Wir werden weiter verhandeln - bis die Welt in Scherben fällt
Der "Kompromiss"
Von Karl Weiss
Ein weiterer Flop. Nach dem absolut ergebnislosen Gipfel von Heiligendamm, nach den misslungenen Versuchen, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation wieder in Gang zu bringen, nach dem Gipfel von Annaheim, der lediglich das Ergebnis brachte, man werde weiter verhandeln, ist nun auch der Weltklimagipfel auf Bali in Indonesien völlig ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Man schrieb zwar in einen Anhang, eigentlich bräuchte man 25 bis 40% weniger Ausstoß von CO2 bis 2020, aber darauf konnte man sich eben nicht als Verpflichtung einigen. Das einzig Konkrete wie in Annaheim: Weitere Verhandlungen sollen folgen.
Man sehe sich nur diese Planung der Bundesregierung für die Primärenergie an: Bis 2030 sind nur 11,5% regenerative Energiequellen vorgesehen, der Anteil des Mineralöls soll praktisch gleich bleiben - bis 2030! Braunkohle - die schmutzigste Energieform - soll bis dahin sogar auf 12% ausgeweitet werden. Die Kernenergie soll im wesentlichen durch das fossile Erdgas ersetzt werden. Der Anteil der Energie aus fossilen Rohstoffen soll bis 2030 nicht etwa erniedrigt, sondern von 84,2% auf 88,5% erhöht werden!
Vorsichtshalber hat man die Bali-Ergebnisse nur „Bali-Roadmap“ genannt, also eine Strassenkarte, welche die Gegend zeigt, aber nicht, wo man hinwill. Als das letzte Mal ein „Kompromiss“ Roadmap hieß, beim letzten US-Vorstoß zu einem Nahost-Frieden, waren die Ergebnis erschütternd. Es wurde von Israel nicht nur nichts eingehalten, was da vorgeschlagen wurde, es wurde noch nicht einmal mehr verhandelt und die USA selbst hielt schließlich das Einhalten der vorgesehenen Schritte nicht mehr für notwendig.
Jetzt soll jedenfalls weiter über das Klima verhandelt werden. Ab 2009 sollen neue verbindliche Ziele festgelegt sein (oder doch nicht?). Nur hat das zwei Haken:
1. Die bisherigen Ziele von Kyoto, die sowieso viel zu niedrig waren, um den Weg in die Klimakatastrophe wirklich stoppen zu können, sind überhaupt nicht eingehalten worden. Zwar gibt es in einer Reihe von Ländern kleinere Fortschritte, aber irgendeine grundlegende Wende in der Energie- und Klimapolitik hat nicht ein einziges der großen Industrieländer eingeschlagen – ganz zu schweigen von China, das nun zu einem großen Problem wird.
2. Da weder in Kyoto noch in den vorgesehenen Verhandlungen von Sanktionen die Rede ist, kann man sich eben an solche Vorgaben halten oder nicht, je nachdem. Die Tendenz, wie schon bei den Kyoto-Vorgaben zu sehen, ist eher: nicht.
Damit wird der ganze Zweck von solchen Verhandlungen ad absurdum geführt. Selbstverständlich müssten internationale Sanktionen gegen Staaten festgelegt werden, die sich nicht an die Festlegungen halten.Die USA und Australien hatten ja, obwohl sie an den Kyoto-Verhandlungen teilgenommen hatten und das Abschlussdokument mit unterschrieben hatten, offiziell erklärt, aus Kyoto auszusteigen. Sanktionen gab es natürlich nicht.
Das geht also nach dem allgemeinen Motto von Adenauer: „Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern!“
Was geht also vor, was macht es unmöglich, internationale Vereinbarungen zu schliessen?
Zum einen ist dies ein deutliches Anzeichen der absoluten Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, noch zur Lösung irgendeiner Frage der Menschheit beitragen zu können. Da der Kapitalismus noch nicht vom Sozialismus abgelöst wurde, geht er in seiner Endphase in die kapitalistische Barbarei über.
Das zeigt sich deutlich darin: Die Staaten als einzige Macht in den Ländern werden schwächer und können immer weniger internationale Vereinbarungen abschliessen. Gleichzeitig werden kriminelle Mafia-Organisationen und Unternehmen, die ähnlich wie solche agieren (siehe: Siemens), immer stärker und beginnen die Staatsmacht herauszufordern. Die Tendenz geht zu Warlord-Ländern, wo von internationalen Vereinbarungen nicht einmal mehr geträumt werden kann. Einige Entwicklungsländer sind schon weit fortgeschritten auf diesem Weg.
Die sozialistische Revolution steht in jeder Beziehung auf der Tagesordnung.
Die Analyse bringt aber auch noch ein zweites Ergebnis hervor. Die Supermacht USA, die noch vor kurzem die ganze „Internationale Gemeinschaft“ nach Belieben vor sich hertreiben konnte, ist politisch isoliert. Mit anderen Worten: Sie ist im Grunde schon keine alleinige Supermacht mehr, denn sie kann den anderen ihren Willen nicht mehr einfach aufzwingen.
Das wurde in Bali erneut deutlich. Während die EU verbindliche Verringerungsziele verteidigte, während die Entwicklungsländer Vorleistungen der reichen Ländern forderten, war die USA der einzige Konferenzteilnehmer, der bis zuletzt jegliche konkreten Festlungen im Abschlussdokument ablehnte. Auch dann, als die Unterhändler solche Festlegungen bereits in den Anhang verbannt hatten und damit keinerlei Verbindlichkeit mehr bestand, erklärte US-Chefunterhändlerin Dobriansky erneut, man könne dem nicht zustimmen.
Daraufhin waren die Missfallenskundgebungen im Plenum so einhellig und so laut, dass eine lange Pause entstand.
Es ist im diplomatischen Kreisen absolut unüblich, Missfallensäusserungen von sich zu geben. Das einzige, was schon einmal vorkommt, ist kein Beifall, nicht einmal ein höflicher. Alle diese Regeln schienen ausser Kraft. In dieser Situation absoluter Isolation sagte Dobriansky schließlich, man nehme das Ergebnis an. Sie hatte kurz danach einen Zusammenbruch und musste auf einer Bahre weggetragen werden.
So sieht keine Supermacht aus. Politische Isolation ist vielmehr ein deutliches Anzeichen: Die Supermacht hat zu fallen begonnen. Wenn man nicht mehr poltisch führend ist, ist man keine Supermacht mehr.
Was die Verhinderung der bereits beginnenden Klimakatastrophe angeht, so wird es nun auf vermehrte Proteste aus dem Volk ankommen.
Es müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden!
Es müssen die erneuerbare Energien endlich völlig steuerbefreit werden und massiv in diese umweltfreundlichen Energien investitiert werden.
Veröffentlicht am 17. Dezember 2007 in der Berliner Umschau
Originalartikel