Mittwoch, 18. November 2009

Das Ende der Menschheit?

Wir oder sie – kein anderer Weg ist möglich

Von Karl Weiss

Vor zwei Jahren hat der Bürger-Journalist die These aufgestellt, dass es keinerlei bedeutende internationale Vereinbarung mehr geben wird, weil der Kapitalismus, dessen Ablösung bereits überfällig ist, schon ins Stadium der Barbarei übergeht. Nun scheint das vorauszusehende Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen dies zu bestätigen. Wer geglaubt hatte, Barack Obama würde den ausschlaggebenden Unterschied ausmachen, der sieht sich getäuscht.

Schmelzendes Eis

Die These des Bürger-Journalisten steht in diesem Artikel: „Wir werden weiter verhandeln – bis die Welt in Scherben fällt“ vom 17. Dezember 2007.

Es steht praktisch bereits fest: Als Ergebnis des Kopenhagener Gipfels wird erklärt werden, wie man weiter verhandelt. Genau das gleiche Ergebnis hatte bereits das letzte weltweite Treffen bezüglich der Gefahr der Klimakatastrophe in Bali vor zwei Jahren. Welch Fortschritt! Man wird uns wieder die Hucke voll lügen, wie man sich doch einig gewesen sei und wie große Fortschritte man gemacht habe, aber das Papier am Schluss wird sechs Seiten haben und lediglich einen Plan für weitere Verhandlungen beinhalten (dieses Papier liegt bereits vor!).

Und das kurz vor Weihnachten. Welche Bescherung!

In der Süddeutschen vom 17.11. 09 wurden die Texte von insgesamt 7 „Experten“ zum „Klimawandel“ ins Netz gestellt, die bereits alle ihre Enttäuschung über das Fehlen des Willens zu einen verpflichtenden Abkommen in Kopenhagen ausdrücken. Allerdings benennt keiner von ihnen das Problem richtig, keiner von ihnen benennt die Verursacher und Hintermänner dieses Fiaskos und keiner von ihnen weiss einen Ausweg.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Nicht einer der Experten benennt das Problem klar als „Klimakatastrophe“. Es wird verniedlichend von Klimawandel geredet, von Klimaschutz und einer von ihnen behautet sogar: „Der Mensch wird deshalb nicht als Spezies aussterben . . .“ und legt nahe, die Menschheit, wie wir sie kennen, könnte überleben, wenn der „Point of no return“ in den nächsten Jahren überschritten wird und dann ein selbstbeschleunigender Prozess einsetzt, der von keiner menschlichen Anstrengung mehr gestoppt werden kann.

Zwar hat er rein formal Recht, denn er hat ja nur behauptete „als Spezies“. Tatsächlich könnte nach einer Klimakatastrophe eventuell hier oder dort ein kleines Grüppchen von Menschen unter speziellen Bedingungen überleben, aber „die Menschheit“ wird einer Klimakatastrophe eben zum Opfer fallen.

Grönland-Erwärmung-Stand-1985

Grönland Erwärmung Stand 2002

Grönland Erwärmung Überblick - Kartenausschnitt
Die beiden oberen Bilder zeigen in beeindruckender Weise das Fortschreiten der Eisschmelze in Grönland, wie weit sie bereits vor fast 8 Jahren gekommen war. Allerdings ist die Aussagekraft durch die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte eingeschränkt. Aber: Sowohl November als auch Mai sind in der Arktis-Region Teile des Winters. Der Sommer dauert nur von Juni bis August. Das untere Bild zeigt den Ort der Satelliten-Fotos und (in Farben) die Anzahl Tage in Grönland mit Eisschmelze.


Wer dieser spitzfindige Verdreher ist? Er heißt Reinhold Leinfelder und ist Berater der Bundesregierung über globale Umweltveränderungen. Na, die Bundesregierung weiss eben, welche Berater man sich holt, nicht wahr?

Auch die Vertreterin des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (ebenfalls ein wichtiger „Brain Trust“ der Bundesregierung) weckt Illusionen: „Die ökonomischen Kosten eines Scheiterns sind ungleich höher als die Kosten des Handelns.“ Nanu, dann sind also alle diese Regierungschefs, die sich da in Kopenhagen treffen sollen, ökonomisch völlig falsch beraten? Erstaunlich, nicht?

Frau Claudia Kemfert unterschlägt einfach, dass sie von einer weltweiten Ökonomie redet, von Kosten für die gesamte Menschheit, die durch rasches Handeln natürlich verringert würden. Sie unterschlägt (wie auch alle anderen „Experten“) die schlichte Wahrheit:

Im Kapitalismus gibt es keine gesamtwirtschaftliche Rechnung. Im Kapitalismus sind die Profite der großen (Monopol-) Konzerne das einzige gültige Kriterium. Und dazu gehören eben nicht zuletzt die großen Ölkonzerne, die großen Automobilkonzerne und die riesigen Energie- und Elektrizitätsvertreiber. Sie alle versprechen sich die höchsten Profite, wenn alles bleibt wie jetzt, denn bei neuen Technologien könnte ihre alleinige Vorherrschaft gefährdet sein.

Diese Monopolkonzerne (unter ihnen auch die Großbanken) sagen den Regierungen, was zu tun ist. Sie werden nicht an das praktische Auslöschen der Menschheit glauben, bis es zu spät ist – denn sie können nicht – die Profit-Gesetze des Kapitalismus sind eisern.

Frau Merkel wird in Kopenhagen keinem Kompromiss über Selbstverpflichtungen zustimmen. Nicht weil sie zu dumm ist, nicht weil sie keine gesamtwirtschaftlichen Rechnungen aufmachen kann (oder sagen wir, selbst wenn sie es könnte), sondern weil sie klare Aufträge hat von Vattenfall, EON, En BW und RWE, von Daimler, BMW und VW, von BP und Shell (im europäischen Rahmen). Diese und alle anderen Monopolkonzerne sind die Totengräber der Menschheit, wenn es uns nicht gelingt, sie aufzuhalten.

Karl Marx

Wir oder sie – kein anderer Weg ist möglich.

Eine neue - von den Grünen befreite - Umweltbewegung, muss radikal und gegen alle Widerstände eine grundsätzliche Wende der Energiebasis zu erneuerbaren Energien durchsetzen, koste es was es wolle. Das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig.


Veröffentlicht am 18. November 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 16. November 2009

Klimaziele: Brasilien -36 bis -39% bis 2020 – und ihr?

Lula will Kopenhagen doch noch zu einem Erfolg machen

Von Karl Weiss

Für den kommenden Klimagipfel in Kopenhagen wird bereits jetzt von fast allen Beobachtern ein völliges Fiasko vorausgesehen, vor allem weil die beiden Länder mit dem größten klimaschädlichen Ausstoß von Klima-Gasen, USA und China, bereits angesagt haben, sie würden sich zu gar nichts verpflichten. Auch Deutschland gehört zu den erklärten Verpflichtungs-Verweigerern.

Treffende Karikatur

In der Folge werden wohl auch alle anderen nichts Konkretes festlegen wollen und der Gipfel wird zu einem Austausch unverbindlicher Leerformeln werden. Der Brasilianische Präsident Lula hat nun einen letzten Versuch gemacht, die Großmächte zu beschämen und ist mit einer Selbstverpflichtung Brasiliens vorgeprescht.

Das brasilianische Kabinett hat beschlossen, bis zum Jahr 2020 36 bis 39 % (genau zwischen 36,1 und 38,9 %) der jetzigen CO2-Belastung zu kürzen, hauptsächlich durch eine Verringerung der Vernichtung von Regenwäldern, vor allem im Amazonasgebiet. Die anderen Maßnahmen, um dieses weit gehende Ziel zu erreichen, ist der Ersatz von Benzin als Kraftstoff durch aus Zuckerrohr gewonnenen Alkohol und der Ersatz von Diesel als Kraftstoff durch Biodiesel.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Diese Selbstverpflichtung Brasiliens stellt den Versuch da, die reichen und „entwickelten“ Länder zu veranlassen, ebenfalls eine Verpflichtung bis zum Jahr 2020 einzugehen.

Unter dem Druck der Energie-, der Öl- und der Automobilkonzerne haben praktisch alle ach wie so entwickelten Länder konkrete Ziele zur Verminderung des CO2-Ausstosses verneint. Es wäre mit Investitionen von nur einem Zehntel jener Gelder möglich, mit denen man Banken „gerettet“ hat, die Energiebasis im wesentlichen umzustellen. Das würde bedeuten: Weg von der Verbrennung von Kohle , Öl, Benzin, Diesel und Gas zur Wärme- und Energiegewinnung, hin zur Solarenergie, zu Sonnenbrennöfen, zur Windenergie, zur Erdwärme, zu Wärmepumpen, zu Wellenenergie, zu Gezeitenenergie und als Brückentechnologie auch zum Bio-Sprit (Alkohol als Benzin-Ersatz und Biodiesel statt Diesel).

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Außerdem müsste der Raubbau von Wäldern überall eingestellt werden. Dabei stehen besonders Brasilien und Indonesien in der Pflicht, aber auch Kanada.

Es ist keineswegs garantiert, dass Brasilien die Selbstverpflichtung auch einhalten kann. Im nächsten Jahr sind hier Wahlen. Wen der voraussichtliche Kandidat der Oligarchie, Serra, gegen die Koalition der jetzigen Regierung gewinnt, weil die voraussichtliche Kandidatin Lulas, Wilma Roussef, fast unbekannt ist, wird die Oligarchie im größten Land Lateinamerikas wieder die ganze Macht in der Hand haben und vor allem ihren Agrargewinnen nachhetzen, was freies Abholzen im Amazonasgebiet bedeutet. Aber auch Lulas Koalition ist zum Teil aus Oligarchie-Teilen zusammengesetzt, die keinerlei Interesse haben, die Eroberung neuer Acker- und Weideflächen im Norden und Westen des Landes zu unterbinden.

Regenwald-Abholzung Brasilien

So wie Lula bereits als der beliebteste Präsident aller Zeiten lavieren musste, um seine Regierungskoalition nicht zu gefährden, müsste dies auch Wilma Roussef tun, falls sie wirklich gewinnen sollte.

Demgegenüber haben wir in Deutschland, wie auch die Engländer, die Franzosen und die US-Amerikaner eine Regierung, die nicht laviert, sondern strikt Konzernkurs fährt. Dies wurde deutlich, als die große Koalition (die SPD erinnert sich schon gar nicht mehr daran) statt Investitionen in alternative Energien beschloss, in großer Zahl neue Kohlekraftwerke zu bauen und die Braunkohlengewinnung und die dazugehörigen Kraftwerke auszubauen statt stillzulegen. Mit dieser Entscheidung wurde es in Wirklichkeit bereits unmöglich, das Ruder des wachsenden CO2-Ausstosses herumzureißen und Verpflichtungen für die Verminderung einzugehen.

Kohlekraftwerk Datteln in Bau

Wenn die Klimakatastrophe noch verhindert werden soll, die wahrscheinlich mit den Lebensbedingungen praktisch der ganzen Menschheit aufräumen würde, muss so schnell wie möglich eine neue Umweltbewegung, befreit von den Grünen, die Überlebenschance für die Menschheit einfordern.


Veröffentlicht am 16. November 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 14. November 2009

Wohin die Gelder 'Aufbau Ost' flossen

Man frage die West-Banken und den Präsidenten

Wie ein paar deutsche Banken 200 Milliarden Euro einsteckten

Von Karl Weiss

5. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf hetzt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 8. August 2006 (mit einem kleinen Zusatz), der aktuell wie nie ist, denn weiterhin wird behauptet, riesige Geldmengen liefen in den Osten, ohne zu sagen, wo sie am Ende blieben und weiterhin wird behauptet, die DDR-Indrustie sei völlig marode gewesen. Dieser Artikel gehört bereits seit langem zu den 20 meistgelesenen im Blog.

Als letztes Jahr die 15 Jahre Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der in den letzten Zügen liegenden DDR gefeiert wurde, hätte jemand mit feinem Gehör auch die Sektkorken in den Vorstandsetagen einiger deutscher Großbanken knallen hören können, denn es war 15 Jahre her, daß sie eines der größten Geschäfte aller Zeiten gemacht hatten: 200 Milliarden Euro mit einem Streich.

Es hat sicherlich auch noch andere Riesengeschäfte gegeben, aber dieses war mit Sicherheit eines der größten. Die DDR-Banken, die ja als Staatsbanken in einer Planwirtschaft völlig andere Aufgaben zu erfüllen hatten als die BRD-Banken, wurden schlicht und einfach für einen Appel und ein Ei an die westdeutschen Banken verhökert. Soweit Schulden der Ostbetriebe gegenüber diesen Banken vorhanden waren, trat der westdeutsche Steuerzahler als Bürge auf.

Große Nutznießer waren unter anderem die Dresdner Bank und die Deutsche Bank, die beiden größten Privaten. Aber auch andere Banken wurden bedacht: Die Berliner Bank bekam die 'Berliner Stadtbank', die aus der DDR-Staatsbank hervorgegangen war, die Genossenschaftsbank West die 'Genossenschaftsbank' Ost und die Westdeutsche Landesbank Girozentrale die 'Deutsche Außenhandelsbank'.

Der Staat DDR hatte ja den Betrieben Gelder für ihre Investitionen zukommen lassen müssen. Das wurde formal in Form von sogenannten Krediten durch die (staatseigenen) Banken getan, waren aber in Wirklichkeit Subventionen. Die DDR-Staats-Betriebe (also fast alle) mußten ja ihre Gewinne vollständig an den Staat abführen, konnten nichts in Rücklagen legen, um etwa Investitionen durchzuführen.

Als nun diese Staatsbanken abgewickelt wurden, gingen diese scheinbaren Kredite, über Jahre gezahlte Investitionsgelder, als Forderungen an die DDR-Betriebe mit an die Westbanken über.

Ganz plötzlich hatten alle DDR-Staatsbetriebe riesige Schulden. Das war ja im DDR-System so nicht vorgesehen. Der Begriff 'Kredite' für diese Gelder war fehl am Platz. Sie mußten nicht zurückgezahlt werden. Statt dessen hatte man ja die gesamten Gewinne abgeführt.

Dadurch waren fast alle vorherigen DDR-Staatsbetriebe im selben Moment praktisch pleite. Man hatte ja keine Rücklagen, weil die Gewinne abgeführt worden waren. Plötzlich mußte man aber hohe Summen an Westbanken zurückzahlen und hohe Zinsen und Zinseszinsen begleichen, weil der Begriff 'Kredite' so genommen worden war, wie man ihn im Westen verstand. Von wegen marode Betriebe. Das einzig marode war die Moral jener Abwickler.

Man sehe sich nur einmal an, was für Geschäfte da getätigt wurden: Die Westdeutsche Landesbank Girozentrale bekam die 'Deutsche Außenhandelsbank' für schlappe 430 Millionen Mark. Ein Schnäppchen! Mit ihr kamen nämlich Kreditforderungen an Ost-Betriebe in Höhe von etwa 7 Milliarden Mark. Das ist mehr als 16 mal so viel.

Die Berliner Bank mußte für die 'Berliner Stadtbank' 49 Millionen Mark bezahlen. Doch der Kreditberg, der als „Bonus“ mitkam, betrug 11,5 Milliarden Mark, das ist etwa das 235-fache des Kaufpreises.

Die Genossenschaftsbank West hatte 120 Millionen für die 'Genossenschaftsbank' Ost zu berappen, doch gleichzeitig erhielt sie Verbindlichkeiten von 15,5 Milliarden Mark, also etwa 129 mal so viel. Das sind Geschäfte, bei denen selbst erfolgsgewohnten Bankern ein Leuchten in die Augen steigt.

Auf diese Art und Weise wurden insgesamt an die 200 Milliarden Euro (nicht Mark!) an die Banken vergeben.

Nun, mögen Sie sagen, da war ja auch ein großes Risiko drin, denn die Ostbetriebe konnten das alles ja nicht zahlen. Genau. Das wußte natürlich auch der damalige Staatssekretär im Finanzministerium der Regierung Kohl, der für die Währungsunion zuständig war. Also sagte man sich, da müssen wir als Bund mit einer Kreditgarantie bürgen, denn sonst gehen ja die armen Banken pleite, wenn sie ihre Kredite nicht "zurückgezahlt" bekommen.

Merken Sie, worauf es hinausläuft? Genau!

Die Ostfirmen sind fast alle Pleite gegangen. Ist ja logisch, wenn sie zuerst alle Gewinne immer abführen mußten, damit Honecker seinen aufwendigen Lebensstil leben konnte und dann als Kredite zurückzahlen mußten, was man ihnen für Investitionen gegeben hatte.

Uns wurde erzählt, die Firmen im Osten seien heruntergekommen gewesen bis zum geht nicht mehr. Jetzt wissen wir, was wirklich geschah.

Wer am Ende alle diese „Schulden“an die Banken zahlen mußte, waren wir, der deutsche Steuerzahler.

Das alles geht übrigens aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes hervor. Es gab schon damals auch Politiker, die vor einem solchen Vorgehen warnten, z.B. der CDU-Mann Rupert Scholz. Danach hat man nicht mehr viel von ihm gehört. Na eben. Auch das 'Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung' hat vergeblich gewarnt.

Während man uns weismachte, die Wiedervereinigung sei so teuer und wir müßten alle zum ‚Aufbau Ost’ beitragen, war es in Wirklichkeit der Profit-Aufbau von West-Banken, wohin wesentliche Teile der Gelder flossen.

Ach so, es wurde noch nicht gesagt, wer denn der Staatassekretär im Finanzministerium war, der hierfür und für die Währungsunion zuständig war. Sein Name war Horst Köhler. Kennen wir den Namen nicht irgendwoher? Richtig, das ist doch der Bundespräsident.

Nun ahnt man, warum dafür gesorgt wurde (die Banken?), daß er zunächst Präsident des Internationalen Währungsfonds und später Bundespräsident wurde. Man muß sich schließlich für 200 Milliarden Euro dankbar zeigen.

Wenn Ihnen demnächst wieder erklärt wird, verehrter Leser, es sei kein Geld da und es müsse gespart werden, dann fragen Sie doch einmal nach den 200 Milliarden Euro, die aus unseren Steuergeldern den Banken in den Rachen geschoben wurden.

Und wenn Ihnen erklärt wird, Unmengen von Geld liefen in den Osten, dann fragen Sie, wo die denn geblieben sind.

Und wenn Ihnen erklärt wird, alle DDR-Betriebe seien marode gewesen, dann wissen Sie es jetzt besser.

Freitag, 13. November 2009

Neues Beispiel für die Schlag- und Schießwut deutscher Polizisten

Tennessee Eisenberg mit 12 Kugeln hingerichtet

Von Karl Weiss

Nur Aufklärung wolle er, beteuert der Bruder. Der Bruder von Tennessee Eisenberg, der mit zwölf Polizeikugeln im Körper hingerichtet wurde. Es geschah am 30. April 2009 in Regensburg, Bayern. Die Polizei wurde zu einem Haus gerufen, wo ein Mann sagte, er werde von einem anderen bedroht.

Tennessee Eisenberg

Als die Polizei dort ankam, hatte sich der andere Mann, der mit Tennessee Eisenberg in einer Wohngemeinschaft lebte, in ein naheliegendes Sonnenstudio geflüchtet. Tennessee wurde im Treppenhaus mit einem Küchenmesser in der Hand angetroffen. Statt ihn sachgemäß zu entwaffnen und zur Klärung der Umstände mitzunehmen (Entwaffnung von „Mann mit Messer“ gehört zu jeder Polizisten-Grundausbildung), beginnen die Polizisten auf ihn zu schießen. Insgesamt 17 Schüsse wurden abgegeben, 12 trafen nach einem vorläufigen Obduktionsbericht den 24-jährigen, davon ein Teil von hinten(!).

Der Bruder, der auf Erklärungen der Polizei wartet, bekommt keinerlei Antworten auf seine Fragen. Die Polizei mauert. Der zuständige Staatsanwalt hat bereits entschieden, es habe sich um „Notwehr“ gehandelt. In einer, wie von allen unabhängigen Beobachter bemerkt wurde, extrem schnellen Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft jegliche Schuld von Polizisten geleugnet und alle beteiligen Polizisten wieder zum Dienst freigegeben.

Die Familie Eisenberg hat nun ein Anwaltsbüro in Regensburg beauftragt, zu klären, was wirklich vor sich ging und ob man von „Notwehr“ sprechen könne. Der Anwalt erklärt, es waren insgesamt sieben oder acht bewaffnete Beamte am Tatort und sie hatten es mit einem offenbar in einer Lebenskrise stehenden jungen Mann zu tun, der als „körperlich schwach“ beschrieben wird. Da kommt Notwehr nicht in Frage.

Die Polizei mauert bis hinauf zum obersten bayerischen Polizisten. Gutachten, u.a. ein ballistisches und eines auf Drogen im Blut sind bestellt, werden aber aus unerklärlichen Gründen nicht fertig.

17.Juni, Fragestunde im Landtag. Diese Fragestunde und ihre Vorgeschichte schildert die „Süddeutsche“ in einem Artikel vom 17.9. so:

"Die Opposition im Landtag erweckte den Eindruck, als handele es sich hier um ein lokales Ereignis, um einen kleinen Ausrutscher, der die große Politik nicht beschäftigen müsse. Erst drei Wochen nach dem Einsatz stellte die SPD einen Antrag, die Staatsregierung möge "sobald als möglich" über die Vorgänge in Regensburg berichten. Eine Woche später baten die Grünen um eine Stellungnahme der Regierung. Von der Regierungspartei FDP, die sich sonst so viel auf die Verteidigung der Bürgerrechte zugute hält, gab es nicht einmal eine Presseerklärung.

Am 17. Juni informierte der Innenminister dann den Innenausschuss des Landtags über die Ausschreitungen von Hooligans, und am Rande ging es dann auch noch ein wenig um Tennessee Eisenberg. Der Minister sagte - so gut wie nichts: "Die Art und Weise, in der der Polizeieinsatz eskalierte, ist auch für mich immer noch nicht begreifbar." Dieser Satz Herrmanns umreißt recht genau, was bis heute an Erkenntnisgewinn aus dem Ministerium drang.

Nicht begreifbar aber ist vor allem, dass für die Opposition damit alles gut war. Sie gab sich mit den Erklärungen zufrieden, dass man den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen könne.“

Diese Konzentration der Kritik auf die Opposition ist allerdings etwas verwunderlich, ist es doch die Regierung, die Amtsvorgesetze dieser Staatsanwaltschaft ist und die auf die unerklärlich schnelle Freisprecherei der Polizisten hätte reagieren müssen.

Es wird auf Zeit gespielt, bis das Interesse der Öffentlichkeit abgeflaut ist.

Inzwischen liegt schon der offizielle Obduktionsbericht vor. Die Polizisten hatten behauptet, sie hätten mit Schlagstoff-Einsatz und Pfefferspray versucht, Tennessee zu überwältigen, das sei aber nicht gelungen. Der Obduktionsbefund: Keine Spuren von Schlagstock-Einsatz oder Pfefferspray. Die Polizisten haben gelogen. Der Bruder fragt, warum sie nicht dazu stehen können, was sie getan haben.

Die Rechtsanwälte sind teuer. Die Familie hat ein Spendenkonto eingerichtet und eine Website unter www.tennessee-eisenberg.de/.

Der von den Polizeikugeln durchsiebte Mann kann bis heute nicht beerdigt werden, weil die Leiche noch nicht freigegeben ist. Die Familie kann zu keinem Grab gehen. Da alles offen ist, kann man nicht trauern. Die Nicht-Freigabe einer Leiche über 4 Monate ist einsamer Rekord.

Am 17.9.2009 gab es Neuigkeiten. Ein von der Familie des Opfers in Auftrag gegebenes Gutachten wurde veröffentlicht. Der Gutachter belastet einen der Schiess-Polizisten schwer: Die letzten vier Schüsse, von denen einer der tödliche war, wurden in einer Situation angegeben, als der Student bereits von vielen Kugeln getroffen war und keinerlei (auch nur theoretische) Gefahr mehr darstellen konnte. Auf die grundlegende Frage, dass ein geistig verwirrter, schwacher Mann mit einem Messer sowieso keine Gefahr für sieben oder acht bewaffnete Polizisten darstellt und daher von Notwehr keine Rede sein kann, geht auch dieses Gutachten nicht ein.

Die „Süddeutsche“, die immerhin drei Artikel über den Fall veröffentlichte, hat nichts weiter geschrieben. Einer der Artikel war überschrieben: „Tod nach Polizeiaktion“. Nein, nein, er ist nicht unter dem Kugelhagel von Polizisten zusammengebrochen, er ist nach einer nicht näher genannten Polizeiaktion gestorben. Nun, sterben müssen wir ja alle, nicht?

Nun lasst uns alle Tennessee Eisenberg vergessen. Im Grunde nicht wichtig, wenn unsere Polizei mordet, oder?


Veröffentlicht am 13. November 2009 in der Berliner Umschau


Zusatz zum Artikel

Gerade rechtzeitig zu diesem Artikel kam ein Offener Brief von Regensburger Bürgern an die Bayerische Justizministerin (Fachvorgesetzte aller Staatsanwälte in Bayern):

Offener Brief an Justizministerin Beate Merk

Sehr geehrte Frau Merk,

wir als Regensburger Bürger fordern, dass endlich ein Richter mit dem Fall Tennessee Eisenbergs betraut wird, um den Einsatz neutral, wahrheitsgetreu und nach rechtsstaatlichen Prinzipien aufzuklären.

Eine solche Aufklärung des Polizeieinsatzes durch ein unabhängiges Gericht liegt nicht nur im Interesse der Angehörigen. Sie liegt nicht nur im Interesse der beteiligten Polizisten. Sie liegt im Interesse einer aufgeklärten Öffentlichkeit, die weiter auf die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat und ihrer Organe vertrauen können will. Die bisherige Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft trägt eher dazu bei, dieses Vertrauen zu untergraben.

Unmittelbar nach dem Einsatz spricht der Leitende Oberstaatsanwalt Günther Ruckdäschel von Notwehr. Diese Bewertung gibt er ab, obwohl ihm noch keinerlei Details bekannt sind. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann schließt sich dieser Auffassung wenig später an.

Der von den Ermittlungsbehörden eingeschaltete Gutachter untersucht den Leichnam weder auf Schlagstockeinsatz noch auf Pfefferspray, er skizziert keine Schusskanäle und erstellt keine Gewebepräparationen. Blutspritzer an der Wand werden ausdrücklich nicht berücksichtigt. Die beteiligten Polizisten werden tagelang nicht vernommen. Es vergehen fast drei Monate, bis die Ermittlungsakten vorliegen. Die Rechtsanwälte der Familie erhalten erst nach mehrmaligem Nachhaken Einsicht.

Auf eigene Kosten gibt Tennessees Familie ein Privatgutachten in Auftrag, das belegt: Es gibt keine Spuren von Pfefferspray im Gesicht oder in den Augen von Tennessee, es gibt keine Spuren eines Schlagstockeinsatzes. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die vier Schüsse, die Tennesssee schließlich getötet haben, erst abgegeben wurden, nachdem sich kein Polizeibeamter mehr in Gefahr befunden hat. Der Schütze stand demnach an der Eingangstür, etwa eineinhalb Meter von Tennessee entfernt, der zu diesem Zeitpunkt bereits von acht Kugeln getroffen war. Die Position des Schützen hat der Gutachter anhand der Blutspritzer und der Zeugenaussagen der Polizisten rekonstruiert, die das LKA zuvor bewusst ignoriert hatte.

Das ist der momentane Stand der Dinge. Nach wie vor ist nicht absehbar, wann, geschweige denn, ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird, und damit ein Gerichtsverfahren einleitet. Dabei gibt es ausreichend Gründe, um anzunehmen, dass staatliche Gewalt unverhältnismäßig und überzogen angewendet wurde. Es gibt erhebliche Zweifel daran, dass die Aufklärung des Einsatzes ausgewogen und mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wurde. Von Transparenz kann ohnehin keine Rede sein. Im Gegenteil: Es drängt sich der Eindruck auf, dass die ermittelnden Behörden alles getan haben, um die viel zu frühe Bewertung „Notwehr“ durch ihre Untersuchungen zu untermauern. Erst ein privat finanziertes Gutachten brachte neue Fakten und Gesichtspunkte zutage, nicht die Staatsanwaltschaft Regensburg, nicht die Kripo Amberg und nicht das Landeskriminalamt. Das untergräbt das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.

Die weitere Bewertung der Fakten und Beweise kann nicht länger Polizei und Staatsanwaltschaft vorbehalten bleiben. Das ist – nach sechs Monaten Ermittlungsdauer – nun Aufgabe eines unabhängigen Richters. Daran müssen alle, denen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie am Herzen liegen, ein Interesse haben. Und das Wichtigste: Darauf haben alle, die auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie vertrauen sollen, ein Anrecht.

Dieses Recht fordern wir ein und wenden uns dabei ausdrücklich auch an Sie, Frau Beate Merk, als weisungsbefugte Justizministerin: Es ist Zeit, der Wahrheit auf den Grund zu gehen!
Geben Sie das Verfahren in neutrale Hände!

