten Seite. ‚Freier Fall’ ist ein starkes Wort, aber so muß man die Situation beschreiben.“

Über 12 % derer, die ihr Haus in den USA in den Jahren 2004 und 2005 auf Kredit gekauft haben, drohen es an die Bank zu verlieren. Diese Zahl dürfte Ende des Jahres noch einmal drastisch steigen, wenn die Hauskäufer von 2006 zum ersten Mal Marktzinsen zahlen müssen. In den USA ist es üblich, daß die Banken Hypothekenkredite anbieten, bei denen im Jahr des Erwerbs keine Zahlungen fällig sind. Dafür hat man aber nicht, wie in Deutschland, auf Jahre festgelegte Zinsraten, sondern frei floatende Zinssätze, die nun stark ansteigen. Anfang 2007 werden für Hypothekenkredite in Höhe von 300 Milliarden Dollar zum ersten Mal die Zinsen in Monatsraten fällig sein. Das dürfte einen Schock geben.

Housing Slump

Im Jahr 2002, zum Zeitpunkt des Höhepunkts der letzten Weltwirtschaftskrise, waren die US-Leitzinsen auf fast 0 % gesenkt worden. Viele Hausbesitzer konnten mit neuen, niedrigen Zinsen umschulden. Dadurch wurde Kaufkraft frei. Auch der Kauf eines neuen Hauses wurde so erleichtert und die Bauwirtschaft angekurbelt. So konnte die US-Wirtschaft, wenn auch langsam, zurückfinden zu einem Wachstum. Kaum war aber ein deutliches Wachstum erreicht, nicht zuletzt angefacht durch die riesigen Ausgaben für die Hochrüstung zum Irak-Krieg ab Anfang 2003, begann die „Fed“, die Leit-Zinsen zu erhöhen, Monat für Monat, jedes Mal ein Viertel Prozentpunkt, 18 Monate lang. Im Juli 2006 erreichten die Leitzinsen 5,5 %. Erst im August wurde erstmals keine weitere Erhöhung durchgeführt.

Damit wurde der internationale Kurs des Dollar gestützt - und das war auch notwendig. Es wurde eine beginnende Inflation verhindert. Auch das hat geklappt. Aber gleichzeitig hat man für die Konjunktur schwerste Bremsen angezogen. Wer gerade neue Hypothekenkredite aufgenommen hatte - oder wer solche schon lange abzahlte -, sie alle müssen nun deutlich höhere Zinsen (Monatsraten) zahlen. Das zieht Kaufkraft aus der Wirtschaft und schaufelt Geld dahin, wo es sowieso im Überfluss vorhanden ist, bei Kreditinstituten und Großkonzernen. So brachen die Hausverkäufe und in der Folge die Neubauten ein. Das ließ nicht nur die Bauwirtschaft in eine Krise schlittern, sondern auch die Preise für Immobilien zusammenbrechen.

Nicht umsonst sind die Verkäufe von Neuwagen in den Vereinigten Staaten im Juni 2006 gegen den gleichen Monat des Vorjahres um über 2% eingebrochen. Im Moment kann der Verkauf von Neuwagen nur mit satten Abschlägen einigermaßen auf dem Stand des Vorjahres gehalten werden. Die durchschnittlichen Familien in den USA haben weniger Geld auszugeben. 68% der US-Amerikaner leben heute in Familien, die (wenigstens) ein Haus besitzen. Und ein großer Teil davon zahlt immer noch ab.

Von 2001 bis 2003 wurden in den USA nach Schätzungen der Harvard Universität 333 Milliarden Dollar als Kredite auf Hypotheken aufgenommen.

Dazu kam ein anderer Effekt. Durch die niedrigen Zinsen konnten Hausbesitzer einen extrem billigen Kredit bekommen, wenn sie dafür eine Hypothek aufs Haus gaben. Das führte damals zu einer Welle von Autokäufen und anderen Anschaffungen. Nun müssen für alle diese Kredite relativ hohe Zinsen und damit Monatsraten gezahlt werden. Auch das kostet Kaufkraft.

Nach Angaben des „Guardian“ wird geschätzt, daß in den USA ab Ende des Jahres jeden Monat etwa 73.000 Beschäftigte am Bau und im Zusammenhang damit ihre Jobs verlieren. Aus der gleichen Quelle kommt die Einschätzung: Dies alles könnte eine vernichtende Wirkung auf die Weltkonjunktur haben, schlimmer als der „dotcom-Crash“, der die letzte Wirtschaftskrise auslöste.

Nach einer Schätzung des Chef Ökonomen der Morgan Stanley Bank wird der Bau-Crash etwa zwei Prozent vom US-Wirtschaftswachstum auffressen. Kommt noch ein anderer Effekt dazu (es wurde schon vom Einbruch der Neuwagenverkäufe gesprochen, der eine andere Schlüsselindustrie betrifft), kann dies die Wirtschaftskrise für die USA auslösen, was ohne Zweifel anschließend die Weltwirtschaftkrise auslöst.

Was man genau unter einer Wirtschaftkrise versteht, hat nichts mit den Aktienkursen zu tun, sondern es wird objektiv gemessen an der Verringerung des „Gross National Product“ (so etwas ähnliches wie das „Bruttosozialprodukt“) in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen (gegenüber dem vorherigen Quartal). Das kann sowohl auf eine nationale Wirtschaft angewandt werden, wie die der USA, als auch auf die Weltwirtschaft (Dann werden die Zahlen der OECD-Länder zusammengerechnet. Die OECD-Länder sind die großen Industrieländer), was dann die Feststellung der Weltwirtschaftskrise ergibt.

Die objektive Feststellung einer Krise kann also erst mit einem Nachlauf von 3 bis 6 Monaten festgestellt werden. Wahrscheinlich wird unter diesen Umständen erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres diese definitive Feststellung möglich sein - wenn z.B. das erste und zweite Quartal 2007 diese Bedingungen erfüllen.

Dies alles aber bezieht sich darauf, daß keine anderen Maßnahmen ergriffen werden, die zum beschleunigten Ausbruch der Weltwirtschaftskrise führen. Weitgehende Sanktionen gegen den Iran oder ein Überfall auf dieses Land, was tiefgreifende Gegenmaßnahmen des Iran heraufordern würde, dürften nach aller Wahrscheinlichkeit den Ölpreis in die Stratosphäre schicken, was mit Sicherheit die Weltwirtschaftskrise unmittelbar auslösen würde.

Artikel der "Berliner Umschau" von heute

Link zum Originalartikel hier


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

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