Wirtschaftskrise - Geht es bald wieder aufwärts?
Von Karl Weiss
Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom 21.1.09 ist optimistisch: Ab dem 2. Quartal 09, also ab April, gehe es schon wieder aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Was? Welche Erleichterung! Wir hatten schon gedacht, wir stünden noch am Anfang der Krise, dabei stehen wir schon fast am Ende! Fragt sich nur: Auf welchen konkreten Zahlen beruht diese Vorausschau?
Ja, und da sind wir am Knackpunkt. Es gibt gar keine solche konkreten Zahlen, der Kommentar versucht nicht einmal, solche zu erfinden. Vielmehr deuten alle wirklichen Zahlen auf einen sich eher noch beschleunigenden Abschwung hin, weil sich die weltweiten Effekte addieren. Der Kommentator gibt einfach wieder, was im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung steht. Und dort steht: Ab April geht es bereits wieder aufwärts.
Das übertrifft nun allerdings alles, was man bisher schon an Arschkriecher-Journalismus gelesen hat. Einfach die Wunschträume der Bundesregierung kommentarlos als bare Münze ausgeben, dazu gehört schon viel Mut. Hier sei zitiert, was der Kommentator schreibt:
„Das Ende der Rezession ist absehbar.“ „Nach einem neuerlich Einbruch der Wirtschaftsleistung im laufenden ersten Quartal dieses Jahres wird das BIP in den drei Folgequartalen wieder kontinuierlich wachsen ...“ „ ... bedeutet das, dass Deutschland - anders als in mancher Überschrift suggeriert - nicht am Beginn, sondern am Ende der Rezession steht.“ „Kein Grund zur Resignation“
Das ist Hofberichterstattung vom Feinsten. Nicht einmal in einem Nebensatz wird auch nur angedeutet, man müsse doch fragen, woher die Bundesregierung diese ihre Sicherheit nimmt? Gibt es etwa einen der wichtigen Wirtschafts-Indikatoren, der auch nur eine leichte Verminderung der Steilheit des Absturzes anzeigt? Nein, es gibt ihn nicht. Wenn es ihn nämlich gäbe, würde man auf ihm herumreiten bis zum geht-nicht-mehr.
Tatsächlich gibt es eine Umfrage, die bei den Befragten keine weitere Verschlechterung der Stimmung feststellt, aber das hängt natürlich davon ab, wie schlecht die schon vorher war und außerdem sind Stimmungen noch lange nicht Realitäten. Der Mensch pflegt sich gerne an Strohhalme zu klammern, nur ist eben in der jetzigen Situation noch nicht EIN realer Strohhalm aufgetaucht, der sich auf Wirtschaftsdaten bezieht. Alle wirklichen Wirtschaftsdaten sind unverändert in freiem Fall: Industrieproduktion, Beschäftigungsindex, Konsum, Einzelhandelsumsatz, Auftragseingang Industrie, Exporte usw. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, was wiederum auf Deutschland zurückwirkt usw.
Das kürzlich bekanntgegebene „Konjunkturpaket“ ist nach Einschätzung aller glaubwürdigen Experten (darunter auch der IWF) fast wirkungslos und zudem viel zu klein. Darauf kann irgendeine Art von Erholung also nicht basiert werden.
Der frühere Vize-Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, Joachim Jahnke, schreibt dazu in seinem ‚Informations-Portal Globalisierung‘ (http://www.jjahnke.net/index.html ): „Die neoliberale Globalisierung schlägt zurück: Der Exportweltmeister verliert seine Hosen und vieles mehr. (...) Es ist längst ärgerlich. Dieselben Kräfte, die in Deutschland den Niedriglohnsektor aufgebaut und die Masseneinkommen real zurückgeführt haben, setzen in ihren Prognosen immer wieder und immer wieder falsch auf ein Anspringen der Nachfrage eben dieser am Einkommen strangulierten Verbraucher. So jetzt wieder der Bundeswirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht.“
Also lassen wir den Minister, die Kanzlerin und die ganze Bundesregierung sowie die „Süddeutsche“ weiter träumen und an Wunder glauben.
Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau