Montag, 14. Juni 2010

Entscheidender Durchbruch?

Doch der Kapitalismus wird es verhindern

Von Karl Weiss

Es ist zum ersten mal gelungen, Mikroorganismen so in den Genen zu verändern, dass sie die Photosynthese ausführen können. Erinnern Sie sich? Photosynthese!? Das ist das, was die Pflanzen tagsüber können: CO2 verarbeiten unter Einfluss von Sonnenstrahlung, organische Materie bilden! Das ist theoretisch die Lösung des Problems der beginnenden Klimakatastrophe.

In diesem Fall wurde ein bestimmter Mikroorganismus, nennen wir ihn Bakterie (wahrscheinlich ist es eher ein Pilz, aber das tut nichts zur Sache), so verändert, dass er diese Reaktion ausführen kann. Will sagen, man füllt die Tierchen in so einen Reaktor, stellt ihnen Licht und CO2 zur Verfügung und sie können organische Materie produzieren, phantastisch nicht?

Was, sie wollen wissen, was 'organische Materie' bedeuten soll? Ja, verstehen Sie denn nicht? Die Tierchen (oder Pilzchen) machen ALKOHOL und/oder DIESEL daraus!

Ah, jetzt ist der Groschen gefallen! Die machen genau das umgekehrte, was im Motor passiert, wo Alkohol (in rückständigen Ländern noch Benzin) oder Diesel zu CO2 und Wasser verbrannt wird.

Eventuell hat also der Verbrennungsmotor doch noch eine Zukunft.

Es wäre ja denkbar, diese Art von Reaktoren in gigantischem Maßstab herzustellen und die gesamte Menge von Sprit, die weltweit gebraucht wird, mit diesem Verfahren herzustellen. Die bestehenden Raffinerien (das nur als Beispiel) könnten umgerüstet werden und Alkohol und Diesel aus dem CO2 der Luft herstellen.

Man müsste dann sogar aufpassen, dass nicht das umgekehrte passiert, nämlich die Abnahme der Konzentration von CO2 in der Luft. Aber das kann man ja regulieren, indem man weiterhin eine Anzahl von Kohle- oder Gaskraftwerken Strom erzeugen lässt.

Gleichzeitig wären damit auch alle Probleme gelöst, die sich durch die immer schwieriger zu erschließenden neuen Erdölquellen ergeben. Oil-Spills wie jener im Golf von Mexiko könnten dann ausgeschlossen werden.

Das Diesel, das so hergestellt wird, hätte auch noch den entscheidenden Vorteil, dass es völlig umweltfreundlich wäre. Keine Luftverschmutzung durch Schwefel, keine krebserregenden Aromaten, kein Feinstaub im Abgas.

So könnten die Energieprobleme der Menschheit gelöst und gleichzeitig eine Veränderung der Lebensverhältnisse auf der Erde verhindert und die Zukunft der Spezies Mensch gesichert werden.

Natürlich müsste vorher auch noch genau untersucht werden, ob die Alternative der Energiegewinnung durch ein Verbundnetz von elektrischen Leitungen mit Solar-Paneel-Plantagen in den Wüsten der Welt nicht eine bessere Lösung wäre.

Doch gemach, gemach! Wer eigentlich genau soll dies beschließen und dann umsetzen. Die Ölkonzerne? Sie müssten über Jahre alles Geld in ihren Kassen für die Umrüstung der Raffinerien ausgeben - und danach? Sie müssten dann ihre Verluste durch überhöhte Preise für jenen Alkohol und jenes Diesel versuchen wieder hereinzuholen und könnten noch nicht einmal sicher sein, ob nicht andere Firmen diese Reaktoren effektiver betreiben könnten als sie. Kein Öl-Manager, der noch alle Sinne beisammen hat, würde sich auf ein solches Abenteuer einlassen.

Oder die G20? Sie, die gerade eben allen Regierungen das „Sparen“ verordnet haben, sollen die Ölkonzerne enteignen und die Umrüstung der Raffinerien durchsetzen? Solch eine Idee kann nur einem Delirium entspringen.

Kurz gesagt, im Kapitalismus ist eine solche Umstellung nicht möglich. Erst wenn wir im Sozialismus selbst das Sagen haben, können wir große technische Umstellungen schlicht und einfach beschließen und umsetzen.


Veröffentlicht am 14. Juni 2010 in der Berliner Umschau

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