Biokraftstoffe - Die Grundlagen
Von Elmar Getto
Ein grundlegender Artikel zu den Biokraftstoffen und der Rolle Brasiliens bei ihrer Entwicklung
Es begann Anfang der Siebziger Jahre. Brasiliens Superreiche drängten auf eine neue Einnahmequelle und so erfand man das ‚Pro-alcool’-Programm, das erste großangelegte Experiment, Alkohol (bei uns auch gern ‚Weingeist’ genannt) statt Benzin als Kraftstoff für Autos zu verwenden.
Es war die Zeit der düstersten Jahre der brasilianischen Militärdiktatur. In den Folterkammern schrien die gequälten Kreaturen, der Militär-Präsident hieß Geisel, war deutscher Abstammung und handelte im Auftrag der US-Regierung. Jede noch so leise „linke Stimme“ wurde unterdrückt. Wer auch nur den Ansatz einer Kritik des Militärregimes äußerte, konnte sich mit etwas Pech bald in den Kellern der Junta vorfinden, wo die in Fort Bennett in den USA ausgebildeten Knechte ihre Kenntnisse anwandten (woher kommt nur das Gerücht, das die offiziellen USA erst jetzt hätten angefangen zu foltern?).
Auch die hohen Militärs, auf anderer Ebene, waren durch Fort Bennett gelaufen. Sie wußten, was sie zu tun hatten, um ihren Auftraggebern aus dem Norden des Doppel-Kontinents Wohlgefallen zu bereiten. Sie selbst waren fast alle aus den Familien der Superreichen Brasiliens, etwa 500 - 1000 Familienclans, die Banken, Unternehmen, Ländereien und den Staat besitzen seit der Unabhängigkeit und die dort trainiert wurden, ihre Macht mit dem „Großen Bruder“ aus dem Norden zu teilen. Der gestand ihnen dafür märchenhaften Reichtum zu. Und im Kapitalismus gilt meist: Je reicher sie sind, desto größer die Raffgier.
Diese 500 - 1000 Familienclans sind nebenbei meist auch noch Großgrundbesitzer und besitzen fast den ganzen Grund und Boden Brasiliens, von Stücken von nur einigen läppischen Zig Quadratkilometern bis hin zu Besitzungen in der Größe der Schweiz. Doch in jenem Tagen war mit Agrarprodukten nicht so viel zu verdienen. Die Weltwirtschaft war noch am Brummen – der letzte Rest des großen Booms der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Agrarprodukte dagegen waren schwer abzusetzen und niedrig im Preis. Ein wesentlicher Teil dieser Familienclans baute u.a. Zuckerrohr an, viele hatten auch Zuckermühlen, in denen dieses zu Zucker verarbeitet wird.
Doch die wichtigsten Zuckermärkte waren verschlossen: Die USA und Europa. Die stellten selbst Zucker her und hatten hohe Zollbarrieren (wie auch heute weiterhin). Der Zucker war nicht abzusetzen und die Preise verfielen. Ein Teil der Ernte wurde in den beliebten „Cachaça“ oder „Pinga“ umgesetzt, den brasilianischen Zuckerrohrschnaps, der sich durch einen Fermentierungsvorgang vom Rum unterschieden und die Grundlage des weltberühmten ‚Caipirinha’ ist. Doch auch dafür war der (ausschließlich interne) Markt begrenzt.
Ein kleiner Teil des Zuckers wurde in modernen Anlagen in Industriealkohol umgesetzt, so daß Brasilien zum einzigen Land wurde, in dem Ethanol (Alkohol) billiger war als Methanol, eines der Großprodukte der petrochemischen Industrie. Bis heute streiten sich die Geister, wer dann zuerst die Idee hatte, Alkohol auf seine Eignung als Kraftstoff zu testen. Es stellte sich schnell heraus, daß Alkohol im Prinzip als Kraftstoff für Benzinautos geeignet war. Er hat wegen seiner höheren Dichte sogar mehr Energieinhalt bei der Verbrennung pro Liter als Benzin – und er hat eine Oktanzahl von weit über Hundert, ist also nicht im geringsten klopfanfällig.
Wenn man den typischen Industriealkohol verwendet, der 99%ig ist, also nicht den mit Wasser vermischten 96%igen, ist er auch in allen Verhältnissen mit Benzin mischbar. Allerdings stellten sich auch schnell Nachteile heraus: Ein Teil der im Benzinsystem verwendeten Dichtstoffe im Auto war nicht beständig gegen Alkohol und – mit Alkohol springen die Autos nicht an, außer wenn es schön warm oder sehr heiß ist.
Nun ist es zwar in Brasilien weithin und über große Teile des Jahres heiß, aber es gibt eben auch südlicher und höher gelegene Orte, wo es schon mal ganz kühl werden kann und der in Brasilien dicht bevölkerte Südosten und Süden hat einen Winter, in dem schon mal Temperaturen unter 10 ºC vorkommen, in manchen Gebieten sogar unter 0 Grad. Das Problem wurde relativ einfach gelöst: Neben dem kleinen Kunststofftank für Scheibenwaschwasser unter der Motorhaube wurde ein zweiter, ebenso kleiner Benzintank mit etwa 2 Liter Inhalt angebracht, aus dem Benzin zum Anspringen geholt wurde.
Damals hatten fast alle Autos ja noch den ‚Choke’, den man ziehen mußte zum Kaltstart. Der konnte leicht mit einer Mechanik zum Öffnen des kleinen Benzintanks verbunden werden und fertig war das Alkohol-Auto. Ansonsten mußte man nur noch einige Dichtmaterialien austauschen.
Die Militärherrscher beschlossen also, ihren Familien (und den anderen Superreichen) mit den Alkohol-Autos zusätzlichen Gewinn zukommen zu lassen. Jeder Zuckerproduzent, der etwas auf sich hielt, legte sich nun eine Industriealkoholfabrik zu. Die drei Autofabriken, die es zu jener Zeit schon in Brasilien gab, die von Volkswagen, von General Motors und von Ford, wurden vergattert, Alkoholautos herzustellen und zu verkaufen und die Tankstellenketten, Alkoholtanks und -zapfsäulen anzuschaffen.
Das Ganze hatte auch noch einen Nebenzweck: Das hohe Außenhandelsdefizit Brasiliens sollte verringert werden, das damals nicht unwesentlich durch die Erdöleinfuhren erzeugt wurde, denn man brauchte Benzin und Diesel für die boomenden Fahrzeugabsätze. Zu jener Zeit hatte Brasilien noch kein Erdöl gefunden bzw. war noch in den Anfängen der Erölförderung.
