Auf zum letzten Gefecht!

Die Protagonisten mit Weitblick bekommen schon Angstschauer

Von Karl Weiss

Heribert Prantl, der Leiter der Redaktion Innenpolitik der „Süddeutschen“ hat sich schon verschiedentlich als weitblickender Journalist bewiesen. Wenn er einen Kommentar schreibt, wird er in der Sozialdemokratie meist mit Aufmerksamkeit gelesen.

Er hat nun am 5. Oktober in einem Kommentar so etwas wie das Ende der Demokratie vorausgesehen, wenn die Enteignung der Steuer- und Sozialabgabenzahler so weitergeht. Er sieht die Möglichkeit, die Mehrheit des Volkes könnte sich erheben gegen die steigenden Zumutungen und kleidet das in die Worte: „Es geht darum, die Demokratie zu sichern.“

Er darf natürlich nicht die Wahrheit schreiben: „Es geht darum, den Kapitalismus zu sichern.“, sonst wäre er seinen Job schnell los. So verwendet er denn den Begriff Demokratie, der eigentlich etwas ganz anderes meint, genauso wie Präsident Bush als Synonym für Kapitalismus.

So gesehen ist sogar Pakistan ein demokratisches Land, wie jetzt behauptet wird, wenn dort Wahlen stattfinden. Die kleine Nebensächlichkeit, dass eine Militärdiktatur herrscht und auf den Straßen ist, der Diktator gleichzeitig Chef der Armee und Hauptkandidat ist und Gegenkandidaten deportieren ließ, spielt da keine Rolle. Er sichert die „Demokratie“.

Was Prantl im wesentlichen sagt, ist einfach: Wenn es so weitergeht, wird die SPD bald zu einer Splitterpartei verkommen sein. Darum muss einiges ein klein wenig zurückgenommen werden an der Agenda 2010. Im wesentlichen will er drei Dinge: Die von Beck bereits vorgeschlagene Verlängerung des Arbeitslosengelds I, die von Müntefering befürwortete Einführung eines Mindestlohns und eine Mindestabsicherung im Alter. Ebenso deutet er an, man müsse den Freibetrag für Erspartes im Hartz IV erhöhen. Das sei, so unkt er, das Gefecht um das Überleben der Sozialdemokratie und nennt denn auch seinen Kommentar „Das letzte Gefecht der SPD“.

Der Begriff „das letzte Gefecht“ stammt aber aus der ‚Internationalen’, wo geschmettert wird „Völker hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!“, dem Lied des Sozialismus-Kommunismus. Nicht von ungefähr kam ihm diese Assoziation, denn das ist es genau, wovor er vor Angst bibbert, was ihm die kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt: Die Arbeiter zusammen mit den anderen Teilen des Volkes lassen sich nicht mehr alles gefallen, proben den Aufstand und führen ihn dann auch durch. Das will er verhindern, wenn er sagt, die „Demokratie“ müsse gerettet werden.

Er hat nämlich, so wie andere Weitblickende auch schon, die deutliche Linkstendenz im deutschen Volk gemerkt, die zeitgleich mit einer Rechtstendenz der Politikerkaste und der Wirtschafts- und Finanzbosse abläuft. Er hat die Umfragen gelesen, wo fast 50% der Befragten bundesweit erklärten, sie fänden die Idee des Sozialismus gut, sie sei in der DDR nur nicht verwirklicht worden.

Er bemerkt, die Menschen lassen sich nicht mehr so leicht gegen Streiks aufhetzen, wie es seine Zeitung unter seiner Verantwortung gerade gegenüber dem Streik der Zugführer versucht hat. Ein wenig oberhalb seines Kommentars kann mal lesen: Der Streik wurde weithin mit Verständnis aufgenommen.

Er hat registriert, dass es nicht gelungen ist, die Montagsdemonstrationen abzuwürgen. Er weiss, sie können jederzeit wieder zum Sammelbecken der Empörten werden, wenn eine der nächsten Brutalitäten fällig ist.

