Hunderte von Demonstrationen
Von Karl Weiss
Das letzte Wochenende war bestimmt von Hunderten von Demonstrationen mit vielen Zehntausenden von Teilnehmern in aller Welt gegen den Aggressionsakt Israels gegen einen friedlichen Schiffskonvoi mit mindestens 9 Toten und über 50 Verletzten.
Diesmal scheint Israel doch etwas zu weit gegangen zu sein.
Es ist typisch für alle Militäraktionen Israels seit langer Zeit, dass sie nicht nur niemals verhältnismäßig sind und niemals die Übermaßverbote des internationalen Kriegsrechts einhalten, nein, sie gehen weit darüber hinaus: Sie sind das, was typisch für Rechtsextremisten ist: Sie zeigen, das man militärisch überlegen ist, aber sie zeigen vor allem, man kann alles machen. Jede noch so absurde Schlächterei, Untat, jedes Kriegsverbrechen, jede Missachtung des Völkerrechts und von UN-Beschlüssen und Sicherheitsratsbeschlüssen, jeder Überfall ist möglich und wird durchgeführt. Israel zeigt den „starken Mann“ (typisch für Rechtsextremisten) und zeigt: Niemand, wirklich niemand, wird Israel dafür ernsthaft zur Rechenschaft ziehen, z.B. in Form von Sanktionen, die durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen würden.
In der Welt wird demonstriert und in Israel lacht man sich ins Fäustchen.
Typisch dafür waren die Reaktionen aus den Hauptstädten der größten Volkswirtschaften der Welt: Die US-Regierung blieb zunächst schweigsam und gab dann nach geraumer Zeit eine Meldung heraus, man fordere eine Untersuchung des Geschehens durch Israel. Im gleichen Ton Stellungnahmen aus China, von der Bundesregierung, aus Japan, aus Großbritannien, Frankreich und aus Russland. Zwar wurde schüchtern im einen oder anderen Fall vorgeschlagen, doch die Blockade gegen Gaza aufzuheben, aber dies war, wie dann auch in der Resolution des UN-Sicherheitsrats, nicht mit der Drohung von Sanktionen verbunden und kann daher als „blah, blah“ angesehen werden.
Der israelische Ministerpräsident erklärte denn auch schnell nach dem Überfall, es werde keine neutrale Untersuchung geben und Israel brauche nichts zu untersuchen, denn alles wurde auf Befehl durchgeführt. Damit erklärt er sich gleichzeitig als Hauptverantwortlicher für den völkerrechtswidrigen Überfall und die Morde. Er müsste eigentlich vor internationalen Gerichtshöfen angeklagt werden.
In Israel ist man siegessicher und strahl von einer Backe zur anderen: Ein weiteres Mal bewiesen: Wir sind unangreifbar. Wir sind stärker als alle auf der Welt!
Allerdings: Die Demonstrationen waren größer und in mehr Städten als seit langer Zeit. Mehr Juden als früher nahmen an ihnen teil. Die israelische Regierung lässt das sicherlich völlig kalt, aber so ist das eben mit Rechtsextremisten: Sie verstehen nur eine Sprache: Gegen-Gewalt. Nun, bisher gibt es die nicht, aber die Geduld der Völker wird nicht unendlich sein.
Die israelische Zeitung Haaretz meldet folgende Demonstrationen vom Wochenende:
Einige Tausend in Paris, darunter Hunderte von Juden, die unter anderen unter der Flagge „French Jewish Union for Peace“ auftraten.
Hunderte von Demonstranten in Dublin, die auch und besonders gegen das Kapern des irischen Schiffes protestierten, das drei Tage nach den anderen Schiffen des Hilfskonvois versuchte, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.
In London waren es Tausende von Demonstranten, die unter anderem T-Shirts mit der Aufschrift „Free Gaza“ trugen.
Tausende ebenfalls in vielen Städten Australiens. In Sydney wurde u.a. eine Israel-Fahne verbrannt.