Die bessere Umweltverträglichkeit von Alkoholautos und der Aspekt der nachwachsenden Rohstoffe spielten damals dagegen noch keine Rolle.
Der Alkohol aus Zucker wurde von der Steuer befreit und war damit billiger als das Benzin und er wurde mit etwa 10 % Benzin vergällt – und ab ging die Post. Fast unter Ausschluß der (außerbrasilianischen) Öffentlichkeit wurde eines der fortschrittlichsten Projekte im Großmaßstab der gesamten Automobilgeschichte auf die Beine gestellt – und das aus ganz kapitalistischen Gründen und ohne jede Absicht, fortschrittlich zu sein.
Alkoholautos waren beliebt, denn sie haben eine höhere Leistung als Benzinautos mit gleich großen Motoren – eine Folge der höheren Energiedichte. Allerdings hatte man mit Alkohol auch einen höheren Verbrauch als mit Benzin – eine Folge der fehlenden Anpassung der Motoren: Man hatte lediglich die Dichtungen ausgetauscht und den kleinen Tank eingebaut und sonst alles gleich gelassen. Man brauchte etwa ein Drittel mehr Kraftstoff als bei einem baugleichen Benzinmodell. Da aber der Preis für Alkohol auch ein Drittel unter dem des Benzins lag, glich sich das aus.
Bis etwa zur Mitte der 80er-Jahre, dem Höhepunkt des damaligen Alkoholbooms, waren bis zu 70% der in Brasilien verkauften Autos Alkohol-Fahrzeuge. Als der Schreiber dieser Zeilen 1990 nach Brasilien kam, kaufte er als Privatauto ein Alkohol-Auto, einen Fiat Uno (inzwischen hatte sich auch Fiat mit einer großen Fabrik in Brasilien niedergelassen). Der hat ihn über Jahre bis zu seinem Ende bei einem Unfall nie im Stich gelassen.
Zu jener Zeit hatten die großen Alkoholhersteller so große Profite, daß sie übermütig wurden. Einer der größten, eine Firma mit dem Namen Copersucar, kaufte sogar einen Formel-1-Rennstall und engagierte den zu diesem Zeitpunkt bereits dreimaligen brasilianischen Weltmeister Nelson Piquet für ihr Team. Der eine oder andere Rennsport-Begeisterte mag sich noch an diese Episode erinnern. Allerdings kam der Rennstall nie über die Rolle einer ‚Minardi’ hinaus und so stellte man das Engagement wieder ein.
Die Alkohol-Autos hatten allerdings den Ruf, daß ihr Motor nicht so lange hält wie jener der Benziner. Das könnte ebenfalls mit der mangelnden Anpassung der Motoren zusammenhängen, die ja nun ein deutlich höheres Drehmoment zu ertragen hatten, aber keinerlei Verstärkung erhalten hatten. Aber auch dies hatte dem Alkoholauto nicht den Garaus gemacht.
Was dies fast tat, war ein Ereignis aus dem Beginn der neunziger Jahre. Wieder war die Raffsucht der brasilianischen Superreichen der Anlaß. Die Alkoholhersteller hatten immer darauf geachtet, daß ihnen die Regierung im Gleichschritt mit den Benzinpreiserhöhungen auch zusätzliche Profite zuschanzte. So stand zu jenem Zeitpunkt mal wieder eine solche Erhöhung an, doch die Regierung und die Superreichen konnten sich nicht über den genauen Umfang einigen.
Da sagten sich Brasiliens Superreiche, daß man doch einmal etwas Muskeln zeigen müsse und stoppten die Belieferung. Unter Vorwänden wie „technische Probleme“, „die Schuld liegt bei den Vetriebsorganisationen“ und „die Tankstellen sind Schuld“ ließ man die Besitzer von Alkoholautos ohne Kraftstoff. Das dauerte zwar nur zwei Wochen, bis die Regierung nachgab, doch die Brasilianer kennen ihre Superreichen, die von den Mainstream-Medien üblicherweise als „die Elite“ bezeichnet werden, nur zu gut. Einmal Geschmack gefunden, würden sie dies Mittel immer wieder einsetzen.
Für die Brasilianer war damit das Alkohol-Auto gestorben. Von diesen Raffies in seiner Bewegungsfreiheit abhängig zu sein, nein, das wollte (fast) niemand. Die Alkohol-Autos verloren mächtig an Wiederverkaufswert, der Neuwagenverkauf der „Alkoholiker“ brach ein und bis zum Tiefststand im Jahre 2003 war der Verkauf von Alkoholautos auf unter 3% aller Neuwagen gesunken.
Zwar wiederholten die Raffkes jenen „Streik“ nicht, erschrocken über die harte Reaktion ihrer Landsleute, aber das Vertrauen war dahin. Es half auch nicht, daß nun Verträge mit Konventionalstrafen für Nicht-Lieferungen zwischen Regierung und „Elite“ geschlossen wurden, denn die Brasilianer haben ebenso schlechte Erfahrungen mit den staatlichen Autoritäten wie mit den elitären (die, wie sie wissen, sowieso ineinander verwoben sind).
Allerdings waren immer noch eine beträchtliche Zahl von ‚Alkoholikern’ in Bewegung, denn in Brasilien werden die Autos deutlich länger gefahren als in unserer salzdurchwachsenen Welt. Auch blieben die Alkoholfabriken nicht auf ihrem Produkt sitzen, denn nun wurde Schritt für Schritt der Alkoholanteil im Benzin in Brasilien erhöht. Heute wird dem Benzin 25% Alkohol zugesetzt. Das Benzin-Auto fährt also heute in Brasilien 3:1 mit Alkohol. Das wirkt nicht nur als Anti-Klopfzusatz – man braucht damit weder die früheren Blei-Zusätze noch die heute verwendeten Additive zur Erhöhung der Oktanzahl –, sondern macht auch einen Riesenunterschied für die Umwelt.
Überhaupt ist Alkohol als Kraftstoff extrem umweltfreundlich.
Kurz gesagt: Die Verbrennung des Alkohols stößt lediglich die Menge von Kohlendioxid (das Treibhausgas) wieder in die Atmosphäre aus, die vorher beim Wachsen des Zuckerrohrs der Atmosphäre entnommen wurde: Die Lösung des Treibhausgasproblems in Bezug auf den Kraftstoff.
Zugleich braucht man für die Fortbewegung per Alkohol nicht mehr auf die (begrenzten) Vorräte an Erdöl zurückgreifen. Sie können für noblere Zwecke genutzt werden und auf unbestimmte Zeit in ihrer Nutzung ausgedehnt werden.
