Donnerstag, 8. Februar 2007

Deutschland: Absurde Polizeiübergriffe häufen sich

Das Demonstrationsrecht gilt nur noch für Faschisten und Pro-Israel-Demonstranten

Von Karl Weiss

Am 5. Februar ist es in Hannover erneut, wie schon auf anderen Demonstrationen, zu absurden Übergriffen der Polizei auf die dortige Montagsdemonstration gekommen. Würgegriff, Festnahmen, Polizeigriffe, Handschellen, erkennungsdienstliche Behandlung, Ausziehen einer Frau vor männlichen Polizisten, das ganze Arsenal wurde durchgespielt.

Bereits seit einiger Zeit werden die allmontäglichen Demonstrationen gegen Hartz IV und gegen die ganze Regierungspolitik, die weiterhin in vielen Städten stattfinden, gezielt ungesetzlich überwacht und schikaniert.

Die andauernde ungesetzliche Video- und Photoüberwachung von Demonstrationen gegen die Regierungspolitik ist bereits die Regel.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

(Das Foto zeigt Elmar bei einem Redebeitrag auf der Stuttgarter Montagsdemo. Im Hintergrund kann man die Polizeifahrzeuge erkennen, aus denen widerrechtlich ununterbrochen fotografiert und gefilmt wurde.)

In einigen Städten, so unter anderem in Stuttgart und München, hatte die Polizei eine Auflage erfunden, die bereits wiederholt von Gerichten für nichtig erklärt wurde: Angeblich dürfe eine Lautsprecheranlage erst bei mehr als 50 Demonstranten verwendet werden.

Die Gerichte haben diese Regel bereits zurückgewiesen, denn das Recht auf Meinungsäusserung und Demonstration ist selbstverständlich nicht auf grosse Demonstrationen beschränkt. Trotzdem werden in verschiedenen Städten die Montagsdemonstranten immer wieder mit dieser angeblichen Regel konfrontiert, mit der die Polizei versucht, die Zustimmung, die bei Montagsdemonstrationen in der Regel von den Passanten kommt, zu unterbinden. Man versucht die Demonstranten oder die Kundgebung in eine versteckte Ecke abzudrängen und verbietet Lautsprecher, so glaubt man der Montagsdemobewegung den Garaus machen zu können.

Die Polizei nutzt dabei immer wieder bewusst eine Gesetzeslücke aus: Sie darf als Vertreter der Staatsmacht Auflagen verkünden, auch wenn Gerichte die bereits als unzulässig bezeichnet haben. So verkünden die Polizisten einfach, die 50-Personen-Regel gälte. Da die Montagsdemonstranten keine Möglichkeit haben, in diesem Moment das Gericht anzurufen, müssen sie sich dem unterwerfen, obwohl es rechtswidrig ist. So kommt es dann auch vor, Polizisten verkünden hämisch, man könne ja hinterher vor Gericht ziehen, Hahaha!

So war es auch wieder am 5. Februar 2007 auf der Montagsdemo in Hannover. Anfänglich waren weniger als 50 Personen anwesend, wie beide Seiten, wenn auch mit unterschiedlichen Zahlen, feststellten und die Demonstranten liessen das Mikrofon abgeschaltet.

Dann aber begannen sie mit den Passanten zu sprechen und auf die polizeilichen Methoden aufmerksam zu machen. Viele blieben stehen und so war die Kundgebung bald auf mehr als 100 Personen angewachsen. Nun setzten die Demonstranten auch den Lautsprecher ein. Alle Demonstrationsteilnehmer wie auch Passanten hatten das Recht, am Mikrofon zu sprechen (nicht nur sogenannante Prominente, wie auf anderen Demonstrationen üblich).

Die anwesende Polizei-Einheit weigerte sich nun einfach, erneut zu zählen, sie ging ohne Ankündigung mit Gewalt gegen die Kundgebung vor. Personen wurden zu Boden gestossen, einige willkürlich festgenommen, mehrere völlig überraschte Teilnehmer wurden körperlich bedrängt, wenn sie mit den Polizisten zu sprechen versuchten, um sie zur Vernunft zu bringen.

