Neues - Londoner Anschläge, Teil 1

Terroristen vom 21. Juli gefaßt?

Von Elmar Getto

Hier nun der vierte Artikel von Elmar Getto zu den Londoner Anschlägen vom 7.Juli 2005, erschienen in "RBI-Aktuell" am 1. August 2005

Na endlich! Nach einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen der englischen Polizei tönt jetzt Freundengeheul durch die Zeilen der internationalen Mainstream-Medien: „Hurra, wir haben sie!“, „Ein Riesenerfolg für Scotland Yard“ oder, ein wenig sachlicher: „Vier mutmaßliche Bombenleger gefaßt.“ Einer, so jubiliert man, hätte sogar schon gestanden. Ebenso soll der mutmaßliche Hintermann der Anschläge vom 7.7.05 in Sambia festgenommen worden sein.

Tatsächlich wäre es ein gewaltiger Fortschritt, wenn man jetzt erstmals nach Terroranschlägen der angeblichen Al-Quaida in westlichen Ländern entsprechende Attentäter gefaßt hätte und in einem Gerichtsverfahren geklärt werden könnte, was wirklich geschehen ist und wer oder was die Al Quaida wirklich ist. Aber die Chancen sind so gut nicht.

Zunächst stellt sich heraus, wenn man das Kleingedruckte liest, daß die britische Polizei weder die Festnahme der Verdächtigen noch das Geständnis bisher offiziell verlautbart hat – es liegen lediglich Pressemeldungen unbekannten Ursprungs vor. Zum angeblichen Hintermann, der auf US-Befehl von Behörden in Sambia festgenommen wurde, bekommt man sogar die offizielle Auskunft von britischen Stellen, daß der dort Festgenommene nicht als Verdächtiger gelte.

US-Medien klagen in diesem Zusammenhang die britischen Behörden an, „zu streng nach rechtsstaatlichen Grundsätzen vorzugehen“. Damit wird weiterhin ins gleiche Horn der Kampagne geblasen, mit der die US-Mainstream-Medien versuchen, den US-Bürgern (und allen im Ausland natürlich auch) ins Gehirn zu hämmern, daß im Fall von „Terrorverdächtigen“ die bürgerlichen Rechte nicht gelten dürften, denn der Terror sei eine so gewaltige Herausforderung, daß diese Regeln eine Verhinderung solcher Taten unmöglich machten.

In der vorletzten Woche war in Londons U-Bahn ein brasilianischer Elektriker, der nichts mit irgendwelchen Terrorgruppen zu tun hatte, von der Polizei exekutiert worden, weil man ihn für einen Terrorverdächtigen hielt. In der versuchten Rechtfertigung dieses Mordes wurde das gleiche perverse Denkschema angewandt: Jeder „Terrorverdächtige“, unabhängig vom Grad des Verdachtes, habe keinerlei bürgerliche Rechte mehr. Er könne nach Belieben abgeschlachtet werden, denn er könnte ja einen Bombengürtel tragen.

Auch im Zusammenhang mit der Festnahme eines der Verdächtigen des mißlungenen (oder vorgetäuschten) Anschlags vom 21.7., Yasin Hassan Omar, in Birmingham am letzten Donnerstag, schlägt der Chef von Scotland Yard, Blair, wieder in die gleiche Kerbe: Die Verwendung der Elektroschock-Pistole bei dessen Festnahme sei „ein unglaubliches Risiko“ gewesen. Sie hätte einen eventuellen Bombengürtel zur Explosion bringen können. Obwohl nicht die geringsten Anzeichen vorliegen, daß die zwei Anschläge in London in Selbstmordabsicht durchgeführt wurden, wird jetzt bei jedem Terrorverdächtigen, sei der Verdacht noch so minimal oder zufällig, automatisch davon ausgegangen, er könne einen Bombengürtel Tag und Nacht mit sich herumtragen, weshalb er immer mit Kopfschüssen zu ‚erlegen’ sei und nicht festgenommen werden könne. Es kann kein Zweifel bestehen, daß dies Teil der Kampagne ist, mit der eine Terror-Hysterie geschaffen werden soll.