Mit freundlichen Grüßen,

Die Regensburger Bürger

Donnerstag, 12. November 2009

‚Fake’, um Bedrohung glaubhaft zu machen

An den Haaren herbeigezogen

Von Karl Weiss

4. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf jagt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 14. Juli 2006, der aktuell wie nie ist, denn weiterhin werden aufgedeckte Schein-Anschläge benutzt (Kofferbomber, Sauerland-Bomber), um Bedrohung glaubhaft zu machen.

„Anschlag verhindert, Anführer festgenommen“, „Das FBI verhinderte das Attentat, mit dem Wall Street überfluten sollte (sic!).“ So klingen die Schlagzeilen der bürgerlichen Presse am 8. Juli 2006, in diesem Fall die der „Süddeutschen“, die es so eilig mit der Meldung hatte, daß sie mit der deutschen Grammatik durcheinander kam.

Ein gewisser Assem Hammoud sei schon vor einiger Zeit im Libanon festgenommen worden und habe bekannt, der „Philosophie der Al Quaida zu folgen und einen Gefolgschaftseid auf Osama Bin Laden geschworen zu haben.“ Er habe zusammen mit einer Gruppe einen Anschlag auf den Holland-Tunnel in New York geplant, der Manhattan mit New Jersey verbindet. „Die Explosion hätte New Yorks Finanzdistrikt um die Wall Street mit einer Flutwelle unter Wasser setzen sollen.“

Soviel haarsträubenden Schwachsinn in einer so kurzen Meldung unterzubringen, das dürfte ein neuer Weltrekord sein.

Zunächst einmal gibt es keine Al Quaida, wie Tony Blair bereits vor einem Jahr verkündet hat. Will die bürgerliche Presse Tony Blair der Lüge bezichtigen? Wie kann man also die Philosophie einer Organisation folgen, die es gar nicht gibt?

Wenn der Mann im Libanon in Haft ist, so weiß heute jeder, daß dort gefoltert wird. Irgendwelche Geständnisse von irgend etwas, die jemand unter Folter abgibt, haben keinen Wahrheits- oder Beweiswert, wie immer bei Folter. Weiß das die bürgerliche Presse nicht? Natürlich weiß sie das!

Wie kann der FBI ein Attentat verhindern, wenn der Mann im Libanon gefaßt wurde. Hat der FBI eine Tochterorganisation im Libanon?

Der Holland-Tunnel geht unter dem Hudson-River durch, etwa 20 bis 50 Meter unterhalb des Straßenniveaus des New Yorker Finanzdistrikts. Wenn er gesprengt würde, würde der Tunnel überflutet, aber es gibt keine Möglichkeit, daß eine Flutwelle Wall Street überflutet. Wasser fließt nach unten. Weiß das die bürgerliche Presse nicht?

Warum wagt man es, solche an den Haaren herbeigezogenen Meldungen in Zeitungen zu schreiben und damit die Leser ins Gesicht zu schlagen, so als ob sie Dummköpfe wären?

Weil ein Drohszenario aufrechterhalten werden soll, das imperialistische Überfälle auf andere Länder und den Abbau der bürgerlichen Rechte rechtfertigen soll.

Also noch einmal, zum Mitschreiben: Al Quaida ist der Deckname des CIA für eine ihrer Gruppen gewesen, als Osama Bin Laden dort der Anführer war. Nach Angaben von US-Regierungsstellen hat sich die Gruppe später von ihren Auftraggebern getrennt und eigenständig Anschläge geplant. Das ist aber unglaubwürdig, denn man hätte die Gruppe von Osama Bin Laden schon längst auffliegen lassen können, wenn sie denn, wie behauptet, in Höhlen in den Bergen des Grenzgebietes zwischen Afghanistan und Pakistan haust.

Viel wahrscheinlicher ist, daß all das, was Al Quaida zugeschrieben wird, in Wirklichkeit auf dem Mist westlicher Geheimdienste gewachsen ist. Dabei mag man sich naiver und todesbereiter islamischer Hysteriker bedienen, aber die Hintergründe gehen in das Langley-Hauptquartier und andere westliche Stasi-Hauptquartiere.

Bei der ganzen PSY-OP („psychologischen Operation“, so nennt nach einer Veröffentlichung der „Washington Post“ der CIA selbst diese Desinformationskampagnen) geht es um das Täuschen der Öffentlichkeit über die wahren Gründe der imperialistischen Kriege und Überfälle im ölreichen Orient.

Auch will man die demokratischen Rechte in den westlichen Ländern abbauen und braucht dazu Drohszenarios, denn sonst müßte man ja zugeben, daß es gegen das Aufbegehren der Völker gegen das überlebte System geht.

Mittwoch, 11. November 2009

Roubini sagt Monsterblase voraus

Weit mehr als alle Inlands-Produkte zusammen

Von Karl Weiss

Er wird „Mr.Doom” genannt, denn er hat die Krise vorhergesagt (im Gegensatz zu fast allen anderen bürgerlichen Ökonomen, allerdings hat der Bürgerjournalist sie schon vor ihm vorhergesagt): Nouriel Roubini, Professor der Ökonomie an der Universität von New York. Nun sagt er, nach der damaligen Blase, die sich auf riskanten Hypotheken aufgebaut hatte, eine neue, noch weit größere Blase voraus: Die Carry-Trade-Blase. Sie werde, so Roubini, den „größten koordinierten Vermögenskollaps der Geschichte“ hervorrufen.

Roubini

Also eins nach dem anderen. Was sind Carry-Trades? Also, man leiht sich Dollars, die im Moment (für die Herren Spekulanten, für Sie nicht, Sie Nichtsnutz!) überreichlich und zu Null Prozent Zinsen zur Verfügung stehen, sagen wir 2 Milliarden Dollar (Roubini belegt sogar, dass es Dollar zu Negativ-Zinsen gibt, aber lassen wir das nun einmal außen vor). Dann investiert man dieses Geld in einer Wirtschaft (oder einen Wert), die reale Zinsen anbietet, sagen wir: Auf dem brasilianischen Aktienmarkt, der gerade boomt.

Nach drei Monaten hat man dort dann seine Aktien wieder verkauft und 20% Gewinn gemacht, also 400 Millionen Dollar. Zusätzlich hat der Dollar aber während dieser Zeit noch 5% gegen den Brasilianischen Real verloren, das ergibt noch einmal 100 Millionen Dollar. Für die Reais, die man da gewonnen hat, kauft man jetzt wieder Dollar und kann sich über ein Geschäft freuen, das in drei Monaten 500 Millionen Dollar gebracht hat, also glatte 25% in drei Monaten, das macht aufs Jahr 100 Prozent Gewinn.

Toll, was?

Und das machen nun alle. Das kann man mit Rohstoffen machen oder mit allen Werten, die steigen.

Man kann auch einfach nur gegen den Dollar wetten. Man verkauft Dollars zum heutigen Kurs zu einem zukünftigen Datum. Man hat diese Dollars aber gar nicht, man wird sie an jenem zukünftigen Datum kaufen. Ist der Dollar weiter gefallen, hat man gewonnen.

Nun, so sagt Roubini, wird aber der Moment kommen, in dem der Dollar aufhört zu fallen – aus welchem konkreten Grund auch immer – Roubini sagt, er kann ja nicht bis auf Null fallen. Dann könnten zum Beispiel der brasilianische Real beginnen zu fallen und mit ihm die brasilianische Börse und gleichzeitig auch die Rohstoff-Preise.

Dann müssten alle diese Millionen von Spekulanten (die sitzen üblicherweise in Bank-Hochhäusern, aber es gibt auch andere) innerhalb weniger Tage alle diese Positionen auflösen und Dollars kaufen. Das würde zu einem katastrophalen Anstieg des Dollars führen und dazu, dass alle diese Millionen von Spekulanten immense Mengen an Geld verlieren. Typischerweise ist das ja Geld, das ihnen gar nicht gehört, sondern das ihnen gutgläubige Einleger zur Verfügung gestellt haben.

Wenn das eintritt, also die Blase platzt, so meint Roubini, könnte das zu noch weit spektakuläreren Crashs von Banken und von ganzen Ökonomien führen als vor einem Jahr (beim Crash vor einem Jahr ging ja nur die isländische Ökonomie auf Grund).

Vor allem hätten dann die Staaten aber auch nicht mehr das Geld, um wieder haufenweise Banken und Versicherungen zu retten – oder wenn sie es dennoch geben, würden die Staaten als solche bzw. ihre Währung als solche zusammenbrechen. (Dieser letzte Absatz steht nicht in Roubinis Artikel, aber die Folgerung ist logisch).

Hier steht Roubinis Artikel.

Nach Roubinis Angaben werden in diesem Moment Hunderte von Millionen von solchen Carry-Trades veranstaltet und keiner von ihnen geht über weniger als Millionen Dollar.

Millionen mal Millionen mal Hundert = ...... na, rechnen Sie selbst nach.

Das wäre jedenfalls weit mehr als alle Brutto-Inlandsprodukte der Welt zusammen (zum Vergleich: Das Welt-„Gross-Domestic-Product“ (nach PPP-Methode) von 2006 war etwa 6 500 Milliarden US-Dollar; siehe auch diesen Artikel ).


Veröffentlicht am 11. November 2009 in der Berliner Umschau


Zusatz zum Artikel
Die Aussage am Schluss de Artikels ist etwas grob (weil es hier auf ein paar hundert Milliarden nicht ankommt). Der exakte Begriff für die hier genannte Zahl 6 500 Milliarden Dollars ist "Brutto-Inlandseinkommen", auch wenn oben im Artikel der Begriff "Inlands-Produkt" verwendet wird, was nahelegen könnte, es sei vom "Brutto-Inlandsprodukt"(BIP) die Rede. Die beiden Werte sind aber verbunden und liegen beide in der gleichen Grössenordnung.

