Freitag, 1. Februar 2008

1. Februar: Fleischpreis-Explosion in Europa?

Einfuhr billigen brasilianischen Rindfleisches gestoppt

Von Karl Weiss

Ab 1. Februar darf kein Rindfleisch aus Brasilien mehr in die EU. Das hat der zuständige Gesundheitskommissar der EU, Markos Kyprianou, am Tag vor dem Ablauf der Genehmigung, dem 30. Januar 2008, bekanntgegeben. Die Fleischexporte Brasiliens in die EU haben 2007 einen Umfang von 4,4 Milliarden US-Dollar gehabt, das ist ein ins Gewicht fallender Teil aller Fleischimporte. Es ist ein steiler Anstieg der Fleischpreise zu erwarten.

Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt mit einem Anteil von 40% an allen Fleischexporten, ebenso der größte Exporteur von Rindfleisch und der größte von Hühnerfleisch. Der Anteil der EU an Brasiliens Fleischexporten ist bedeutend, aber keineswegs der größte. Noch mehr wird nach China, nach Russland und in Länder des Nahen und Mittleren Ostens exportiert

Fleischland Brasilien

Brasilianisches Rindfleisch hat die Preise in der EU niedrig gehalten, was dem Verbraucher zugute kam. Die Produzenten dagegen, das sind vor allem die Industrie-Grossbauern und die Lebensmittel-Industrie, fanden das gar nicht gut. Brasilien-Fleisch verdarb ihnen Maximalprofite. Sie haben daher ständig den Druck auf die EU-Kommission verstärkt, das Brasilianische Rindfleisch unter irgendeinem Vorwand aus der EU herauszuhalten. Besonders zeichnete sich dabei die irische Regierung aus, die eng mit Rinderzüchtern auf der grünen Insel liiert ist

Zuerst versuchte die Kommission etwas über die „Mad Cow“, den Rinderwahnsinn, auch BSE genannt. Es stellte sich aber bald heraus, andere Länder der EU waren da viel gefährlicher als Brasilien, wo es seit Jahren keinen Fall von BSE mehr gegeben hat. Während es in Europa üblich ist, Rinder mit gemahlenen Rindern zu füttern, was den BSE-Erreger weiterverbreiten kann, ist es in Brasilien für Alle ein Horror, überhaupt daran zu denken, man könne den Pflanzenfressern Rind gemahlene Artgenossen zu Fressen gegeben

Dann ging man auf die Sklavenarbeit. Es werden auf Farmen (Fazendas), die auch Rinder zum Schlachten verkaufen, Sklaven gehalten und man drohte, Brasilianisches Rindfleisch zu stoppen, wenn die Brasilianische Regierung das nicht unterbindet.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Diese sicherte daraufhin zu, die Fazendas, auf denen Rinder zum Export gehalten werden zu überprüfen und nur solche in eine Positiv-Liste aufzunehmen, die als sklavenfrei gelten. Man ging daran, zusammen mit den europäischen Behörden eine Positiv-Liste aufzustellen.

Währenddessen fanden die europäischen Behörden einen neuen Vorwand: Die Maul – und Klauenseuche. Vor zwei Jahren hatte es Fälle im Südwesten Brasiliens gegeben und eine Anzahl Rinder mussten geschlachtet und verbrannt werden.

Die EU-Kommission schickte dann eine Delegation nach Brasilien, die Fazendas und Schlacht- und Kühlhäuser inspizieren sollten, um die Gefahr einzuschätzen, ob aus Brasilien diese Rinderseuche eingeschleppt werden könnte. Was diese Kommission fand, ist mangelnde Rastreabilität der Brasil-Rinder. Darunter ist zu verstehen, nicht alle Rinder im Kühlhaus können lückenlos auf die Schlachthöfe und alle Fazendas zurückverfolgt werden, wo sie je gelebt haben. Dies sei aber notwendig, um auszuschliessen, dass sie eventuell auf einer Fazenda waren, die Maul- und Klauenseuche hatte.

In Rekordzeit hat nun die Brasilianische Regierung im Januar eine Positiv-Liste mit etwa 2700 Fazendas (von insgesamt etwa 10 000, die vorher exportierten) erstellt und nach Europa geschickt, die alle Kriterien der EU erfüllen sollen. Da eine Ultimatum bis Ende Januar gestellt wurde, hat man die Liste offensichtlich erstellt, ohne alle Fazendas zu inspizieren. Das nun wieder, was durch die extrem kurze Zeit des Ultimatums verursacht war, nahm die EU-Kommission zum Vorwand, um die Liste Brasiliens nicht zu akzeptieren und zugleich das generelle Verbot von Brasilianischem Rindfleisch zu erklären.

Ein ehemaliger Brasilianischer Agrarminister und heutige Chef des Exportverbandes Platini de Morais kommentierte dies mit den Worten: „Ich halte es lediglich für absurd, dass man das absolute Verbot von Rindfleisch aus den Staaten São Paulo, Paraná und Mato Grosso do Sul aufrecht erhielt, während in der gleichen Entscheidung englisches Rindfleisch freigegeben wird, wo die letzten Fälle von Maul- und Klauenseuche auftraten.“ Nach seiner Ansicht „macht dies deutlich, die Europäische Union legt zwei verschiedene Masse an, eins für die Vettern und eins für die Armen.“

Tatsache ist aber auch, die Liste der Brasilianischen Regierung war keineswegs überprüft. Ob sie überhaupt unter irgendwelchen Kriterien angelegt wurde, ist zweifelhaft.

Dagegen hat Radraig Walsh, der Chef des irischen Produzentenverbandes, die Entscheidung begrüsst. Die Zahl der autorisierten brasilianischen Farmen müsse limitiert werden. Nach dem Bericht der Delegation, so sagte er, dürften höchstens 300 brasilianische Fazendas die Erlaubnis erhalten, nach Europa zu exportieren.

300 Fazendas könnten nicht einmal 5% der bisher exportierten Menge erzeugen. Laut Walsh sei es aber sowieso besser, brasilianisches Fleich generell aus der EU zu halten.

Die EU-Kommission hat zugesagt, Inspektoren nach Brasilien zu schicken, die nach und nach bestimmte Fazendas besuchen und einige zur Export autorisieren können.

Bis auf diese Weise ins Gewicht fallende Mengen Brasilianischen Rindfleisches in die EU kommen könnten, würde es Jahre dauern.

Da zuviel Rindfleisch sowieso ungesund ist, kann die europäische Bevölkerung sich angesichts der nun mit Sicherheit steil steigenden Preise gleich an eine gesündere Ernährung gewöhnen.


Veröffentlicht am1. Februar 2008 in der Berliner Umschau


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