G 20: Die Brandstifter spielen Feuerwehr
Von Karl Weiss
Die Vorstellung, das Treffen G20 in Washington bei Präsident Bush hätte irgendein praktisches Ergebnis haben können, ist abenteuerlich. Da treffen sich die Vertreter der Regierungen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer, genau jene, die für die Finanzkrise und die beginnende Weltwirtschaftskrise verantwortlich sind und sprechen darüber, wie diese Krisen zu bremsen seien und beim nächsten Mal zu verhindern.
Wenn diese Herrschaften sie verursacht haben, woher sollen sie denn nun plötzlich Rezepte nehmen, sie zu bekämpfen oder verhindern? So ist denn auch das einzige Ergebnis der Wunsch der Ausarbeitung von Vorschlägen, die im März einer neuen G20 vorgelegt werden sollen (bis dahin dürften fast alle 20 in der Wirtschafts-Krise sein).
Der Grund für beide Krisen, die Finanz- und die Wirtschaftskrise, ist die im Kapitalismus gesetzmässig auftretende Überproduktion, die einerseits zu überbordenden Kapital-Massen führt, die unweigerlich in die Spekulation gehen (und so die Finanzkrise verursachen) und andererseits in verzweifelte Versuche, mit noch mehr und noch effizienterer Produktion der Krise auszuweichen, die aber gerade durch diese Überproduktion verursacht ist.
Gerade die dort vereinigten Regierungschefs waren die Hauptverantwortlichen für die „Deregulierung“, die sämtliche vorher bestehenden Regeln des Finanzmarktes und des Arbeitsmarktes aufhob. Kein einziger von ihnen hat bis heute eine Erklärung abgegeben: „Wir haben Mist gebaut. Wir bitten um Entschuldigung und treten zurück.“ Im Gegenteil , man spielt sich auch noch als Arzt auf, wenn man selbst den Patienten krankenhausreif geschlagen hat.
Der Zwang zum Steigern der Profitrate, die aber gesetzmässig tendenziell fällt, macht aus der kapitalistischen Wirtschaft ein Chaos, einen tödlicher Raubbau an allen Rohstoffen, eine Unterdrückung und Ausbeutung der arbeitenden Menschen, ein unverantwortliches Missachten der natürlichen Umwelt, eine ständige Quelle von Krisen und Kriegen.
Joachim Jahnke, ehemaliger Vizepräsident der ‚Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung’ in London, schreibt dazu auf seiner Site ‚Informationsportal Globalisierung’.
„Was wollen die Großmächte mit dem G20-Gipfel erreichen? Die nächste Krise an den Weltfinanzmärkten verhindern? Wohl kaum. Denn der Markt wurde nicht von einem obskuren Hedgefond in die Luft gesprengt oder in sonst einer unbekannten Ecke des Finanzmarktes. Die Blase platzte unter den Augen der Regierungen in den auf [dem] Papier am stärksten überwachten Institutionen, nämlich den Banken, die mit viel höheren Kreditanteilen als die Hedgefonds spekuliert haben.“
Und: „Verhindern, daß die wichtigsten Handelspartner in der Krise gegeneinander arbeiten, indem jeder seine wachsende Arbeitslosigkeit zu den anderen exportieren will? Wohl kaum. Denn schon jetzt haben die beiden wichtigsten Überschußländer China und Deutschland Stützungsmaßnahmen für ihren Export und damit das Abdrücken von Arbeitslosigkeit ergriffen, China durch Steuernachlässe für Exportwaren, Deutschland durch eine Verbesserung der Ausfuhrbürgschaften. Deutschland vor allem hat bisher kein Konjunkturprogramm zur Stützung der heimischen Nachfrage aufgelegt und scheint sich weiterhin auf den Export verlassen zu wollen.“
Weiter: „Verhindern, daß die Zahl der Unternehmenspleiten mangels Kreditzugang weltweit explodiert? Wohl kaum, denn jedenfalls in Europa wurde nichts getan, um die Banken zu zwingen, Zinssenkungen und die Zusatzliquidität der Zentralbanken an die Produktionsunternehmen weiterzugeben.“
Und außerdem: „Und dann fegen die Regierungen, statt Notsteuern für die Wohlhabenden und Gutverdiener zu erheben, auch noch mit eigenen festverzinslichen Anleihen die Geldmärkte leer und verengen so den Zugang für andere. So konnte zum ersten Mal selbst die Bundesregierung ein neues 10-Jahres-Papier nicht am Markt unterbringen - eine geradezu unglaubliche Situation und Alarmzeichen, wie es größer kaum ausfallen könnte.“
Da versuchten also die Böcke zu gärtnern (Entschuldigung, Frau Merkel: Die Ziegen und Böcke). Und da wir gerade von Frau Merkel reden, die hat es auch noch fertiggebracht von einer erfolgreichen Veranstaltung zu reden, auf der „gemeinsame Anstrengungen deutlich“ geworden seien. Nun- sie hat ja nicht gesagt, für was und wessenthalben man sich angestrengt hat. Vielleicht hat man ja gemeinsam und unter Anstrengungen das ‚große Geschäft’ erledigt.
Und das Ganze unter der Schirmherrschaft von G. W. Bush, dem „Herrn des Universums“, der es fertiggebracht hat, den vernichtendsten Terroranschlag der Geschichte geschehen zu lassen, obwohl er leicht hätte verhindert werden können und der gleich zwei Kriege begonnen hat, die verloren sind. Kurz: Der Inbegriff des Erfolges!
So lassen wir denn erneut Herrn Ex-Bankdirektor Jahnke zum Schluss zu Wort kommen:
„Ohnehin kann die Gefahr weiterer Krisen nur gebannt werden, wenn die immer ungleichere Einkommensverteilung gestoppt und zurückgedreht wird. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, daß sich Kaufkraft wie ein gigantischer Wasserfall ins Kasino verirrt, statt der Realwirtschaft zu Verfügung zu stehen. Wird der Gipfel hier ansetzen? Da müßte man schon Gespenster sehen.“
Veröffentlicht am 17. November 2008 in der Berliner Umschau