Ausserdem ist die Währung bei der Zählung des "Gross Domestic Product" nach der PPP-Methode nicht US-Dollar, sondern "Internationaler Dollar", eine künstliche Währung, welche die Kaufkraft der einzelnen Währungen besser repräsenteren soll. Aber auch hier sind die Werte in der gleichen Grössenordnung. Wer mehr wissen will, kann sich hier informieren: "Brutto-Sozialprodukt: China und Indien schon auf Platz 2 und Platz 4"

Dienstag, 10. November 2009

Und Spanien? Niemand spricht von Spanien!

41,7% Jugend-Arbeitslosigkeit

Von Karl Weiss

Hatten wir vorletzte Woche noch geschrieben: „Die Briten schlagen alle Minus-Rekorde“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/6011424/ ), meldet sich jetzt ein anderer Kandidat für Krisen-Minus-Rekorde zu Wort: Spanien. „Und wir, haben wir etwa nichts zu bieten?“ Tatsächlich gibt es so viele Kandidaten für die mieseste Krisen-Situation, dass man mit den Berichten kaum noch nachkommt. Spanien ist zweifellos ein erstklassiger Kandidat.

Spanien hat nun 3,8 Millionen Arbeitslose – und das sind nur die offiziell registrierten. Das sind über 35% mehr als vor einem Jahr. Spaniens Besonderheit (zusammen mit den USA und Großbritannien) ist die Verbindung der Wirtschaftskrise mit einer Immobilienkrise. In allen drei Ländern hatte sich eine Immobilienblase aufgebaut, also ein gewaltiger Preisanstieg der Haus- und Wohnungspreise, der Wohnungsbesitzern die Möglichkeit gab, hohe Hypotheken aufzunehmen. Als dann im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise die Wohnungspreise begannen steil zu fallen, hatten Viele nach kurzer Zeit mehr Schulden als das ganze Haus noch Wert war.

Die schlimmste Folge der Immobilienkrise aber war das fast völlige Erliegen der Bautätigkeit. Über 700.000 der Arbeitslosen waren vorher Bauarbeiter. Die Zahl verkaufter Häuser bzw. Wohnungen fiel auf unter 35.000 pro Monat, während sie noch vor zwei Jahren bei über 80.000 im Monat lag.

Die spanische Arbeitslosigkeit beträgt jetzt 19,3% (Angabe von 'eurostat' für September). Damit übertrifft man nun sogar die desaströsen Zahlen der USA. Allerdings können beide Länder wegen der stark unterschiedlichen Bevölkerungszahl nicht so einfach verglichen werden.

Im spanischen Fall war die Situation – ähnlich wie in Deutschland – stark durch die Freigabe befristeter Arbeitsverhältnisse gekennzeichnet. Vor allem Jugendliche und junge Leute bekamen fast nie feste Anstellungen. So ließen die spanischen Unternehmen die Arbeitsverhältnisse auslaufen und hatten nicht einmal die Arbeit, kündigen zu müssen.

Das Ergebnis sind die hohen Arbeitslosenzahlen und speziell die höchste Jugendarbeitslosigkeit aller vergleichbaren Länder: 41,7% der Jugendlichen in Spanien (Angaben für September) sind arbeitslos! EU-Vergleichszahl: 20,1% Jugendarbeitslosigkeit.

Auch in Spanien sinkt das Brutto-Inlandsprodukt bereits das fünfte Quartal in Folge und das laufende Quartal wird nicht besser aussehen, wenn auch der Absturz nicht mehr so brutal ist.

Dabei versuchte die spanische Regierung noch, die Konjunktur anzukurbeln und verschuldete sich weiter. Nun aber wird (wie auch in den Fällen USA und Großbritannien) die Verschuldung selbst zum Hauptrisiko. Die gesamte Verschuldung Spaniens (Regierung, Unternehmen und Haushalte) beträgt 2 700 Milliarden Euro. Heute muss Spanien bereits höhere Zinsen anbieten, um noch Staatsanleihen loszuwerden. Zusammen mit Griechenland und Irland gefährdet Spanien damit die Stabilität des Euro. Deutschland und Frankreich könnten es noch bitter bereuen, in den Euro eingestiegen zu sein.


Veröffentlicht am 10. November 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 9. November 2009

Die zweite Phase der Krise hat begonnen

Wir brauchen den Sozialismus

Von Karl Weiss

Alles Gesundbeten hat nichts geholfen. Die Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise ist nicht nur nicht beendet, sie geht gerade in die zweite Phase großer neuer Probleme. Wie auch die erste Phase wurde diese eingeläutet mit der Pleite einer Grossbank. War es am 15.9.08 die Pleite der Lehmann Brothers, so ist es am vergangenen Wochenende die Pleite der CIT Group gewesen, die nach der erstgenannten die größte Bankpleite der Welt ist

Der Rettungs-Plan

Gleichzeitig wurde ein neuer großer Milliardenbedarf von Fannie Mae in den USA, dem größten Immobilienfinanzierer der Welt, gemeldet. Damit werden die finanziellen Möglichkeiten der US-Regierung, die bereits an die äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung gegangen ist, noch enger.

Auch die von der deutschen Regierung aus unerfindlichen Gründen gerettete Hypo Real Estate hat erneut weiteren Milliarden-Bedarf angemeldet, den die Bundesregierung offenbar erneut bedienen wird. Die Insolvenz dieser Bank hätte keinen größeren Einfluss auf die Finanzmärkte gehabt als die der Lehmann Brothers.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Nach Angaben der FED, der (privaten) US-Zentralbank, stehen die Subprime-Kredite, also Hypothekenkredite mit äußerst fraglicher Rückzahlungswahrscheinlichkeit, heute wieder bei etwa 20% der ausstehenden Kredite. Das ist exakt der Stand vom Anfang der Krise, der ausschlaggebende Faktor für das Eintreten in die Finanzkrise (die Wirtschaftskrise war in den USA bereits im Dezember 2007 ausgebrochen).Man kann also erneut mit dem Platzen einer Blase rechnen.

Dass die Politik in Wirklichkeit weiß, dass die Krise nicht zu Ende ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass weder die US-Notenbank, noch die Bank von England noch die europäische Zentralbank die Leitzinsen erhöht haben. Angesichts der riesigen Verschuldungen müsste dies nämlich geschehen, wenn sich erste Anzeichen einer Erholung bemerkbar machten.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Inzwischen wurde offiziell zugegeben, dass die tatsächliche Arbeitslosigkeit in den USA jetzt bei 17,5% liegt. Damit haben die USA die höchste Arbeitslosigkeit aller Industrieländer, eine Arbeitslosigkeit, wie sie sonst nur in Entwicklungsländern angetroffen wird.

Da klingt es fast lächerlich, wenn für die USA im dritten Quartal ein Wirtschaftswachstum von 3,5% gemeldet wird und behauptet wird, die Krise sei zu Ende. Dieses scheinbare Wachstum wurde nur durch Gelddrucken „gefertigt“ und repräsentiert keinerlei realen Zuwachs an Werten. Die Industrieproduktion liegt weiterhin am Boden, wenn auch durch das Programm „Cash for Klunkers“ ein geringfügiges Wachstum im Bereich unter 1% erreicht wurde. Sobald das Programm ausläuft, steht man wieder vor dem Nichts. Wenn keine Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn es keine Lohnzahlungen gibt, kommt man auch nicht aus der Krise.

Deutschland - Brutto-Inlands-Produkt gegen Vorjahr - quartalsweise

Was tatsächlich passiert, ist: Die Kapitalvernichtung, welche die Krise mit sich bringt, soll der ganzen Gesellschaft auferlegt werden, ebenso die Spekulationsverluste. Dagegen muss gekämpft werden.

Wer glaubt, er wird durch die Krise kommen, wenn er sich nur gut weg duckt, bald werde es wieder besser, wird bald merken, wie schief er liegt. Das Monopolkapital an der Macht wird jeden Einzelnen zur Kasse bitten. Nur Kampf kann das Schlimmste verhindern.

Karl Marx

Dieser bereits stinkende Kapitalismus hat nur mehr Krieg, Not, Elend, Arbeitslosigkeit, Massaker, Verblödung und Erniedrigung zu bieten. Wir brauchen den Sozialismus - und so schnell wie möglich!


Veröffentlicht am 9. November 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 7. November 2009

Der Tod an der Elbe

Großer Atomunfall in Krümmel/Geesthach wurde geheimgehalten

Von Karl Weiss

3. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf jagt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 1. April 2006, der aktuell wie nie ist, zumal die neue Regierung die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke beschlossen hat.

Atomkraftwerke Deutschland


Unter dem Titel „Der Tod an der Elbe" hat das ZDF eine Dokumentation fertiggestellt, die eine sensationelle Enthüllung enthält: An verschiedenen Stellen um das Kernkraftwerk Krümmel an der Elbe und in der Umgebung des Kernforschungszentrums GKSS in Geesthach, in unmittelbarer Nähe Hamburgs, ist der Boden schwer durch radioaktive Substanzen verseucht. Bodenproben ergaben u.a. Gehalte an Plutonium und Thorium. Der Report wird im ZDF am Sonntag, 2.April 2006 um 23.30 ausgestrahlt. Arbeitende, die morgens früh raus müssen, werden ihn also nicht sehen können.

Damit sind die jahrelangen offiziellen Dementis von Regierungen und Behörden über einen entsprechenden Atomunfall widerlegt. Wir wurden alle bewußt belogen, um die Superprofite der Betreiber mit Kernkraftwerken nicht zu gefährden.