Eine Person wurde gewürgt, es wurden Handschellen angelegt, so als ob irgendeine Gefahr von einfachen Montagsdemonstranten ausgehen könnte.

Die Polizei nahm die Lautsprecheranlage weg, beendete die Demonstration, ohne irgendeine Begründung angeben zu können. Überhaupt war auffallend, die Polizisten folgten offenbar Befehlen und liessen nicht mit sich sprechen.

Der Einsatzleiter Friedrichs war plötzlich nicht mehr zu sprechen. Die Frage nach dem Einsatzleiter durch den Anmelder der hannoverschen Montagsdemonstration, Kurt Kleffel, wurde mit Festnahme beantwortet. Das sind Polizeistaat-Methoden. Weder diese noch irgendeine andere Montagsdemo hat je irgendwelche Gewalt angewandt. Der Einsatz war völlig unverhältnismässig.

Die Festgenommenen sollen angeblich Widerstand gegen Staatsgewalt geleistet haben. Da die Polizei alles gefilmt hat, wird man dann ja wohl den „Widerstand“ auf dem Video sehen. Man kann gespannt sein, ob diesmal das Video freigegeben wird. Beim letzten Fall versteckte die Polizei das Video, weil es gezeigt hätte, dass die Behauptungen erlogen waren.

Für die Festgenommenen gingen die ganze absurden Unglaublichkeiten auf der Wache weiter. Lange Zeit festgehalten, erkennungsdienstlich behandelt wie Kriminelle, die Leute waren wirklich empört. Der absolute Abschuss wurde dann erreicht, als man eine Frau zwang, sich vor den männlichen Polizisten auszuziehen. Sie müsse nach Waffen durchsucht werden, war die leicht durchschaubare Ausrede. Es hat noch nie eine Montagsdemonstration gegeben, auf der jemand eine Waffe getragen hätte.

Bei den Faschisten allerdings, die jene gleiche Polizei mit Samthandschuhen anfasst und stattdessen gegen Gegendemonstranten vorgeht, da könnten sie leicht fündig werden. Nur da wird nicht nach Waffen durchsucht.

Es kann nicht angehen, dass Polizisten ihre Amtsmacht dazu missbrauchen, ihren Bedarf an Ansicht wenig bekleideter Frauen zu decken.

Als Gipfel der Absurdität hat nun auch noch die Staatsanwaltschaft die Lautsprecheranlage konfiziert und will sie vernichten lassen. Es darf nicht vergessen werden, diese Staatsanwälte wie auch die polizeilichen Einsatzleiter sind weisungsgebundene Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes. Da gibt jemand Anweisungen.

Ganz anders verhält sich die Polizei, wohl auch auf Anweisung „von oben“, wenn z.B. eine Pro-Israel-Demonstration angesagt ist wie zweimal letztes Jahr bei der WM in Nürnberg, als die iranische Nationalmannschaft spielte. Die völlig überdimensionale Lautsprecheranlage wird nicht beschlagnahmt oder abgestellt, denn es sind ja Prominente anwesend, ein Vorsitzender der israelischen Gemeinde in Deutschland, Bundes- und Landtagsabgeordnete von Regierungsparteien. Zieht man die Personen auf dem Lautsprecherwagen, andere „Prominente“ und die Presse- und Fernseh-Berichterstatter ab, waren weniger als 50 „normale“ Leute anwesend. Aber da war nun plötzlich keinerlei Auflage mehr zu hören.

Dem Politiker-Pack muss der Schreck ganz schön in die Glieder gefahren sein, als die Montagsdemos gegen Hartz IV begannen. Auch jetzt, wo bundesweit nur etwa 2000 Demonstranten allmontäglich auf der Strasse sind, geben sie Anweisung für „scharfes Durchgreifen“. Wahrscheinlich ahnen sie, es werden wieder deutlich mehr werden. Da wäre es schön, man könnte sie vorher abwürgen.