Für ein Land wie Deutschland, das praktisch kein Erdöl hat, aber eine teure landwirtschaftliche Überproduktion von Lebensmitteln, die niemand braucht, aber von der EG mit unseren Steuergeldern aufgekauft wird, um vernichtet oder eingelagert zu werden, wäre das Alkohol-Auto DIE Problemlösung – jedenfalls innerhalb kurzer bis mittlelfristiger Sicht.
Aber – langsam mit die junge Pferde – immer der Reihe nach.
Die Automobilkonzerne sahen und sehen sich seit etwa dem Beginn der 80er–Jahre verstärkten Fragen nach alternativen Fortbewegungskonzepten ausgesetzt. Die Umweltbelastung mit saurem Regen, Ozongehalt der Luft und Stickoxiden und der Treibhauseffekt des produzierten Kohlendioxids beim Verbrennen von Benzin und Diesel drangen immer deutlicher in das Bewußtsein der Menschen ein – in neuerer Zeit auch die Frage der Endlichkeit der Erdölvorräte. Die Antwort der großen ‚carmaker’ war eine auf Sparflamme köchelnde Entwicklung aller alternativer Antriebssysteme. Sowohl an dem reinen Elektroauto wurde herumentwickelt wie auch an dem Hybrid-System. Man erprobte alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff und Erdgas (und eben auch Alkohol oder Methanol). Die Entwicklung von Solarzellen-Antriebssystemen wurde ebenso begleitet wie die der Brennstoffzellen. Dazu kamen Entwicklungen, die man aus der Nähe beobachtete wie die der Batterien und der Lagerung von Wasserstoff.
Im Grunde war es allen Autofirmen bewußt, das so nicht weitergehen konnte, aber man mußte eben dort vor allem sehen, daß man Monopolist eigentlich nur in der Motorentechnik, der Karroserietechnik und im Verkauf und Marketing von Autos war. Alternative Antriebssysteme würden dieser Monopolstellung teilweise abträglich sein, denn da könnten andere Firmen, die mehr in diese Entwicklungen investiert hatten, plötzlich als neue Konkurrenten auftauchen. Die allgemeine Devise hieß daher: Mit Kleinst-Entwicklungsprogrammen für alle Fälle gewappnet sein, aber mit Macht auf die Weiterführung des Verbrennens von Benzin und Diesel drängen.
Bestätigt und unterstützt wurden sie darin von den Öl-Monopolen. Die waren und sind noch intensiver daran interessiert, daß möglichst der gesamte Transport der Menschheit auf Verbrennung von Benzin und Diesel basiert, denn sie sind die alleinigen Inhaber von Explorations-und Fördertechniken des Erdöls und Raffinerie-Techniken, die im wesentlichen genau diese Kraftstoffe herstellen. Weit über die Hälfte des Geschäfts der großen Ölmonopole ist basiert auf der Benzin- und Diesel-Kette vom Erdöl-Bohrloch bis zur Zapfsäule.
So bildete sich eine unheilige Allianz zwei der größten und mächtigsten Monopolgruppen dieses Kapitalismus, der Automobil- und Erdölmonopole. Beiden gelang es vereint, jegliche Neuerungen in Bezug auf Antriebssysteme und Kraftstoffe zu verhindern.
Jegliche Ansätze wurden immer mit dem Totschlagargument „nicht ausgereift“ vernichtet. Diese Konzerne verwiesen bei jeder Gelegenheit auf ihre eigenen Entwicklungen und versicherten in fast gleichlautenden Erklärungen über 25 Jahre hinweg, sicherlich seien in der Zukunft andere Antriebssysteme und andere Kraftstoffe möglich, aber die Entwicklungen zeigten, daß man bis auf weiteres nicht einmal in die Nähe einer ökonomischen Alternative zum heutigen Automobil, seinem Antriebssystem und seinen Kraftstoffen gekommen wäre.
Das häufige Wiederholen führte dazu, daß diese Argumentation gewissermassen zum Allgemeingut wurde. Kein brauchbarer Konservativer – oder 'neocon' – von heute, der sie nicht auswendig könnte: „Alles nicht ausgereift, braucht noch Jahre!“
Auffallend war nur, daß immer wenn andere als diese Konzerne sich der Dinge annahmen, schnell brauchbare Resultate herauskamen. In Wirklichkeit sind alle diese Alternativen bereits seit Jahren anwendungsfertig. Ihre praktische Umsetzung wird nur durch die (fast) Allmacht der interessierten Konzerne verhindert, jedenfalls bezüglich einer Verwirklichung in nennenswertem Umfang.
Die Blockadepolitik vor allem von seiten der großen Ölkonzerne war so extrem und hysterisch, daß es sogar zu lächerlichen Episoden kam. In Brasilien kolpoltierte man in den 90er Jahren die Aussage eines Sprechers von einem ihnen, der glaubhaft versichert hatte, die Verwendung von Alkohol als Kraftstoff sei noch nicht voll anwendungsreif (nachdem zu diesem Zeitpunkt in Brasilien bereits seit 20 Jahren Millionen von „Alkoholikern“ herumfuhren).
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Alternativen, die bereits anwendungsreif sind:
1. Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff in normalen Benzinmotoren – Das ist schon so lange möglich, daß kaum noch jemand davon spricht.
2. Verwendung von Wasserstoff in Brennstoffzellen zur Erzeugung von Strom, der dann das Fahrzeug antreibt – ein solches Vehikel hat vor kurzem den absoluten Sparsamkeitsrekord aller Fahrzeuge ausfgestellt.
3. Sichere Lagerung von komprimiertem Wasserstoff im Auto mit einem Risiko, das nicht größer als das heutige des Benzintanks ist.
4. Herstellung des Wasserstoffs oder Stroms aus Sonnenlicht mit weit höherer Energie-Ausbeute als bei Photovoltaik-Anlagen der ersten Generation.
5. Der reine Elektro-Antrieb, der seinem Strom aus Batterien bezieht – Solche Omnibusse fahen bereits in vielen Städten der Welt.
6. Das Hybrid-Modell Benzin/Elektro, siehe Toyota Prius.
7. Die Verwendung von Erdgas als Kraftstoff in normalen Benzin-Motoren – hiervon gibt es ebenfalls schon viele Millionen funktionierende Autos, die heute noch alle von Benzin auf Gas und umgekehrt hin- und hergeschaltet werden können.
8. Wie oben schon dargelegt, die Verwendung von Alkohol aus Pflanzen in Benzin-Autos mit leichter Anpassung, wobei es heute auch schon die Version gibt, in der Benzin und Alkohol in jeder beliebigen Mischung verwendet werden können (dazu unten noch mehr).
