'Der Kaiser ist ja nackt!'
Von Karl Weiss
Es wird viel von Griechenland und den anderen südeuropäischen „PIGS-Staaten“ gesprochen und lamentiert, sie seien überschuldet und müssten „gerettet“ werden. Nach der Veröffentlichung der Februar-Daten der US-Treasury muss man allerdings feststellen: Die USA sind mindestens genauso überschuldet, wenn nicht sogar mehr. Nur gibt es für die USA keine „Rettung“. Niemand kann so viel aufbringen!
Zwar werden die Angaben der USA über ihr eigenes Brutto-Inlandsprodukt (BIP) mit jeder neuen Veröffentlichung gefeiert und erklärt, die USA seien schon aus der Krise, aber die Defizit- und Schulden-Zahlen sowie die steil fallenden Steuereinnahmen sprechen eine andere Sprache. Die BIP-Zahlen sind offensichtlich manipuliert, um alles nicht so schlimm aussehen zu lassen. Für den Februar 2010 weist der US-Haushalt ein Defizit von über 220 Mrd. Dollar auf, die höchste Februar-Zahl aller Zeiten. Das bedeutet, die Schulden der USA im Ausland steigen in einem Monat um diesen Betrag an. Wenn das so weiter geht, ist der Staat USA bald so überschuldet, dass es keine Rettung mehr gibt: Er wird in irgendeiner Form bankrott anmelden müssen. Dabei ist das Beunruhigendste: Diese Zahl steigt Monat für Monat scharf an. Wer genauere Einzelheiten wissen will, hier kann man mehr lesen.
Und jetzt lassen Sie sich diese Information auf der Zunge zergehen: Im Februar machten die Steuereinnahmen nur noch 32,7% der Staatsausgaben aus!
Jedes andere Land wäre längst ins Visier der Spekulanten geraten und der Wert der Währung hätte sich halbiert (oder etwas ähnliches). Aber die USA sind die USA! Seit Spekulantengedenken ist die USA mit ihrem Dollar der ‚sichere Hafen‘, wo man sein Geld unterbringt (in Dollars oder US-Staatsanleihen), wenn man vor allem Sicherheit gegen Verlust will. Da kann man nicht so schnell umdenken. Die Anbetung des Dollars durch die Spekulanten hat bereits religiöse Züge angenommen. Aber die Spekulanten werden mit der Zeit doch merken, was los ist. Und dann: Gnade dir Gott, reichstes Land der Welt!
Die Kurve der Staatsverschuldung der USA ist fast genau eine Exponentialfunktion. Wer sich ein bischen in Mathematik auskennt, kann dir sagen, was das ist: Ist die Kurve einmal in die steile Phase eingetreten, wird sie extrem schnell nach unendlich gehen!
O Gott! Das ist eine Exponentialfunktion!
Allerdings: Im Moment ist die Staatsverschuldung für die US-‚treasury‘ noch relativ billig. Die Höhe der Zinsen steht in keinem Verhältnis zum Fakt der exponentiell ansteigenden Schulden. Die Zinsen, die der Staat USA für seine Staatsschulden zahlen muss, sind niedrig und weiter sinkend. Im Februar zahlte man 3,285% Zinsen auf die Schulden. Im Februar 2007 hatte man noch über 5% Zinsen zu zahlen. So steigt der Zinsdienst für die Schulden nicht so schnell an, wie das eigentlich normal wäre bei diesen Schulden. Der absolute Stand der US-Schulden erreichte im Februar mehr als 12,5 Billionen Dollar oder anders ausgedrückt 12.500 Milliarden Dollar (untere Graphik).
Es gibt also bisher keine Spekulation gegen die USA oder den Dollar. Im Gegenteil, alle tun so, als würde sich hier nicht der grösse Crash der Finanzgeschichte anbahnen. Die USA strotzen weiterhin vor Kraft und können kaum gehen vor Waffen. Die Militärausgaben wurden auf über 690 Milliarden Dollar für dieses Fiskaljahr erhöht. Und da ist noch vieles in anderen Haushaltspunkten versteckt. Gleichzeitig brechen die Steuereinahmen im Rhythmus von 5 bis 10 % pro Monat im Vorjahresvergleich weg.
Sieht man die auseinanderstrebenden Kurven von Einnahmen und Ausgaben (siehe obere Graphik), so wird selbst einem schlichten Gemüt langsam mulmig. Selbst wenn das alles noch bis 2013 weiter ginge, wie ein Kommentator meinte, umso gigantischer würde dann der Knall der platzenden Blase. Das Loch, das sich dann auftut, könnte so gross ein, dass die gesamte Weltwirtschaftsleistung darin verschwinden könnte.
In welcher Zeitung, welchem Magazin, welchem Fernsehsender werden uns diese Zahlen serviert? Na sehen Sie! Alle spielen: Des Kaisers neue Kleider sind so schön! Aber irgendein kleiner Junge wird sich eines Tages finden, der ruft: „Aber der Kaiser ist ja nackt!“
Veröffentlicht am 16. März 2010 in der Berliner Umschau