In Rom sagte man: „Quod licet Iovi, non licet Bovi.“ „Was Jupiter darf, darf ein Ochse noch lange nicht“. Werden wir von denen, welche der Polizei die Weisungen erteilen, für dumme Rindviecher gehalten (während sie selbst den Status von Göttern beanspruchen)?

Die Zeiten werden härter, das Demonstrationsrecht wird ausgehebelt, die Regierung will keine kritischen Stimmen mehr hören. Tun wir ihnen den Gefallen und erfüllen ihre Albträume! Auf zu den Montagsdemonstrationen!


Veröffentlicht am 8. Februar 2007 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.


Zusatz vom 13. Februar 2007:

Nach Meldung von der Hannoveraner Montagsdemo (hier) sind insgesamt drei Verfahren gegen Kurt Kleffel eingeleitet worden und die Lautsprecheranlage ist nun wirklich vom Gericht eingezogen worden:

"Inzwischen wurden die Beschlagnahme des Lautsprecher durch einen Beschluss des Amtsgerichtes Hannover bestätigt. Mündlich wurde von der Polizei mitgeteilt, dadurch solle verhindert werden, dass mit diesem "Tatmittel" eine weitere "Straftat" begangen werden kann."

Damit ist die Sache von einem polizeilichen Exzess, den jemand vielleicht einer unvernünftigen Einzelperson hätte zuschreiben können, zu einer konzertierten Aktion des Staates geworden gegen Gegner der Regierungspolitik und zu ihrer Kriminalisierung.

Karl Weiss


Zusatz vom 17.2.2007:

Inzwischen ist auch viel Solidarität bei den Hannoveranern der Montagdemo eingegangen. Als Beispiel sei der Brief von Gernot Wolfer aus Berlin zitiert:

"Gernot Wolfer, Berlin
(Erstunterzeichner des "Berliner Bündnis Montagsdemo" 2003)
Berlin, den 8.2.2007


An die am 5.2. verhafteten Montagsdemonstranten in Hannover!
c/o: Kurt Kleffel, Anmelder der Hannoveraner Montagsdemo


Liebe Montagsdemonstranten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über das Internet und Eure Pressemitteilung habe ich gestern von Eurer Verhaftung bei der letzten Montagsdemonstration in Hannover erfahren. Nach den Berichten zu urteilen wurdet ihr aus nichtigem Anlaß wie Kriminelle behandelt und zur Polizeiwache verschleppt!

Am 20.9.2004 war ich zusammen mit anderen Montagsdemonstranten ebenfalls Opfer eines gewaltsamen Polizeieinsatzes gegen die Berliner Montagsdemonstration. So wie ihr wurden auch wir festgenommen und abgeführt, einige der Betroffenen wurden dabei sogar schwerer verletzt und mußten im Krankenhaus behandelt werden.

Solche Polizeiübergriffe gegen Bürger, die einfach nur ihre Meinungsfreiheit und ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen, sind ein Skandal erster Ordnung! Die ganze bundesdeutsche Montagsdemobewegung und ihr hartnäckigen Protest gegen die Hartz-Gesetze sollen damit getroffen werden!

Vor was haben die herrschenden Kreise dieses Landes bloß solche Angst? Etwa davor, dass sich Volksbewegungen wie die Montagsdemo mit der organisierten Arbeiter- und Gewerkschafts-Bewegung verbinden, und es wie in Frankreich zu Massenstreiks gegen die immer asozialere Regierungs-Politik kommt? Gerechtfertigt wäre das allemal!

Jedenfalls: Laßt Euch nicht unterkriegen! Nützt den Protest und auch die sicher nötigen juristischen Schritte gegen den Polizeieinsatz und gegen die Strafanzeigen zur Gewinnung neuer Mitstreiter für unseren gemeinsamen und berechtigten Kampf! Dann wird der "Schuß" für die Herrschenden nach hinten losgehen...

Solidarische Grüße aus Berlin!

Gernot Wolfer"


Zusatz zum Artikel vom 14.6.2007:

Jetzt wurde bekannt: Auch das Gericht fand nichts Strafwürdiges an Kurt Kleffel und der Hannoverschen Montagsdemo. Alle drei Strafverfahren wurden eingestellt. Die Kosten des verfahrens wurden der Staatskasse aufgebürdet. Damit ist bestätigt: Es handelte sich wirklich um einen unzulässigen Übergriff der Polizei.

