Ist es abartig, eine 16-jährige zu lieben?
Von Karl Weiss
Der „Skandal“ um den Christdemokraten von Boetticher, der mit einer kurzzeitigen Beziehung zu einer 16-jährigen seine politische Karriere zerstörte, ist hauptsächlich ein Skandal der Heuchler und Bigotten. Was soll daran abartig sein, eine 16-jährige zu lieben?
In einem Artikel in „telepolis“, hier:
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150312
spielt Florian Rötzer mit „Argumenten“, die er nicht wirklich ernst meinen kann.
Das beginnt bereits bei der Überschrift, in der er das Wort ‚Lolitas‘ für einen Fall gebraucht, in den keine Lolita verwickelt ist. Unter ‚Lolitas‘ versteht man Mädchen mit 12 bis 14 jahren, die bereits sexuell reif sind, aber in unserer Gesellschaft noch unter absolutem Sex-Verbot stehen. Eine 16-jährige ist keine ‚Lolita‘ mehr, sondern eine heiratsfähige junge Dame, wenn sie denn will.
Unser bundesdeutsches Recht – in Übereinstimmung mit dem anderer ‚freiheitlicher‘ Staaten, lässt eine 16-jährige nicht nur heiraten, wenn sie will, sondern gesteht ihr auch zu, Liebesbeziehungen eingehen zu können und Sex zu haben, wenn sie will (die Einschränkung dazu durch die neue Gesetzgebung wird unten abgehandelt).
Rötzer bezeichnet eine 16-jährige als „Mädchen, das von Boetticher als „Frau“ bezeichnet“ wird. Entschuldigung, Herr Rötzer, das ist infam. Ja, eine 16-jährige ist eine Frau. Wenn Sie verheiratet wäre (was sie ja sein könnte), würden Sie sie auch nicht als „Mädchen, das als Frau bezeichnet wird“ verunglimpfen.
Weiss nicht, wann sie das letzte Mal eine Sechzehnjährige gekannt haben, in ihrer Familie zum Beispiel, diese jungen Frauen sind wirklich erwachsen, in einem Masse, das man für 16-jährige Jungen kaum behaupten kann. Alles was so typisch ist für eine Heranwachsende, ist in der Regel (die Ausnahmen bestätigen die Regel) nicht mehr vorhanden. Sie verhält sich wie eine Erwachsene und ist eine Erwachsene.
Dann schreibt Rötzer: „... wenn ein alter Dackel ein junges Mädchen, was man meist nur den Muslimen vorwirft, bezirzt.“
Nein, eine 16-jährige ist kein „junges Mädchen“ – ein junges Mädchen ist eine unter 12-jährige - und ich weiss nicht, was die Muslime hier zu suchen haben.
Wenn Sie damit darauf anspielen, dass es muslimische (und nicht muslimische) Familien gibt, in denen Hochzeiten noch arrangiert werden und sehr junge Frauen in diese Ehen gedrängt werden, dann müssen Sie wohl daran erinnert werden: Hier in Europa ist es noch keine 200 Jahre her, dass fast alle Ehen arrangiert wurden und dass dabei meistens 13- jährige, 14-jährige oder 15-jährige Mädchen verheiratet wurden. Und es ist nur etwas mehr als Hundert Jahre her, dass dies immer noch weithin üblich war.
Siehe auch diesen Artikel: "Verheiratet werden mit 13" ( http://karlweiss.twoday.net/stories/11551663/ )
Wir brauchen uns also nicht zu erheben über Landstriche und Familien aus diesen Landstrichen, wo dies heute noch zum Teil üblich ist.
Eine Beziehung zu einer 16-jährigen bezeichnet Rötzer als „Fehlleistung“ und ironisiert das Wort ‚Liebe‘, das der Politiker gebraucht hat. Ah ja, also Personen mit grossem Altersunterschied können keine echte Liebe füreinander empfinden – oder was? Und ein „junges Mädchen“ kann ja wohl keinen „alten Dackel“ lieben – oder was? Ja, die Beziehung war kurzzeitig – kann also keine Liebe gewesen sein (??) – oder was?
