Absurde Logik, um haarsträubende Gesetze zu rechtfertigen
Von Karl Weiss
Was würden Sie sagen, wenn Ihnen als Journalist eine Nachrichtenagentur den folgenden Text auf den Tisch wehen lassen würde: „Nach einer Untersuchung von Wissenschaftlern in den USA haben fast 80% der verurteilten Mörder in den US-Gefängnissen als Babys Muttermilch genossen. „Es gibt offensichtlich einen Zusammenhang von Ernährung durch Muttermilch und Tendenz zum Morden“ wird einer von ihnen zitiert. Trotzdem wollten die Wissenschaftler nicht generell vom Stillen abraten.“
Nun verehrter Leser, Sie haben natürlich die Falle gemerkt: Die Tatsache, dass zwei Ereignisse im Leben eines Menschen nacheinander passieren, gibt noch keinerlei Hinweis auf eine Ursächlichkeit, nach dem Motto, das vorher stattgefundene Ereignis sei ursächlich für das darauffolgende.
Genauso wenig kann man etwa sagen, weil man bei Gefängnisinsassen festgestellt habe, sie hätten oft mit kleinen Diebstählen angefangen, sei der Umkehrschluss erlaubt, alle, die in jungen Jahren kleine Diebstähle begehen, seinen unausweichlich zu einer kriminellen Karriere verurteilt.
Ein ähnlicher Trugschluss wird oft verwendet, wenn man das Verbot von Marihuana rechtfertigen will. Dies sei angeblich eine „Einstiegsdroge“, weil sehr viele der Konsumenten harter Drogen vorher Marihuana geraucht hätten.
Selbstverständlich müsste man, wollte man so etwas beweisen, den umgekehrten Weg gehen. Man müsste eine wesentliche Zahl der Marihuana-Konsumenten erfassen und dann feststellen, wie viele von ihnen später harte Drogen verwenden. Wäre dies ein über eine kleine Prozentzahl hinausgehende Zahl, gäbe es einen ersten Anhaltspunkt, das Konzept der „Einstiegsdroge“ könnte tatsächlich existieren. Allerdings hat aus naheliegenden Gründen niemand bisher eine solche Studie angestellt.
Nun hat aber die sonst eher sehr sorgfältige österreichische Nachrichtenagentur ‚pressetext’ genau einen solchen Fehlschluss zu einer Meldung gemacht:
Es wird von einer Untersuchung bei 155 US-Gefängnisinsassen berichtet, die wegen sexueller Delikte im Zusammenhang mit Kindern verurteilt wurden und die sich einem Rehabilitierungsprogramm für Pädophile freiwillig gestellt hatten. Ein Teil von ihnen war eben wegen Kinderpornos verurteilt, ein anderer Teil wegen aktiven sexuellen Übergriffen auf Kinder. Auf jeden Fall stellen sie aber eine Auswahl aus allen wegen sexuellen Übergriffen auf Kinder Verurteilten dar, denn sie haben sich ja für das Rehab-Programm gemeldet, waren also für sich selbst überzeugt, Hilfe zu brauchen.
Ein grosser Teil von ihnen hatte Kinderpornos konsumiert (etwa 80%). Daraus schliessen nun die unsäglichen Wissenschaftler (jedenfalls nach Aussage von ‚pressetext’): „Männer, die Kinderpornografie konsumieren, haben mit großer Wahrscheinlichkeit auch Kinder sexuell missbraucht.“
Dass ein solcher Rückschluss selbstverständlich nicht zulässig ist, hat bereits dazu geführt, dass die Untersuchung nicht von der wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht wurde, zu der man sie eingereicht hatte.
Das hat aber die Psychologin, die ‚pressetext’ hierzu befragte, nicht beeindruckt. Sie bestätigt vielmehr den Trugschluss: „Jeder Sexualstraftäter, mit dem ich je zu tun hatte, hatte auch Pornografie konsumiert.“
Dass dies nun schon auf Pornographie allgemein ausgeweitet wurde, lässt aber nun wirklich alle Alarmglocken schrillen.
Denn da sind wir natürlich nicht mehr weit davon entfernt, das Verbot jeglicher Pornographie zu fordern, denn das sei eben immer nur der erste Schritt zum Kinderschänder.
Aber selbst wenn man das nur auf Kinderpornographie einschränkt (die ja bereits vollständig verboten ist), kann die Folgerichtigkeit, Konsum führe (fast) immer zur aktiven Tat, eben nach allen Erfahrungen keineswegs bestätigt werden.