"Im Herbst 1986, da gibt es Augenzeugenberichte, hat es auf dem Hochufer, wo die Kernforschungsanlage GKSS steht, einen großen Brand gegeben", erklärt Kernphysiker Dr. Sebastian Pfugbeil von der "Gesellschaft für Strahlenschutz" in Berlin dem ZDF. Die ZDF-Reporterinnen Barbara Dickmann und Angelica Fell haben vierzehn Monate lang die Hintergründe der weltweit einzigartigen Häufung an Kinderleukämie in der Elbmarsch recherchiert.

Atomkraftwerk

Insgesamt gab es in der Umgebung der beiden Atomzentren 16 Fälle von Kindern mit der Blutkrebserkrankung, während statistisch dort höchstens ein Fall alle 60 Jahre hätte auftreten dürfen.

Es gab bereits offizielle Untersuchungen hierüber, die aber alle zu keinem Ergebnis kamen. Man hatte aber „vergessen", dort Bodenproben zu nehmen, um eine eventuelle Verursachung durch radioaktive Strahlen zu untersuchen.

Die Autorinnen: "Unser Bericht deckt zahlreiche Merkwürdigkeiten auf und widerlegt offizielle Untersuchungsergebnisse. Auch an der Tatsache, daß nirgendwo sonst so viele Kinder an Leukämie erkranken und sterben, ist nicht zu rütteln".

Im Jahr 1992 wurde bereits eine Kommission von international anerkannten Wissenschaftlern eingesetzt, um herauszufinden, was am 12. September 1986 geschah. Doch nach jahrelangen Versuchen der Aufklärung traten sechs der acht Mitglieder der Fachkommission „Leukämie" zurück, weil, wie sie sagten, ihre Tätigkeit von offiziellen Stellen systematisch behindert wurde. Daraufhin schloß das Land Schleswig-Holstein die Akten.

D.h., wir werden und wurden nicht nur systematisch belogen von der Politiker-Brut und ihren Gehilfen in manchen Amtsstuben, sie sorgen auch durch ihren Einfluß dafür, daß ihre Sauereien nicht herauskommen.

Warum war man damals so wild darauf, diesen Störfall zu vertuschen? Es war 1986, Tschernobyl war gerade passiert. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen war bereits für einen Atomausstieg. Noch dieser Störfall – und die Kernenegie in Deutschland wäre erledigt gewesen. Milliardengewinne, die Betreiber seitdem aus den Atommüllschleudern holten, wären gefährdet gewesen. Da geht man schon mal über 16 Kinderleichen.

Freitag, 6. November 2009

Lateinamerika: Neuer Militärputsch vereitelt?

Paraguay: Präsident entlässt die drei Chefs der Waffengattungen

Von Karl Weiss

Am 5. November 2009 hat der vor einem Jahr gewählte Präsident von Paraguay, Lugo, die Kommandeure aller drei Waffengattungen seines Landes entlassen. Es muss davon ausgegangen werden, dass Lugo ein Komplott zu einem Staatsstreich aufgedeckt hat, in das die drei Generäle (Admiräle) verwickelt waren oder das sie bewusst geduldet haben.

Lugo ist einer der letzhin gewählten linken Präsidenten in Lateinamerika und wird in der Regel mit Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien), Correa (Ekuador), Zelaya (Honduras, gegen den bereits ein Staatsstreich durchgeführt wurde) und Ortega (Nicaragua) in Zusammenhang gebracht.

Evo Morales

Die ersten Hinweise auf einen möglicherweise drohenden Putsch in Paraguay tauchten vor zwei Tagen auf, als der Vize-Präsident der venezuelanischen Gruppe im Lateinamerikanischen Parlament (kein richtiges Parlament, eher eine Vereinigung für Meinungsaustausch), Wimmer, davon sprach, rechtsextreme Kräfte und US-Agenten könnten in dem Staat im Zentrum Südamerikas einen Putsch planen.

Der Präsident Lugo selbst hatte noch einen Tag vor den Entlassungen jegliche Möglichkeit eines Putsches verneint. Auch die Sprecherin der US-Botschaft, Ayalde, dementierte Putsch-Pläne. Allerdings machte sie in ihrem Dementi im Überschwang einen Fehler, der auffiel. Sie sagte, sie kenne keine Pläne für einen Putsch und verneine auch Putschpläne. Wie kann sie sie verneinen, was sie nicht kennt?

Chávez

In Paraguay sind praktisch alle Medien in den Händen der lokalen Oligarchie, wie auch in allen anderen lateinamerikanischen Ländern. Diese Oligarchie herrschte in allen diesen Ländern unangefochten und war repräsentiert durch eine Partei oder zwei Parteien, die eine Alleinherrschaft ausübten oder sich in der Herrschaft ablösten. Die Bevölkerung wurde mit allen Mitteln arm und unwissend gehalten und die Oligarchie kungelte mit dem US-Imperialismus und öffnete ihm das Land zur Ausbeutung. Im Gegenzug gab die jeweilige US-Regierung der lokalen Oligarchie die Möglichkeit, unvorstellbare Reichtümer anzuhäufen.

All dies funktioniert jetzt nicht mehr so, wie es Oligarchien und US-Regierung gerne hätten. In Lateinamerika gibt es eine revolutionäre Unrast und in insgesamt 15 Ländern (nur gezählt Länder mit einiger Bedeutung) sind heute linke oder gemäßigt linke Regierungen an der Macht. Die Parteien der Oligarchie wurden in all diesen Ländern abgewählt.

Doch die Medien sind weiterhin fest in der Hand der Oligarchien, so auch in Paraguay. Eine Zeitung dort versuchte eines der typischen Manöver, wie sie vor Putschversuchen schon öfters beobachtet wurden. Um die Spuren möglichst zu verwischen, behauptete die Zeitung, der venezuelanische Präsident Chávez habe zu einem Putsch gegen Lugo aufgerufen. Diese Meldung wurde ausführlich im Parlament diskutiert, so als ob das irgendeine reale Basis haben könnte. Im Parlament hat Lugo keine Mehrheit.

Nun, Lugo kannte wohl seine Pappenheimer und hat anscheinend gehandelt, bevor es für ihn gefährlich werden konnte.

Bolivien: Bewaffnete Mitglieder von Rechts-Milizen
Bolivien: Bewaffnete Mitglider von Rechts-Milizen beim Putschversuch im letzten Jahr

Nun stellen sich aber wichtige Fragen: Während der Regierung Bush haben sich die USA anscheinend nicht um Lateinamerika gekümmert und die Entwicklung verschlafen. Nun aber, seit Obama ans Ruder kam, bereits ein Putsch (Honduras) und ein Putschversuch (Paraguay). Will der neue Präsident die alte Praxis wieder aufnehmen, für Putsche bzw. Putschversuche sorgen, wenn ihm in einem Land Lateinamerikas irgendetwas nicht passt?

Obama wird natürlich wieder dementieren, aber diesmal werden die diesbezüglichen Fragen nicht so schnell verstummen.

Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen
Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen

Niemand wagt in Lateinamerika einen Rechts-Putsch, wenn er sich nicht vorher mit den USA abgestimmt hat!

Wie es in Lateinamerika nach einem von den USA inspirierten Rechts-Putsch aussieht, berichtet dieser Artikel über Folter:

„Warum wird gefoltert?“. Hier ein Auszug:

„In Chile wurden meist ganze Familien von bekannten Oppositionellen aus den Häusern geholt und in die Folterhöhlen gebracht. Dort wurde dann nicht nur jeweils vor den Augen der anderen Familienmitglieder gefoltert, sondern auch systematisch Sex zwischen den Familienmitgliedern erzwungen, um sie zu demütigen. Der Vater musste es mit seiner Tochter treiben, wenn nicht, wurde die Tochter vor seinen Augen mit Stromstössen in der Vagina gefoltert, die Mutter mit dem Sohn, Geschwister miteinander usw.

Auch die homosexuelle Variante wurde oft erzwungen. Der Vater musste den Sohn von hinten nehmen oder vice versa, die Mutter mit der Tochter den berühmten Oralsex 69 machen.

Die Frau und Tochter eines der bekanntesten Linken in Chile wurden vor seinen Augen zu dieser Form von Sex gezwungen. Dabei war auch er angebunden beim Zusehen. Seine Tochter musste vorher mit dem Mund seinen Penis stimulieren und man machte Fotos von ihm mit Erektion angesichts des Oralsexes von Frau und Tochter. Ebenso hatte man Fotos gemacht, als seine Tochter ihm 'einen blasen' musste. Diese Fotos wurden später vielen Menschen zugänglich gemacht, um ihn allgemein zu desavouieren.

Einem anderen bekannten Politiker, der mit Allende verbunden war, wurde Ähnliches angetan. Man machte einen 16mm-Film von fast 10 Minuten, wie er und sein minderjährigen Sohn sich gegenseitig den Penis mit Lutschen zur Erektion brachten und wie er dann seinen Sohn von hinten nahm, während der sich bis zum Orgasmus masturbierte. Dieser Film wurde ebenfalls während der Herrschaft Pinochets und auch noch danach herumgezeigt, um den Politiker zum Objekt allgemeinen Abscheus zu machen.

Eine besondere Erniedrigung wurde durch das Zwingen zu Sex mit Hunden erreicht. Man hatte man speziell dafür dressierte Schäferhunde, die angebundene und gefesselte nackte Frauen penetrierten. Auf einer Foto-Reihe wird gezeigt, wie drei Frauen mit dem Bauch nach unten liegend jeweils auf einem Stuhl angebunden waren und von zwei Schäferhunden wieder und wieder 'bestiegen' wurden.“

Siehe zur politischen Situation in Lateinamerika auch diesen Artikel: "Fünf neue Stützpunkte für die USA in Kolumbien"


Veröffentlicht am 6. November 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 5. November 2009

GM hat nicht alle Karten in der Hand

Was sollen die Opel-Werker tun?