Das gleiche auch in Neu-Seeland, wo auch US-Flaggen verbrannt wurden.
In vielen Aufmärschen wird auch mit Schuhen geworfen, was sich jetzt langsam mehr und mehr als üblich bei Protesten gegen Israel und die USA einbürgert.
Die Haaretz erwähnt nicht die Protestmärsche und –Kundgebungen in einer Reihe von deutschen Städten an diesem Wochenende. Man kann also davon ausgehen, auch viele andere werden dort nicht erwähnt, wie z.B. die in den USA und in Kanada..
Eine schwedische Hafenarbeitergewerkschaft hat einen Boykott gegen israelische Schiffe und Güter für eine Woche beschlossen. Allerdings ist es nicht leicht israelische Güter zu identifizieren, denn Israel pflegt nicht „Made in Israel“ aufzudrucken – man weiß, wie sehr man geliebt wird überall auf der Welt.
Doch ähnlich wie auch andere diktatorische rechtsextremistische Regime ist die israelische Regierung darüber nicht besorgt. Sie erklärt einfach, das sei alles „Antisemitismus“ und schon sind wieder die anderen Schuld, nicht man selbst.
Allerdings gab es nicht nur mehr Demonstrationen, sondern auch andere Reaktionen, die es bei früheren Gewaltakten Israels nicht gegeben hat. Deshalb wurde auch gesagt: Diesmal ist Israel wohl zu weit gegangen.
Die wichtigste Veränderung ist wohl die extreme Schärfe, mit der die Türkei auf den Überfall reagiert hat Kein Wunder, denn die Mehrzahl der Schiffe und der Besatzungen des Konvois waren türkische und alle Ermordeten waren Türken. Die Türkei hat ihre Beziehungen zu Israel auf ein Minimum reduziert. Das hat aber Bedeutung. Die Türkei ist ein NATO-Staat und war bisher immer als Vermittler zwischen Israel und den arabischen Staaten tätig. Sie hatte sich immer aus den Verurteilungen Israels herausgehalten. Jetzt hat sie die Stimme am lautesten erhoben und Sanktionen gefordert. Israel hat den einzigen (ein wenig) Verbündeten in der Region verloren. Damit ist bereits ein Staat aus der NATO-Phalanx herausgebrochen und das wird Folgen haben. Auch andere NATO-Staaten werden sich jetzt nicht mehr immer auf die NATO-Haltung festlegen lassen: „Israel darf immer alles machen“.
Doch das war nicht die einzige Neuheit. Ägypten hat unter dem starken Druck der eigenen Bevölkerung den Grenzübergang zum Gaza-Streifen geöffnet. Damit ist ein wesentlicher Teil der Gaza-Blockade bereits aufgehoben. Israel hat es bisher nicht gewagt, sich deshalb mit Ägypten anzulegen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass das reaktionäre Ägyptische Regime den Übergang wieder schließt, wenn sich die internationale Aufregung legt.
Eine dritte neue Entwicklung: Die libanesische Armee (das ist also nicht die Hisbollah) hat erklärt, seit Anfang dieser Woche würden israelische Kampfflugzeuge, die über dem Südlibanon Aufklärungsflüge machen, beschossen, sowohl mit Flugabwehrkanonen, als auch mit Raketen. Nicht, dass eine hohe Chance besteht, die würden ein Flugzeug abschießen, aber auch das Beschossen-Werden ist natürlich schon eine wesentliche Veränderung.
Das werden auf weitere Sicht nicht die einzigen Veränderungen bleiben. Auch die US- und die europäischen Regierungen werden es mehr und mehr leid werden, wegen ihrer Israel-Hörigkeit ständig innenpolitischen Problemen ausgesetzt zu sein. Und wehe, wenn die „Freunde Israels“ übergehen von einer blinden Gefolgschaft zu einer „wohlwollenden Freundschaft“ und im nächsten Schritt vielleicht zu „Neutralität“.
Also dann möchte ich nicht in der Haut der israelischen Verantwortlichen stecken...