Faktischer Deutscher oder Türke?

Kurnaz zwischen den Welten

Von Karl Weiss

Soll Steinmeier zurücktreten? Sind die Vorwürfe gegen ihn „infam“? Durfte man Kurnaz das Aufenthaltsrecht entziehen?
Der Fall Kurnaz lässt die Emotionen hochgehen, so wie damals die Auseinandersetzung über den „Doppelpass“. Wiederum geht es um die Frage der Türken in Deutschland, die längst ein Anrecht auf deutsche Staatsangehörigkeit haben.


Die deutsche Medienwelt ist geteilt. Eher vorsichtige Kommentatoren, wie in der „Süddeutschen“, betonen, Kurnaz hätte ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland gehabt und sei damit wie ein deutscher Staatsbürger zu behandeln gewesen:

„Steinmeier ist Jurist. Juristen neigen zu mechanistischem Denken. Dieses Denken hat sich im Fall Kurnaz auf die Position versteift, dass der junge Mann zwar in Bremen geboren und aufgewachsen, aber nun einmal kein deutscher Staatsbürger sei: Türke bleibt Türke, der soll froh sein, wenn man sich ein klein wenig um ihn kümmert; im Übrigen sind wir froh, wenn er weg ist und waschen die Hände in Unschuld.

Soll sich doch die Türkei um ihren Mann kümmern... Dass die Türkei das nicht tat, weil sie Kurnaz für einen faktischen Deutschen hielt, blieb ohne Auswirkung auf das Verhalten der deutschen Bürokratie. Sie war und blieb indolent, obwohl es eine faktische völkerrechtliche Verantwortung Deutschlands gab.“


Dagegen schreiben die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“:

„...Deutschland hatte keine Fürsorgepflicht für Kurnaz, er ist türkischer Bürger, daran ändern auch seine Jahre in Bremen nichts. Die Türkei hätte sich um ihn kümmern müssen. Über ihre Rolle hört man Widersprüchliches, aber es läuft auf dasselbe hinaus: Wenn die Türkei ihn aufnehmen wollte, hat Berlin seine Freilassung gewiss nicht verhindert. Wenn Ankara ihn aber nicht haben wollte, warum sollte Deutschland ihn einreisen lassen? Er galt als potenzieller Terrorist. Kurz zuvor waren Flugzeuge ins World Trade Center geflogen. Unter den Drahtziehern waren Muslime, die in Deutschland lebten...“

In dieser Stellungnahme ist allerdings ein grober sachlicher Fehler enthalten: 2002, als die USA die „Rücklieferung“ von Kurnaz nach Deutschland anboten, galt er nicht mehr als potentieller Terrorist. Es hatte sich längst herausgestellt, er war in keinster Weise militanter Islamist.

Hier der interne Text eines E-Mails vom BND vom September 2002:

„USA sehen die Unschuld von Murat Kurnaz als erwiesen an. Er soll in sechs bis acht Monaten freigelassen werden. Die deutschen Behörden werden vorab informiert, so dass seine Freilassung als von deutscher Seite erwirkt dargestellt werden kann.“

Aber unabhängig davon, wiederum geht es, so wie damals beim Fall des „Doppelpasses“, eigentlich nicht um den Fall selbst.

Es ist die alte, wieder neu aufgelebte Auseinandersetzung zwischen denen, die alle eventuell fremd Aussehenden raus aus Deutschland haben wollen, hier repräsentiert durch den Kommentator der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, und denen, die Menschen mit Vorfahren aus anderen Ländern, die in Deutschland geboren sind und immer gelebt haben, das geben wollen, was nach Völkerrecht ihr Anspruch ist: Die deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Vertrackte ist, dies war damals beim Fall „Doppelpass“ schon klar. Nur hatte damals die CDU/CSU ein Thema gefunden, mit dem sie punkten konnte und hängte den „Doppelpass“ ganz hoch, in der Hoffnung, Wählerstimmen zu erhaschen. Und das sind Leute, die Anderen „Populismus“ vorwerfen. Koch in Hessen wäre nie an die Macht gekommen, wenn die angeblichen Christen sich nicht ganz unchristlich an das Appellieren an niedrige Instinkte gemacht hätten.