9. Die Gewinnung von Alkohol als Kraftstoff aus Pflanzenabfällen, Holzschnitzeln, bzw. Schilf oder anderer Biomasse, letzteres ein VW-Projekt (SunFuel) von der IAA 2001, von dem man seitdem nichts mehr gehört hat.
10. Die Gewinnung von Benzin und/oder Diesel aus Pflanzenabfällen und aus Klärschlamm (der heute unter höchster Umweltbelastung deponiert oder verbrannt wird).
11. Die Gewinnung von Benzin/Diesel/Schmierölen aus Kunststoffabfällen (die heute unter höchster Umweltbelastung verbrannt werden).
12. Benzin/Diesel kann auch aus Kohle gewonnen werden, wie das faschistische Deutschland in mehreren großen Anlagen bewiesen hat (Fischer-Tropsch-Synthese).
13. Bio-Diesel, wie er in Deutschland heute schon selbstverständlich ist, also chemisch umgewandelte (umgeesterte) Pflanzenöle, seien sie auf Basis von Rapsöl, Rizinusöl oder Sojaöl oder auch von Frittierabfällen.
14. Neue Dieselmotoren, die Pflanzenöle direkt in Bewegung umsetzen können, also ohne den Umweg über die Methyl- oder Ethylester.
Daneben gibt es weitere interessante Entwicklungen, wie z.B. die Lagerung von Wasserstoff in Nano-Röhren und vieles andere.
Im Kern geht es bei allen diesen Entwicklungen um drei Hauptprobleme und zwei Nebenprobleme, die mit diesen Alternativen gelöst werden können, seien es eines davon, zwei, drei oder alle.
Die Hauptprobleme sind:
1. Treibhauseffekt: Die Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxid (Treibhausgas), das u. a. bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen (z.B. Benzin, Diesel, Erdgas) entsteht.
2. Die Umweltverschmutzung durch die Abgase, die zu 'saurem Regen' aufgrund von Schwefeldioxid, NOx-Belastung der Luft, Ozonbelastung der Luft und Feinstaub in der Luft führen.
3. Fossile Brennstoffe: Die Verwendung des endlichen Rohstoffs Erdöl als Ausgangsstoff der Kraftstoffe und anderen Brennstoffe, was die Verschwendung eines hochwertigen und unwiederbringlichen Rohstoffes bedeutet (abgesehen davon, daß man eventuell schon bald sowieso davon Abschied nehmen muß, weil er zu teuer wird).
Als viertes, weniger grundsätzliches Problem, das allerdings in Deutschland dringend ist, stellt sich die Außenhandelsbilanz eines Landes dar, das Erdöl bzw. Erdölprodukte in hohem Maß einführen muß und dafür Devisen erwirtschaften und bereitstellen muß (das betrifft vor allem die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien sowie eine Reihe anderer Staaten).
Schließlich gibt es noch ein Fünftes, sehr spezielles Problem in der EU und den USA: Der Agrarmarkt. Um die Landwirtschaft nicht völlig aussterben zu lassen, werden landwirtschaftliche Produkte subventioniert, d.h. zu Preisen aufgekauft, die über dem Weltmarktniveau liegen, was riesige Summen an Steuergeldern verschlingt und gleichzeitig die Entwicklungsländer mit ihren Agrarprodukten aussperrt. Würde die Landwirtschaft stattdessen mit dem Anbau nachwachsender Rohstoffe für Kraftstoffe beschäftigt, könnten die Haushalte dieser Länder in ungeahntem Maße entlastet und gleichzeitig den Entwicklungsländern faire Absatzchancen gegeben werden.
Die weitestgehende Problemlösung (die allerdings auch noch weit am Horizont steht) läßt sich mit der Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff erreichen, wenn er aus Sonnenlicht gewonnen wird. Aus dem Auspuff eines Wasserstoff-Motors oder einer Brennstoff-Zelle kommt nur Wasserdampf und man wäre von den fossilen Kraftstoffen weg. Alle drei Hauptprobleme wären gelöst (die beiden Nebenprobleme wären dann sowieso nicht mehr so wichtig).
Üblicherweise wird hierzu davon gesprochen, daß man mit der Belegung von 5% der Fläche der Sahara mit Sonnenlicht einfangenden Zellen oder Spiegeln den gesamten benötigten (Wasserstoff-)Kraftstoff der Menschheit gewinnen könnte. Aber es gibt auf allen Kontinenten Wüsten bzw. sonnendurchflutete, weitgehend unbewohnte Gegenden, so daß man gar nicht so viel von der Sahara beanspruchen müßte.
Diese weitestgehende Lösung braucht nicht unbedingt über den Wasserstoff zu laufen, es könnten auch direkt der Strom in Batterien gespeichert werden und dann die Fahrzeuge mit Batterien betrieben werden.
Die Lösung mit der Verbrennung von Erdgas löst im Kern nur das Problem der Luftverschmutzung, und auch das nur teilweise - ist also nicht zukunftsträchtig.
Die Verwendung von Alkohol aus Pflanzen löst zwei der drei Hauptprobleme (Treibhauseffekt und fossile Brennstoffe) und teilweise das dritte, die Luftverschmutzung. Es hätte den Vorteil, daß es für uns in Europa auch noch die beiden Nebenprobleme löst. Abgesehen von einer gewissen (wenn auch deutlich geringeren) Luftverschmutzung ist dies also die Problemlösung mit dem weitesten Nutzen bei gleichzeitig minimalem Umrüstungsaufwand. Das gleiche gilt, wenn der Alkohol aus Pflanzenabfällen oder Biomasse gewonnen wird oder wenn Flüssigkeiten ähnlich dem Benzin oder Diesel (aber weit reiner) aus solchen pflanzlichen Quellen hergestellt werden.
Auch Biodiesel (und - mit Einschränkungen - die Verwendung der Dieselmotoren, die Pflanzenöle direkt verbrennen können), haben diesen gleichen Effekt: Sie lösen die Probleme Treibhauseffekt und fossile Brennstoffe, z.T. das Problem Luftverschmutzung und lösen auch beide Nebenprobleme: Gleich weiter Nutzen wie der Alkohol. Im übrigen soll auf Biodiesel hier nicht weiter eingegangen werden, um beim Thema zu bleiben.
[Hinweis: In der Reihe von Artikeln von Karl Weiss unter dem Namen "Der Alkohol-Boom hat begonnen" wird auch ausführlich auf Bio-Diesel eingegangen.]