Von Karl Weiss

GM wird Opel nicht verkaufen. Nach fast einem Jahr von Vorspiegelungen falscher Tatsachen hat GM nun endgültig zugegeben: Man hat überhaupt nicht vor, Opel zu verkaufen (und hatte es wahrscheinlich nie). Man hat ausgelotet, wie viel herausspringen kann an Staatshilfen und an Abstrichen der Arbeiter und will dies Geld nun selbst einstreichen. Danach kann man Opel immer noch zumachen. Die Alternative für Opel ist laut GM-Chef Henderson die Insolvenz. Doch der deutsche Treuhänder Pfeil sagt, wenn es das wollte, hätte GM das längst haben können.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Und damit kommen wir bereits auf den Punkt: GM hat keineswegs alle Karten in der Hand in diesem Spiel. Die Insolvenz von Opel wäre auch für GM ein Desaster. Damit haben die Opel-Werker Trümpfe in der Hand. Die lauten: Streik, Werksbesetzung, so wie 2004 in Bochum. Das ist die Sprache, die man auch in Detroit versteht.

Ein Streik in den vier deutschen Opel-Werken (Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und Bochum) würde die GM TÄGLICH zwischen 10 und 90 Millionen Euro kosten (je nach den genauen Bedingungen), das ist für einen sowieso schon angeschlagenen Konzern nicht mehr als eine Woche durchzuhalten. Erinnern wir uns: Als die Bochumer Opel-Werker, von der Schließung des Werkes bedroht, im Herbst 2004 zu streiken begannen, knickte GM bereits nach einer Woche ein und der Streik konnte nach 10 Tagen beendet werden.

Würden die Antwerpener Kollegen sich anschließen – was wahrscheinlich ist – würde die Kampfkraft noch stärker. GM ist darauf angewiesen, dass die Opel-Werke Autos bauen und Geld hereinkommt. Es besteht kein Grund zu glauben, GM würde Opel wirklich pleite gehen lassen. Wie gesagt, das hätten sie längst haben können.

Opel Merkel

Wie ist die Situation von GM? Von allen in den USA entwickelten Autos lassen sich außerhalb der USA praktisch keine verkaufen – mit einigen Ausnahmen in Entwicklungsländern, in China und Australien. Das technische Niveau ist viel zu schwach. Das ist auch der Grund, warum GM von der Krise besonders hart getroffen wurde.

Dagegen hat man bei Opel ein anspruchsvolles technisches Niveau. Im Prinzip kann man mit VW mithalten. Hier in Brasilien zum Beispiel kann GM mit Ausnahme eines 'Truck' und eines „SUV“, von dem nur einige hundert im Jahr abgesetzt werden, ausschließlich von Opel entwickelte Fahrzeuge verkaufen und nimmt immer noch den dritten Platz der Verkäufe nach Fiat und VW ein. Im Süden des Landes wird der Kleinwagen „Celta“ mit Opel-Technologie gebaut, daneben im Südwesten der Corsa in mehreren Versionen, dann der Astra und auch der Vectra, alles Original-Baupläne aus Deutschland.

Ähnlich geht es GM, wenn man Märkte in China, in Russland, in Indien usw. erobern will: GM ist mehr auf Opel angewiesen als Opel auf GM.

In den USA selbst hat man es mit geschickten Verkaufs- und Rabatt-Taktiken verstanden, die US-Amerikaner doch noch eine ganze Zeit dazu zu bringen, GM-Autos zu kaufen. Vor allem das intensive Appellieren ans Nationalgefühl hat am Ende doch immer wieder viele US-Bürger dazu gebracht, GM-Autos zu kaufen. Doch dieser Bonus ist nun dahin.

Die leichten Verkaufszuwächse nach dem tiefen Tal der Tränen mit praktisch halbierten Absatzahlen im Verlauf der aktuellen Krise sind ausschließlich auf das mit riesigen Geldsummen ausgestattetet Programm „Cash for Clunkers“ der US-Regierung zurückzuführen. Sobald das ausläuft, beginnt wieder Heulen und Zähneknirschen bei GM. Man hat sich in Detroit bisher von keinem der „bewährten Rezepte“ für die Insolvenz der Firma verabschiedet.

Barack Obama

Die Beteiligung des Staates „Vereinigte Staaten von Amerika“ nützt GM gar nichts, außer für die Geldausstattung. Aber auch die ist nicht endlos. Hohe Verluste wegen Streiks in Europa werden automatisch dazu führen, dass Anweisung gegeben wird: „Erledigen Sie das!“. Gemeint ist: „Bringen Sie die Leute mit Zugeständnissen dazu, aufzuhören.“

Also: Die Opel-Belegschaft (und das gilt natürlich auch für Vauxhall in England) sitzt am längeren Hebel, wenn man wirklich streikt (keine 1-Stunden-Streiks, die hinterher reingearbeitet werden, keine „Warnstreiks“, stattdessen Vollstreik und Werksbesetzung, so wie damals in Bochum!). Magna hätte noch die Möglichkeit gehabt, den Kauf rückgängig zu machen. Die hat GM nicht. Man ist Besitzer und muss für alles aufkommen. Die Drohung mit dem Opel-Konkurs braucht nicht ernst genommen zu werden, denn den will man nicht und er würde die schlechteste aller Möglichkeiten für GM bedeuten.

Es ist sehr wohl möglich, dass Opel noch geschlossen wird, eventuell auch GM überhaupt, denn die USA können nicht Geld bis zum ‚geht nicht mehr’ einschießen, aber das ist ein anderes Kapitel. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit des Überlebens von Opel mit einem wesentlichen Teil seiner Arbeitsplätze gibt, dann kann dies nur durch konsequenten Streik erreicht werden.


Veröffentlicht am 5. November 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 4. November 2009

Brasilien ist der Renner der Saison

Wird Brasilien das Land des Jahres 2010?

Von Karl Weiss

So unglaublich es klingen mag: das Entwicklungsland Brasilien hat es fertig gebracht, sich vom Trend der (fast kompletten) Welt abzukoppeln und aus der Krise heraus zu kommen. Während die USA in einer Arbeitslosigkeit nie gekannten Ausmaßes versinken, während China nun selbst „Bubbles“ erzeugt, während Großbritannien zu einem der Haupt-Risikofaktoren in Europa geworden ist, während Japan in einer Deflation bei gleichzeitigem BIP (Brutto-Inlandsprodukt)-Rückgang versinkt, während Deutschland die ganze Krise noch vor sich hat, hat sich Brasilien durch den Hinterausgang aus der Krise geschlichen.

Brasilien (topographisch)

Wie hat man das geschafft? Nun, Brasilien hat schlicht und einfach das genaue Gegenteil getan, was die bürgerlichen Ökonomen raten. Statt die öffentlichen Ausgaben zusammenzustreichen, hat man sie erhöht. Statt die Sozialausgaben zu kappen, hat man sie gewaltig erhöht. Statt zu privatisieren, hat man das wichtigste Staatsunternehmen, die Petrobras, in staatlicher Mehrheit behalten.

Logo Petrobras

Zum Beginn der Krise waren die brasilianischen Exporte auf etwa 15% des BIP gewachsen, was schon gewisse Bedenken hervorrief. Der Außenhandelsüberschuss war schon nicht mehr so riesig wie ein oder zwei Jahre zuvor, aber dies war auf einen Anstieg der Importe wegen der gut laufenden Konjunktur zurückzuführen, nicht auf eine Verminderung der Exporte. Und dies war erreicht worden mit einem brasilianischen Real, der extrem hoch bewertet war. Zum Beginn der Krise im September 2008 lag der Real bei 1 Dollar 50 – das war im Vergleich zur damaligen Kaufkraft eine Überbewertung von 30 bis 40%. Und – so unglaublich das klingen mag, das war mit den extrem hohen Zinsen geschafft worden, wie sie den Entwicklungsländern auferlegt werden. Zum damaligen Zeitpunkt lag der brasilianische Leitzins bei 12%! Versuchen Sie einmal in Deutschland mit einem Leitzins von 12% zu arbeiten. Sie würden sofort einen extremen Wirtschaftsabschwung auslösen.

All das sind Zahlen, bei denen ein bürgerlicher Ökonom sagt: „Das gibt’s nicht“, aber es war so. Das Wachstum des BIP in Brasilien war zu diesem Zeitpunkt bei 5%, das wurde nur von China und Indien übertroffen. Aber: dieses Wachstum war nur zu einem geringem Teil vom Export abhängig, der größte Teil war Wachstum des Binnenkonsums - also völlig verschieden von der im wesentlichen vom Export getragenen chinesischen Wirtschaft. Wie hatte man das geschafft?

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Präsident Lula, der in seiner ersten Amtszeit noch Neo-Liberales verbrochen hatte, dass man schon meinen konnte, es würde einen Schröder-Verschnitt geben, warf in seiner zweiten Amtszeit das Ruder herum und setzte auf Bekämpfung des Hungers und der Armut. Es wurden die zwei Programme „Fome Zero“ („Hunger Null“) und „Bolsa Familia“ („Familien Stipendium“) aufgelegt, die den Ärmsten der Armen monatlich eine kleine Geldsumme zukommen ließen, die zwar keinerlei Sprünge zuließ, aber zumindest reichte, um nicht zu hungern.

Dazu wurde der Mindestlohn Jahr für Jahr deutlich über der Inflationsrate angehoben. Zudem wurde die Erhöhung jedes Jahr einen Monat früher vorgenommen – er wurde also im 11-Monatsrhythmus angehoben. Heute steht der Mindestlohn bei 450 Reais im Monat bei einer 44-Stunden-Woche, das sind also etwa 250 Dollar. Das ist für ein Entwicklungsland viel. Zwar ist der Mindestlohn in Brasilien nicht zwingend – es gibt keine Strafe für jemanden, der ihn nicht einhält, aber er ist die wichtigste Bezugszahl für Renten und eben auch für Löhne. Viele der anderen Lohnerhöhungen orientierten sich an den Zuwachsraten des Mindestlohns.

Amazonas

Auch im öffentlichen Dienst wurden deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen gewährt, sodass das gesamte Lohnniveau bis hinauf in die Gehälter einen Sprung machte.

Die Effekte dieser Maßnahmen, die relativ billig waren, ist beeindruckend (alles das zusammen kostete deutlich weniger in den vier Jahren der zweiten Amtszeit des Präsidenten als in Deutschland die Rettung der Hypo Real Estate und der Landesbanken). Der Hunger wurde in Brasilien (mit bestimmten Ausnahmen) beseitigt. Das führte dann auch zu einer Verringerung der Kindersterblichkeit in den besonders armen Gebieten und einem Zurückdrängen von Krankheiten. Die Armen in Brasilien (also nicht die, welche in totaler Misere gelebt haben) haben in großen Teilen nun ein Lebensniveau erreicht, das ihnen zum ersten Mal ein Minimum von menschenwürdigem Leben ermöglicht. Wer wenig verdient hat, kann jetzt in vielen Fällen daran denken, die eine oder andere Anschaffung zu machen. Die Zahl der Brasilianer, die sich ein Auto leisten können, ist steil gestiegen, was wiederum einen wesentlichen Teil des Wachstums ausgemacht hat.

Favela in Belo Horizonte

Die Nicht-Regierungs-Organisation „Action Aid“ hat diese Anstrengungen der brasilianischen Regierung gewürdigt. Sie erklärte, Brasilien habe eine Vorbildfunktion für alle Entwicklungsländer mit dieser Politik. Das Land zeige, „was erreicht werden kann, wenn die staatlichen Mittel und die Bereitschaft zur Bekämpfung von Hunger vorhanden sind.“

Nach Ansicht der Direktorin der ‚Action Aid, Anne Jellema, ‚“ist die Rolle des Staates und nicht das Ausmaß des Reichtums für die Fortschritte in Bezug auf Hunger verantwortlich.”

Nach Angaben der Organisation werden in Brasilien etwa 44 Millionen Menschen von den sozialen Programmen erreicht und hungern nicht mehr. Die Programme hätten zu einer Reduzierung von 73% der Unterernährung von Kindern im Lande geführt. Allerdings mahnt die Organisation an, dass viele Landlose und Kleinbauern weiterhin keine Möglichkeit haben, sich ausreichend zu ernähren.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Vielleicht war es nicht ganz unbedeutend für diesen Fortschritt, dass Präsident Lula selbst aus einer extrem armen Gegend stammt und als Kind und Jugendlicher hungern musste. Er weiß, wie weh das tut.

So wurde also Brasilien im Oktober 2008, als sich die Wellen der Krise über die ganze Welt ausbreiteten, mit einem Brutto-Inlandsprodukt angetroffen, das zu fast 80% auf internem Konsum basierte. (Zum Vergleich: In Deutschland waren etwa 40% auf Export basiert).

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

Was passierte? Nun, im wesentlichen das gleiche wie in anderen Ländern: Der Export krachte zusammen wie von einem Tsunami getroffen. Der Kurs des Real fiel innerhalb von Tagen von 1 Dollar 50 auf 2 Dollar 40. Der Index der brasilianischen Börse halbierte sich praktisch. Fast alles Spekulationsgeld aus dem Ausland, das nach Brasilien geflossen war, wurde innerhalb einer Woche abgezogen. Der Verkauf von Autos ging fast auf Null, weil es keine (relativ) billigen und langfristigen Kredite mehr gab. Die Autoindustrie dekretierte Zwangsferien und die Auto-Teile-Industrie entließ Tausende von Arbeitern. Die Auto-Teile-Industrie beschäftigt in Brasilien weit mehr als die Auto-Industrie selbst. Auch die Minengesellschaften und die Stahlindustrie wurden hart getroffen und entließen.

VW Brasilien Autohalde
VW Brasilien: Autohalde auf dem Höhepunkt der Krise

Das ergab natürlich eine deutliche Verringerung des BIP. Fast der ganze Zuwachs bis zum September 2008 wurde bis zum Jahresende aufgezehrt. Allerdings hatte Brasilien keine einzige Bank zu retten und keine Versicherungsgesellschaft. In Brasilien hatte sich niemand in erkennbarem Ausmaß an den Spielkasino-Orgien der Finanzmärkte der ach wie so entwickelten Länder beteiligt.

Damit blieb Geld in den Kassen für ein Konjunktur-Programm. Das allerdings war ein Mini-Programm und beschränkte sich auf zwei Maßnahmen: Es wurde die Verkaufssteuer auf Kleinwagen und elektrische Haushaltsgeräte zeitweise ausgesetzt und die staatliche Bundes-Sparkasse stellte wieder (relativ) billige und langfristige Kredite zum Auto- und Haushaltsgerätekauf bereit – und zwang damit die Banken, dies auch zu tun.

Carnaval Rio 2009 20

So rappelte sich Brasilien langsam wieder auf, was die entwickelten Länder nicht schafften. Mit dem zeitweisen Erlassen von Steuern wurde nicht viel Bedarf vorgezogen, so dass Brasilien jetzt nicht wie Deutschland und andere Länder mit Abwrackprämien ein Loch im Autoabsatz erwarten muss. Ein Teil des Exports ist schon wieder ins Laufen gekommen. China als wichtiger Abnehmer des Eisenerzes aus Brasilien kauft schon wieder recht munter und die ehrgeizigen Pläne zur Ausweitung der Erdölförderung im Meer vor der brasilianischen Küste wurden nicht um einen Cent zusammengestrichen.

Zwar hat das BIP noch nicht wieder seinen Monatshöchststand vom September 2008 erreicht, aber es fehlen nur ein paar Monate, bis dies geschafft sein wird. Der Real hat sich am Dollar schon wieder auf einen Stand von 1,75 hochgearbeitet, die Börse hat einen wesentlichen Teil der Verluste schon wieder aufgeholt und Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungsbetriebe stellen wieder ein.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Voraussichtlich bis zum März 2010 ist alles wieder auf Vorkrisenstand. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sind es jetzt schon! Zwar sind die - wie auch in anderen Ländern – in Brasilien getürkt, aber das waren sie vorher auch. Relativ ergibt sich da wieder eine Wahrheit.

Inzwischen ist der Ruf Brasiliens als „gute Anlage“ auch bereits auf den flüchtigen Kapitalmärkten angelangt. Spekulationskapital strömte wieder nach Brasilien, einerseits um die weiterhin hohen Zinsen einzustecken und andererseits, um sich am boomenden Aktienmarkt gütlich zu tun. Die Milliarden waren so viel, dass die brasilianische Regierung eine Spekulationsabgabe beschloss für Kapital, das nicht in Sachgütern oder Produktionsmitteln angelegt wird, sondern in Papieren der brasilianischen Zentralbank oder auf dem Aktienmarkt. Die Abgabe beträgt immerhin zwei Prozent. Hätte nun einer gemeint, damit würde der Zufluss von Spekulationskapital gebremst, sah er sich nur einen Tag lang bestätigt. Nach der ersten Schrecksekunde rechneten die Anleger nach und kamen zum Schluss, das zu gewinnende Geld ist auch dann noch ausreichend, um diese Anlage attraktiv zu machen. Der Kapitalzufluss setzte am zweiten Tag nach der Gültigkeit der Abgabe wieder ein. Hier ist die Rede von Milliardenbeträgen von Dollar pro Tag.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Das Interesse der Finanzmärkte – und nicht nur dieser – für Brasilien geht sogar so weit, dass der renommierte Kommentarist der Britischen ‚Financial Times’, Michael Skapinker, in seinem neuesten Kommentar schrieb: „Brasilien ist die Macht, die es gilt, im 21. Jahrhundert zu beobachten.“ Er sagt, es gibt zwei Möglichkeiten, wie es mit Brasilien weitergeht. Die eine wäre, dass die Probleme der schreienden ökonomischen Ungleichheit und des organisierten Verbrechens zum Ausschlaggebenden werden und Brasilien nach unten reißen. Die andere Möglichkeit wäre, die ökonomischen Fortschritte Brasiliens könnten die Probleme bei weitem in den Hintergrund drängen und dem Land eine glänzende Zukunft geben.

Skapinker nimmt keine Stellung, welche der Möglichkeiten er für wahrscheinlicher hält, aber er legt ausführlich die positiven Aspekte dar: „Brasilien wird die große Geschichte des kommenden Jahres sein. (...) Brasilien ist in guter Form aus der Krise herausgekommen. Das Land sitzt auf einer riesigen - gerade eben entdeckten – Erdölreserve im Meer vor der Küste. Es erhielt die größte Finanzinvestition dieses Jahres: 8 Milliarden US-Dollar hat die [spanische] Banco Santander für seine Ausweitung auf Brasilien ausgegeben. Außerdem wird Brasilien Gastgeber der beiden größten Sportereignisse der Welt sein: Die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2014 und die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im Jahre 2016.“

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Was auch immer die Zukunft Brasiliens bestimmen wird, die Bevölkerung des Landes hat sich in Umfragen extrem optimistisch gezeigt. Man glaubt an eine positive Entwicklung. Die höchste Zustimmung von allen hat der Präsident. Lula kommt in Brasilien in den berühmten demoskopischen Umfragen, bei denen man die Regierung mit „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“, „ausreichend“ und „ungenügend“ einstuft, in der Summe von ‚sehr gut’ und ‚gut’ auf 84%! Das ist die beste Beurteilung, die je ein Regierungschef in dieser Art der Umfragen geschafft hat und auch die bei weitem beste in der Geschichte Brasiliens.

Chávez und Lula

Ein brasilianischer Freund des Bürger-Journalisten charakterisierte das so: „Von 100 schweren Problemen Brasiliens hat Lula EINES in wesentlichen Teilen gelöst, den Hunger, und schon liegen ihm alle zu Füssen.“


Veröffentlicht am 4. November 2009 in der Berliner Umschau

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