Jahr der schlechten Nachrichten
Fest im Sand begraben
Von Karl Weiss
Ganz offen spricht CDU-Merkel von 2009 von "einem Jahr der schlechten Nachrichten", SPD-Steinbrück von „tiefster Krise der Bundesrepublik“. Mit keinem Wort gehen sie aber darauf ein, dass sie die Hauptverantwortlichen dafür sind. Sie haben mit der „Deregulierung des Arbeitsmarktes“, mit Hartz IV und den anderen Maßnahmen der „Agenda 2010“ die deutschen Löhne auf einen Tiefpunkt getrieben, mit einer fast 20%igen Mehrwertsteuererhöhung Kaufkraft aus dem Markt genommen. Jetzt ist die Binnennachfrage zusammengebrochen – welche Überraschung! Der Export, dadurch zur einzigen Hoffnung geworden, kann wegen des weltweiten Krebsganges nicht mehr helfen, also rutscht man in die Wirtschaftskrise. So als ob das nicht einfach vorherzusehen war, steht die Politik nun mit offenem Mund und staunt.
Wann werden CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne erklären: „Wir lagen falsch. Jetzt sehen wir das ein. Wir hätten stattdessen mit Lohnerhöhungen und Massensteuer-Senkungen den Innenmarkt beleben müssen. Wir werden unsere Parteien auflösen und hoffen, andere machen es besser.“?
Nun, das ist natürlich weniger wahrscheinlich als dass der Mond noch dieses Jahr auf die Erde fällt. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr...“.
Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Löhne, Konsum und Vermögen, Vergleich 2.Quartal 0 gegen 2.Quartal 07
Hat man denn jetzt wenigstens seine Hausaufgaben gemacht, gemerkt, dass die Binnen-Nachfrage angekurbelt werden muss und entsprechende Maßnahmen eingeleitet? Nichts, nicht eine einzige klitzekleine Hilfe für die Binnen-Nachfrage. Man sieht nicht nur seine eigenen Fehler nicht ein, man verbeißt sich in ihnen.
Was schlägt zum Beispiel J. Jahnke vor, ehemaliger stellvertretender Leiter der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London? Mehrwertsteuer auf 15% senken, Banken verstaatlichen, damit man wieder Kredit zur Verfügung stellen kann (die Banken verweigern Kredit zu normalen Bedingungen) und Solidaritätssteuer für hohe Einkommen und hohe Kapitalerträge einführen, um das gegenzufinanzieren.
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 06 bis 08 mit Trendlinie
Da werden wir lange warten können, dass diese Regierung so etwas beschließt. Frau Merkel – da wird es schon wirklich grotesk – weist auf ein kleines Paket der EU für Innovationen hin, die Geld an Unternehmen verschleudern will. Werden diese Unternehmen damit Nachfrag am Markt schaffen durch Lohnerhöhungen? Natürlich nicht! Sie werden das Geld an ihre Aktionäre und Manager ausschütten, die sowieso schon alles haben und das auf die hohe Kante legen werden!
Offenbar kennen diese Desaster-Parteien gar nicht das Wort „Nachfrage“. Die Krise bricht aus wegen mangelnder Nachfrage! Man muss Nachfrage schaffen, um die Tiefe der Krise zu verringern!
„Nein, Herr Weiss, da irren Sie sich. Es gibt überhaupt keine Nachfrage, Herr Weiss. Das sind Erfindungen von Sozialisten, Herr Weiss! Wir müssen nur dafür sorgen, dass das Angebot wieder erhöht wird, dann wird alles gut, Herr Weiss!“
Das ist eine aufschlussreiche Statistik: In Deutschland spart offensichtlich jeder etwas, der kann; aber mit Hartz IV kann man eben nicht nur nicht sparen, sondern muss seine spärlichen Ersparnisse noch verbrauchen
Ja, so ist das mit verbohrten Ideologen. Was nicht in ihr Weltbild passt, wird ausgeblendet. Wenn man die Realität nicht erklären kann, spricht man von Zuversicht in die Zukunft. So wie Honecker, der darauf bestand, es gäbe einen Sozialismus in der DDR. Dass sich die ständig schlechter laufende Wirtschaft nicht mit sozialistischen Verhältnissen vereinbaren ließ, blendete er aus. So bleibt am Ende nur noch Klammern an die Macht, bei ihm damals und bei unseren Desaster-Parteien heute.
Selbst im eigenen Lager wird das bemerkt. Die internationale Ausgabe der „Financial Times“ vom 22. November 2008 begann dann auch einen Kommentar zu diesem Thema mit dem Satz: "Deutsche Politiker haben ihre Köpfe fest im Sand begraben".
Ex-Bankier Jahnke schreibt dazu: „In vielen Ländern, vor allem USA, deuten die starken Einbrüche bei den Preisen (vor allem Öl und Rohstoffe ...), darauf hin, daß es jetzt zu einer Deflation kommen kann. Solche Situationen, wie sie z.B. Japan zehn Jahre lang erlitten hat, halten immer sehr lange an, zumal die Zentralbanken mit ohnehin abgesenkten Zinsen am Ende ihres Lateins sind. Hinzu kommt, daß wegen der von den Zentralbanken erzeugten enormen Liquiditätsschwelle die Zinspolitik der Zentralbanken immer weniger zu kontrollieren ist. So liegt derzeit in USA die effektive Zinsrate bereits um 0,6 % unter der offiziellen und damit nahe 0 %. Auch in Japan war eine Immobilien- und Bankenkrise der Auslöser und konnte die Zentralbank mit Zinssenkungen jahrelang nicht mehr helfen. Bei einer ausufernden Deflation sind die Preissenkungen so stark, daß sie die realen Schulden, die sich umgekehrt bei Inflation entwerten, hochtreiben. Dies wird bei ohnehin hohen Schuldenlasten, wie derzeit, eine sozial und wirtschaftlich enorme Belastung. Es kommt dann zu einer Spirale nach unten, in der auch die Absatzmärkte immer mehr wegbrechen.“
Allerdings, sei dazu angemerkt, war bei der damaligen japanischen Krise der Rest der Welt nicht in einer solchen, sodass man sich mit Exporten wieder herausarbeiten konnte.
Hier sehen wir das Ergebnis der Agenda 2010 mit Hartz IV: Die deutschen Arbeitskosten entwickelten sich - im Vergleich zu 2000 - zu den niedrigsten der alten EU der 15
Jetzt, so schreibt Jahnke weiter „rächt sich die steil gestiegene deutsche Exportabhängigkeit bei miserabler Binnenkonjunktur.“
Alles Taten der Desasterparteien: Hohe Unterstützungen (Hermes Kredite) und Garantien für Exporte bei gleichzeitigem Herunterdrehen der Löhne – und jetzt will es niemand gewesen sein.
Hier der Beleg für die stark angestiegene Exportabhängigkeit
Wenn nun behauptet wird, gegen Ende 2009 – also nach den Bundestagswahlen – werde alles wieder besser, ist das nichts als Pfeifen im dunklen Wald – und eine Verhöhnung der Wähler.
Veröffentlicht am 24. November 2008 in der Berliner Umschau