Als Herr Kohl und Herr Schröder jeweils eine um zig Jahre jüngere geheiratet haben, sprach niemand von Fehlleistung, Schröder wurde sogar wiedergewählt. Aber wenn die um zig Jahre jüngere Frau erst 16 ist, dann ist es eine Fehlleistung? Welche Art von Moral spricht da aus Ihnen, Herr Rötzer? Sie, die sie von „Doppelmoral“ sprechen, aber diese bei den Konservativen orten.
Was ist das für ein Gewäsch: „... warum er mit keiner einigermaßen gleichaltrigen Partnerin zurechtkam...“ Das haut deutlich unter die Gürtellinie. Gibt es nach ihrer Ansicht ein moralisches Gesetz, nach dem man unbedingt mit einer „einigermassen gleichaltrigen“ zurechtkommen muss? Aufgrund welcher Erfahrung sollte das so sein?
Nach den Erfahrungen der Welt fällt die Liebe dahin, wo sie will und es kamen schon die absurdesten Liebespaare dabei heraus - sei es wegen des Alters, sei es wegen des „Standes“, sei es wegen sonstiger Unterschiedlichkeiten - und deren Beziehung lange oder ewig hielt. Woher nimmt jemand die Chutzpe, das Alter für ausschlaggebend bei der Liebe anzusehen?
Da es ja nach Ihrer Ansicht, Herr Rötzer, keine Liebe gewesen sein kann (Unverschämtheit), müsse es dann eben eine „kurzfristige Verfallenheit“ gewesen sein. Das scheint mir eine Liebesgeschichte zu sein, die Sie gerade erst erfunden haben.
Ja, es gibt kurze Lieben, die schnell abflauen und wieder auseinandergehen, - ja und?
Doch statt all diesem Gewäsch hätten Sie, Herr Rötzer, stattdessen die wirkliche Doppelmoral angehen müssen, welche die Reaktionären von CDU, SPD, FDP und Grünen aufweisen:
Hier, am Fall Boetticher, zeigt sich deren inakzeptable Doppelmoral wie bei einem Blitzschlag. Hat doch gerade erst vor kurzem die damalige grosse Koalition eine umfassende Verschärfung des Sexualstrafrechts durch den Bundestag gebracht, in dem der Begriff Kinderporno (und damit auch die Definition von Sex mit Kindern oder unter Kindern) auf alle bis 18 ausgedehnt wurde.
Im einzelnen dazu sei auf die einschlägigen Artikel im Blog verwiesen:
- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1
- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2
- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht
- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!
- Hurra! Sie haben es gestoppt
- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 3
- ...und schon haben wir die ersten Fälle
- ‚Kinderpornographie – Kaum ist das Gesetz durch,...
Das allerdings ist Doppelzüngigkeit: Die CDU, die am intensivsten diese Gesetzesverschärfungen fordert und durchdrückt, die auf ein völliges Sexverbot für alle bis 18 hinauslaufen, wäre in Schleswig-Holstein durch einen Politiker repräsentiert gewesen, der kurz vor seiner Ernennung noch Sex mit jemand unter 18 gemacht hätte.
Dass er jetzt zurücktreten musste, war ja nicht seine freie Entscheidung, sondern man war dahinter gekommen und er wurde erpresst.
Es geht natürlich nicht wirklich darum, alle vor Gericht zu zerren, die noch nicht 18 sind und Sex machen, es geht darum, dieses Gesetz zur Hand zu haben, wenn man einen unliebsamen Dissidenten aus dem Verkehr ziehen will, ohne ihm Vergehen vorwerfen zu können (siehe die Verfolgung von Wikileaks-Lassange wegen angeblicher Sexdelikte).
Wieso ist Ihnen dieser Zusammenhang nicht aufgefallen, Herr Rötzer?