USA – unschön
Von Karl Weiss
Welche Möglichkeiten haben die USA noch? Die wirtschaftliche Situation spitzt sich immer weiter zu, die tatsächliche Arbeitslosigkeit steigt ins Unermessliche, Armut und Elend breiten sich aus, ganze Staaten haben keine funktionierende Verwaltung mehr, der Staatshaushalt hat eine Ablaufzeit und wurde nur für 14 Tage verlängert, China beginnt mehr und mehr Druck zu machen, das Abenteuer in Afghanistan bekommt immer mehr Ähnlichkeit mit Vietnam, der Präsident kann gegen die House-Mehrheit der Opposition kaum noch etwas durchsetzen, das Landesparlament von Wisconsin verabschiedet eine Gesetz, das Freiheits- und Gewerkschaftrechte ausser Kraft setzt und die Zahl der US-Amerikaner, die ihr Haus und damit ihre Wohnung verloren haben, steigt in die Höhe von Zig-Millionen. Währenddessen veranstalten völlig unbeeeindruckt davon an der Wall-Street-Börse die Reichen – und nicht nur die aus den USA – ein Kursfeuerwerk vom Feinsten.
Das Blog 'wirtschaftsquerschüsse.de' schreibt in seinem einschlägigen neuen Artikel:
„Die höchsten nominalen Lohneinkommen der obersten 1% bzw. der obersten 1,509 Millionen Arbeitnehmer überstiegen [ in der Lohnstatistik 2009 ] die gesamten Lohneinkommen der untersten 40% der Lohnempfänger bzw. der untersten 60,36 Millionen!
Kurz : Die USA sind auf dem Weg zu einem Entwicklungsland! Na, werden Sie vielleicht sagen, das ist aber nun weit übertrieben. Ist es aber nicht! Natürlich sind die USA heute noch keine Entwicklungsland, aber die Entwicklung dahin ist schnell und scheint unwiderruflich. Der Bürgerjournalist will dies festmachen an einer Charakterisierung der Entwicklungsländer und dann die USA damit vergleichen:
Was macht ein Land zu einem Entwicklungsland? Was macht es zu einem entwickelten Land? Es sind im wesentlichen folgende Faktoren:
1. Industrialisierung – andere wirtschaftliche Aktivitäten
Ein Industrieland (entwickeltes Land) zeichnet sich durch einen hohen Grad an Industrialisiereug aus, während ein Entwicklungsland gering industrialisiert ist (und wenn, dann meist mit ausländischen Eigentümern) und die wirtschaftlichen Aktivitäten im wesentlichen aus Minen, Dienstleistungen und Landwirtschaft bestehen, was das Land vollständig von den Aufkäufern der produzierten Rohstoffe abhängig macht.
2. Politisches System
In den entwickelten Ländern herrschen direkt die Monpolkapitalisten, also die Herren der Grossbanken und Grosskonzerne. Mit einem Spiel mit der jeweiligen Regierung und Opposition täuschen sie in der Regel eine Demokratie vor. In den Entwicklungsländern herrscht eine nationale Oligarchie, die meist aus einer Anzahl von Familien besteht (manchmal auch nur aus einer Familie). Diese Familien sind jeweils mit einem der imperialistischen Staaten oder Staatengruppen eng verbunden und vertreten deren Interessen. In einer Reihe von Entwicklungsländern werden auch Schauwahlen abgehalten, die aber meist schon durch die Vorauswahl der Parteien und Kandidaten zur Farce werden.
3. Klassenaufteilung
In den entwickelten Ländern gibt es nur in geringem Umfang Armut und kein absolutes Elend. Die Mittelklasse dagegen (also die Arbeiter und Angestellte und Staatsbediensteten und deren Familien) stellt bei weitem das Gros der Bevölkerung. Unterhalb der eigentlichen Herrscher gibt es noch eine Schicht von Reichen, die nicht an der eigentlichen Herrschaft beteiligt sind. In den Entwicklungsländern lebt der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut, aufgeteilt in solche in einfacher Armut, solche in absuluter Armut und solche in völligem Elend. Die Mittelklasse (wie oben definiert) ist klein. Die Schicht der Reichen ohne Beteiligung an der Macht ist meist kleiner als in den entwickelten Ländern.
4. Bildungssystem
Sehr charakteristisch und ausschlaggebend für das Verbleiben in der Kategorie ist das Bildungssystem. Während ein entwickeltes Land, das ein solches bleiben will, ein extrem hochwertiges, effektives Bildungssystem mit einem Zugang ohne Gebühren hat – und das vom Kindergarten bis zu den Universitäten, zeichnet sich ein Entwicklungsland (in dem die Oligarchie nicht daran interesssiert ist, dass sich die herrschenden Zustände ändern) durch keine oder schlechte Schulen der öffentlichen Hand aus. Lediglich die teuren Privatschulen und –Universitäten haben ein gutes Niveau und bilden die Kinder der Reichen aus. Im Prinzip kann man auch einige gute staatliche Hochschulen haben, denn bis dahin schafft es sowie kaum je einer, der von den katastrophalen öffentlichen Schulen komt.
Natürlich gibt es noch viele andere wichtige Unterschiede, die aber keine so starken Auswirkungen auf die ständig neue Bestätigung des Zustandes haben.