Von der Sache her ist nämlich der Doppelpass - ohne Anführungszeichen -gängige Praxis in praktisch allen Ländern, auch in Deutschland.

Der Schreiber dieser Zeilen könnte z.B. ohne größere Schwierigkeiten die brasilianische Staatsangehörigkeit erwerben und verlöre die deutsche keineswegs. Zur Zeit der Doppelpass-Kampagne gab es sogar einen CDU-Minister in Rheinland-Pfalz, der außer dem deutschen auch den französischen Pass hatte.

Diese Praxis ist nicht gern gesehen und wird, wenn es offiziell wird, sogar verneint. Tatsächlich aber lassen fast alle Länder „unter der Hand“ die Fälle mit der mehrfachen Staatsangehörigkeit durchgehen, ohne irgendwelche Maßnahmen der Ausbürgerung zu treffen. Nach internationalen Recht ist auch eine Ausbürgerung an hohe Bedingungen geknüpft, die zweite Staatsbürgerschaft reicht dafür keineswegs aus.

Es ging ja auch nie um den Doppelpass als solchen, es ging schon gar nicht um Deutsch-Franzosen, nicht einmal um Deutsch-Brasilianer, es ging und geht um die Türken in Deutschland.

In den 50er-Jahren, 60er-Jahren und noch zu Beginn der 70er-Jahre hatte man mit Werberkolonnen Türken aus allen Teilen jenes Landes, aber eben auch aus dem Inneren Anatoliens, angeworben, damit sie in Deutschland arbeiten. Man kann in der Türkei noch die Geschichten über die Anwerbekolonnen in den anatolischen Dörfern erzählen hören, die von Entlohnung berichteten, welche den Bauern der Atem stocken ließ und über die tränenreichen Abschiede von Familienvätern von Frau und Kindern, um dem Hunger und dem Elend ein für alle Mal eine Ende zu bereiten.

Diese Leute waren damals hier nötig und wurden (das war nicht zynisch gemeint) Gastarbeiter genannt. Sie haben die Bundesrepublik mit aufgebaut und sie wäre nicht da heute, wo sie ist (Exportweltmeister), wenn sie nicht hier gewesen wären.

Doch man hatte anscheinend nicht richtig bedacht, dass man keine Arbeitsroboter, sondern Menschen angeworben hatte. Nach einer Anzahl von Jahren hatten sie das Recht von Nachzug von Frau und Kindern erworben und dann kamen schon Kinder, die hier geboren wurden – und von denen haben heute viele schon wieder Kinder – im Extremfall gibt es heute schon türkische Babys, deren Großeltern und Eltern schon in Deutschland geboren wurden.

Das Problem war, sie wurden nicht integriert in Deutschland, sie wurden bewusst und mit böser Absicht ausgegrenzt. Warum? Weil bestimmte Parteien glauben, mit Fremdenfeindlichkeit Wahlerfolge erzielen zu können, weil bestimmte Politiker gerne an die niedrigsten Instinkte im Menschen appellieren, um von ihren Sauereinen abzulenken – und das funktioniert oft auch.

Als die CDU/CSU damals die „Doppelpass-Kampagne“ vom Zaun brach, hätte die SPD den Menschen erklären müssen: Es gibt keinerlei Möglichkeit mehr, diese Menschen zurück in die Türkei zu schicken. Auch wenn sie formal noch türkische Staatsbürger sein mögen, haben sie nach internationalem Recht längst das Anrecht auf die deutsche Staatsbürgerschaft und Deutschland kann sich dem keinesfalls entziehen, ohne internationales Recht zu brechen.

Wer in einem Land geboren ist und immer legal in diesem Land gelebt hat, kann nicht per nationalem Dekret in das Land seiner Vorväter zurückgeschickt werden. Deutschland verlöre vor jedem europäischen oder internationalen Gerichtshof einen solchen Prozess.

