Stuttgart21: Vertrag mit den Niederlanden gebrochen
Von Karl Weiss
Um die Finanzierung für das CDU-Wahnsinnsprojekt ‚Stuttgart21‘ aufbringen zu können, haben die Bahn und der Bund bewusst einen internationalen Vertrag mit den Niederlanden gebrochen, den sogenannten Betuwe-Vertrag, der einen Ausbau der Bahnstrecke vom Hafen Rotterdam nach Oberhausen bis 2010 vorsah, was den Anschluss des Rotterdamer Hafens an die Rheintalstrecke bedeutet hätte.
Die Profiteure und Befürworter des Projekts „Stuttgart21“ pflegen zu wiederholen, es gäbe ja schliesslich einen Vertrag der Bahn mit dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart und Vertrag sei eben Vertrag und schon deshalb könnten die Bauarbeiten nicht gestoppt werden usw. usf.
Doch das Motto „Vertrag ist Vertrag“ gilt dann nicht, wenn nur die Allgemeinheit von Bahn-Projekten profitiert, nicht aber bestimmte Unternehmen, Familien-Clans und Einzelpersonen. Der Beweis dafür: Der Betuwe-Vertrag, geschlossen zwischen der Bahn, dem Land Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden, wurde bereits gebrochen und wird weiterhin gebrochen.
Der Betuwe-Vertrag sieht den Ausbau der Bahnstrecke vom Rotterdamer Hafen zur deutschen Grenze und dann weiter nach Oberhausen vor, wo man Anschluss an die Rheintal-Strecke hat. Bis 2010 sollte dieser Ausbau fertig sein – doch er wurde noch nicht einmal begonnen. Es ist nämlich keine Geld da, weil die Bahn fast alle verfügbaren Mittel für das CDU-Wahnsinnsprojekt „Stuttgart21“ braucht.
„Na ja, Verträge sind eben nichts wirklich Bindendes, eher so etwas wie Absichtserklärungen, schon gar internationale Verträge. Wo kämen wir denn da hin, wenn man internationale Verträge einhalten würde? Und die Holländer, die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst!“
Wer den Betuwe-Vertrag nachlesen will in der Version auf Deutsch, hier ist er: http://www.wedebruch.de/gesetze/inter/betuwevertrag.htm
Rotterdam ist der grösste Hafen Europas. Auf diesem gigantischen Umschlagplatz arbeitet man mit modernsten Anlagen, die Schiffe werden schnell und effektiv abgefertigt. Die Strassenanbindungen sind hervorragend, es fehlt nur noch eine wirklich grosszügige Bahn-Anbindung. Die Anbindung zu verschiedenen Zielen innerhalb der Niederlande ist gut (wer nach Belgien will, benutzt sowieso den nicht weit entfernten Hafen von Antwerpen), aber alle Ziele im restlichen Europa erreicht man nur schwer bzw. gar nicht mit der Bahn.
Der Schwachpunkt ist die zweigleisige Strecke von Rotterdam zur deutschen Grenze und weiter bis zum Anschluss an die Rheintal-Strecke. Sie ist schon wesentlich mit Personenverkehr ausgelastet und Güterzüge haben nur wenig Kapazitäten. Darum wurde der viergleisige Ausbau beschlossen und im internationalen Betuwe-Vertrag festgeschrieben. Dieser Ausbau würde einen wesentlichen Teil der LKWs, meist mit holländischen Kennzeichen, von den deutschen Strassen holen, die heute für so viele Staus verantwortlich sind und die Luft verpesten (Stichwort: Feinstaub).
Übrigens ist der Betuwe-Vertrag nicht der einzige, den man gebrochen hat. Es gibt ebenfalls einen Vertrag der Bahn mit dem Land Nordrhein-Westfalen über den Ausbau der Strecke „Rhein-Ruhr-Express“, das ist die von Köln nach Dortmund. Auch dieser vetraglich festgelegte Ausbau liegt brach wegen fehlender Mittel.
„In Wirklichkeit interessieren uns die Staus nicht, wir haben schliesslich Privat-Jets und Hubschrauber zur Verfügung. Soll der Plebs sich doch mit Lastwagen herumschlagen.“
Wer schon einmal aufmerksam jene Foto-Karte der Welt studiert hat, die von Satelliten bei Nacht aufgenommen werden, dem wird schon aufgefallen sein: Der Raum Niederlande (von Amsterdam und Rotterdam bis zur deutschen Grenze), das angrenzende deutsche Gebiet Niederrhein und und das angrenzende Ruhrgebiet bilden auf dieser Foto-Karte eine Art von Banane, den grössten zusammenhängenden Lichtfleck weltweit, was sagen will: Grosse Bevölkerungsdichte, Menschen mit relativ angehobenem Lebensniveau, die viel Licht verbrauchen.
Wer den Lichtfleck des Grossraums Stuttgart damit vergleicht, wird schnell den Unterschied erkennen. Es ist also sicherlich eine sehr gute Idee, dort im deutsch-niederländischen Grenzraum die Bahn auszubauen.
Doch die Bahn hat andere Prioritäten.
„Also Güterverkehr interessiert uns überhaupt nicht! Ebensowenig Nah- und Regionalverkehr! Was wir wollen, ist eine reine Hochgeschwindigkeits-Personenzug-Bahn zu Preisen, die für Otto Normalverbraucher (Plebs) unerschwinglich sind. Die soll dann nämlich privatisiert werden und das verspricht satte Profite für die Erwerber. Und für uns fällt natürlich auch etwas ab!“
Wer diese Bahn-Politik unterstützen will, der braucht nur weiterhin CDU/SU, FDP und SPD zu wählen, nur zu!
Und wenn die Grünen nun glauben, wir hätten vergessen, sie waren mit in der Schröder-Koalition, die diese Bahnpolitik und –Privatisierung beschlossen und begonnen hat, so haben sie sich getäuscht. Zwar hat der deutsche Michel wirklich ab und zu ein wenig Gedächtnisschwund, aber diese Krankheit wird schnell geheilt, wenn die Partei, die man gewählt hat, dann an der Regierung ist.
Man sehe nur, wie die 16% (der Wähler), die FDP gewählt haben, ihr Gedächtnis wiedergefunden und die FDP heute zu einer 4%-Partei gemacht haben.
Veröffentlicht am 18. 11. 2010 in der Berliner Umschau
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