Montag, 29. März 2010

Das Spielcasino ist schon wieder eröffnet!

Riesige US-Gewinne – erneut aus „Finanzderivaten“

Von Karl Weiss

Glaubte man noch gerade eben, die Regierungen, speziell die der USA, hätten doch gelernt aus den Ursachen der Finanzkrise und hätten das Casino der „Finanzderivate“ geschlossen, so sieht man sich nun getäuscht. Die gleichen Banken, denen schon vorher aus der Bredouille geholfen werden musste, weil man erklärte, sie seien „zu groß, um Pleite zu gehen“, sie hätten das gesamte Finanzsystem mit sich gerissen, zocken bereits wieder mit Milliarden-Finanz-Derivaten und machen, jedenfalls noch, Riesen-Gewinne damit. Wie das weiter geht, hat man im Jahr 2008 gesehen.

Der Rettungs-Plan

Es ist erst eineinhalb Jahre her, dass dies das letzte Mal schief ging. Die Banken in den USA schnürten Bündel von Finanzanlagen zu sogenannten Finanz-Derivaten, viele Banken, nicht nur in den USA, (was glauben Sie, wo die 25% Profit auf Kapital der Deutschen Bank herkamen?) machten damit den großen Reibach, solange die Preise von Häusern und Wohnungen ständig stiegen. Beginnend 2006, begannen dann die Preise zu fallen und wer sich nicht rechtzeitig von diesen Derivaten trennte, hatte plötzlich Milliarden-Verluste.

Nur haben die großen US-Banken, so wie auch die Deutsche Bank, keinerlei Angst, dass dies wieder passiert, denn sie müssten ja erneut von den Staaten mit Beträgen von Hunderten von Milliarden „gerettet“ werden, weil sie ja „zu groß sind, um Pleite zu gehen“ (damit die Deutsche Bank nicht pleite ging, musste die Hypo Real Estate gerettet werden). Tatsache ist, müssten die USA und Deutschland, so wie beim ersten Mal, erneut mit Beträgen von Hunderten von Milliarden Dollar bzw. Euro solchen Banken unter die Arme greifen, wären sie selbst definitiv pleite.

Diese Aussicht scheint aber weder US- noch Deutsche Regierung zu schrecken. Wie sagte ein Kommentator bereits beim letzten Mal? Solche Beträge in einen Banken-Bailout zu stecken, das ist, wie wenn man das Steuer herumreißt, um nicht in den Abgrund zu fahren und nun stattdessen auf die Wand zu rast.

Nun zu den nackten Fakten:
Im 4. Quartal 2009 konnten die großen Banken der USA (saisonbereinigt und aufs Jahr hochgerechnet) mit Finanzderivaten und anderen riskanten Anlagen 414,1 Milliarden Dollar an Profit einstecken. Das liegt nur noch um etwa 7,5 % unter dem Allzeithoch. Das war im 2. Quartal 2006, als 447,5 Milliarden Dollar erzielt wurden. Das nominale Volumen der Finanzderivate der US-Banken steig im 4. Quartal 2009 auf insgesamt etwa 213 Billionen US-Dollar!! Das ist der höchste Wert in der Geschichte der USA.

Gewinne US-Finanzindustrie 1980 bis 2010

Im Blog „Wirtschaftsquerschuss“ wird dazu kommentiert, hier: (http://wirtschaftquerschuss.blogspot.com/2010/03/us-finanzindustrie-macht-satte-gewinne.html )

„Die fulminante Erholung der Gewinne im Finanzsektor belegt, dass die Maßnahmen des Staates und der Notenbank zur Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise, vor allem eines erreichten - die Zementierung der Fehlentwicklungen und nicht deren Bereinigung! Eine potentielle Stabilisierung bzw. leichte Erholung der US-Wirtschaft täuscht nicht darüber hinweg, dass strukturell kein Problem der US-Wirtschaft behoben wurde. Besonders drastisch verdeutlichen dies die Daten zum US-Immobilienmarkt, denn trotz gewaltiger Infusionen liegt der Markt weiter am Boden!“

Diese letzte Bemerkung bezieht sich auf folgenden Fakt: Die Verkäufe von neu gebauten Häusern/Wohnungen haben in den USA im Februar 2010 ein neues Allzeittief erreicht. Die tiefe Krise am Immobilienmarkt in den USA ist also keineswegs beendet.

USA Verkäufe neuer Häuser 1963 bis 2010

Und nun das Beste der ganzen Story:

96,9% der oben schon erwähnten Gesamtsumme der Derivate werden von den 5 Top-Banken der USA gehalten: JP Morgan Chase Bank, Goldmann Sachs, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo. Das sind haargenau jene, die „zu groß sind, um Pleite zu gehen“.

So, und jetzt urteilen Sie selbst!


Veröffentlicht am 29. März 2010 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 25. März 2010

Weiter so! Weiter so!

Macht um Gottes willen weiter so wie vorher!

Von Karl Weiss

Nun kriechen sie wieder aus den Unterständen. Werden wieder frech. „Weiter so wie vor der Krise!“ schreien sie, „Macht um Gottes willen weiter so wie vor der Krise“. Die neo-liberalen (einige sagen „marktradikalen“) Hetzer, die weltweit die Ökonomie vor der Krise bestimmt haben, sind wieder losgelassen. Zwar weiß inzwischen schon jedes Kind: Die Maximen des Neo-Liberalismus (Marktradikalismus) haben nicht nur angesichts der Krise versagt, sondern auch wesentlich zur Tiefe der gegenwärtigen Krise beigetragen, aber das kann man ja einfach zynisch leugnen, nicht wahr? Ein Paar kleine Notlügen, und schon stimmt die Landschaft wieder.

Eurokarikatur

Ein klassisches Beispiel für dieses Gesocks, an deren Händen das Blut von Millionen verhungerter Kinder klebt, ist der Kommentar eines gewissen N. Piper in der „Süddeutschen“ vom 21. März 2010 unter dem Titel „Deutsche Stärke und Last“ und der Gastbeitrag von Dohnanyi (ja, der SPD-Dohnanyi) am gleichen Tag in der gleichen Zeitung unter dem Titel „Eau de Sindelfingen“. Zwei solche Artikel am gleichen Tag, das ist Intensiv-Kur.

Was Piper unter „deutscher Stärke“ versteht, ist das völlige Ausklammern des deutschen Binnenmarktes und das alleinige Setzen auf Exporte, wie es seit der Schröder-Regierung hierzulande exerziert wurde. Er meint, dies stelle eine Stärke der deutschen Wirtschaft dar.

New Yorker Börse

Nur war es in Wirklichkeit die Ursache der erhöhten Anfälligkeit der deutschen Wirtschaft. In keinem anderen größeren Land der EU oder OECD ging das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) so stark zurück im Jahr 2009 wie in Deutschland, nämlich um etwa 6%. Dabei waren es in Wirklichkeit mehr als 6%, wenn man den Vorkrisenstand vergleicht, denn das letzte Quartal 2008 war ja schon Krise.

Viel schlimmer aber noch, Deutschland hat überhaupt keine Aussichten in irgendeinem absehbaren Zeitraum wieder ein erwähnenswertes wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, denn der Export wird eben trotz aller Gesundbeterei nicht wieder auf die alten Höhen kommen. Das hat einen einfachen Grund: Zwei Drittel des deutschen Exports gingen in die EU! (Dohnanyi, der Durchblicker, schreibt allen Ernstes „Nur zwei Drittel“; da merkt man schon, der hat jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren.)

D: Exportvolumen in % gegen Vorjahresmonat
Deutschland: Exportvolumen in Prozent gegen Vormonat

Die anderen EU-Länder stecken nämlich in einer schweren Krise (schon davon gehört, Herr Dohnanyi? Oder lief die auch an Ihnen vorbei?) und können beim besten Willen nicht mehr so viel aus Deutschland importieren. Andererseits haben sie die gleichen Probleme wie Deutschland, wieder zu irgendwelchen erwähnenswerten Wachstumsraten zu kommen und würden sich freuen, wenn Deutschland mit einer Belebung der Binnen-Nachfrage wirklich zu einem „Motor Europas“ (Zitat aus dem Dohnanyi-Artikel) werden würde und nicht nur in der Einbildung eines abgewrackten Politikers.

[Kleine Abschweifung: Die Zeit Dohnanyis als Erster Hamburger Bürgermeister war ein so vollkommenes Desaster, dass seitdem nur noch CDU-Bürgermeister Hamburg regieren. Er regierte so neo-liberal und machte CDU-Politik, dass die Bürger entschieden, dann doch lieber gleich das Original zu wählen – eine Story, die verdächtige Ähnlichkeit mit der eines Herren mit Namen Schröder hat. Soweit zu abgewrackten Politikern.]

Deutschland: Jugendarbeitslosigkeit gegen Vorjahr

Interessant, dass beide Kommentatoren nicht ein Wort zur Krise verlieren, zu ihren Ursachen und wie man herauskommen könnte, denn sie haben natürlich nicht die geringste Ahnung. Soweit die Krise vorkommt, so nur als Ereignis von außen, wie ein Erdbeben. Kommt vor, danach räumt man auf und macht weiter wie vorher. Dass diese Krise in ihrer jetzigen Form, die keinerlei Ausweg bietet, eng mit genau ihrer Ideologie zusammenhängt, dürfen beide natürlich nicht merken, sonst müssten sie ja ihre Überzeugungen ändern – und da sei Keynes vor!

So wird statt dessen die Wirklichkeit ein wenig geändert. So behauptet Piper zum Beispiel, „in den vergangenen Jahren (...) die Arbeitslosigkeit ist gesunken...“. Nun das ist von ihm genauso frech gelogen wie die gleiche Aussage von Frau von der Leyen vom gleichen Tag. Nein, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist nicht gesunken nach Hartz IV. Man hat lediglich einen wesentlichen Teil der Arbeitslosen aus der Statistik genommen, um diese Lüge verbreiten zu können. Weiterhin, wie seit dem Jahr 2006, sind etwa 6 Millionen in Hartz IV (wie soll da die Arbeitslosigkeit 3 Millionen betragen, hä?) und die Gesamtzahl der Arbeitslosen, die arbeiten würden, wenn es Arbeitsplätze gäbe, liegt irgendwo bei 10 Millionen.