Noch gespenstischer wird diese Theorie, wenn man weiß, das die deutschen Behörden auch schon Unterstützer von Blockaden der Castor-Transporte als „Terrorverdächtige“ einstufen.

Im konkreten Fall bezogen sich die Vorwürfe der US-Medien auf den nach US-Angaben „Terrorverdächtigen“ Harun Raschid Aswat, einen 31-jährigen Briten indischer Herkunft. US-Stasi-Dienste hatten ihn in Südafrika ausgemacht, wo man aber nicht einfach auf US-Befehl festnimmt. Weder die US-Behörden noch die britischen konnten oder wollten einen Haftbefehl übermitteln, so wurde er nicht verhaftet. Erst in Sambia, wo man wohl US-Befehlen aufgeschlossener gegenübersteht, konnte er gefaßt werden. Nach US-Angaben hängt er mit den menschenverachtenden Anschlägen des 7.7. in London zusammen, wovon aber die britischen Behörden interessanterweise nichts wissen.

Bei allen drei faschistischen Anschlägen in westlichen Ländern, die der Al Quaida zugeschrieben wurden, denen des 11. September 2001 in den USA, denen des März 2004 in Madrid und jetzt denen des 7.7.05 in London, sind bisher in keinem Fall öffentliche Gerichtsverfahren durchgeführt worden, die der Öffentlichkeit Einblick in die Vorbereitung und die Vorgänge und die Existenz und das Funktionieren der angeblichen Organisation Al Quaida geben hätten können.

Von den 19 Verdächtigen des 11. September seien 17 in den Flugzeugen gewesen, nur zwei hätten überlebt und nur einen von ihnen konnte man ergreifen, den Saudi Binalshibh, der seitdem an ungenanntem Ort festgehalten wird und gegen den noch nicht einmal eine offizielle Anklage von Polizei und/oder Staatsanwalt vorliegt, geschweige denn ein Gerichtsverfahren auch nur ins Auge gefaßt wurde. Man hat offenbar seine Gründe.

Als zwei mutmaßliche Unterstützer der vermeintlichen Terrorzelle unter Atta, dem angeblichen Kopf der Anschläge des 11. September, in Hamburg gefaßt und vor Gericht gestellt wurden, stellte sich schnell heraus, daß die US-Behörden nicht bereit oder in der Lage waren, irgendwelche gerichtsverwertbaren Anhaltspunkte auch nur über die Beteiligung Attas an den Anschlägen dem Gericht zur Verfügung zu stellen, geschweige denn Beweise gegen die beiden Angeklagten Motassedegh und Mzoudi über ihre Verwicklung. Es war einer der größten Justizskandale der bundesrepublikanischen Geschichte, daß sich trotzdem ein Richter fand, der Motassedegh zunächst verurteilte. Erst als die Revision beim Bundesgerichtshof Erfolg hatte, schwenkte der Hamburger Justizapparat langsam wieder auf die Linie ein, daß nicht aufgrund von Zeitungsmeldungen, sondern nur aufgrund vor Gericht vorgelegten Beweisen verurteilt werden kann.

Ähnliche unerklärliche (oder vielleicht doch nicht so unerklärliche) Verhinderungstaktiken geregelter öffentlicher Prozesse waren den mörderischen Attacken in Madrid gefolgt. Ein öffentlicher Untersuchungsausschuß des Parlaments vermied es mit allen Mitteln, daß die drängenden offenen Fragen der Verwicklung von Polizeispitzeln und sogar eines Ermittlungsrichters geklärt wurden. Die eigentlichen Attentats-Verdächtigen starben unter ungeklärten Umständen in einer Explosion, als sie angeblich von der Polizei in einer Wohnung umstellt worden waren. Nach Angaben der Polizei haben sie sich selbst in die Luft gesprengt. Das kam allerdings offenbar sehr gelegen.