Wendet man nun diese Definitionen auf die heutige USA an, so muss man zum Schluss kommen, dies Land, das vor kurzer Zeit noch der Inbegriff eines hohen Entwicklungsstands war, rutscht in schneller Fahrt von einem Entwickelten zu einem Entwicklungsland herunter. Dies gilt in geringerem Masse übrigens auch für andere entwickelte Länder, wie etwa Deutschland und Grossbritannien, aber die sind heute nicht das Thema.
Zu 1.: Die Vereinigten Staaten haben in den letzten 30 Jahren (etwa seit Beginn der „Reaganomics“) einen Prozess der raschen Des-Industrialisierung durchlaufen, siehe auch diesen Artikel: „Fortschreitende Des-Industrialisierung der USA“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/5993170/ ). Dieser Prozess hat sich jetzt im Verlauf der aktuellen Krise noch beschleunigt, Millionen und Abermillionen wurden entlassen, viele Firmen schlossen.
Damit ist die USA nach diesem Kriterum schon praktisch auf dem Stand eines Entwicklungslandes angekommen. Typisch: Es überwiegen die Anteiel der Dienstleistungen, der Minen und der Landwirtschaft an der wirtschaftlichen Wertschöpfung.
Zu 2.: Das politische System der USA ist allerdings heute noch komplett das eines entwickelten landes, so wie es oben beschrieben ist. Erst wenn das Land auf dem Grund des Brunnens angekommen ist, in den es momentan fällt, wird sich auch dies ändern.
Zu 3.: Die Klasssenaufteilung ist in den USA heute schon im wesentlichen die eines Entwicklungslandes. Hier sei nur noch die neueste Zahl über die wirkliche Arbeitslosigkeit eingefügt: Der Bezug von Essensmarken, der noch keineswegs alle Arbeitslosen erfasst, hat sich im Dezember 2010 auf über 44 Millionen US-Bürger ausgedeht, das ist eine kaum glaubliche Zahl im ehemals reichsten Land der Welt. Die Mittelklasse (Definition oben) ist praktisch vollständig am Verschwinden. Es ist charakteristisch, dass in einer solchen Situation eine bewegung wie die „tea party“ auftaucht: Die Mittelklasse spürt, sie ist in ihrem Lebensstandard und Lebensgefühl gefährdet und macht sich politisch ganz Rechts Luft.
Zu 4.: Das US- Bildungssystem ist nicht erst letzthin völlig verkorkst. Hier ein Zitat dazu aus dem oben schon verlinkten Artikel:
„ ... hat man ein Bildungssystem, das sich von den meisten anderen Industrieländern unterscheidet. Nur für das Grund- und Hauptschulniveau gibt es öffentliche Schulen ohne Gebühren. Das gesamte System auf höherem Gymnasialniveau und die Universitäten sind privat und kosten hohe Gebühren, so dass Kinder aus den unteren Schichten keine Chance haben, dorthin zu gelangen (mit wenigen Ausnahmen von Hochbegabten, die Stipendien erhalten). Das Niveau Grund- und Hauptschule ist zudem auf so niedrigem Niveau, dass die einfachen Leute, die sich nur das leisten können, nicht einmal die mindesten Kenntnisse und Fähigkeiten für ein erfülltes Leben haben. Statt dessen versucht man nationalistische Hohlköpfe zu schaffen, die nichts über die Welt außerhalb der USA wissen. Die Wirkung des Fernsehens hat später diesen Effekt noch vertieft, denn in diesem Land wurde das Verblödungsfernsehen erfunden. Und dies trifft für 75% der Bevölkerung zu."
Nun, noch ist die USA die einzige Supermacht. Doch wir stehen staunend vor einem lawinenartigen Abrutschen und können nur hoffen, das wir da nicht mit hineingeraten.
Hier noch ein paar „Zuckerbrote“ zum Thema (aus dem Rund-E-Mail von Miriam Kraus „Rohstoffe – daily“ im Investor-Verlag):
- Das Verhältnis der Gehälter von Managern in den USA gegenüber den durchschnittlichen Gehältern der Arbeiter von 30:1 auf 500:1 explodiert.
- Kein Land auf dieser Welt hat höhere Schulden als die USA. Allein im letzten Jahr hat die Regierung fast so viele Schulden angehäuft, wie alle anderen Regierungen weltweit zusammen.
- Laut Fortune-Magazin leben 40% der Amerikaner von Niedriglohn-Jobs. Sie besitzen weniger als 1% des nationalen Reichtums.
- Mehr als 1 Million Amerikaner sind Mitglieder krimineller Banden.
- Derzeit sind rund 32 US-Bundesstaaten nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtung nachzukommen, Arbeitslosengelder auszubezahlen. Bislang springt die US-Regierung ein und vergrößert damit die gesamte Staatsschuld.
- Der US-Bundesstaat Kalifornien ist schon längst pleite. Hier weisen bereits 8 Bezirke eine Arbeitslosenrate von über 20% auf. Der Pensionskasse des US-Bundesstaates New Jersey fehlen rund 54 Milliarden USD.
- Gemessen am Nettowert besitzen US-Banken mehr Wohnimmobilien als alle Bürger zusammen.
Frau Kraus nennt diese Fakten „unschön“. Na ja, wenn man es so nennen will.