Dienstag, 13. Januar 2009

Was geht in Deutschland vor?

Vorboten revolutionärer Zeiten

Von Karl Weiss

Ratlos, hilflos, ahnungslos – es gibt fast kein Wort mit „-los“, das nicht unsere heiß geliebte Politikerkaste in der jetzigen Situation beschreibt. Es wird deutlich, das sind Leute, die zwar im Geschäft innerparteilicher Intrigen Weltmeister sind, aber in der Verantwortung völlig überfordert sind, wenn die Dinge nicht mehr den gewohnten Gang laufen. Die Vorausschau, wieviel Prozent das deutsche Brutto-Inlandsprodukt 2009 in den Keller rutschen werde, ist nun zum dritten Mal in eineinhalb Monaten korrigiert worden. Nach den anfänglichen 0% wurde dann vor einem Monat die Voraussage auf -0,5% geändert und innerhalb des letzten Monats schon zweimal erneut, zuerst auf -1% und jetzt auf -3%! Das Wort erbärmlich drängt sich auf.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Zum Vergleich: Der Berichterstatter schrieb bereits am 1. Dezember 2006 im Artikel „Die Krise in Deutschland wird fürchterlich“: „Nicht einmal ein zweistelliger Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ist völlig auszuschließen für einzelne Quartale im Jahresvergleich. Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.“

Und als Schlussfolgerung steht dort: „Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Doch kommen wir zum Konkreten:

Meldung vom 8.1.09: „Die deutschen Ausfuhren sind im November 2008 um 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gefallen. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der gesamtdeutschen Ausfuhrstatistik im Jahr 1991.“

Meldung vom 9.1.09: „Der Auftragseingang in der Industrie ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Zweimonatsdurchschnitt Oktober/November 2008 um 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Die Auslandsaufträge stürzten um 26,4 Prozent ab, die Inlandsaufträge um 17,9 Prozent.“

Meldung vom 10.1.09: „In nur drei Monaten ist die deutsche Industrieproduktion saisonal bereinigt um 9 % gefallen, was einer Jahresrate von 36 % entspricht.“

Der Rettungs-Plan
Der Rettungsplan

Und dann ist da die Meldung vom 9.1.09, dass die Commerzbank (eigentlich Commerz- und Dresdner Bank) verstaatlicht wurden. Zwar betonte Frau Merkel, der man die Überforderung an ihrer Ausdrucksweise anmerkt, das sei keine Verstaatlichung, sondern eine Hilfe, aber in Wirklichkeit hat die Bundesregierung nun 25% (plus eine Aktie) an der zweitgrößten und drittgrößten Bank Deutschlands (zusammen die größte), was Sperrminorität bedeutet. Sie kann gegen jede Entscheidung im Aufsichtsrat Veto einlegen, was in der Konsequenz immer dazu führt, dass alle Entscheidungen in ihrem Sinne getroffen werden müssen.

Damit ist das deutsche Bankenwesen nun im Kern staatlich. Auch alle Landesbanken zusammen stellen noch einmal eine ähnliche Grössenordnung wie die vereinigte Dresdner/Commerz dar und dazu kommt das Netz von Sparkassen und anderen Banken mit wesentlichem Staatseinfluss, wie den Genossenschaftsbanken und Raiffeisenbanken. Dagegen bleibt nur die Deutsche und eine Anzahl von mittleren und kleinen Banken, die aber schon hoffnungslos in der Minderheit sind.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"
"Ich bin in Ordnung, bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Was musste der deutsche Steuerzahler dafür aufbringen? Diese Zahl und dieser Zusammenhang wird in den bürgerlichen Medien fast überall verschwiegen: Der Staat übernahm die Garantie für Werte von „faulen Papieren“ der beiden Banken im Wert von zusammen 304 Mrd. Euro!

Man will heute schon das Auffangnetz für die Banken im Gesamtwert von 500 Mrd. Euro vergessen machen, denn wer sich erinnert, wird dies mit der Grössenordnung des vorgesehenen Konjunkturpakets vergleichen: Die höchste bisher genannte Zahl ist 60 Mrd. Euro. Da wird doch der eine oder andere fragen: Also die hatten ganz locker 500 Mrd. Euro für bestimmte große Banken übrig, die zu den Finanzmonopolen gehören – und jetzt, wenn es darum geht, die Auswirkungen der Krise für den „kleinen Mann“ zu verringern, gibt es gerade mal 60 Mrd.?