Trotzdem kam es in Spanien zu einem Gerichtsverfahren gegen eine Anzahl von Personen, die mit den Attentaten in Zusammenhang stehen sollten (in diesem Fall ging es hauptsächlich um die Anschläge des 11. September). Die dort vorgelegten Anhaltspunkte sind aber so spärlich, daß schon die Eröffnung des Verfahrens als zweifelhaft angesehen werden mußte. Falls das spanische Gericht im Rahmen von Recht und Gesetz bleibt, wird es alle Angeklagten freisprechen müssen. Wiederum wurden die Erkenntnisse, die zu der Einschätzung führten, hier hätte Al Quaida zugeschlagen, dem Gericht nicht vorgelegt. Warum?

Insofern kann es also sein, daß Blair für seine Kritik an der Festnahme statt dem Exekutieren eines der Verdächtigen andere Gründe hatte als die Sorge um die Sicherheit seiner Beamten.

Jedenfalls kann es nun wirklich interessant werden, denn jetzt hat man, wenn die Meldungen und die Verdächtigungen stimmen, zum ersten Mal außerhalb der USA lupenreine Attentäter der angeblichen Al Quaida in Polizeigewahrsam eines anderen westlichen Landes.

Wird man auch in England einfach keinen Prozeß ansetzen und die Verdächtigen auf Dauer ‚internieren’? Wird man Konzentrationslager wie auf Guantánamo eröffnen? Wird man es wirklich wagen, sich alle vier in der Zelle umbringen zu lassen? Oder wird man es lieber über einen Prozeß ablaufen lassen, in dem alle entscheidenden Fragen ausgespart werden und lediglich eine Schnell-Verurteilung der Täter durchgezogen wird (so wie auch schon in den Motassadegh- und Mzoudi-Prozessen in Hamburg von Staatanwaltschaft und Gericht alle Beweisanträge, die Umstände und Hintergründe erhellen hätten können, konsequent abgelehnt wurden)? Wenn man einen der Verdächtigen als Kronzeuge gewänne, könnte man eventuell auf dieser Basis auch einen reinen Schauprozess durchziehen.

Oder werden wir nun zum ersten Mal einen rechtstaatlichen Prozeß erleben, in dem endlich die gesamten Beweise auf den Tisch kommen, in denen die Geschichte und Entwicklung der Al Quaida nachvollziehbar wird, die Rolle von Osama Bin Laden (so er denn eine hat) und der anderen „Köpfe“ der Al Quaida, die Belege für die Verbindung zu den Angeklagten und die Beweise für ihre persönliche Einbindung in die Organisation sowie schließlich eindeutige Beweise für ihre Schuld als Bombenleger.

Nun, wie gesagt, die Chancen sind gering. Zum einen hat man ja hier, wenn es sich denn um die Täter handelt, „nur“ die Leger von Bomben gefaßt, die gar nicht losgingen, also von Attentaten, die entweder mißlangen oder nur vorgetäuscht waren. Es wird entscheidend sein, ihre Verbindung zu den vier britischen Jungs, die am 7.7. die funktionierenden Bomben in den U-Bahnen und im Bus haben hochgehen lassen sollen, zu beweisen. Bisher gibt es aber noch nicht einmal die Behauptung, diese Verbindung habe bestanden. Ebenso wird dann natürlich auch und vor allem eine lückenlose Beweisführung vorgelegt werden müssen, daß jene vier es denn wirklich waren.

Nach allem, was man heute weiß, ist dies aber extrem unwahrscheinlich. Dazu kommt, daß der andere Blair, der Premierminister, schon Rückzugsgefechte angefangen hat zu führen, wie Rbi-aktuell schon berichtete. Er hat betont, daß Al Quaida in Wirklichkeit keine Organisation sei, sondern ein westlicher Code für ein Vorgehen bei Terroranschlägen. Oder sollte er sich da nur verplappert haben?

Es sind nämlich auch weitere Ungereimtheiten und Fragen in Bezug auf beide Londoner Anschläge aufgetaucht, die zusammen mit den vorher schon bekannten nun ein undurchdringliches Gewirr von aufklärungsbedürftigen Fakten geschaffen haben, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nie vor einem Gericht geklärt werden soll.

Darauf soll im zweiten Teil des Artikels eingegangen werden.

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