Montag, 12. Januar 2009

Internetsperre durch private Firmen

Justizministerium plant die nächste Sauerei

Von Karl Weiss

Das bundesdeutsche Justizministerium scheint nach der absurden Veränderung des Sexualstrafrechts (das Alter der "Kinder" in "Kinderporno" wurde auf 18 Jahre heraufgesetzt) nun den nächsten Coup zu planen, um bürgerliche Rechte auszuhebeln. Man trifft sich bereits heimlich mit der Musikindustrie und dem Internet-Providerverband, um eine „freiwillige Regelung“ zu erreichen, mit der auf Aufforderung durch die Rechteindustrie jedem von uns sein Internetzugang gesperrt werden kann.

Laut Informationen von Markus Beckedahl vom Weblog „netzpolitik.org“ ist ein Treffen beim Bundesministerium der Justiz angesagt, auf dem man eine solche „freiwillige Vereinbarung“ anstrebt, unter der Drohung, sonst mit einem entsprechendem Gesetz zuzuschlagen. Das Ministerium weiss sehr wohl, dass es extrem schwierig ist, ein hieb- und stichfestes Gesetz zu diesem Thema zu machen, denn es gibt eine Anzahl von Unsicherheiten, die mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen ins Gehege kommen, wenn man den Internetzugang bestimmter IP-Adressen sperren will, weil jemand dort ein Musikstück aus dem Netz heruntergeladen hat.

1. Sanktionen gegen eine IP-Adresse sind extrem schwierig gesetzlich zu fassen, weil die Rechtsgrundsätze sich auf Personen beziehen, nicht auf IP-Adressen.

2. Will man Personen abstrafen, so muss in irgendeiner Art die IP-Adresse und die Person in den Zusammenhang gebracht werden. Da kommt aber dann gleich die Notwendigkeit des Nachweises: Diese Person hat diese IP-Adresse benutzt und keine andere. Das ist aber fast unmöglich. Was, wenn der Nachbar den LAN heimlich mitbenutzt? Was, wenn vier verschiedene Personen die IP-Adresse benutzen und nicht geklärt werden kann, wer das Musikstück heruntergeladen hat?

3. Dann kommt auch noch das umgekehrte Problem: Was, wenn die bestrafte Person bei einem anderen Provider einen neuen Internetzugang mit anderer IP-Adresse beantragt? Müssen „schwarze Listen“ mit bestraften Internet-Konsumenten angelegt werden? Wenn ja, kann man dann gegen seine Bestrafung Rechtsmittel einlegen? Auch gibt es die Möglichkeit, z.B. einen Provider aus Österreich oder der Schweiz zu wählen, wo deutsches Recht nicht gilt. Will man dann internationale Internet-Sperr-Listen anlegen wie die internationale Terroristenkartei?

Das Ganze ist ein völlig unnötig aufgeblasenes „Problem“, das in Wirklichkeit längst mit der Pauschal-Zusatzzahlung auf Kassettenrekorder usw. aus der Welt geschafft war. Ähnliches könnte man ohne Weiteres auch auf Computer, Handys usw. anwenden. Aber die Musikindustrie und die Rechte-Verwerter haben gute Beziehungen zum Monopol-Kapital und schon gesteht man ihnen etwas zu, was man anderen Firmen oder Privatpersonen nie zugesteht: Dass sie ihre Problem mit kleinen Rechtsbrüchen vom Staat geregelt bekommen, statt, wie jeder andere, den Weg zur Justiz gehen zu müssen.

Es sei in Erinnerung gebracht: Wenn überhaupt, ist das Herunterladen von Musikstücken aus dem Internet zum privaten Gebrauch eine Ordnungswidrigkeit, vergleichbar mit Falschparken. Dies als Piraterie zu bezeichnen (Piraten bringen meist Leute um, begehen aber zumindest das schwere Verbrechen der Geiselnahme und Erpressung) ist Unsinn.

Was nun eingeführt werden soll – und in einigen Ländern schon eingeführt ist – ist eine scheinbar weniger harte freiwillige Regelung, die aber in Wirklichkeit nur die Rechtsprobleme umgehen soll und am Ende darauf hinausläuft, dass Sie von einer Privatfirma ihren Internetzugang gesperrt bekommen.

Die Musikindustrie und die Rechte-Verwerter sollen das Recht bekommen, einen Internet- Provider dazu verpflichten zu können, einen vermeintlichen Internet-Musik-Downloader abmahnen und im Wiederholungsfall den Zugang sperren zu können. Da nun aber der Internetzugang zu den grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit gehört, heißt das in der Praxis, man will Privatfirmen das Recht geben, Ihnen Grundrechte zu beschneiden.

Die Abmahnung wird dann etwa so aussehen: „Wie uns die Pro Media in Hamburg mitteilt (das ist jenes Unternehmen der Musikindustrie und der Rechte-Verwerter, das auf Ihren privaten Computer einen Trojaner einschleust und sich alles ansieht, was Sie da runterladen), haben Sie am .... um... auf der IP...... durch das Urheberrecht geschützte Inhalte aus dem Internet heruntergeladen. Es wird darauf hingewiesen, dass dies im Wiederholungsfall zu einer Sperre ihres Internet-Anschlusses führen kann.“

Dabei ist die Verpflichtung des Internet-Providers eine von diesem freiwillig akzeptierte Pflicht, wodurch man versucht, die Probleme mit der Rechtmässigkeit zu umgehen. In der Praxis läuft das darauf hinaus: Der Provider versteckt im kleinsten Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen, er habe jederzeit ohne Ankündigung und ohne Begründung das Recht, das Internet zu sperren. Er wird Ihnen einfach den Saft abdrehen ohne Begründung und auf diese Klausel in den Geschäftsbedingungen verweisen. So haben Sie plötzlich kein Recht auf Informationsfreiheit mehr und haben es gar nicht gemerkt.

Mit anderen Worten: Die nächste Sauerei.


Veröffentlicht am 12. 1. 2009 in der Berliner Umschau

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