Wird Alkohol oder werden ähnliche Flüssigkeiten wie Benzin oder Diesel aus Kunststoffabfällen oder Klärschlamm gewonnen, hat man allerdings nicht mehr oder nicht mehr vollständig den Effekt der Vermeidung des Treibhausgaserzeugung, jedoch kann der Vorteil der Vermeidung anderweitiger Luftverschmutzung dies mehr als aufwiegen. Speziell bieten sich diese Methoden an, wenn der Anbau nicht vollständig den Bedarf an Kraftstoffen deckt.
Das reine Elektroauto hat nur Sinn, wenn der Strom nicht vorher aus fossilen Brennstoffen oder aus gefährlichen und nicht endenwollend strahlende Abfälle hinterlassenden Atomkraftwerken gewonnen wird. Die Wasserstoff-Lösung sieht da im Moment vielversprechender aus, zumal die Batterien bis jetzt noch nicht allen Ansprüchen genügen.
Das Hybrid-Auto wie der Toyota Prius besitzt dagegen nicht einen der Vorteile. Er kann nur den Benzinverbrauch drücken, was immerhin auch schon etwas ist, aber im Vergleich doch wenig.
Daß die Gewinnung von Benzin/Diesel aus Kohle auch keinen Vorteil bringt, liegt auf der Hand (Kohle ist ja nur eine andere Art fossiler Rohstoffe als Erdöl).
Zur Gewinnung von Wasserstoff aus Sonnenlicht gibt es jetzt noch ein weiteres Verfahren, wie man aus einer Meldung vom 5. August erfahren konnte:
„Den Chemikern war schon lange bekannt, dass manche Metalle wie etwa Zink Wasser spalten können. Gescheitert sind diese Versuche meist daran, daß Zink stets zu unrein war. Zur Herstellung von reinem Zink war eine Reihe von chemischen Prozeduren erforderlich. Diese machten den Einsatz von Säuren und großen Mengen Strom erforderlich. Die israelischen Forscher [des Weizmann Institute of Science] haben nun einen besseren Weg gefunden: 64 sieben Meter hohe Spiegel fokussieren einen Lichtstrahl auf einen Turm mit Zinkoxid und Holzkohle. Der Strahl mit einer Leistung von 300 Kilowatt heizt den Reaktor auf bis zu 1.200 Grad Celsius an und schafft die Herstellung von bis zu 50 Kilogramm Zink pro Stunde.“
Jetzt hat uns eine Schweizer Zeitung allerdings aufgeklärt, daß die Idee aus der Schweiz von der ETH Zürich stammt. Das Weizmann-Institut hat lediglich seinen „Sonnenofen“ zur Verfügung gestellt, um die Erfindung zu testen. „Der von (... ) ETH entwickelte Solarreaktor ist vereinfacht gesagt ein grosser Behälter mit einer Fensteröffnung und einem «Abgasrohr». Der Reaktor wird vor Sonnenaufgang mit einem Gemisch aus Zinkoxid-Pulver und Kohle beschickt. Durch das Quarzfenster tritt die konzentrierte Solarstrahlung in den Reaktor und erhitzt ihn. Bei Temperaturen von 1200 Grad reagiert Zinkoxid und Kohle zu Kohlenmonoxid und gasförmigem Zink. Das Gasgemisch wird über ein Rohr aus dem Reaktor abgeführt und so abgekühlt, daß das Zink zu einem Pulver auskondensiert. Am nächsten Morgen wird der Reaktor wieder neu beladen."
Was so einfach tönt, stellt in der Detailumsetzung einige Herausforderungen.
«Um eine möglichst hohe Effizienz zu erreichen, darf nur wenig Solarwärme verloren gehen», erklärt Christian Wieckert (...). Die Forscher mußten die Geometrie des Reaktors so optimieren, daß viel Solarstrahlung eintritt, aber möglichst wenig wieder zurückstrahlt. Zentral ist auch, daß das Zinkoxid möglichst vollständig zu Zink reagiert. Das Mischungsverhältnis zwischen Kohle und Zinkoxid ist dabei entscheidend. (...) Die am Reaktorfenster eintreffende Strahlung ist etwa 2000-mal stärker als die direkte Sonne.
Nach den ersten Testläufen des Reaktors zieht Christian Wieckert eine positive Bilanz: «Etwa 30 Prozent der in den Reaktor einfallenden Sonnenenergie werden für die chemische Umsetzung genutzt.» Größere industrielle Anlagen dürften eine Effizienz von 50 bis 60 Prozent erreichen. Werden die angestrebten Wirkungsgrade erreicht, hat die Technologie ein großes Potenzial: Eine Landfläche von schätzungsweise drei mal vier Kilometer müßte mit Heliostaten ausgestattet werden, um mit Hilfe des Zinkkreislaufes genügend Wasserstoff für eine Million Brennstoffzellen-Autos zu produzieren.
In unseren Breitengraden ist die Sonneneinstrahlung allerdings zu gering für ein großes solarchemisches Kraftwerk. Offen ist die Frage, wie die Energie aus künftigen Solarreaktoren in Israel, der Sahara oder Südspanien zu uns gelangen könnte. Macht es Sinn, Zink zu transportieren und dezentral Wasserstoff oder Strom zu produzieren? Oder soll man den Wasserstoff oder den Strom transportieren? In einer laufenden Studie wollen die (...) Forscher Antworten liefern.“
Sind wir zunächst von Brasilien ausgegangen und haben uns dann den alternativen Antriebssystemen und Kraftstoffen zugewandt, so kommen wir nun wieder auf Brasilien zurück.
Im Jahr 2003 nämlich verkündeten die vier großen Autobauer in Brasilien, VW, GM (Chevrolet), Fiat und Ford überraschend, sie würden Projekte verfolgen, die auf Autos zielen, die Alkohol oder jede Mischung von Benzin und Alkohol per Einspritzung und mit angepaßten Motoren verwerten können (jetzt hat auch Toyota entsprechende Autos angekündigt). Es waren Bosch und Magnet Marelli, die entsprechende Einspritzanlagen konstruierten. Im Verlauf von 2004 kamen bei allen vier die ersten Fahrzeuge auf den Markt, die mit den Mischungen dieser Kraftstoffe in jedem Verhältnis fahren können.
[Anmerkung: Inzwischen gibt es auch "Flex-Fuel-Autos" von Toyota, Peugeot, Renault und Honda in Brasilien aus dortiger Produktion.]
Die Nachfrage war zunächst nicht riesig. Das lag aber daran, daß es diese Ausrüstung zunächst nur für Fahrzeuge gab, die für brasilianische Verhältnisse relativ großkalibrig waren, das war der 'Palio' mit 1,6-Liter-Motor bei Fiat, der 'Escort' oder 'Focus' mit 1,6-Liter-Motor bei Ford, der 'Gol' und 'Fox' mit 1,6-Liter-Motor bei VW und der 'Corsa' und ein neues Fahrzeug mit Namen 'Meriva' der gleichen Motorgröße bei GM-Chevrolet.
