Voodoo-Ökonomie
Von Karl Weiss
Das US-Handelsbilanzdefizit (das ja am Ende von den USA finanziert werden muss) ist im Dezember 2010 auf 40,58 Milliarden Dollar gestiegen. Das sind aufs Jahr fast 500 Mrd. (billions) Dollar. Die Staatsschulden (ohne die der Staaten und Städte) betragen bereits 14,3 Billionen (trillons) Dollar und haben damit die 100% des BIP erreicht. Die Schulden allein der Staaten der USA machen noch einmal etwa 8 Billionen (trillions) Dollar aus (das ist eine Hochschätzung). Der Häusermarkt zeigt noch keine wirkliche Erholung. Die Zahl der Menschen in den USA, die von „Essensmarken“ leben, steigt unaufhaltsam an und liegt bereits bei 43 Millonen Menschen und die Aktienmärkte jubeln von einem Hoch zum anderen. Wer sich schon einmal gefragt hat, was eine Voodoo-Ökonomie wäre, hier ist sie!
Die gemässigte Erholung in den USA (man hat ja die Zahlen von vor der Krise noch nicht erreicht) ist also von Anfang an mit denselben grundlegenden Mängeln behaftet, wie sie zur Krise geführt haben – nur in noch höherem Aussmass.
Wenn diese Fakten noch nicht zum Ausbruch einer weiteren Krise geführt haben (oder besser gesagt zu einem neuen Krisenabschwung innerhalb der Endzeitkrise des Kapitalismus), so nur deshalb, weil die Grossbanken und Spekulanten (das bezieht sich ja hauptsächlich auf US-Bürger und Banken) schlicht und einfach so tun, als könnten sie keine Zahlen lesen.
Jede andere Volkswirtschaft mit so schlechten Zahlen hätte längst gegen die Spekulation verloren und den Bankrott anmelden müssen. Das bedeutet aber eben auch: Wenn dies dann wirklich passiert – es kann ja nur hinausgeschoben, nicht verhindert werden – ist der Absturz umso gewaltiger.
Und die Zahlen des Handelsbilanzdefizits sind sogar noch geschönt, denn sie enthalten eine grosse Anzahl von Dienstleistungen, was im Klartext meist Finanzdienstleistungen heisst. Nimmt man nur die Waren und Güter, so betrug das Defizit im Dezember sogar 53,56 Milliarden Dollar, das wären aufs Jahr um die 650 Milliarden (billions) Dollar.
Hätte es nach dem 15. September 2008 noch die Möglichkeit gegeben, die Banken an die Kandare zu nehmen, die Spekulation auf vernünftige Dimensionen zurückzuführen, das Hauptaugemerk auf die inländische Produktion von Gütern zu legen und die „Finanzdienstleistungen“ herunter zu fahren, eine grosse Anzahl von Menschen erneut in Arbeit zu bringen, Unternehmen und Reiche angemessen zu besteuern usw. usw., so haben sich inzwischen schon eine Anzahl von möglichen Türen geschlossen. Ob es überhaupt noch irgendeinen Ausweg für die US-Ökonomie gibt, kann bezweifelt werden.
Da man nun genauso weitermacht wie vor der Krise: Riesige Handelsbilanzdefizite mit China, grosse mit der Bundesrepublik, fast völlige Steuerfreiheit für Banken, Grossunternehmen und Reiche, so kann es nicht nützen, nun wie verrückt eigene Staatsanleihen zu kaufen – was auf „Drucken von Geld“ hinausläuft.
Ganz im Gegenteil, eine solche Finanzpolitik wird den kommenden Absturz nur noch tiefer machen. Deutlich wird, die „Erholung“ ist in wesentlichen Teilen dem Konsum der Firmen und der Reichen zuzuschreiben, die wie verrückt Mercedes und BMW kaufen, aber das kann keine Grundlage eines wirklichen Auschwungs sein. Selbst in den USA gibt nicht genug Reiche, um einen nachhaltigen Aufschwung zu verursachen.
Die grossen ausländischen Gläubiger der USA machen sich jetzt schon Sorgen, das betrifft vor allem China, aber dann auch Japan, Grossbritannien und Deutschland. Sie haben aber im Grunde keinen Ausweg, denn eine grosse Zentralbank kann nicht heimlich US-Bonds verkaufen.
Jede grössere Absetzbewegung vom Dollar bzw. den Dollar-Bonds würde sofort auffallen und eventuell den Riesencrash auslösen. Das würde aber für diese vier Länder (und auch noch für weitere, wie zum Beispiel Brasilien, die grosse Teile ihres Staatsschatzes in US-Bonds halten) bedeuten: Sie verlieren den Staatsschatz oder wesentliche Teile von ihm, wenn der Dollar zusammenbricht.
Dies würde aber auch einen Run auf die Staatsanleihen (und Währungen) dieser Länder verursachen und damit den Maximalcrash der gesamten Weltwirtschaft einleiten.
Was danach noch übrig wäre, wäre vor allem Heulen und Zähnknirschen – ein Aufräumen der Reste – und der Aufbau einer neuen Gesellschaft.