Liest man dazu wissenschaftliche Untersuchungen, so sieht das Bild ganz anders aus. Hier ein Auszug aus der deutschen Wikipedia:
„Besitzer von Kinderpornografie müssen nicht in jedem Fall pädophil sein; sie können sich das Material auch wegen des "Reizes des Verbotenen" verschafft haben. Oft wird in Ermittlungsverfahren zusätzlich Pornographie unterschiedlichster Art sichergestellt. Vor der Verbreitung über das Internet Ende der 1980er lag der Anteil nicht-pädophiler Konsumenten (sogenannte "Neugierkäufer") bei schätzungsweise 5-15% .“
Auf der gleichen Site kann man auch nachlesen: Die überwiegende Zahl von Konsumenten von „Kinderporno“, das Personen zwischen 14 und 18 Jahren abbildet, haben überhaupt kein spezielles Interesse an Sex mit Kindern, das „Kinderporno“ ist innerhalb anderer Pornotypen nur eine verschiedene Art der ‚reizenden Abbildung’. Wirkliche Pädophile sind ausschliesslich an Kindern interessiert, die noch nicht in die Pubertät eingetreten sind, also in der Regel mit 10 oder weniger Jahren.
Hier spielt eine entscheidende Rolle, dass man heute als Kinderporno auch die Abbildung von Jugendlichen definiert und damit aus dem eigentlichen Zusammenhang völlig ausschert. Kinderporno war bisher auf Personen bis zu 14 Jahren beschränkt. Nun wird alles bis 18 Jahren als Kinderporno definiert und damit ein wesentlicher Teil der schon sexuell aktiven Bevölkerung erfasst.
Diese ganze Diskussion hat deshalb eben auch einen extrem ernsten Hintergrund: Ausgehend von den USA und den extremistisch-christlichen Fanatikern dort wird in Europa im Moment eine Welle von Verschärfungen des Sexualstrafrechts durchgeführt, bei der plötzlich alle bis zu 18 zu „Kindern“ werden und jeglicher Sex mit ihnen zur Straftat erklärt wird, auch der von einem Eheman mit seiner 16-jährigen Ehefrau (das Heiratsalter von Mädchen) – er vergewaltigt nämlich angeblich ein „Kind“, denn ein solches ist noch nicht fähig zu beurteilen, was da von ihm verlangt wird und kann daher keine gültige Zustimmung geben.
Im Zuge dieser neuen Sexualstrafrechts-Welle (in Deutschland ist ein absurdes Gesetz mit dieser Tendenz - allerdings ohne die neue Mindeststrafe - bereits bei der Beratung der Bundestagsausschüsse) soll auch die bisher noch relativ mässige Bestrafung des reinen Konsums von Kinderporno massiv verschärft werden. Aus einem Delikt von der Klasse der Sachbeschädigung (2 Jahre Gefängnis Höchststrafe) soll ein Delikt mit 4 Jahren Mindesttrafe werden, etwa so wie ein bewaffneter Raubüberfall, wird der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission verwirklicht.
Da sind natürlich solche absurden Notizen in der Presse extrem willkommen, um dann diese haarsträubende Gesetzgebung damit zu rechtfertigen.
In den folgenden drei Artikeln wird die Tendenz der neuen Gesetzgebung aufgedeckt:
„Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1“
„Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger“:
und
„Sex?? – Gefängnis!!”
STOPPT Strafverschärfung
Selbstbestimmungsrecht?
Aber volles Selbstbestimmungsrecht für Kinder und Jugendliche?
Das können Sie nicht ernst meinen.
Kinder müssen die Möglichkeit haben, unter behüteten Umständen die Wirklichkeit umfassend kenenzulernen. Das könnten sie nicht, würde man ihnen bereits früh Selbstbestimmungsrecht und die damit verbundene Verantwortung aufhalsen.
Auch Jugendliche, also Menschen zwischen 14 und 18 Jahren, sind mit einer völligen Selbstbestimmung oft noch überfordert, speziell die 14 - und 15-Jährigen. Man kann und sollte ihnen schon viel weitergehende Selbstbestimmung zugestehen als Kindern, ihnen andererseits aber auch die Möglichkeit zu Irrtümern zugestehen, für die sie noch nicht voll einstehen müssen.
Man kann über eine Senkung des Erwachsenenalters auf 16 Jahre diskutieren, aber die Forderung nach genereller voller Selbstbestimmung für Kinder und Jugendliche kommt unserem Auftrag gegenüber unseren Kindern nicht nach.
Ich habe hier eine 13-jährige und eine 16-jährige Person im Haushalt wohnen, ich weiss wovon ich spreche.