Wie sich jeder vorstellen kann, kann sich in Brasilien nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Autos leisten. Davon wiederum müssen sich die weitaus meisten für die kleinsten verfügbaren Ausführungen entscheiden, das sind jene mit einem 1,0-Liter-Motor, die von der Regierung mit Steuervorteilen unterstützt werden, um den Fahrzeugabsatz anzukurbeln. Etwa 65% der in Brasilien verkauften Autos sind mit 1,0-Liter-Motoren ausgerüstet.
Erst Anfang 2005 begannen alle vier großen brasilianischen Auto-Firmen, auch die 1,0-Liter-Autos wahlweise mit dem Misch-Alkohol-Motor auszustatten. Jede der Firmen hatte dafür einen eigenen Namen gefunden. Bei Fiat heißt er einfach ‚flex’, bei VW ‚total-flex’, bei GM-Chevrolet ‚flex-power’ usw. Toyota hat seine Entwicklung als ‚Flexible-Fuel-Vehicle’ angekündigt.
Seitdem stiegen die Verkäufe dieser ‚flex’-Fahrzeuge innerhalb der ganzen Autoverkäufe kontinuierlich an. ‚Reine Alkoholiker’ gibt es jetzt natürlich überhaupt nicht mehr als Neuwagen (aber immer noch viele als gebrauchte). Im Mai schließlich stiegen die Verkäufe der Flex-Autos auf über 50% aller verkauften Autos. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen, denn nun spricht sich langsam herum, daß die ‚Flex’, mit Alkohol betrieben, keineswegs mehr den höheren Verbrauch haben wie die früheren Alkohol-Gefährte und man damit einen recht beachtlichen Preisvorteil hat, vor allem, wenn man viel fährt. Wahrscheinlich wird sich die Rate wieder bei den 70 bis 75% der verkauften Fahrzeuge festsetzen. Inzwischen haben auch schon die Gebrauchtwagenpreise der alten ‚Alkoholiker’ angezogen. Heute muß man bei einem Basismodell, z.B. des Fiat Palio mit 1-Liter-Motor und ‚Flex’-Austattung etwa 500 Reais (weniger als 200 Euro) mehr bezahlen beim Kauf als beim Benzin-Modell– das hat man schnell wieder raus.
[Anmerkung von Oktober 2006: Inzwischen hat sich der Anteil der "Flex-Fuel"-Fahrzeuge in Brasilien bereits bei über 75% festgesetzt und VW hat angekündigt, in Brasilien ab Anfang 2007 überhaupt nur noch diese Versionen seiner Fahrzeuge herzustellen - die anderen dürften nachziehen. Alle Flex-Fuel-Autos werden bereits zu gleichen Preisen wie die reinen Benzin-Modelle angeboten.]
Damit sind wir denn auch schon bei der Frage der Preise, die den Autofahrer vordergründig natürlich mehr interessiert als die Frage der Umweltverträglichkeit. Erfahrungsgemäß setzen sich umweltverträgliche Neuigkeiten nur durch, wenn sie nur gleich teuer sind oder besser billiger, sonst bleiben sie beschränkt auf eine kleine Minderheit.
Unsere Recherchen haben im August 2005 in Brasilien folgende Ergebnisse über die Preise gebracht: Benzin kostet in Brasilien etwa zwischen 2,05 und 2,30 Reais pro Liter, das sind in etwa 70 bis 80 (Euro-)Cents. Alkohol kostet im Bundesstaat São Paulo zwischen 0,85 und 1,05 Reais (29 bis 36 Cents) und in anderen Bundesstaaten im Bereich von 1,10 bis 1,35 Reais (38 bis 47 Cents). Zum einen zeigen diese Zahlen, daß es in Brasilien keine Öko-Steuer gibt (die für alles andere außer ökologischen Zwecken verwendet wird). Zum anderen zeigen sie, daß für den Alkohol weniger Steuern gezahlt werden muß als für das Benzin. Und drittens schließlich zeigen sie, daß der Vorteil des geringeren Kraftstoff-Preises für den Alkohol so gravierend ist, daß der plötzliche Erfolg leicht erklärlich ist.
Allerdings gibt es in Brasilien – so wie auch in Deutschland – auch noch eine andere Alternative, das ist das Erdgas. Man kann für etwa 2000 Reais (etwa 670 Euro) sein Benzin-Auto mit einem zusätzlichen Hochdruck-Tank für Erdgas sowie den sonstigen Geräten versehen lassen, die es ermöglichen, wahlweise mit Erdgas oder Benzin zu fahren.
Ein üblicher Tank von (komprimierten) 16 bis 17 Kubikmeter reicht für etwa 200 bis 250 Kilometer, das ergibt in etwa den Km-Inhalt eines Kubikmeters als äquivalent zu 1,5 Litern Benzin. Also ein deutlich kleinerer Radius bis zum nächsten Tankstop, aber der Preisvorteil ist gewaltig. Der Kubikmeter Erdgas kostet an den Tankstellen in Brasilien um 1 Real, also etwa 34 Cent. Das ist also noch viel billiger als mit Alkohol. Dazu hat die brasilianische Regierung einen zusätzlichen Anreiz beschlossen, diese Umformung in ein Gas-Fahrzeug durchführen zu lassen: Man zahlt nur 25% der KFZ-Steuer für diese Fahrzeuge.
Allein damit hat man bei einem Neuwagen nach drei Jahren die Kosten für die Umstellung meist wieder herausbekommen.
Da Erdgas ja nun keineswegs die Umweltvorteile wie der Alkohol hat, ist es zumindest etwas verwunderlich, daß ausgerechnet in dem Land, das die Alkoholautos ‚erfunden’ hat, die Erdgas-Autos so sehr gefördert werden, aber warum sollte man von brasilianischen Politikern mehr Vernunft erwarten als von Deutschen?
In Deutschland ist, wie jeder weiß, bis heute noch kein Alkohol-Programm gestartet worden, obwohl dies das naheliegendste von allem wäre.
Auch für die USA wäre ein Alkohol-Programm äußerst naheliegend. Hierzu gibt es einen Artikel in der New York Times vom 5. August 2005 von T.L. Friedmann über das neue Energie-Gesetz unter der Überschrift „Too much pork and too little sugar“, in dem er unter anderem schreibt:
“Many technologies that could make a difference are already here - from hybrid engines to ethanol. All that is needed is a gasoline tax of $2 a gallon to get consumers and Detroit to change their behavior and adopt them. (…)"
"During the 1973 Arab oil embargo Brazil was importing almost 80 percent of its fuel supply," notes Mr. Luft, director of the Institute for the Analysis of Global Security."
