Wo unsere Steuergelder hinfliessen

Wer hat, dem wird gegeben.

"Asoziale Marktwirtschaft" - Subventionen, Subventionen -

Von Karl Weiss

„Subventionsabbau" ist immer eine der wichtigsten Forderungen des Bundesverbandes der Industrie (BDI), wenn er mal wieder „Reformen" fordert, sprich Streichen beim kleinen Mann. Da ist es besonders interessant, wie genau diese Industrie, die dort vertreten wird, in Unmengen von Geld watet, wenn es um Subventionen geht.

Beispiel Nummer 1

Die Bayerischen Motorenwerke wollen eine ihrer Fabriken modernisieren. Um zu entscheiden, in welches man die dafür vorgesehene Summe investieren soll, läßt BMW erheben, wo die größten Zuschüsse spendiert würden. Österreich bietet 37,2 Millionen Euro an staatlichen Beihilfen. Damit macht die BMW-Fabrik im oberösterreichischen Steyr das Rennen.

Nun wird die EU-Kommission mit der Sache befaßt: Sie prüft, ob die Fördermittel mit den europäischen Richtlinien in Einklang stehen. Im Mai 2003 kommt die Kommission zu folgender Entscheidung: Österreich darf BMW mit 29,9 Millionen Euro fördern. (...)

BMW weiß aus langjähriger Erfahrung, wie man zu Subventionen kommt. Bereits Mitte der neunziger Jahre hatte der bayerische Autokonzern von den Österreichern umgerechnet 33 Millionen Euro Subventionen für sein Werk in Steyr erhalten. (...)

Und Ende des Jahres 2002 erlaubte die EU, daß BMW für sein neues Werk in Leipzig mit 361 Millionen Euro von Bund und Land gefördert wird.

Das Beispiel BMW zeigt auch, daß in der Regel nicht etwa arme Firmen, sondern hoch profitable Konzerne gefördert werden. Die BMW-Gewinne können sich sehen lassen:

2001: 3,2 Milliarden Euro
2002: 3,3 Milliarden Euro
2003: 3,2 Milliarden Euro


Beispiel Nummer 2

Auch der zweitgrößte deutsche Autokonzern - Volkswagen - ist ein ausgebuffter Spieler in Sachen Subvention: Für den Bau einer Fabrik in Chemnitz erhielt VW 1994 von der Bundesrepublik staatliche Subventionen in der Höhe von umgerechnet 286 Millionen Euro. Zwei Jahre später legte man noch einmal fast 270 Millionen drauf - als Ausgleich für regionale Nachteile. (...)

Für die Fabrik in Dresden hatte Volkswagen im Jahr 2001 von der EU bereits die Erlaubnis erhalten, 70 Millionen Euro Subventionen einzustreichen. (...) Außerdem kassiert VW regelmäßig auch in anderen europäischen Ländern. 2003 genehmigte die EU 15 Millionen Euro aus regionalen Fördertöpfen für eine Investition im spanischen VW-Werk Navarro bei Pamplona. Und in der österreichischen Stadt Graz darf VW 10 Millionen Euro kassieren. (...)

Fast endlos könnte man diese Subventionsliste fortsetzen.

Mit Infineon etwa: Mehr als eine Milliarde Euro an Steuergeldern hat der von Siemens abgespaltene Chip-Konzern für seine Fabrik in Dresden kassiert. Um dann mit der Abwanderung des Unternehmens in die steuergünstige Schweiz zu drohen. Im österreichischen Bundesland Kärnten hat Infineon in den vergangenen Jahren 14 Millionen Euro von Bund und Land erhalten, und in Portugal genehmigte die EU Anfang des Jahres 2004 eine staatliche Finanzspritze von 41 Millionen.

Oder mit Degussa: Die Spezialchemie-Gruppe hat für ihr Werk in Radebeul bei Dresden Mitte der neunziger Jahre rund 70 Millionen Euro Subventionen bekommen, um Standort und Arbeitsplätze zu erhalten."

[Innerhalb der EU ] hat Deutschland mit 13 Milliarden Euro (...) den größten Brocken an Subventionen für die Konzerne vergeben. Es folgen Frankreich (10 Milliarden Euro) und Italien (6 Milliarden Euro).

Zusätzlich zu all diesen einzelstaatlichen Fördertöpfen stellt Brüssel noch Jahr für Jahr ein eigenes Subventionspaket im Umfang von fast 100 Milliarden Euro bereit."

Der Brüsseler Etat besteht zu 95 Prozent aus Subventionen.

Die beiden Autoren Hans Weiss und Ernst Schmiederer haben das Buch „Asoziale Marktwirtschaft" geschrieben, das bei Kiepenheuer + Witsch erschienen ist. Dort werden zahllose recherchierten Fälle von Millionensubventionen an Konzerne aufgedeckt, u.a. solche, bei denen die EU involviert ist.