Statistik Reallöhne

Die andere Lebenslüge, die man immer wieder erzählen muss, wenn man Neo-Liberaler ist, drückt Piper so aus:

„Es ist zwar nicht möglich, mit Lohnerhöhungen Wachstum zu schaffen, wohl aber mit der Förderung privater Investitionen. Dies ist derzeit nicht sonderlich populär, denn dabei geht es um viele Reformen, die heute als "neoliberal" gelten: ein flexiblerer Arbeitsmarkt, weniger Bürokratie, Begrenzung der Sozialausgaben.“

Ja, ja, er schreibt das wirklich, am 21. März 2010 und nicht am 21. März 2000! Die letzten zehn Jahre haben nicht stattgefunden. Er erwähnt auch noch ausdrücklich, dass diese Rezepte „nicht sonderlich populär“ sind. Ja, warum denn wohl, Herr Piper? Weil sie in den letzten zehn Jahren von Grund auf widerlegt wurden! Sind Sie gerade aus einem zehnjährigen Dauerschlaf aufgewacht? Es war genau nicht dies, was passierte, als man diese Rezepte verfolgte unter Schröder und Fischer.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 bis 2008 mit Trendlinie

Das Ergebnis dieser 10 Jahre Extrem-Neo-Liberalismus (Marktradikalismus) in Deutschland:

- 25% der Kinder leben in Armut, 10% sogar in absoluter Armut.

- 10 Millionen Deutsche sind aus dem sozialen Leben ausgeschlossen,

- 6 Millionen dürfen ihr Dorf oder ihren Stadtteil nicht verlassen, ohne sich vorher eine Genehmigung zu holen.

- Die Suppenküchen von heute, „Tafeln“ genannt, sind inzwischen über 1000 an der Zahl und versorgen bereits einen ins Gewicht fallenden Teil der Bevölkerung.

- Weniger als 20% der jungen Leute bekommen einen fixen Vollzeitjob auf mindestens Tarif-Niveau nach ihrer Ausbildung oder ihrem Studium.

- Viele Studiumsabgänger müssen sich als unbezahlte Praktikanten verdingen.

- 10 % der Jugendlichen sind völlig von jeder Ausbildung abgeschnitten.

- Über 50 bekommt praktisch niemand mehr einen Arbeitsplatz, nicht einmal einen prekären.

- Für die anderen gibt’s dagegen fast nur noch prekäre.

- Wenn es so weiter geht, gibt es in 15, 20 Jahren in ganz Deutschland keinen fixen Vollzeit-Arbeitsplatz mit mindestens tariflicher Bezahlung mehr.

- Deutschland hat die geringsten (Pro-Kopf)-Ausgaben für Bildung aller entwickelten Länder.

- Deutschland ist so hoch verschuldet wie noch nie in der Geschichte.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Dies ist die Statistik, die alle Behauptungen der Marktradikalen widerlegt. Man kann deutlich erkennen, wie exakt ab Januar 2005, als Hartz IV eingeführt wurde, die Reallöhne beginnen nach unten zu wandern (und dies sind die Zahlen pro Arbeitnehmer. Nimmt man die Lohnsumme, ist der Abstieg noch schneller.), bereits früher setzt das Hoch der Einnahmen aus Vermögen und Unternehmen ein. Führt dies zu erhöhten Investitionen? Natürlich Nicht! Die Investitionen erreichen erst zum Ende des betrachteten Zeitraums überhaupt das Niveau von 2000!

Vor kurzem war der Bürger-Journalist auf Besuch in Deutschland und er hat sie gesehen: Ausgezehrte Gestalten saßen in eisiger Kälte mit völlig unzulänglicher Kleidung auf dem Boden in der Stadt und bettelten. Nicht dass der Bürger-Journalist an solche Anblicke nicht gewohnt wäre, er lebt schließlich in Brasilien, aber in Deutschland ist das nicht das, was früher die Innenstädte belebte. Drückt man alle nach unten, kommt ganz unten der Mensch auf dem absoluten Null-Punkt heraus. In Brasilien erfrieren diese Ärmsten der Armen wenigstens nicht, doch Dohnanyi und von der Leyen rechnen natürlich damit: Sehr viele solcher Gestalten wird es nicht geben, denn die Kälte fordert ihren Tribut.

Die Entwicklungslandisierung Deutschlands schreitet voran. Und das nennen Sie „ökonomische Stärke“, Herr Piper? Das nennen Sie „starkes Deutschland“, Herr Dohnanyi? Sie versteigen sich sogar zum Bonmot der Woche: „Stärke macht neidisch.“ Seit wann ist ein Entwicklungsland stark???

Und was ist mit der Behauptung, es sei nicht möglich, mit Lohnerhöhungen Wachstum zu schaffen, Herr Piper? Können Sie nicht zwei und zwei zusammenzählen? Oder gibt das bei Ihnen drei? Lohnerhöhungen, speziell im unteren Bereich, schaffen Nachfrage und zahlen Steuern, Nachfrage schafft Konsum, Konsum erfordert Güter, erforderliche Güter schaffen Produktion, Produktion schafft Arbeitsplätze, Arbeitsplätze schaffen Lohn, Lohn schafft Konsum und zahlt Steuern usw. usw.

Deutschland - Brutto-Inlandsprodukt - 2000 bis 2008 Quartale gegen Vorquartale

Sie meinen, das sei graue Theorie? Dann kommen Sie nach Brasilien. Hier wurde unten, bei den Ärmsten, Geld reingeschoben und ein wenig weiter oben, durch Lohnerhöhungen im unteren Bereich. Ergebnis: Brasilien ist eines der wenigen Länder, das bereits 2009 das alte Niveau im BIP wieder erreicht hat und das erneut deutliches Wachstum aufweist, also die Krise definitiv überwunden hat. Hören Sie? Lohnerhöhungen funktionieren!

Und Herr von Dohnanyi (Ja, man muss eigentlich das „von“ dazuschreiben, damit man weiß, das ist eine Familie, die bereits seit dem Mittelalter Menschen unterdrückt und ausbeutet.), sie schreiben „Sollen wir nun Parfüm produzieren, bloß weil unsere Ingenieure zu erfolgreich sind?“ und spielen damit auf Frankreich an, das angeblich nur Parfüm exportiert. Ist das Alterssenilität? Haben Sie schon einmal etwas von Peugeot/Citroën und Renault gehört? Peugeot war über viele Jahre Klassenbester in der ADAC-Pannen-Statistik und exportierte mehr Autos nach Deutschland als alle anderen. Kennen Sie vielleicht einen der größten Ölkonzerne der Welt, Total, mit Sitz in Frankreich, das Jahr für Jahr mit Exxon Mobil, Chevron-Texaco, BP und Shell um Platz 1 kämpft? Können Sie vielleicht eine deutsche Gruppe nennen, die da auch nur nahe kommt? Wo leben Sie, Herr von Dohnanyi?

Und wenn unsere Ingenieure so erfolgreich sind – und das fragt Sie ein deutscher Ingenieur -, warum bekommen sie dann keine Spitzenlöhne? Was ich zum Beispiel als Ingenieur in einem Monat bekommen habe, als ich noch in Deutschland arbeitete, das bekommt ein mittlerer Banken-Manager (dem anschließend der Steuerzahler beispringen muss,) an einem Tag!

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Also wenn man damit argumentieren kann, ist der deutsche Ingenieur ein Ausdruck der „Stärke Deutschlands“, aber wenn’s ans Bezahlen geht, dann ist er ein Ausdruck der Unwichtigkeit der realen Welt im Vergleich zur Finanzwelt. Habens Sie’s noch alle, Herr von Dohnanyi?

Und schließlich kommt dann noch die Grundlüge von allen im Beitrag von Piper: „Weil die deutschen Löhne kaum gestiegen sind...“ Wo haben Sie denn das her, lieber Piper? In welcher Statistik steigen deutsche Löhne, wenn auch „kaum“? Nun, die Tatsachen sehen anders aus: Die deutschen Reallöhne sind seit dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2008 um 0,8% gefallen - in 8 Jahren nur Negative. Im letzten Jahr sind die Löhne sogar so stark gefallen, dass selbst die Brutto-Löhne zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Minus gegenüber dem Vorjahr auswiesen.

Seit der Einführung von Hartz IV im Januar 2005 ist der Einzelhandelsumsatz in Deutschland (preisbereinigt) Jahr für Jahr gefallen! Woher kommt das wohl, Herr Piper?

Gleichzeitig zeigt uns die Statistik: Ab dem Jahr 2005 beginnt ein unglaublich steiler Anstieg der Einkommen aus Unternehmen und Vermögen, der genau zeigt, wo all dies eingesparte Geld hinlief: Zu den Unternehmen und den Vermögenden. Und da, Herr Piper, setzt jetzt ihre Argumentation an. Dies Geld hätte nach ihrer Ansicht zu „privaten Investitionen“ verwendet werden müssen, wenn ihre Theorie richtig wäre. Nun, die Kurve der privaten Investitionen zeigt keinerlei wesentlichen Anstieg ab dem Jahr 2005, lediglich saisonale Schwankungen und bricht dann mit Beginn der Krise völlig ein.

Wozu also wurde all das viele Geld verwendet, das an den Löhnen gespart wurde und an die Unternehmen und Vermögenden lief? Nun, das wissen wir heute ganz genau. Diese Gelder, Hundert von Milliarden Euro, wurde im Spielkasino der Finanz-Derivate gesetzt! Dass da Einige schwer verloren und dann anschließend mit Steuergeldern gerettet werden mussten, zeigt, um was es geht.

Was bleibt also übrig von den „Argumenten“ der Neo-Liberalen? Sie wollen mehr von den Werten haben, die wir schaffen, wir sollen uns gefälligst mit weniger Lohn zufrieden geben, damit sie weiter im Finanzmarkt zocken können!

Wollen wir uns das wirklich weiter gefallen lassen??


Veröffentlicht am 24. März 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 24. März 2010

Wirtschaftliche Katastrophe für die Euro-Staaten

Also was denn nun in Südeuropa?

Von Karl Weiss

Die südeuropäischen Euro-Staaten sollen vor der Pleite stehen. Was tun? In einem Artikel in ‚telepolis’ von Rainer Sommer wird die ökonomische Problematik der südeuropäischen Staaten Griechenland, Portugal, Spanien und Italien diskutiert, die der Autor schlicht als „Club-Med-Staaten“ zusammenfasst. Er kommt zu dem Schluss: Die jetzigen Empfehlungen laufen auf jahrzehntelange Schrumpfung hinaus mit einer völligen Verarmung fast der gesamten Bevölkerung. Am Ende stünde die wirtschaftliche Katastrophe der gesamten Euro-Zone.

Eurokarikatur

Mit anderen Worten: Würden die „Club-Med-Staaten“ tatsächlich konsequent durchführen, was von ihnen verlangt wird, massivste Ausgabenstreichungen und Lohnkürzungen, Verkäufe von Staatseigentum und exzessive Steuererhöhungen, würde dies für diese Staaten – und damit für die ganze Euro-Zone - zu einer ökonomischen Katastrophe führen, erklärt der Autor in diesem Artikel.

Seine Logik ist offensichtlich:

„Denn wenn der geplante massive Rückgang der staatlichen Nachfrage nicht durch hohe Unternehmensinvestitionen und höheren Konsum sowie eine Verbesserung der Außenbilanz kompensiert würde, hätten die „Club-Med-Staaten“ zwangsläufig mit ebenso massiv einbrechenden Wachstumsraten zu rechen.

Dann würde sich das Investitionsklima weiter verschlechtern und auch das Angstsparen sicherlich zunehmen. Die Folgen wären dann wohl eine schwere Pleitewelle bei privaten Schuldnern sowie eine weiterhin stark steigende Arbeitslosigkeit, was auf höheren Sozialausgaben und sinkende Steuereinnahmen hinauslaufen und wohl dafür sorgen würde, dass die hochgesteckten Budgetziele keinesfalls erreicht werden könnten.“

Es wird deutlich: Die Katze beißt sich in den Schwanz. Der rigorose Sparkurs würde mehr Unheil anrichten als Gutes tun. Vor allem aber kann er das Problem dieser Länder nicht lösen.

Die Vorstellung ist ja so: Deutschland und Frankreich zahlen in eine europäische Version des IMF ein, die „Club-Med-Staaten“ erhalten Hilfen, um ihre Schulden zu bezahlen und gehen auf extremen Sparkurs. Aber für diese südeuropäischen Staaten wäre das der Abschied von Wirtschaftswachstum für Jahrzehnte und die völlige Verarmung. Sie würden im übertragenen Sinne nach Afrika abgeschoben. Würden aber Deutschland und Frankreich dabei gewinnen? Natürlich nicht!

Diese beiden Staaten, die bisher noch nicht überschuldet sind, wären nach (heutigen Schätzungen von) Einlagen in jenen Fond von mindestens 1 Billion Euro (1000 Milliarden Euro) ebenfalls überschuldet sein und dann das Schicksal der südlichen Nachbarn teilen.

Aber: Könnte man nicht einfach den Euro abwerten? Auf 1 Dollar 10 oder sogar die Äquivalenz zum Dollar? Doch auch das wird nicht gut gehen. Sommer macht darauf aufmerksam, dass ja der Dollar einer der nächsten Anwärter auf einen Crash oder jedenfalls eine massive Abwertung ist. China und Japan, die beide praktisch ihren ganzen Staatsschatz in Dollar, bzw. US-Staatsanleihen (in Dollar) haben, werden zu einem bestimmten Zeitpunkt gezwungen sein, wesentliche Teile dieser Gelder in Euro umzuschichten, um die riesigen Verluste bei einer Dollarabwertung zu vermindern.

Da diese Geldmengen außerordentlich sind, hätte die ganze Euro-Zone nicht genug Geld, um soviel Dollar aufkaufen zu können, um die Dollarabwertung zu verhindern und den Euro schwach zu halten.

Mit einem hohen Eurokurs und ohne Wachstum, ja ohne Wachstumsaussichten für Jahrzehnte, wäre die wirtschaftliche Katastrophe für alle Euro-Staaten perfekt.


Veröffentlicht am 23. März 2010 in der Berliner Umschau

Montag, 22. März 2010

‘…a debt crisis like the one in Greece…’

Bernanke spricht ganz offen

Von Karl Weiss

Wer noch Zweifel hatte und die Vorhersage des Zusammenbruchs der US-Wirtschaft einschließlich des Dollars für extrem pessimistisch hielt, der höre sich Originaltext von Ben Bernanke an, dem Chef der US-Zentralbank „Federal Reserve“. Er spricht offen von einer „Schuldenkrise wie jene in Griechenland“ und „es könnte schon heute passieren“.

Dollarnoten

Bereits im Dezember 2008 hat der Bürger-Journalist den Dollar-Crash vorhergesagt, siehe hier: „Vorhersage des Dollar-Crash

Die "Washington Times" schreibt:

„Mit unüblicher Offenheit warnte der Chef der ‘Federal Reserve’, Ben. S. Bernanke, am Mittwoch den [US-] Kongress, dass die Vereinigten Staaten bald einer Schuldenkrise wie der in Griechenland gegenüberstehen könnten und versicherte, die Zentralbank werde dem Gesetzgeber nicht mit Geld-Drucken helfen, um die aufgeblähten Schulden der Union zu bezahlen.

Kürzliche Ereignisse in Europa, wo Griechenland und andere Länder mit großen, unhaltbaren Defiziten wie die Vereinigten Staaten wachsende Schwierigkeiten mit dem Verkauf von Staatsanleihen an Investoren haben, zeigten, dass die Vereinigten Staaten mit der Möglichkeit eines plötzlichen Abzugs von Vermögen rechnen müssen, was die [US-] Steuerzahler zwingen würde, höhere Zinsen auf ihre Schulden zu zahlen, sagte Bernanke.

Dollar Gasp

„Das ist nicht etwas, das in 10 Jahren passieren kann. Es trifft den Markt heute.“ sagte er dem parlamentarischen Finanz-Ausschuss. „Es ist möglich, dass Bond-Märkte besorgt werden über die Bezahlbarkeit (so hoher jährlicher Defizite von über 1 Trillion [Dollar]) und wir könnten höheren Zinsen sogar schon heute gegenüber stehen.“

Damit bestätigt Bernanke haargenau das, was der Bürger-Journalist bereits vergangene Woche im Artikel „Der Kaiser ist ja nackt“ gesagt hat:

„Die Anbetung des Dollars durch die Spekulanten hat bereits religiöse Züge angenommen. Aber die Spekulanten werden mit der Zeit doch merken, was los ist. Und dann: Gnade dir Gott, reichstes Land der Welt! (...) Es gibt also bisher keine Spekulation gegen die USA oder den Dollar. Im Gegenteil, alle tun so, als würde sich hier nicht der grösse Crash der Finanzgeschichte anbahnen. (...) Selbst wenn das alles noch bis 2013 weiter ginge, wie ein Kommentator meinte, umso gigantischer würde dann der Knall der platzenden Blase.“

Allerdings geht die „Washington Times“ davon aus, das US-Parlament würde Gesetze zu massiven Steuererhöhungen und Ausgaben-Beschneidungen beschließen, damit würde der Anstieg der Schulden noch rechtzeitig gekappt und man könnte auf längere Sicht zu ausgeglichenen Haushalten zurückkommen, aber es gibt keine Mehrheiten für solche Maßnahmen und außerdem würde damit die sowieso schon daniederliegende US-Wirtschaft noch weiter geschwächt, sodass die erwarteten Steuern gar nicht eingehen würden. Die Situation ist wirklich bereits aussichtslos für die US-Wirtschaft.


Veröffentlicht am 22. März 2010 in der Berliner Umschau

Freitag, 19. März 2010

Bundeswehr lernt iranisch

Als Herr Schmidt sich einmal versprach

Von Karl Weiss

Der Herr Schmidt, das ist Herr Schmidt, Staatssekretär im Bundes“verteidigungs“-Ministerium von der CSU. Um der Illusion, es gäbe in Deutschland eine Demokratie, in der man sogar so hochgestellten Herren Fragen Stellen darf, ein wenig an Glaubwürdigkeit zu geben, musste er sich einer Frage der Parlamentarierin Inge Höger von der LINKEN in NRW stellen, was er aber unter seiner Würde fand.

Atombombe 2.Weltkrieg

Sie fragte nämlich: „Warum druckt das Bundessprachenamt, das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehört, einen 61-seitigen persischen Sprachführer für die Bundeswehr, dessen Vokabular sich insbesondere auf den Iran bezieht und militärische Befehle beinhaltet?"

Nun sollte also die Antwort lauten, es gäbe in Afghanistan persisch sprechende Minderheiten und deshalb wolle man den deutschen Soldaten ein wenig Persisch an die Hand geben. Das zieht aber nicht richtig, weil es im Norden, wo deutsche Soldaten stationiert sind, gar keine solchen persisch sprechenden Minderheiten gibt. Ausserdem enthält der Sprachführer Bezüge auf den Iran und nicht auf Afghanistan.

Deshalb versuchte er der Fragestellung auf (wie er wohl zunächst meinte) elegante Weise aus dem Weg zu gehen und antwortete folgendes:

„Ich möchte darauf hinweisen, dass in diesem Hohen Hause vor wenigen Stunden der Bundestagspräsident den israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres begrüßt hat. Dabei wurde auf die Bedrohungslage Israels hingewiesen und das Existenzrecht Israels erneut ausdrücklich bekräftigt. Der israelische Staatspräsident hat aus einer aktuellen Rede unserer Bundeskanzlerin vor dem amerikanischen Kongress zitiert. Demnach kommt ein Angriff auf Israel einem Angriff auf unser deutsches Vaterland gleich."

Erdöl

Er merkte aber dann gleich, er hatte sich da auf eine Bestätigung genau jener Vermutungen eingelassen, wegen denen die Frage gestellt worden war. Israel ist ja angeblich bedroht. Da haben „wir“ natürlich Anlass und das Recht, den Iran zu überfallen.

Militärfachleute hatten ja schon erklärt, es sei am wahrscheinlichsten, dass man den Überfall auf den Iran zunächst mit Bomben (eventuell auch einigen gezielt eingesetzten Atombomben) durchführt und das Land praktisch dem Erdboden gleichmacht, um es dann anschliessend mit NATO-Truppen zu besetzen, offenbar ist auch die Beteiligung der Bundeswehr vorgesehen.

Nur, das durfte der nicht so besonders schlaue Herr Schmidt ja nicht bestätigen!

Als er das merkte, versuchte er noch mit weitschweifenden Erklärungen von seinem Lapsus abzulenken und sprach unter anderen von einer Nicht-Regierungs-Organisation in Afghanistan, die in einem Bereich mit persisch sprechenden Minderheiten arbeitet, nur hatte das ja nun gar nichts mit der Bundeswehr zu tun.

Schliesslich wusste er nach ihrer Zusatzfrage nicht mehr aus noch ein und sagte:

„Frau Abgeordnete (...), wenn der Satz „Der Iran ist ein sehr schönes Land“ im Sprachführer der Bundeswehr steht, dann soll das so sein. Was Sie darin lesen können oder nicht, ist Ihre Sache. Jedenfalls wird die Bundesregierung hierzu keine Stellung nehmen."

Ja, da bleibt uns nur noch, dem Herrn Schmidt für seine Offenheit zu danken und der CSU, dass sie einen nicht sehr Hellen nach Berlin gehievt hat.

Und so sollten wir uns auch vorbereiten. Wir alle sollten vereinbaren, bereits am ersten Tag des Überfalls auf den Iran (wenn sie es denn wirklich wagen) abends in das Stadtzentrum zu gehen und dort mit vielen anderen gegen diese neuen Schlächtereien zu protestieren.


Veröffentlicht am 19. März 2010 in der Berliner Umschau

Dienstag, 16. März 2010

'Der Kaiser ist ja nackt!'

USA: Mediales Verschweigen der Situation

Von Karl Weiss

Es wird viel von Griechenland und den anderen südeuropäischen „PIGS-Staaten“ gesprochen und lamentiert, sie seien überschuldet und müssten „gerettet“ werden. Nach der Veröffentlichung der Februar-Daten der US-Treasury muss man allerdings feststellen: Die USA sind mindestens genauso überschuldet, wenn nicht sogar mehr. Nur gibt es für die USA keine „Rettung“. Niemand kann so viel aufbringen!

USA: Monatliche Ausgaben und Einnahmen pro Fiskaljahr

Zwar werden die Angaben der USA über ihr eigenes Brutto-Inlandsprodukt (BIP) mit jeder neuen Veröffentlichung gefeiert und erklärt, die USA seien schon aus der Krise, aber die Defizit- und Schulden-Zahlen sowie die steil fallenden Steuereinnahmen sprechen eine andere Sprache. Die BIP-Zahlen sind offensichtlich manipuliert, um alles nicht so schlimm aussehen zu lassen. Für den Februar 2010 weist der US-Haushalt ein Defizit von über 220 Mrd. Dollar auf, die höchste Februar-Zahl aller Zeiten. Das bedeutet, die Schulden der USA im Ausland steigen in einem Monat um diesen Betrag an. Wenn das so weiter geht, ist der Staat USA bald so überschuldet, dass es keine Rettung mehr gibt: Er wird in irgendeiner Form bankrott anmelden müssen. Dabei ist das Beunruhigendste: Diese Zahl steigt Monat für Monat scharf an. Wer genauere Einzelheiten wissen will, hier kann man mehr lesen.

Und jetzt lassen Sie sich diese Information auf der Zunge zergehen: Im Februar machten die Steuereinnahmen nur noch 32,7% der Staatsausgaben aus!

Jedes andere Land wäre längst ins Visier der Spekulanten geraten und der Wert der Währung hätte sich halbiert (oder etwas ähnliches). Aber die USA sind die USA! Seit Spekulantengedenken ist die USA mit ihrem Dollar der ‚sichere Hafen‘, wo man sein Geld unterbringt (in Dollars oder US-Staatsanleihen), wenn man vor allem Sicherheit gegen Verlust will. Da kann man nicht so schnell umdenken. Die Anbetung des Dollars durch die Spekulanten hat bereits religiöse Züge angenommen. Aber die Spekulanten werden mit der Zeit doch merken, was los ist. Und dann: Gnade dir Gott, reichstes Land der Welt!

Die Kurve der Staatsverschuldung der USA ist fast genau eine Exponentialfunktion. Wer sich ein bischen in Mathematik auskennt, kann dir sagen, was das ist: Ist die Kurve einmal in die steile Phase eingetreten, wird sie extrem schnell nach unendlich gehen!

USA-Staatsverschuldung - Das ist eine Exponentialfunktion!
O Gott! Das ist eine Exponentialfunktion!

Allerdings: Im Moment ist die Staatsverschuldung für die US-‚treasury‘ noch relativ billig. Die Höhe der Zinsen steht in keinem Verhältnis zum Fakt der exponentiell ansteigenden Schulden. Die Zinsen, die der Staat USA für seine Staatsschulden zahlen muss, sind niedrig und weiter sinkend. Im Februar zahlte man 3,285% Zinsen auf die Schulden. Im Februar 2007 hatte man noch über 5% Zinsen zu zahlen. So steigt der Zinsdienst für die Schulden nicht so schnell an, wie das eigentlich normal wäre bei diesen Schulden. Der absolute Stand der US-Schulden erreichte im Februar mehr als 12,5 Billionen Dollar oder anders ausgedrückt 12.500 Milliarden Dollar (untere Graphik).

Es gibt also bisher keine Spekulation gegen die USA oder den Dollar. Im Gegenteil, alle tun so, als würde sich hier nicht der grösse Crash der Finanzgeschichte anbahnen. Die USA strotzen weiterhin vor Kraft und können kaum gehen vor Waffen. Die Militärausgaben wurden auf über 690 Milliarden Dollar für dieses Fiskaljahr erhöht. Und da ist noch vieles in anderen Haushaltspunkten versteckt. Gleichzeitig brechen die Steuereinahmen im Rhythmus von 5 bis 10 % pro Monat im Vorjahresvergleich weg.

Sieht man die auseinanderstrebenden Kurven von Einnahmen und Ausgaben (siehe obere Graphik), so wird selbst einem schlichten Gemüt langsam mulmig. Selbst wenn das alles noch bis 2013 weiter ginge, wie ein Kommentator meinte, umso gigantischer würde dann der Knall der platzenden Blase. Das Loch, das sich dann auftut, könnte so gross ein, dass die gesamte Weltwirtschaftsleistung darin verschwinden könnte.

In welcher Zeitung, welchem Magazin, welchem Fernsehsender werden uns diese Zahlen serviert? Na sehen Sie! Alle spielen: Des Kaisers neue Kleider sind so schön! Aber irgendein kleiner Junge wird sich eines Tages finden, der ruft: „Aber der Kaiser ist ja nackt!“


Veröffentlicht am 16. März 2010 in der Berliner Umschau

Samstag, 13. März 2010

Katholizismus: Weiter wie gehabt

Die katholische Kirche ist völlig lernunwillig

Von Karl Weiss

Nach all den Veröffentlichungen über die schreienden Skandale der Misshandlungen und Vergewaltigungen von Kindern durch Priester und Möche in (u.a.) katholischen Schulen und Internaten, darunter berühmte Jesuiten-Internate, die ein Vermögen kosten, sollte man meinen, die katholische Kirche ginge in sich und finge an, konsequent gegen solche Fälle vorzugehen. Man könnte meinen, die Geheimhaltungspraxis und die Praxis der Einschüchterung der Betroffenen und ihrer Helfer würden eingestellt. Man könnte meinen, man begänne nun, die Täter anzuzeigen. Weit gefehlt! Es geht auch in der Gegenwart genauso weiter wie vorher. Eine Helferin von Betroffenen im Erzbistum Regensburg sagt aus.

Deutschland: Köln

Sie wird von der „Süddeutschen“ Monika Preis genannt, sie ist 50 Jahre alt und hat bereits in einem Fall von Vergewaltigungen durch einen katholischen Priester den Betroffenen beigestanden und mitgeholfen, den Täter verurteilen zu lassen.

Sie hat der Haushälterin eines Priesters, der mit einem „Ziehsohn“ (auch im Schlafzimmer) zusammenlebte, geraten, sich an den Ombudsmann des Bistums Regensburg zu wenden. Als Antwort kam vom Justiziar des Bistums ein Schreiben, sie möge sich zu den „Missbrauchsvorwürfen“ äussern. Sie schrieb zurück, sie habe keinerlei Vorwürfe geäussert, sondern nur der Haushälterin geraten, zum Ombudsmann zu gehen. Kurz danach kam eine Abmahnung vom Anwalt des Priesters an sie, sie solle eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. 1000 Euro Strafe und Anwaltskosten.

Deutschland - München

Der Priester und sein Anwalt konnte ihren Namen und Adresse nur vom Bistum erhalten haben. Auf Anfrage der Zeitung erklärt das Bistum, sie hätten keinerlei Informationen über diesen Fall.

Die Haushälterin wurde gezwungen, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Priester ist weiterhin in Amt und Würden Ob er wohl noch mit dem „Ziehsohn“ zusammen lebt?

Monika Preis sagt: „Mein Mut ist dahin“. Sie kennt nun einen neuen, aktuellen Fall von einem Pfarrer und einem Jungen. Dessen Familie lebt in einer kirchlichen Wohnung. Dadurch hat der Pfarrer zusätzliche Druckmittel, um eine Aussage gegen sich zu verhindern. Die Familie fürchtet, aus der Wohnung geworfen zu werden. Monika Preis wagt es nicht, sich ans Bistum zu wenden. Sie kann nicht noch einmal 1000 Euro plus Anwaltskosten bezahlen. Auch die Familie verharrt in Angst und Schrecken. Sie muss sehenden Auges zusehen, wie ihr Kind „sexuelle Dienste“ leisten muss und wahrscheinlich fürs Leben gezeichnet sein wird.

Die Frage der kirchlichen Wohnung hat in diesem Zusammenhang noch ein besonderes „Geschmäckle“, wie man in Schwaben zu sagen pflegt. Der Grund nämlich, warum die katholische Kirche seit dem Mittelalter alle Priester zum Zölibat (der erzwungenen Ehelosigkeit und damit einem unnatürlichen Leben) zwingt, ist nämlich die Frage der Vererbung. Ohne Erben hinterlassen Priester automatisch alles der Kirche. So wurde die katholische Kirche nicht nur stinkreich, sondern auch zum weltweit grössten Immobilienbesitzer.

In einem Text, der eine Woche vorher in der „Süddeutschen“ erschien, erklärt Hans Küng, ehemaliger katholischer Theologieprofessor, warum die Bistümer so handeln müssen: Die vatikanische Glaubenskongregation sandte über ihren Präfekten Kardinal Ratzinger (heutiger Papst) am 18. Mai 2001 ein feierliches Schreiben über die schweren Vergehen ("Epistula de delictis gravioribus") an alle Bischöfe der Welt, in welchem die Missbrauchsfälle unter die "päpstliche Geheimhaltung" ("secretum Pontificium") gestellt wurden, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht.

Alle Katholiken dürfen also solche Fälle nur innerhalb der Kirche melden und dürfen sich auf keinen Fall an ausserkirchliche Stellen wenden, sonst werden Kirchenstrafen gegen sie fällig. So kann die Kirche fast alle diese Fälle unter dem Teppich halten – jedenfalls bis sie verjährt sind.

So ist es charakteristisch, dass momentan in den Fällen der Jesuiten-Schulen, des Klosters Ettal, des Canisiuskollegs, des Aloisiuskollegs, der Regensburger Domspatzen, der Maristen usw. fast ausschliesslich lange zurückliegende Fälle ans Tageslicht kommen. Da können die geistigen Würdenträger medienwirksam Entschuldigungen vor laufender Kamera absetzen, sich aber heimlich die Hände reiben, denn die Täter können nicht mehr belangt werden.

Gleichzeitig werden aktuelle Fälle, wie gehabt, nach aussen hin verneint, verdeckt, verschwiegen, geleugnet und man gibt sich ahnungslos, während man die Macht des Geldes der katholischen Kirche über agressive Anwälte einsetzt, um die Opfer und eventuelle Zeugen einzuschüchtern und mit Verleumdungsklagen und Abmahnungen mit riesigen Geldzahlungen zu bedrohen, indem man die Opfer konsequent für nicht glaubwürdig erklärt, während Priester und Mönche natürlich immer eine erhöhte Glaubwürdigkeit aufweisen. Weiterhin wird versucht, die Opfer, wenn sie Zeugen haben oder der Täter geständig ist, mit Abfindungszahlungen zum Schweigen zu bringen.

Fakt ist, die Kirche fürchtet nicht, dass ihre Würdenträger Kinder vergewaltigen, sie fürchtet nur, dass dies an die Öffentlichkeit kommt. Außerdem fürchtet sie, das Ganze könnte ihr teuer kommen. So ist charakteristisch für die Dinge, die schnell und effektiv getan wurden anhand der neuen Enthüllungen: Die einzige rasche Reaktion der Jesuiten war, in den USA in Vergleich zu gehen. Wer dort Vergleich angemeldet an, muss nicht mehr bezahlen, auch wenn er zu Wiedergutmachungszahlungen verurteilt wird. Diese Zahlungen können dort einen ziemlichen Umfang annehmen.

Was die Öffentlichkeit von der Kirche erwartet hat, nämlich das Akzeptieren von Ombudsleuten mit Hotlines von außerhalb der Kirche, damit die Opfer neutrale Anlaufstellen haben, vor allem auch jene Opfer, die heute aktuell in der Situation stehen, andauernd vergewaltigt zu werden. Die fürchterlichen psychischen Probleme, mit denen sich die Opfer später herumschlagen müssen (viele begehen Selbstmord), sind ja gerade und vor allem den langdauernden und häufig wiederholten Erniedrigungen und Vergewaltigungen zuzuschreiben.

Um einen Eindruck zu geben, hier ein Zitat aus einem Artikel der „Süddeutschen“ zu diesem Thema vom 6. 3. 2010:

„Ehemalige Schüler sagten der Zeitung, dass sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und zu Oralverkehr gezwungen wurden. Einzelne Pädagogen hätten ihren Gästen Schüler zum sexuellen Missbrauch überlassen.“
(Anmerkung: In diesem Fall handelt es sich nicht um eine katholische Einrichtung, sondern um die "Odenwaldschule", aber die Art der Misshandlungen und Vergewaltigungen sind praktisch in allen internen Einrichtungen die Gleichen.)

Siehe zu einem neueren Fall von Einschüchterungen von Opfern (durch Kirchengelder für Detektive) auch diesen Artikel: „Ist der Papst der Anti-Christ?“

Besomders zynisch ist die Argumentation, mit der die katholische Kirche versucht, die Kritik von ihr als Institution und dem Zölibat abzuwehren: Hier ein solches Pamphlet, ebenfalls aus einem Artikel der „Süddeutschen“:

„Zunehmend wird nun aus dem Verdacht der Generalverdacht: Vom Zölibat, von der Haltung der katholischen Kirche zur Sexualität überhaupt, geht der direkte Weg zum sexuellen Missbrauch. Dieser Generalverdacht ist falsch und unfair ..., weil sexueller Missbrauch überall vorkommt, wo Männer (...) eng mit Kindern und Jugendlichen zusammen sind: Am häufigsten in der Familie, aber auch an der staatlichen Schule, im Sportverein, in der evangelischen Kirche.“

Diese Argumentation ist hinterhältig. Ja, es mag in den Familien höhere Zahlen an Vergewaltigungen geben als in katholischen Schulen. Aber wie viele Familien gibt es und wie viele katholische Schulen? Wie viel Prozent der Familien sind von Vergewaltigung betroffen und wie viel Prozent der katholischen Internatsschulen?

Was in den aktuelleren Fällen passiert, die noch nicht verjährt sind, wird deutlich an zwei Beispielen: Ein Maristen-Frater in Mindelheim wurde überführt, Kinder vergewaltigt zu haben. Er wurde als Leiter der Schule abgelöst, erhielt eine Strafe von 10 Monaten auf Bewährung (10 Monate auf Bewährung!!!) und wurde an eine Stelle in Recklinghausen versetzt, wo er nach Angaben der Maristen keine „Jugendarbeit“ mehr verrichtet (aber weiterhin in der kirchlichen Arbeit steht, wo für ihn „als Mann der Kirche“ auch der Zugang zu Kindern und Jugendlichen offen steht).

Die katholische Kirche hat noch in keinem bekannt gewordenen Fall überführte Schwerverbrecher aus ihren Reihen in einem Kloster ohne Kontakt zur Aussenwelt untergebracht. Sie besteht darauf, derjenige habe ja bekannt und Busse getan (eventuell auch eine Bewährungsstrafe erhalten) und er könne deshalb auch im normalen Kirchendiest weiterarbeiten, wenn auch vielleicht nicht mehr direkt in der Jugendarbeit.

Der andere Fall aus dem Bereich der nicht verjährten Fälle geschah in Fürstenfeldbruck bei München vor vier Jahren. Ein in der Jugendarbeit eingesetzter Kaplan hat eine ungenannte, aber grosse Zahl von Kindern vergewaltigt. Es kam heraus, als er bereits in die Pfarrei St. Quirin in München versetzt worden war. Nach Auspruch einer Bewährungsstrafe (Bewährungsstrafe!) und ohne die Gemeinde über seine Taten zu informieren, liess man ihn in sein Heimatland zurückkehren. Was er dort seitdem mit den Kindern macht, darüber gibt es keine Informationen.

Stopp-Schild

Interessant: Während normale Kinder-Vergewaltiger, so wie auch normale Vergewaltiger, Strafen von Jahren von Gefängnis zu erwarten haben, sind katholische Priester und Mönche selbstverständlich weniger zu bestrafen. Eine nette, kleine Bewährungsstrafe tut es für sie.

Man sehe sich nur an, von was wir sprechen. Vor kurzem hat Präsident Obama ausdrücklich die Todestrafe für Vergewaltiger von Kindern gefordert, die das Oberste Bundesgericht abgelehnt hatte. Dort wird nun fast immer zu lebenslänglich verurteilt, ohne die Möglichkeit einer Freilassung. Katholische Priester und Mönche dagegen erhalten Bewährungsstrafen.

Und jetzt zum Klartext. Wer Klartext nicht liebt, kann hier aufhören zu lesen.

Zunächst: In diesem Artikel wird ausdrücklich nicht der Begriff „sexueller Missbrauch“ verwendet (außer in Zitaten), denn er suggeriert, es könne einen „sexuellen Gebrauch“ geben. Jegliche sexuelle Handlungen von Erwachsenen an, mit oder vor Kindern (bis zu 12 –jährige) sind Vergewaltigungen! Auch sexuelle Handlungen mit abhängigen Jugendlichen (bis 18) durch Erwachsene sind Vergewaltigungen.

Die katholische Kirche versucht die Taten ihrer Würdenträger zu relativieren, indem sie ausdrücklich das Wort Vergewaltigungen vermeidet. Sie spricht lieber von "sexuellen Belästigungen". Die gibt es aber nicht im Strafgesetzbuch. Wer sich an Kindern vergeht, begeht Vergewaltigung! Dabei braucht er keine körperliche Gewalt einsetzen, auch keine Pistole an die Stirn halten. Es reicht, dass ihm diese Kinder ausgeliefert sind, dass sie ihn nicht an seinen Taten hindern können, weil sie völlig von ihm abhängig sind. Meistens wissen sie auch genau: Auch wenn sie zu irgendjemand gehen und die Taten berichten, werden am Ende sie und nicht der Täter bestraft, denn die Institutionen halten zusammen wie Pech undSchwefel.

Um nun zu den Einzelheiten zu kommen (hier handelt es sich um Auszüge aus schriftliche Notizen eines Psychiaters, der mit Opfern von Vergewaltigungen im Kindesalter gearbeitet hat.):

Das Ganze beginnt meist mit Streicheln. Streicheln am Rücken, im Gesicht, was noch nicht als Vergewaltigung gelten kann, auch wenn die Opfer es meist als unangenehm empfinden.

Dann kommen Umarmungen, die ebenfalls noch nicht kriminell sind, solange sie kurzzeitig sind.

Danach geht es aber über zu längerdauernden Umarmungen, eigentlich mehr ein "An-sich-drücken", meistens verbunden mit leichten Bewegungen, die eindeutig dazu dienen, den Phallus des Vergewaltigers zu stimulieren.
Die Opfer berichten übereinstimmend von diesen heftigen "An-sich-Drücken", wobei sie fast immer den harten "Stengel" an ihrem Körper spüren, der an ihnen gerieben wird. Der Vergewaltiger geilt sich mit Reibbewegungen seines Geschlechtsteils an ihrem Körper hoch: Vergewaltigung!

Wenn dies wiederholt geschieht, kann es bereits zu schweren psychischen Störungen bei den Opfern führen, auch wenn hierbei noch beide vollständig angezogen sind.

Der nächste Schritt - und kaum einer der Vergewaltiger geht nicht so weit - ist das "Aneinander-Drücken" ohne oder fast ohne Kleidung. Unter irgendeinem Vorwand wird die Kleidung abgelegt (Strip-Poker oder andere Spiele, bei denen jeweils der Verlierer ein Kleidungsstück abzulegen hat, sind beliebt.) In vielen Fällen wird das (fast) nackte Kind auch fotografiert. Dies ist im Zusammenhang ebenfalls ein Teil der Vergewaltigung, auch wenn ein Foto eines nackten Kindes natürlich nicht an sich verbrecherisch ist.

Dann: Der Vergewaltiger setzt (fast) nackt das (fast) nackte Kind auf seinen Schoss (dabei gibt es die Version mit dem Gesicht abgewandt oder mit dem Gesicht zum Vergewaltiger).

Viele der Opfer berichten, wie sie den Kontakt der nackten Körper, Bauch gegen Bauch, als extrem angenehm empfanden. Dadurch ergibt sich die Ambivalenz der Vergewaltigung, wenn sie auch noch mit angenehmen Gefühlen verbunden ist. Dies ist ein wesentlicher Grund für Schuldgefühe des Opfers, weil es die angenehmen Gefühle als seinen eigenen Beitrag zur Tat ansieht.

Jüngere Buben, die noch keine Erektion bekommen, werden dabei oft mit dem Gesicht abgewandt gesetzt (einer der Betroffenen erzählt: "Der erste Kontakt, den ich mit Sex hatte, war der Pater, der auf meinen Rücken kam.", ältere, also mit 11, 12, 13 oder 14 Jahren häufiger mit dem Gesicht zum Vergewaltiger, der sie nicht nur gegen seinen Bauch drückt, der sich nicht nur an ihrem Körper abreibt, sondern auch den Jungen zur Erektion und eventuell auch zum Orgasmus zu bringen versucht oder bringt.

Das ergibt für den Jungen dann noch mehr Probleme: Das schöne Gefühl des Orgasmus mitten in der Situation des "Gebraucht-werdens" verwirrt vollkommen. Es gibt dann auch Jungen, die freiwillig immer wieder zu ihrem Vergewaltiger kommen, um erneut den Orgasmus (oder auch nur das angenehme Gefühl am Bauch) zu erleben. Damit ist dann eine schwere Komponente der scheinbaren Schuld des Opfers gegeben: Alle Voraussetzungen für einen eventuellen späteren Selbstmord sind zusammen gekommen.

Eine andere Version dieser Vergewaltigungen ist - und darauf haben sich manche der Vergewaltiger spezialisiert - das Heranführen der Hand des Opfers an das Geschlechtsteil des Vergewaltigers und das Veranlassen der Masturbation durch das Opfer bis zum Höhepunkt. Dabei gibt es auch die Version, dass der Vergewaltiger gleichzeitig auch das Geschlechtsteil des Opfers stimuliert.

Dies ist in manchen Fällen eine so leicht durchzuführende Form der Vergewaltigung, dass sie bis zum Extrem ausgenutzt werden kann. So gab es in Internaten Vergewaltiger, die alle zwei oder drei Stunden einen ihrer "Schützlinge" zu sich beorderten, mit ihm an einen stillen Ort (oft eine Kabine im Männer-Klo) gingen und ihn unter die Soutane und in die Unterhose fassen liess. Ein Opfer berichtete, einer der Täter hätte sich an einem Tag acht mal so masturbieren lassen.

Danach, speziell, wenn man in einer extrem privilegierten Position gegenüber dem Kind ist, wie in Internaten, gibt es kein Halten mehr: Die Jungen müssen die Phallen bis zum Orgasmus lutschen und reiben und werden eventuell auch im Hintern penetriert, was dann noch mehr psychische Probleme verursacht.

Doch auch ohne das handelt es sich bereits um Vergewaltigung (wie gesagt, es gibt nicht so etwas wie "sexuelle Belästigung" von Kindern oder von abhängigen Jugendlichen).

Darum noch einmal: Jegliche sexuelle Handlung von Erwachsenen an, vor oder mit einem Kind (bis zu 12 Jahren) ist Vergewaltigung. Das gleiche gilt für sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit abängigen Jugendlichen (bis zu 18 Jahren).


Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel (13.3. 2010)

Wie die katholische Kirche nun verzweifelt versucht, die Aufmerksamkeit von ihr als Institution und ihrem Verhältnis zur Sexualität abzulenken, wird aus einer absurden Stellungnahme des zuständigen Chefs der Glaubenskongregation des Vatikan deutlich, hier:

"Die Glaubenskongregation der katholischen Kirche hat, so erklärte Promotor Iustitiae Charles J. Scicluna, seit 2001 Anzeigen über etwa 3.000 Fälle von Diözesan- und Ordenspriestern wegen sexuellen Missbrauchs erhalten. Sie würden 50 Jahre zurückreichen und vor allem aus den USA stammen, als es 2003 und 2004 zu einer Welle von Klagen gekommen sei. Das könnte sich nun freilich in Deutschland, Österreich und der Schweiz wiederholen. Scicluna präzisierte:

"Wir können sagen, dass es sich grosso modo in sechzig Prozent dieser Fälle vor allem um Akte von Ephebophilie handelt, das heißt: Akte, die mit dem sexuellen Hingezogensein zu Heranwachsenden desselben Geschlechts zusammenhängen. Weitere dreißig Prozent beziehen sich auf heterosexuelle Beziehungen, und zehn Prozent sind tatsächlich Akte der Pädophilie, also bestimmt durch das sexuelle Hingezogensein zu Kindern im vorpubertären Alter. Die Fälle von Priestern, die der Pädophilie im strengen Sinn des Wortes beschuldigt werden, sind also etwa dreihundert binnen neun Jahren. Das sind – um Gottes willen! – immer noch zu viele Fälle, aber man sollte doch anerkennen, das das Phänomen nicht so verbreitet ist, wie einige glauben machen wollen."
Charles J. Scicluna"

Das ist wirklich nicht zu glauben. Zunächst zählt dieser Herr Promotor nur die Fälle, die bis zu ihm gelangt sind - und zwar nur die nach 2001! Da sind bereits alle Fälle herausgefallen, bei denen es gelang, Opfer und eventuelle Zeugen einzuschüchtern und die Priester ohne Anklage davon kamen. Ebenso sind alle Fälle nicht drin, bei denen zwischen den Opfern und der Kirche streng geheime Schweigensabkommen mit Wiedergutmachungszahlungen abgeschlossen wurden. Kurz: 99% der Fälle kamen dort nach 2001 nicht an! Trotzdem waren es 3000 Fälle! Stimmt die Schätzung von 99% der Fälle, die nicht ankamen, so kommen wir auf eine Schätzung von 300 000 wirklichen Fällen bezogen auf diese neun Jahre!

Als nächstes sagt er, nur 10 Prozent seien wirkliche Pädophile, die mit noch nicht pubertierenden Kindern Sex gemacht haben. Das sind doch nur 10 % sagt er, also haben wir nur 300 Fälle - und das in neun Jahren!

Nur, es interessiert die Opfer mit 11, 12, 13 oder 14 Jahren, die bereits in der Pubertät waren, überhaupt nicht, ob ihr Vergewaltiger ein reinrassiger Pädophler war oder einfach nur ein sexuell so Ausgehungerter, dass er sich über Kinder und abhängige Jugedliche hermachte. Die psychischen Folgen für die Opfer sind genau die gleichen. Doch das scheint den Herrn Promotor nicht zu interessieren.

Diese Art von Stellungnahmen bringt genau das zum Ausdruck, was oben im Artikel gesagt wurde. Die Kirche hat nicht das geringste Problem mit Würdenträgern, die Kinder oder Jugendliche vergewaltigen Sie will nur nicht in schlechtem Licht in der Öffentlichkeit da stehen.

Donnerstag, 11. März 2010

Deutschland: Kein Zurück zu alten Export-Höhen

Handelsbilanzüberschuss fiel im Januar

Von Karl Weiss

Die Politiker glauben an die Rückkehr früherer Exportüberschüsse Deutschlands, doch die Realität macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Nach mehreren Monaten von geringen Anstiegen fiel der Exportüberschuss Deutschlands im Januar von 13,4 Milliarden Euro auf 8 Milliarden Euro. Damit ist fast der ganze Anstieg seit August schon wieder aufgebraucht. Die Ursache war ein Einbruch der Exporte von 69,2 Milliarden Euro im Dezember auf 63,9 Milliarden Euro – ein Minus von 6% in einem einzigen Monat.

Deutschland Exportvolumen 2007 bis Jan 2010 Veränderung Vorjahr bzw 2 Jahre zuvor
Diese Graphik wurde dem interessanten Internetportal (Internetadresse steht in der Graphik) von Jürgen Jahnke entnommen

Die geringfügigen Anstiege des Handelsbilanzüberschüsse seit August waren von der Regierung und den regierungshörigen Ökonomen als Anzeichen einer Erholung der deutschen Wirtschaft und einem Ende der Krise gewertet worden. In Wirklichkeit waren sie in Teilen von sinkenden Importen verursacht – und sinkende Importe sind nicht gerade ein Anzeichen einer prosperierenden Wirtschaft.

Sieht man sich die absolute Höhe der Exporte an, so erkennt man eine Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau mit kleinerem Auf und Ab seit Mitte vergangenen Jahres, also alles andere als einen Aufschwung. Die Vorkrisenzahlen sind weit weg und werden nach aller Voraussicht nie wieder erreicht werden.

Vergleicht man nämlich die Januarzahlen des Exports mit denen des Vorkrisenjanuar 2007, so ist ein Minus von 23,3% zu verzeichnen. Mit anderen Worten: Der deutsche Export krebst seit der Krise in etwa auf 75% seiner vorherigen Höhe dahin. Das ist keineswegs wenig, aber es reicht nicht mehr aus, als Lokomotive die deutsche Wirtschaft anzutreiben. Eigentlich müsste nun eine Inlands-Konsum-Komponente entwickelt werden, um irgendwann doch noch einmal ein Wachstum zu bekommen, aber da dürften wir bei unserem Politiker-Pack lange warten.

Veröffentlicht am 11. März 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 10. März 2010

Absolute Armut in den USA explodiert!

US-Krise vertieft sich

Von Karl Weiss

Fast genau 39 Millionen Menschen in den USA erhalten Lebensmittelmarken (Stand Dezember 2009), was nur bei nachgewiesener absoluter Armut möglich ist. Und dabei erhalten noch bei weitem nicht alle absolut Arme diese Hilfe im Wert von 134,55 Dollar im Monat, also ziemlich genau 100 Euro. Gegenüber dem Dezember 2008 sind das über 7 Millionen mehr. Diese Zahlen steigen seit Beginn der Krise unaufhaltsam an. Auch wenn die US-Börsen boomen, die Krise in den USA vertieft sich weiter!

Dollar Gasp

Unter absolut arm versteht man Leute, die nach internationaler Sicht als arm gelten, also nicht nur jene, die im Verhältnis zur gesamten Bevölkerung jenes Landes arm sind. Nimmt man alle Armen in den USA und zählt noch die Gefängnisinsassen dazu, kommt man locker auf 50 Millionen (Schätzung), also ein ganzes armes Spanien innerhalb des reichsten Landes der Welt.

Viele der anderen Armen in den USA, die also nicht einmal jene 100 Euro in Lebensmittelmarken erhalten, sind solche, die keine Kinder haben (Lebensmittelmarken erhalten Leute ohne Kinder nur für drei Monate) und jene Millionen und Abermillionen von Amerikanern, die es aufgegeben haben, noch einen Job zu suchen, nachdem so gute wie keine wirklich angeboten werden.

Stellt man die jetzige Zahl von 39 Millionen Lebensmittelmarkenbeziehern der von 1969 gegenüber, 2,8 Millionen, so wird deutlich, es handelt sich um ein anderes Land als damals. Und das reichste Land der Welt hat nicht die geringsten Schwierigkeiten mit diesen Zahlen. Weder Obama noch andere Politiker sagen, was gesagt werden müsste: Dies ist eine Scham für die Vereinigten Staaten von Amerika!

Der extrem schnelle und scheinbar unaufhaltsame Anstieg belegt aber auch, dass weiterhin in der Größenordnung von 700.000 Amerikanern pro Monat arbeitslos werden. Damit wird auch klar, es gibt zwei Amerikas: Jenes, das nur an Finanzwerten interessiert ist und glücklich und prosper ist, und jenes, das an die wirklichen, realen Werte gebunden ist und in der tiefsten Krise seit Menschengedenken verharrt.

Die Medien berichten anscheinend nur über das erste. Denken Sie einmal nach, wann ihnen welche Zeitung, welcher Fernsehsender oder welches Magazin zuletzt einen Einblick in das andere, das zweite Amerika gegeben hat.

Interessant auch: Während die Finanztitel völlig ohne Restriktionen bleiben, obwohl alle vernünftigen Beobachter solche Restriktionen für unabdingbar halten, ist die Verwendung von Essensmarken in den USA extrem restriktiv: Sie gelten weder für Fast-Food-Lokale oder andere Restaurants, weder für Medikamente noch für Kosmetikprodukte, weder für alkoholische Getränke noch für Tabakwaren, weder für Tiernahrung noch für Vitamine.

Und unsere Poitiker, allen voran unser Lieblingspolitiker Westerwelle, halten uns weiterhin die USA als großes Vorbild vor. Sie wollen anscheinend so weitermachen, bis wir endlich auch in Deutschland sagen können: Ich schäme mich, ein Bürger dieses Landes zu sein.


Veröffentlicht am 10. März 2010 in der Berliner Umschau

Dienstag, 9. März 2010

Geschieht es ihnen Recht?

Politiker sind nichts als Marionetten

Von Karl Weiss

Die ‚Bunte‘-‚Stern‘-Affäre weitet sich aus und lässt uns ein wenig ahnen, wie unter den Mächtigen in Politik und Medien miteinander umgegangen wird: Hauen und Stechen! Wer sich eine Blösse gibt, hat Pech gehabt und wird erbarmungslos der Öffentlichkeit zum Frass vorgeworfen. Dies bestätigt die These des Bürger-Journalisten: Der Kapitalismus geht bereits in die kapitalistische Barbarei über.

Gab es selbst in den Haifischbecken der Parteien und der im heftigen Konkurrenzkampf stehenden Medien noch bestimmte Reste von Anstand, von Diskretion und von Ehrlichkeit, so sind diese Reste nun fast völlig verschwunden. In diesen Bereichen, wo sich der heftige Kampf um Geld und Macht unter nicht dem Monopolkapital angehörenden Schichten (u.a. um den Aufstieg in die herrschende Klasse) abspielt, wird das Klima immer eisiger. Wie in einem Wolfsrudel: Wer veletzt ist, über den fällt das Rudel her.

Es zeigten sich schon deutliche Anzeichen dieser Entwicklung beim Tod des damaligen Ministerpräsidenten Barschel. Reporter des Stern drangen in sein Hotelzimmer ein und fanden die Leiche. Der Stern stellte das Foto der Leiche in der Badewanne auf seine Titelseite. Insofern ist der Stern, der heute den Saubermann spielt und die „Bunte“ anklagt, nicht einen Deut besser als das bekannte Skandalblatt.

Jetzt wurde bekannt: Die „Bunte“ liess über eine Agentur, die wohl nicht anders als Detektei bezeichnet werden kann, nicht nur Seehofer, Müntefering und Lafontaine bespitzeln, sondern auch weitere Politiker. Bekannt wurden bisher Tiefensee, Oettinger, Verheugen und Wulff. Hallo, liebe Politiker, seid ihr sicher, ihr werdet nicht in diesem Moment in eurem Privatleben bespitzelt?

Sollten wir nun sagen: „Geschieht ihnen Recht“? Sie haben uns in Hartz IV gesteckt, sie haben uns 1-Euro-Jobs machen lassen, sie haben uns die Mehrwertsteuern erhöht, sie schicken unsere Söhne nach Afghanistan und lassen dort reihenweise Massaker an Zivilisten begehen, sie haben riesige Niedriglohnbereiche aufgemacht und weigern sich, einen Mindestlohn festzulegen, wie in fast allen zivilisierten Ländern, sie haben die Rente auf 67 erhöht, sie lassen den Banken Hunderte von Milliarden zukommen und sagen uns, die Kassen seinen leer, sie spitzeln hinter uns her mit Bundestrojaner und Vorratsdatenspeicherung, sollen wir da nicht sagen: „Geschieht Ihnen Recht“?

Nein! Nicht weil sie uns so sympathisch wären, nicht weil sie es nicht verdient hätten, auch selbst zu spüren, wie es ist, bespitzelt zu werden, sondern weil dies ja nur die Anzeichen der allgemein Degeneration am Ende der kapitalistischen Ära sind, unser Lieblingspolitiker Westerwelle würde sagen „spätrömische Dekadenz“, und weil noch weit mehr auf uns zukommt. Man stelle sich vor, bekannte Politiker sind sich schon nicht mehr sicher, in Ruhe ein Liebesleben vor, nach oder ausserhalb der Ehe führen zu können, was da auf uns kleine Leute zukommt!

Westerwelle

Darum müssen wir dafür eintreten, dass selbst das Politiker-Pack ein Recht auf ein Privatleben, auf Rücksicht und Diskretion hat.

Pfau

Die bürgerliche Politiker-Brut, genau so wie die Verantwortlichen in den Medien, sind nichts anderes als eine Haufen Marionetten an der langen Schnur der Monopole in Industrie und Finanzwelt. Sie haben sich verkauft und viele von ihnen werden dafür fürstlich bezahlt.

Interessant auch: Der einzige Politiker unter den Bespitzelten, die bisher bekannt wurden, der nicht an den oben genannten Verbrechen gegen das deutsche Volk beteiligt war, Lafontaine, bekam eine „Sonderbehandlung“. Als man einfach nichts finden konnte und das Gerücht, er habe was mit Sarah Wagenknecht, sich als ein solches herausstellte – er hatte nichts mit ihr, stattdessen hatte er Krebs -, sprang die „Bunte“ ab, aber man wollte immer noch Geld mit ihm verdienen. Man bot einem seiner CDU-Konkurrenten im Saarland an, für ihn etwas im Privatleben von Lafontaine zu finden (gegen gute Bezahlung natürlich), aber der hatte doch noch etwas Anstand und wollte nicht auf diese Art die Landtagswahlen gewinnen – oder er fand es einfach zu teuer. Doch es war für dieses Gesocks einfach nicht auszuhalten, dass ausgerechnet gegen die verhasste Person nichts zu finden war. So steckte man dem ‚Spiegel‘, er habe was mit der Wagenknecht und der, Drecksblatt wie er ist, veröffentlichte wirklich das falsche Gerücht.

Kapitalismus vom Feinsten! Man kann gar nicht so viel essen....


Veröffentlicht am 9. März 2010 in der Berliner Umschau

Montag, 8. März 2010

Großbritannien als nächster PIGS-Staat?

Das Vereinigte Königreich in der Bredouille

Von Karl Weiss

Alles spricht von Griechenland, spricht von den PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien), die als Kandidaten für einen Staatsbankrott gelten. Allerdings hat das Vereinigte Königreich, meist einfach England genannt, deutlich schlechtere Daten als alle diese Länder des Euro-Verbundes. Die Briten verbuchten im Januar erstmals mehr Ausgaben als Einnahmen. Die Netto-Verschuldung (und das sind getürkte Zahlen) stieg auf fast genau 60% des Brutto-Inlandsproduktes (BIP).

Die wirkliche Zahl ist höher. Das Pfund sieht sich bereits Wetten gegen seinen Bestand gegenüber.

Northern Rock Pleite

Die Quote der Verschuldung steig in den vergangenen 12 Monaten um fast 10%. Das Haushaltsdefizit ist mit 13% eines der höchsten weltweit. Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für den Schuldenstand im Jahr 2020, wenn nicht rücksichtslos gespart wird, kommen auf Schulden Großbritanniens von 200% des BIP in jenem Jahr. Das wird nur noch von Japan getoppt, mit 300 %.

Die Ökonomen verlangen nun drastische Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Die Labour-Regierung hat die auch schon geplant, aber es stehen Wahlen an.

Der IWF hat errechnet, dass Großbritannien in den kommenden Jahren Sparmassnahmen im Umfang von 13 % des BIP auf den Weg bringen müsste. Bei Griechenland sind es nur 9%. Die politische Durchsetzbarkeit ist fraglich.

Allerdings hat das Vereinigte Königreich noch einen Trumpf in der Hand: Die Abwertung des Pfundes. Etwas, was die einzelnen Länder der Euro-Zone nicht mehr haben. Auch wenn eine Abwertung des Euro als Ganzes immerhin denkbar wäre, würde dies das Ansehen dieser Währung wohl unwiderruflich erschüttern. Und für England gilt: Eine Abwertung löst zwar auf der einen Seite Probleme, bringt aber neue auf der anderen Seite. Ein wesentlicher Teil des Inlandskonsums in England beruht auf Importen, die dann teurer werden.

Ja, man muss sich das einmal ganz nüchtern ansehen: Gehen wir einmal die grössten Volkswirtschaften der Erde durch, eine nach der anderen:

Die USA, die bei weitem größte Volkswirtschaft der Welt (wenn man die Wechselkurse als Vergleichs-Grundlage nimmt), sind praktisch unausweichlich zum Staatsbankrott verurteilt. Japan als (nach diesen Kriterien) zweitgrößte Wirtschaftsmacht müsste mit seinem Yen und der größten Ansammlung von Dollar-Bonds eigentlich noch eher baden gehen, wird aber spätestens beim Crash des Dollar mitgerissen.

Als nächstgrößte Macht nach diesen Kriterien wäre Deutschland dran, das (noch) keineswegs überschuldet ist wie seine beiden größeren Partner. Das Problem besteht darin, dass Deutschland keinen Weg aus der Krise hat, weil seine Politiker einen solchen nur über den Export sehen, aber die anderen Länder darauf nicht mehr so einfach eingehen werden.

In Deutschland ist das andere Problem die Anbindung an den Euro, in dem viele Crash-Kandidaten versammelt sind. Lässt man die VR China mal außen vor, die als nächstes Land drankämen, kommt dann schon England: Schwerste Verschuldungsprobleme, das Pfund ist akut gefährdet.

Danach kommt Frankreich, ebenfalls auf Gedeih und Verderb an den Euro gebunden. Als nächstes dann Italien, eines jener Länder, die das Problem des Euro darstellen.

Hat irgend jemand eine Idee, wie nach all dem eine Weltwirtschaft noch funktionieren soll? Nach aller ernsthaften Voraussicht ist das kapitalistische System am Ende.

Bereiten wir uns auf die Revolution vor!


Veröffentlicht am 8. März 2010 in der Berliner Umschau

Sonntag, 7. März 2010

Wo Roland Koch drauf steht...

...ist auch Roland Koch drin


Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung


Vier hessische Steuerfahnder wurden der hessischen Landesregierung zu eifrig. Sie sollen dem CDU-Schwarzgeld-Skandal nachgegangen sein und erhielten dann Anweisung, sich mit diesem Problem nicht mehr zu beschäftigen. Sie weigerten sich, wurden dann gemobbt, versetzt und schließlich mit Gefälligkeits-Gutachten eines Nervenarztes für verrückt erklärt und pensioniert. Man sollte nicht glauben, dass solche Machenschaften bei einer deutschen Landesregierung vorkommen. Aber wo Roland Koch darauf steht, ist auch Roland Koch drin.

Roland Koch

Die vier wollten das aber nicht auf sich beruhen lassen und begannen zu klagen. Bereits im November erzielten sie einen ersten Sieg. Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Giessen entschied, der CDU-Gutachter Thomas H. habe die Expertisen, die jene vier für verrückt erklärten, „nicht entsprechend den fachlichen Anforderungen erstellt“, „vorsätzlich“ fachliche Standards verletzt und sei voreingenommen gewesen. Das Gericht erteilte ihm einen Verweis und verurteilte ihn zu einer Geldbusse von 12 000 Euro.

Der Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth nennt das Vorgehen der hessischen CDU-Regierung einen „Skandal“. Er war in einer Jury, die den „Whistleblower-Preis“ für 2009 vergab – u.a. an diese vier Beamten. Er erklärte, das ärztliche Gefälligkeits-Gutachten sei ein Beleg für „flagrante Verletzungen der ärztlichen Sorgfaltspflicht“ und „eine Schande für den Berufsstand.“

Der hessische Gesundheitsminister (rein zufällig auch von der CDU – es geht doch nichts über wirklich gute Christen) erklärte, die Frage einer neuen gesundheitlichen Begutachtung und einer eventuellen Wiedereinsetzung ins Amt werde erst aktuell, wenn das entsprechende Urteil rechtskräftig werde – das kann dauern.

Die „Süddeutsche“ schrieb dazu:

„Die aufmüpfigen vier Beamten wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten versetzt, es gab disziplinarische Ermittlungen, und am Ende wurde die Abteilung zerschlagen. Sie wollten zurück ins Amt. Doch dann kam Dr. H. und stellte fest, dass eine Rückkehr an die Arbeitsstätte "nicht denkbar" sei. Einige der Steuerbeamten sind über all dem Ärger ernsthaft krank geworden.“

Die Opposition fordert bereits den Rücktritt des hessischen Finanzministers (warum eigentlich nicht den des verantwortlichen Ministerpräsidenten?), aber nun hat die hessische CDU reagiert: Sie greift die krank Gemobbten an. Stellvertretend findet Frau Anne Schauer, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, das Verhalten der Geschassten „etwas sonderbar“. Sie beklagt nicht, dass Leute krank gemobbt wurden, sondern bemängelt, dass sich die Kranken haben krankschreiben lassen.

Auch die Oberfinanzdirektion Frankfurt agiert als Stimme ihres Herren: Es sei das Ansehen einer ordnungsgemäß arbeitenden Verwaltung in unerhörter Weise beschädigt worden und durch einen Vergleich mit totalitären Staaten „in ungeheuerlicher Art verleumdet worden“.

Warum man nicht einfach aufhört, sich wie in totalitären Staaten zu verhalten, wird aber nicht erklärt. Immerhin ist das „für-verrückt-erklären-lassen“ eine der infamsten bekannten Methoden von blutigen Diktaturen.

Auch über Presse und Fernsehen kann man in dieser Affäre lernen. Es wird überhaupt nur rudimentär berichtet und der eigentlich Verantwortliche Roland Koch wird völlig aus der Schusslinie genommen. Bis heute hat keine Zeitung und kein Fernsehsender durchgesetzt, dass er selbst Stellung nimmt. Er wird sichtlich geschont.

Die Opposition setzte inzwischen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu diesem Fall durch. Aber die Regierungskoalition hat schon klargemacht: man wird mit seiner Stimmenmehrheit jegliche ernsthafte Untersuchung und jegliche Verurteilung dieser Praktiken verhindern. Interessant, wie die FDP, die sich früher gerne als „Bewahrer des Rechtsstaates“ aufspielte, hier beim ‚verrückt erklären lassen’ Missliebiger mitspielt.

Die gegen ihren Willen Pensionierten bereiten unterdessen Klagen gegen das Land Hessen vor, wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld. Mal sehen, ob es Koch gelingt, das auch noch auszusitzen.

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