Wohin die Gelder 'Aufbau Ost' verschwanden
Von Karl Weiss
Artikel veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 8. August 2006
Als letztes Jahr die 15 Jahre Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der in den letzten Zügen liegenden DDR gefeiert wurde, hätte jemand mit feinem Gehör auch die Sektkorken in den Vorstandsetagen einiger deutscher Großbanken knallen hören können, denn es war 15 Jahre her, daß sie eines der größten Geschäfte aller Zeiten gemacht hatten: 200 Milliarden Euro mit einem Streich.
Es hat sicherlich auch noch andere Riesengeschäfte gegeben, aber dieses war mit Sicherheit eines der größten. Die DDR-Banken, die ja als Staatsbanken in einer Planwirtschaft völlig andere Aufgaben zu erfüllen hatten als die BRD-Banken, wurden schlicht und einfach für einen Appel und ein Ei an die westdeutschen Banken verhökert. Soweit Schulden der Ostbetriebe gegenüber diesen Banken vorhanden waren, trat der westdeutsche Steuerzahler als Bürge auf.
Große Nutznießer waren unter anderem die Dresdner Bank und die Deutsche Bank, die beiden größten Privaten. Aber auch andere Banken wurden bedacht: Die Berliner Bank bekam die Berliner Stadtbank, die aus der DDR-Staatsbank hervorgegangen war, die Genossenschaftsbank West die Genossenschaftsbank Ost und die Westdeutsche Landesbank Girozentrale die Deutsche Außenhandelsbank.
Der Staat DDR hatte ja den Betrieben Gelder für ihre Investitionen zukommen lassen müssen. Das wurde formal in Form von Krediten durch die (staatseigenen) Banken getan, waren aber in Wirklichkeit Subventionen. Die DDR-Staats-Betriebe (also fast alle) mußten ja ihre Gewinne vollständig an den Staat abführen, konnten nichts in Rücklagen legen, um etwa Investitionen durchzuführen. Als nun diese Staatsbanken abgewickelt wurden, gingen diese scheinbaren Kredite als Forderungen an die DDR-Betriebe mit an die Westbanken über.
Ganz plötzlich hatten alle DDR-Staatsbetriebe riesige Schulden. Das war ja im DDR-System so nicht vorgesehen. Der Begriff Kredite für diese Gelder war fehl am Platz. Sie mußten nicht zurückgezahlt werden. Statt dessen wurden ja die gesamten Gewinne abgeführt.
Dadurch waren fast alle vorherigen DDR-Staatsbetriebe praktisch pleite. Man hatte ja keine Rücklagen, weil die Gewinne abgeführt worden waren. Plötzlich mußte man aber hohe Summen an Westbanken zurückzahlen und hohe Zinsen und Zinseszinsen begleichen, weil der Begriff Kredite so genommen worden war, wie man ihn im Westen verstand.
Man sehe sich nur einmal an, was für Geschäfte da getätigt wurden: Die Westdeutsche Landesbank Girozentrale bekam die Deutsche Außenhandelsbank für schlappe 430 Millionen Mark. Ein Schnäppchen! Mit ihr kamen nämlich Kreditforderungen an Ost-Betriebe in Höhe von etwa 7 Milliarden Mark. Das ist mehr als 16 mal so viel.
Die Berliner Bank mußte für die Berliner Stadtbank 49 Millionen Mark bezahlen. Doch der Kreditberg, der als „Bonus“ mitkam, betrug 11,5 Milliarden Mark, das ist etwa das 235-fache des Kaufpreises.
Die Genossenschaftsbank West hatte 120 Millionen für die Genossenschaftsbank Ost zu berappen, doch gleichzeitig erhielt sie Verbindlichkeiten von 15,5 Milliarden Mark, also etwa 129 mal so viel. Das sind Geschäfte, bei denen selbst erfolgsgewöhnten Bankern ein Leuchten in die Augen steigt.
Auf diese Art und Weise wurden insgesamt an die 200 Milliarden Euro (nicht Mark!) an die Banken vergeben.
Nun, mögen Sie sagen, da war ja auch ein großes Risiko drin, denn die Ostbetreieb konnten das alles ja nicht zahlen. Genau. Das wußte natürlich auch der damalige Staatssekretär im Finanzministerium, der für die Währungsunion zuständig war. Also sagte man sich, da müssen wir als Bund mit einer Kreditgarantie bürgen, denn sonst gehen ja die armen Banken pleite, wenn sie ihre Kredite nicht zurückgezahlt bekommen.
Merken Sie, worauf es hinausläuft? Genau!
Die Ostfirmen sind fast alle Pleite gegangen. Ist ja logisch, wenn sie zuerst alle Gewinne immer abführen mußten, damit Honecker seinen aufwendigen Lebensstil leben konnte und dann als Kredite zurückzahlen mußten, was man ihnen für Investitionen gegeben hatte.
Uns wurde erzählt, die Firmen im Osten seien marode bis zum geht nicht mehr gewesen. Jetzt wissen wir, was wirklich geschah. Wer am Ende alle diese „Schulden“an die Banken zahlen mußte, waren wir, der deutsche Steuerzahler.
Das alles geht übrigens aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes hervor. Es gab schon damals auch Politiker, die vor einem solchen Vorgehen warnten, z.B. der CDU-Mann Rupert Scholz. Danach hat man nicht mehr viel von ihm gehört. Na eben. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat vergeblich gewarnt.
Während man uns weismachte, die Wiedervereinigung sei so teuer und wir müßten alle zum ‚Aufbau Ost’ beitragen, war es in Wirklichkeit der Profit-Aufbau von West-Banken, wohin wesentliche Teile der Gelder flossen.
Ach so, es wurde noch nicht gesagt, wer denn der Staatassekretär im Finanzministerium war, der hierfür und für die Währungsunion zuständig war. Sein Name war Horst Köhler. Kennen wir den Namen nicht irgendwoher? Richtig, das ist doch der Bundespräsident.
Nun weiß man, warum die Banken dafür sorgten, daß er zunächst Präsident des Internationalen Währungsfonds und später Bundespräsident wurde. Man muß sich schließlich für 200 Milliarden Euro dankbar zeigen.
Wenn Ihnen demnächst wieder erklärt wird, es sei keine Geld da und es müsse gespart werden, dann fragen Sie doch einmal nach den 200 Milliarden Euro, die aus unseren Steuergeldern den Banken in den Rachen geschoben wurden.
Link zum Originalartikel hier
Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/2499973/modTrackback