"Within three decades it cut its dependence by more than half. ... During that period the Brazilians invested massively in a sugar-based ethanol industry to the degree that about a third of the fuel they use in their vehicles is domestically grown. They also created a fleet that can accommodate this fuel."
"Half the new cars sold this year in Brazil will run on any combination of gasoline and ethanol. "Bringing hydrocarbons and carbohydrates to live happily together in the same fuel tank," he added, "has not only made Brazil close to energy independence, but has also insulated the Brazilian economy from the harming impact of the current spike in oil prices." The new energy bill includes support for corn-based ethanol, but, bowing to the dictates of the U.S. corn and sugar lobbies (which oppose sugar imports), it ignores Brazilian-style sugar-based ethanol, even though it takes much less energy to make and produces more energy than corn-based ethanol. We are ready to import oil from Saudi Arabia but not sugar from Brazil.”
“Viele Technologien, die einen Fortschritt bedeuten können, sind bereits vorhanden – von Hybrid-Motoren bis zum Ethanol. Was nötig ist, ist eine Steuer von 2 Dollar auf eine Gallone Benzin [eine Gallone sind etwa 4,2 Liter, er tritt also hier für so etwas wie eine Öko-Steuer ein], um die Verbraucher und [die Automobilkonzerne in] Detroit dazu zu bekommen, ihre Gewohnheiten zu ändern und sie [diese Technologien] zu verwenden...."
„Während des arabischen Ölembargo 1973 muß Brasilien fast 80% seines Kraftstoffes einführen.“ stellt Herr Luft, Direktor des ‚Instituts für Analysen der weltweiten Sicherheit’ fest. „Innerhalb von drei Jahrzehnten hat es seine Importabhängigkeit auf mehr als die Hälfte verringert. ... Während dieser Zeit hat Brasilien so massiv in eine Alkohol-Industrie auf der Basis von Zucker investiert, daß etwa ein Drittel des jetzigen Kraftstoff-Bedarfes im Land gepflanzt ist. Man hat auch eine Flotte von Autos geschaffen, die diesen Kraftstoff verwerten können.“
"Die Hälfte der neuen Autos in diesem Jahr in Brasilien werden mit jeder Mischung von Benzin und Alkohol fahren können."
“Die Kohlenwasserstoffe und die Carbohydrate zu einer fröhlichen Zusammenarbeit im Benzintank zu bringen,“so fügte er hinzu, “hat Brasilien nicht nur nahe an die Energie-Autarkie gebracht, sondern auch die brasilianische Wirtschaft immun gemacht gegen die momentanen Erhöhungen der Erdölpreise.“
"Das neue Energie-Gesetz schließt eine Unterstützung für Alkohol auf der Basis von Mais ein, aber es hat sich dem Diktat der Zucker- und Mais-Industrie gebeugt (die Zucker-Importe ablehnen) und ignoriert Alkohol auf Zucker-Basis wie in Brasilien, obwohl dies Verfahren viel weniger Energie verbraucht und mehr Energie produziert als Alkohol auf Mais-Basis. Wir importieren laufend Erdöl aus Saudi-Arabien, aber keinen Zucker aus Brasilien.“
Was die brasilianischen Zucker- und Alkohol-Produzenten angeht, so haben die bereits verlauten lassen, daß sie die Zucker- und Alkohol-Produktion noch gewaltig steigern können, wenn dies notwendig sein sollte. Die Zuckerexporte Brasiliens sind fast zum Erliegen gekommen. Die EU und die USA lassen praktisch keinen Zucker herein, bis auf ein paar Alibi-Tonnen.
Der Weltmarktpreis ist im Keller. Zu diesem Preis lohnt es sich für die Großgrundbesitzer fast nicht, überhaupt anzubauen. So wird fast nur für den Alkohol und den internen Markt produziert. Alkohol wird zwar in ansehnlichen Mengen exportiert und der heimische Konsum steigt zusammen mit der Zahl der Flex-Mobile, aber es sind immer noch einige der Alkohol-Fabriken aus der Zeit des Alkohol-Booms Ende der 80er-Jahre eingemottet. Außerdem kann man solche Fabriken von der Stange kaufen. Sie sind innerhalb weniger Monate schlüsselfertig.
Die brasilianischen Zucker- und Alkoholproduzenten heben dabei besonders hervor, daß sie die Energie zur Herstellung von Zucker und Alkohol aus angeschlossenen Kleinkraftwerken beziehen, in denen die ausgepreßten Reste des Zuckerrohrs verbrannt werden. Die Mengen sind so groß, daß die gesamte benötigte Energie so gewonnen werden kann. Auch bei diesem Verbrennungsprozeß wird der Kohlendioxid-Gehalt der Luft ja nicht erhöht, denn jedes dabei freiwerdende Kohlenstoff-Atom in einem CO2 – Molekül ist ja vorher beim Wachsen des Zuckerrohrs aus einem CO2 – Molekül der Luft gebildet worden.
Laut einer Mitteilung der brasilianischen Bundesregierung wird im Jahr 2006 die Autarkie Brasiliens in Bezug auf Erdöl erwartet, d.h. daß sich die Im- und Exporte von Erdöl und Erdölprodukten die Waage halten werden (im Wert). Damit wird Brasilien dann zu den wenigen Ländern auf der Erde gehören, die nicht von Erdölimporten abhängig sind und sogar beginnen, von den hohen Erdölpreisen beim Export zu profitieren.
Dies ist zunächst darauf zurückzuführen, daß die Brasilianer so stur waren, einfach nicht einer US-Fachfirma zu glauben, die es der brasilianischen Regierung in den Fünfziger-Jahren nach jahrlanger Suche schriftlich gegeben hatte, daß es auf brasilianischen Grund kein Erdöl gäbe. Man suchte weiter und fand schließlich, hauptsächlich draußen im Atlantik auf dem Festlandssockel, große Erdöl- und Gasvorkommen. Die waren aber in Wassertiefen, in denen bis dahin eine Förderung nicht möglich war. Die brasilianische Staatsfirma Petrobras entwickelte daraufhin neue Verfahren, die eine Bohrung und Förderung in großen Wassertiefen ermöglichten (ganz im Gegensatz zu allen Geschichten, die man uns über staatliche Firmen erzählt).