Plötzlich haben die gleichen Politiker, die dies im Fall der 500 Mrd. Euro völlig „vergessen“ hatten, entdeckt, dass man ja dafür die Verschuldung des Staates erhöhen muss und malen mit fürchterlichen Szenarien die Schrecken einer übermäßigen Staatsverschuldung an die Wand. Doch warum sprachen sie nicht darüber, als sie die 500 Mrd.-Garantie gaben?

Nur zur Erinnerung, was der Betrag von 500 Mrd. Euro bedeutet: Mit einer Investition von etwa 1 Mrd. Euro kann man eine Automobilfabrik bauen, die mehrere Tausend Autos pro Tag herstellt (pro Tag!). Hier im Grossraum Belo Horizonte ist Fiat gerade dabei, diesen Betrag zu investieren, um die Kapazität ihrer Fabrik um mehrere Tausend Autos pro Tag zu erhöhen. Mit anderen Worten: Mit 50 Mrd. Euro könnte man 500 Autofabriken für je mehrere tausend Autos pro Tag auf die grüne Wiese stellen!

Das sind unvorstellbare Werte und eine Erhöhung der Staatsverschuldung in dieser Größenordnung wird diese wirklich unbezahlbar machen. Aber in Wirklichkeit ist sowieso nicht vorgesehen, diese Schulden je zu bezahlen. Der kapitalistische Staat entledigt sich seiner Schulden üblicherweise durch eine Hyperinflation und eine Währungsreform. So wie dies die deutsche Reichsregierung im Jahr 1923 tat, so wie dies die neugeschaffene Bundesrepublik mit der Währungsreform 1948 tat, die natürlich nicht Hitlers Schulden zahlen wollte, so wie dies nun Bernanke in den Vereinigten Staaten tut, der die Geldmenge bereits über alle vorstellbaren Grössenordnungen hinaus vermehrt hat, so wie dies der argentinische Präsident Menem mit seinem Finanzminister Carvalho tat, die ihre Währung einfach 1:1 an den Dollar ankoppelten. Der argentinische Staatsbankrott im Dezember 2001 ist inzwischen Lehrstück in allen Volkswirtschaftsbüchern.

Dollar Gasp

Doch die Voraussagen sind nicht die einzigen Anzeichen für die überragenden Fähigkeiten unserer Politikerkaste. Hatte bis Mitte Dezember noch alles vereint geschworen, es dürfe auf keinen Fall Steuererleichterungen für die Massen geben, denn das war Teil der Ideologie, die sie auswendig gelernt hatte (mit Ausnahme der CSU, aber das ist ein eigenes Kapitel), sind nun nach Angaben der Presse am 10.1.09 bereits Steuer- und Abgaben-Erleichterungen für den Konsumenten in Deutschland im zig-Milliarden-Bereich vorgesehen. Kurz: Unser Leben, unser Arbeitsplatz sind in besten Händen bei diesen super-kompetenten Politikern, wir können völlig beruhigt sein. Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln. Und morgen? Nur die Götter wissen es.

Dazu kommt, dass der Kapitalismus, das System, das in allen Ländern der Welt an der Macht ist, bereits in seinen Todeszuckungen liegt, zum Teil schon begonnen hat zu stinken und eigentlich schon hätte durch die weltweite sozialistische Revolution abgelöst werden müssen. Nur hat das Bewusstsein der Massen nicht mit der tatsächlichen Situation mitgehalten. Man kann allerdings davon ausgehen: Diese Krise wird, wenn auch nicht kurzfristig, diesem Bewusstsein einen deutlichen Schubs geben.

Die Alternative zum Sozialismus ist die kapitalistische Barbarei, gekennzeichnet durch Erscheinungen, die in den Ansätzen schon zu erkennen sind: Die grossen Unternehmen werden immer mehr zu kriminellen Organisationen und die kriminellen Organisationen werden immer mehr zu Gross-Unternehmen bei gleichzeitig abnehmender Bedeutung der Nationalstaaten: Warlord-Country.

So ist denn die Erbärmlichkeit der Politiker-Kaste nichts als ein Merkmal der Zeit: Mehr hat uns der Kapitalismus nicht mehr zu bieten: Wir sind wirklich auf dem Niveau der Herren Steinmeier und Westerwelle ankommen, der Frauen Merkel und Roth.

Darum ist nun angesagt: Stärken wir die Montagsdemonstrationen, gegen die Regierung, die Politiker dieses Systems und ihr Krisenmanagement. Oder wollen Sie dies alles wirklich tatenlos hinnehmen?


Veröffentlicht am 13. Januar 2009 in der Berliner Umschau

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