Er ist sich vermutlich bewusst, wie die MLPD, gerade 25 geworden, an Rückhalt gewinnt und bereits Streiks ausgelöst und beeinflusst hat. Er ist sich deren Mitgliederwachstum bewusst und dass sie eben dabei ist, die relative Isolation, in der sie sich befand, zu durchbrechen.

Er spürt wohl, die alten Mittel des Antikommunismus, zu schreien „Stalinismus! Stalinismus!“ und „Bolschewiken, Bolschewiken!“ wirken nicht mehr wie früher.

Denn alles Ideelle, so lehrte Marx schon im vorletzten Jahrhundert, hat eine materielle Basis. Die materielle Basis des Reformismus (gleichlautend mit SPD und Rechte Gewerkschaftsführung) ist auf Dauer ausgehöhlt, nur noch Hülse fast ohne Inhalt. Da bricht auch der Überbau zusammen, der sich in der Vergangenheit auf der materiellen Grundlage von Lohnsteigerungen, Altersabsicherung, Arbeitlosen-Vergütung und sozialen Rechten erhob.

Man höre, wie er das auszudrücken beliebt: „Soziale Rechte sollen den Zusammenhalt der Gesellschaft wahren. Wenn das nicht mehr Agenda der Politik ist, dann verwahrlost zuerst die Sozialdemokratie und dann die Gesellschaft.“

Nun, wenn das Verwahrlosung ist, dann kann man nur sagen: „Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Verwahrlost Euch!“


Veröffentlicht am 9. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel
wolfh - 9. Okt, 14:09

Entdeomkratisierung

Die Entdemokratissierung ist längst beschlossene Sache. Das war doch auch Merkel "geheimer" Regierungsplan, wie sie ihn offen am 16. Juni 2005 verkündet hat: "Denn wir (die Deutschen) haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit" (http://www.cdu.de/doc/pdf/05_06_16_Rede_Merkel_60_Jahre_CDU.pdf)

Karl Weiss - 9. Okt, 15:25

Nicht gefunden

Hallo Wolfh,
da Sie nun zum zweiten Mal diesen Kommentar hier posten, muss ich doch antworten: In der von ihnen verlinkten Rede von Frau Merkel, die zweifellos interessant ist, habe ich das Zitat nicht gefunden. Eventuell eine andere Rede?
engel - 10. Okt, 00:04

Seite 3

"Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit."

Merkel, Seite 3 der Rede, unten.

http://www.cdu.de/doc/pdf/05_06_16_Rede_Merkel_60_Jahre_CDU.pdf
Karl Weiss - 10. Okt, 00:43

Tatsächlich!

Sie haben recht, steht da wirklich, hatte ich übersehen, ist ja der Hammer! Sind noch andere Hämmer in der Rede. Ich glaub, ich mach einen Artikel über die Rede.
wolfh - 16. Okt, 14:13

Zusätzliches

Bei dem Zitat habe ich das in Klammern zum besseren Verständnis hinzufügt.
Als Merkel die Rede hielt gab es von keiner Zeitung oder sonstigem Presseorgan einen Aufschrei. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern.

Man findet noch mehr interessantes zu Merkel:
"Angela Merkel war während ihrer Zeit an der Akademie als Kreisleitungsmitglied und „Sekretärin für Agitation und Propaganda“ bei der FDJ tätig – sie selbst spricht in diesem Zusammenhang von „Kulturarbeit“, die ihr laut eines Interviews mit Günter Gaus aus dem Jahr 1992 „Spaß gemacht hat“. Darüber hinaus war sie politisch nicht aktiv, weder in der SED oder einer der Blockparteien noch in der sich bildenden DDR-Opposition."
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel

Diese Seite ihrer Biographie wird auf der Biographieseite des Bundestages völlig ignoriert (warum wohl?): http://www.bundestag.de/mdb/bio/M/merkean0.html

Merkel war also bestens in die SED-Organisation der DDR integriert, von wegen Demokratin! Stellt sich nur die Frage ob so jemand überhaupt hätte Kanzlerin werden dürfen, da doch jeder bei dem auch nur der leisesten Verdacht bestand aus öffentlichen Ämtern in der BRD ausgeschlossen wurde!

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