Bis heute sind brasilianische Ingenieure weltweit führend in der Erdölförderung bei großen Wassertiefen. Die Petrobras hat eine eigene Firma, die dieses Know-How anderen Interessenten anbietet und verkauft. Im Moment sind gerade drei neue schwimmende Plattformen in Werften in Niteroi am werden, einer Stadt gegenüber Rio de Janeiro auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht gelegen. In wenigen Jahren will man zu einem bedeutenden Erdölexporteur werden.
Der zweite Grund aber, daß man so schnell die Autarkie erreichen wird, ist das Alkohol-Programm. Da Brasilien so gut wie kein Erdöl zu Zwecken der Stromerzeugung oder der Erzeugung von Heizöl einführen muß – Strom wird fast ausschließlich aus Wasserkraft und Atomkraftwerken gewonnen und Heizungen gibt es in brasilianischen Häusern so gut wie nicht (wenn nötig, muß man sich mit Elektrostrahlern behelfen) - , ist die Herstellung von Diesel und Benzin der wesentliche Grund für die Einfuhr von Erdöl. Da macht natürlich der Ersatz von Benzin durch Alkohol viel aus.
Die EU könnte sofort mit einem Alkohol-Programm beginnen (man könnte ja Alkohol aus Brasilien einführen) und dann in aller Ruhe eine EU-Alkohol-Agrarpolitik vorbereiten, aber weit gefehlt. Eher steigen die sieben Reiter des jüngsten Gerichts herab. Die Erdöl-Riesen und die EU-Kommission, das ist fast eins.
Wer nun mit einem Alkohol-Programm begann, ist Schweden, eines der wenigen europäischen Länder außerhalb der EU. Man ist bereits dabei, ein Alkohol-Tankstellennetz aufzubauen. In Schweden sind schon Flex-Fahrzeuge zu kaufen.
Saab hat seinen 9-5 FFV BioPower vorgestellt. Ein kleiner Teil aus einem Testbericht dieses Autos:„Schweden eifert Brasilien nach und bringt den Saab 9-5 als BioPower-Version nun auch in unsere Breiten. (...) Der in Schweden angebotene Kraftstoff besteht zu 85 Prozent aus Äthanol und zu 15 Prozent aus Benzin. (...)Angetrieben wird der etablierte Schwede von einem Zweiliter-Vierzylinder mit der bekannten Turboaufladung. Der Motor ist wahlweise mit Äthanol oder Benzin zu betreiben. (...) Je nach Kraftstoff variiert jedoch die Leistung. Verfügt der Turbo bei Benzinbetankung über die üblichen 110 kW / 150 PS, so gibt es mit der hochkonzentrierten Tankfüllung Alkohol 132 kW / 180 PS. Die Fahrleistung sind entsprechend höher: 0 auf 100 km/h in 8,5 Sekunden und ein maximales Drehmoment von 280 Nm liegen über den Benzinerwerten.
(...)Durch die höhere Oktanzahl (104 ROZ) kann der Motor den Kraftstoff effizienter verbrennen. Ein früherer Zündzeitpunkt und eine erhöhte Verbrennungstemperatur machen es möglich. „Unsere Motorsteuerung paßt sich automatisch dem gerade verwendeten Typ Kraftstoff an“, sagt Kjell Bergstörm, Präsident der Saab Automobil Powertrain AB. Zündzeitpunkt und Kraftstoff-Luft-Gemisch werden getrennt überwacht. (...)
Die Kosten halten sich im Rahmen. Der Preis des E85-Kraftstoffs liegt in Schweden rund 25 Prozent unter dem von bleifreiem Benzin. Die Verbräuche vergleichbarer Fahrzeuge liegen im Drittelmix und in der Stadt auf dem gleichen Niveau der handelsüblichen Modelle. Saab verspricht bei monotonem Tempo auf der Autobahn eine Ersparnis von rund 15 Prozent. Das Saab 9-5 FFV BioPower kostet im Kronenland knapp 900 Euro mehr als der handelsübliche Benziner. Zudem sind die Fahrzeuge steuerbefreit.“
Zum Jahreswechsel kündigte Saab auch die entsprechenden Varianten des kleineren Saab 9-3 an. Volvo hat ebenfalls Alkohol-Flex-Fahrzeuge angekündigt. Volvo bereitet nach Angaben der Konzernmutter Ford den Start von Ethanol-Versionen des V50 und des S40 in Schweden vor.
Auch Ford in Schweden hat bereits seine „Weingeist-Flotte“ vorgestellt. Hier kleine Ausschnitte aus einem Artikel über diese Fahrzeuge: „Ford wird den Focus und den C-Max Mitte August auch mit Ethanol-Antrieb ... ausliefern. (...)... wird es die Schräghecklimousine und den Kompaktvan dann mit einem 92 kW / 125 PS starken 1,8-Liter-Motor geben, der sowohl mit Superbenzin als auch mit Bio-Ethanol in nahezu allen Mischungsverhältnissen betrieben werden kann. (...)Die Preise für den Focus beginnen laut Ford bei 17.975 Euro; der C-Max wird mindestens 19.525 Euro kosten, was einem Aufpreis von jeweils 300 Euro entspricht. (...)... mindere Bio-Äthanol die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und werde überdies steuerlich gefördert.
Deshalb können Autofahrer mit diesem Kraftstoff laut Ford-Sprecher Isfried Hennen bis zu 20 Prozent Betriebskosten sparen. Bislang jedoch ist Äthanol in Deutschland nur vereinzelt verfügbar. Deshalb will Ford parallel zur Markteinführung nach Angaben von Umwelt- Vorstand Wolfgang Schneider auch auf den schnellen Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur hinarbeiten.“
Nun, da kann man ausnahmsweise mal einem Automobil-Konzern nur viel Erfolg wünschen. Der Ford-Sprecher kündigte an: „Wenn Ethanol in Deutschland zum Thema wird, dann stehen diese Autos ganz schnell auch bei uns im Showroom.“
So sehr – und mit soviel Grund – man Brasilien in vieler Hinsicht als rückständiges Land ansehen kann, so sehr muß man andererseits immer wieder zugeben, daß Brasilien in anderer Hinsicht plötzlich fortschrittlicher ist als unser ‚good old Germany’. Wir haben allen Anlaß, unser übliches Naserümpfen sein zu lassen und unser Denken neuen Ideen zu öffnen, auch und gerade wenn sie aus Ländern stammen, denen wir uns so überlegen vorkamen.
Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Klimakatastrophe, den Bio-Kraftstoffen und was man dagegen tun kann:
- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen
- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr
- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik
- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet
- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus
- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“
- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“
- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben
- Stärkster Hurricane aller Zeiten
- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’
- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatstrophe
- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel