China hat ökonomisch zu den USA aufgeschlossen
Von Karl Weiss
Nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP hat das Institut für ökonomische Studien ‘IHS Global Insight‘ errechnet: China hat nach der Summe aller produzierten Güter die USA im Jahr 2010 bereits überholt. Die USA hatten mit einer Summe von 1,952 Trillionen (bei uns heisst das Billionen) Dollar 19,4% der weltweit produzierten Güter hergestellt, während China mit 1,995 Billionen Dollar einen Anteil von 19,8% erreichte.
Die Gründe sind das stärkere Wirtschaftswachstum in China gegenüber dem der USA und der gestiegene Kurs des Yuan im Verhältnis zum Dollar.
Es hat also keinen Sinn, wegen dieser Rechnung nun gleich das Ende der Supermacht USA zu erklären, denn im Grunde handelt es sich um einen Wechselkurs-Änderungs-Effekt. Im Kern liegen also beide gleichauf.
Zum Ende des Jahres hatte die chinesische Regierung eine relative Aufwertung des Yuan gegen den Dollar zugelassen, ein Schritt, den die Amerikaner schon lange gefordert hatten. Hätte das Institut mit den Wechselkursen von Ende November gerechnet und nicht mit denen Ende Dezember, wären die USA weiterhin vorne.
Doch anderersits kann man nicht mehr übersehen, dass sich die Situation der Kräfteverhältnisse in der Welt verändert. Die Zeit der USA als alleiniger Supermacht geht ihrem Ende entgegen – sie hat nur etwa 20 Jahre gedauert. China ist in mancher Hinsicht schon heute eine Supermacht, hat andererseits aber auf vielen Gebieten noch gegen die USA aufzuholen.
Die Chinesen pochen nun auch nicht triumphierend auf irgenwelchen Rechten, sondern ziehen es vor, sich leise anzuschleichen und dann heimlich zu überholen. Sie haben keine offiziellen Feiern der grössten Wirtschaftsmacht der Erde nötig. Sie wissen auch so, sie sind auf der Überholspur und die USA haben nichts mehr zuzulegen.
Wir werden uns für einige Zeit auf das Nebeneinander zweier Supermächte einstellen müssen. Es kann allerdings ein, dass diese Situation nur vorübergehend ist, denn die wirtschaftliche Situation der USA ist „unschön“ (siehe diesen Artikel: „USA unschön“ http://karlweiss.twoday.net/stories/14663225/ ). Es ist nicht auszuschliessen, dass bis zum Ende dieses Jahres (oder vielleicht des folgenden) die USA in einen Crash steuern, der ihrem Supermacht-Status endgültig ein Ende bereitet.
Dann könnten wir uns unversehens mit einer neuen Situation konfrontiert sehen: Wiederum nur eine Supermacht, aber diesmal eine andere: China.
Niemand mache sich Illusionen, jene Situation könnte weniger schlimm sein als die Zeit unter der Vorherrschaft der USA. China ist längst ein kapitalistischer, imperialistischer Staat und wird sein Szepter nicht weniger fürchterlich über der Erde schwingen als es jetzt die USA tun (schlimmer als die USA ist ja aber auch nicht möglich).
Andererseits weist die AFP-Meldung aber auch auf einen grundlegenden Unterschied hin: Während die USA etwa 300 Millionen Menschen zählen und die obige Gesamtmenge der produzierten Güter von etwa 11,5 Millionen Arbeitern geschaffen wurde, hat China glatt das achtfache an Menschen (deutlich über 2 Milliarden) und seine Produktionsleistung wird durch etwa 100 Millionen arbeitende Menschen erzeugt.
Am wichtigsten aber ist die Sicht auf beide: Zusammen erzeugen sie fast 40% der weltweit produzierten Güter. Für alle die anderen Länder (annähernd 180) bleiben nur zusammen 60%. Das ist das wesentliche Ungleichgewicht und das ist der eigentlich kritische Punkt. Die Schwäche aller anderen Länder macht viel der Stärke der Supermächte aus.
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