Doch die SPD-Politiker sind Weicheier und hatten Angst um ihre Wählerstimmen. Daher sagten sie den Deutschen nicht die Wahrheit, sondern baldowerten zusammen mit den angeblichen Christen einen Trick aus: Wir werden ihnen zwar die Staatsbürgerschaft zusichern, aber nur, wenn sie die türkische aufgeben, denn zwei Pässe sind offiziell nicht erlaubt. Damit hatte man der latenten Fremdenfeindlichkeit in Deutschland nachgegeben und gleichzeitig kein internationales Recht gebrochen, denn der Doppelpass ist international nicht abgesichert.

Man wusste, man musste die Türken nur weiterhin in ihren Ghettos leben lassen, sie auf Teufel komm raus nicht integrieren und sie würden die türkische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollen. Da passt gut ins Bild, wie noch 2006 erneut Fördermittel für Sprachkurse für Ausländer vom deutschen Parlament gekürzt wurden. Auf keinen Fall integrieren!

Zur gleichen Zeit schreien die gleichen Politiker, die dies gerade eben beschlossen haben: Die wollen sich nicht integrieren, die sollen erst einmal integrationsfreundlich werden. Der ‚Circulus vitiosus’ war geschaffen: Die Türken wollen sich angesichts der massiven Ausgrenzung absichern und ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben. Damit sind sie "integrationsfeindlich" und das wiederum gilt als Vorwand, sie nicht zu integrieren.

Nur: Sie sind hier und sie sind nicht auszuweisen.

Da kommt dann Kurnaz: Hier geboren, immer in Deutschland gelebt. Nur auf Reisen die Türkei gesehen. Er könnte vor jedem europäischen oder internationalen Gericht die deutsche Staatsbürgerschaft erzwingen. Aber auch ohne das hat er nach internationalem Recht Daueraufenthaltsrecht in Deutschland.

Von daher war die Aberkennung dieses Aufenthaltsrecht durch das damalige Kanzleramt (Steinmeier) und die Bremer Stadtverwaltung (auch SPD) grob widerrechtlich – unter dem schwächlichen Vorwand, er habe sich ja über ein halbes Jahr nicht an seinem Wohnort blicken lassen – man wusste aber genau warum: Er war bei einer Reise in den Mittleren Osten festgenommen und an die US-Behörden ausgeliefert worden. Es hätte einen Terrorismus-Verdacht gegeben. Bis heute blieb ungeklärt, worauf der wohl hätte beruhen sollen.

Ein unerhörter Vorgang kommt da nun ins Spiel: Zu jener Zeit sei von einem deutschen Dienst (das müsste wohl der Verfassungsschutz gewesen sein) gemeldet worden, eine Freundin von Kurnaz habe berichtet, er wolle sich in den Krieg für Allah einreihen.

Nun hat sich aber dummerweise diese Freundin gefunden und was sie sagt, will so gar nicht ins Bild passen: Erstens sei sie nie so intim mit ihm gewesen, dass er ihr so etwas offenbart hätte, zweitens habe er nie so etwas zu ihr gesagt und drittens habe sie so etwas auch nie behauptet.

Dumm gelaufen, Herr Steinmeier, was? Nun fragt sich natürlich: Hat man hier eine Falschmeldung fabrizieren lasen, um die völkerrechtswidrige Ablehnung, ihn zurückzunehmen, doch noch begründen zu können?

Dann allerdings, Herr Steinmeier, kann man von Infamie sprechen, aber von Ihnen.

Zitat Süddeutsche:

„Steinmeier nennt die Vorwürfe ‚infam‘, die in der Causa Kurnaz gegen ihn gemacht werden. Aber nicht die Vorwürfe gegen ihn, sondern seine und die Verteidigungsstrategie der SPD sind infam.“

Und das schreibt ein Leib- und Magenblatt der SPD.


Dieser Artikel erschien am 8.2.2007 in "Journalismus - Nachrichten von heute".

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