In einem anderen Teil des Buches wird geschildert, wie es bei der Abwicklung der DDR zuging. Ein „Eingeweihter" berichtet, wie man es damals machte:

„Versetzen wir uns zurück in die Jahre 1993 bis 1995. Wir, Sie und ich, haben einen guten Namen, ein gutes Auftreten, ein paar gute Ideen. Wir sitzen an einem Biertisch und planen die Gründung einer GmbH. (...) Wir siedeln unsere Firma in Halle an, um dort ein größeres Industrieunternehmen zu übernehmen. Das ist im Metallbereich tätig, hat zu dieser Zeit noch 2.800 Mitarbeiter, die alle um ihre Zukunft fürchten. (...)

Wir überlegen: Was könnten wir da machen? Wir erstellen in einer Stunde ein schönes Unternehmenskonzept und unterbreiten es einigen Politikern. Dann melden wir uns bei der Treuhandanstalt und kümmern uns um Landesfördermittel. (...)

Ich garantiere Ihnen, daß es nicht lange dauert, bis sich jemand bei uns meldet und sagt: Schön, Sie kriegen das Unternehmen. Weil alles so kaputt ist, zahlen Sie 1 DM, dafür kriegen Sie alles inklusive der Liegenschaften. Obendrein bekommen Sie 120 Millionen DM Zuschuß. Dafür unterschreiben Sie folgenden Vertrag: Wenn Sie es nicht schaffen, in zwei Jahren mindestens zehn Prozent der Mitarbeiter dauerhaft zu beschäftigen, dann zahlen Sie eine Strafe von zehn Millionen Mark.

(...) Wir sind nun reich. (...) Wir wollen das Unternehmen ja retten. Wir machen also eine Betriebsversammlung. Dort sind wir wirklich leidenschaftlich, es geht uns schließlich um die Menschen, um den Standort, um das Land.

Wir verkünden auf der Betriebsversammlung, daß wir jetzt in Dubai nach Partnern, nach Geldgebern für die Restrukturierungs-Maßnahmen suchen werden. Wir fahren nach Dubai - und machen in Wirklichkeit einfach ein paar Tage Urlaub, schließlich waren die vergangenen Wochen sehr anstrengend. Wir kommen zurück. Und sind geknickt: Es sei alles sehr, sehr schwer, erklären wir öffentlich. Irgendwann rücken wir ganz damit heraus: Es ist entsetzlich, es ist grauenhaft, aber niemand will im Osten investieren, keiner hat Vertrauen, keiner nimmt das ernst, keiner will hier rein. Es tut uns leid, aber so schaffen wir das nicht: Wir müssen das Unternehmen schließen.

Wir schließen es. Wir zahlen 10 Millionen Mark Strafe. Den Rest des Geldes [sowie die zentralen Grundstücke in Halle] behalten wir. Wir werden (...) als die großen Helden gefeiert, die sich aufgeopfert haben. Wir werden das Bundesverdienstkreuz kriegen. Wir werden geehrt, geachtet, geschätzt für unser unternehmerisches Verantwortungsgefühl.

Das ist keine Übertreibung, das hat es wirklich gegeben. Nicht einmal, nicht zweimal. Mehrfach. Das nennt man Subvention."

Diese Art von Machenschaften werden vom „Spiegel" bestätigt: „Allein in Sachsen wurden seit 1991 rund 460 Millionen Euro Fördermittel in Betriebe gesteckt, die in weiterer Folge Pleite gingen. In Brandenburg waren es 450 Millionen.

Ausbezahlt wurden all diese Gelder als "Investitionszulagen". Rund 90 Prozent der ostdeutschen Industrie habe solche Investitionszulagen in den letzten Jahren in Anspruch genommen, (...) Etwa 1,2 Milliarden Euro Steuergelder entgingen den öffentlichen Haushalten dadurch jährlich."

Die genannten Beispiele sind der Pressepräsentation des Buches entnommen.

Das ganze Buch ist voll von Beispielen und belegten Ereignissen.

Wenn Sie, geneigter Leser, also das nächste Mal von unseren allseits geliebten Politikern (die hinter diesen Machenschaften stecken) hören, daß die öffentlichen Kassen leer sind, das keine Geld da ist für eine Kindertagesstätte, für ein Sozialticket, für den öffentlichen Nahverkehr, für eine Universität ohne Studiengebühren, dann wissen Sie, wohin die Gelder geflossen sind, die fehlen.

Wenn Ihnen das nächste Mal erzählt wird, Hartz IV müsse weiter gekürzt werden, die Mehrwertsteuer müsse erhöht werden, die Renten schon wieder abgebaut, die nächste „Gesundheitsreform" angedroht wird, dann wissen Sie, woher die Löcher im haushalt kamen, die dies angeblich notwendig machen - und an wen diese Politiker die Gelder vergeben haben - "rein zufällig" die Konzerne, bei denen sie nach der politischen Karriere unterkommen.

Korruption? I wo, wie kommen Sie darauf?

Hans Weiss / Ernst Schmiederer
Asoziale Marktwirtschaft
Kiepenheuer + Witsch
Euro 19,90


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