Brasilien wird Erdöl-Land

Grosses Gas- und Ölvorkommen gefunden

Von Karl Weiss

Wie der halbstaatliche brasilianische Ölkonzern Petrobras am 8.November 2007 bekanntgab, hat man nun im Gebiet der Bucht von Santos vor dem Staat São Paulo im Meer ein Erdgas- und Erdöl-Vorkommen gefunden, das nach ersten Einschätzungen um die 8 ‚billions of barrel’ enthält. Zusammen mit allen anderen bereits bekannten und bereits erschlossenen Vorkommen würde damit Brasilien zu einem Öl-Land in etwa der Bedeutung Nigerias werden.

Der Präsident der Petrobras erklärte, zusammen mit anderen kleineren Bestätigungen von Funden könnte Brasilien bald die Nummer 8 in Erdölreserven der Welt sein.

Erdöl

‚Billions of barrel’ entsprechen nach deutscher Zählung Milliarden Barrel zu je 155 Liter, das sind also um die 1,2 Billionen Liter oder um die 1,2 Milliarden Kubikmeter). Diese Menge entspricht etwa 50% aller vorher bekannten Ölreserven des Landes. Die Aktien der Petrobras machten nach dieser Bekanntgabe einen Kurssprung von etwa 10% in New York und von über 15 % in Brasilien.

Die Petrobras hat bereits ein kleineres Feld in der Santos-Bucht erschlossen und fördert dort. Der Fund ist nicht nur deshalb von Bedeutung, weil Brasilien sich damit unter die Länder mit relativ großen Erdöl- und -gas-Vorräten einreiht, sondern auch, weil es sich um eine Erdölqualität handelt, die nicht so schwer ist wie das sonst im Meer vor der brasilianischen Küste gefundene Öl.

Schweröle, wie bisher in brasilianischen Gewässern gefunden, sind äußerst schwer zu raffinieren und brauchen riesige Raffinerie-Investitionen, um zu Benzin, Diesel und Kerosin verarbeitet werden zu können. Auch die wichtigen Chemie-Rohstoffe Ethylen, Propylen und Butylen sind nur schwer daraus herzustellen.

Das neu gefundene Öl hat nach den Angaben des Konzerns 28 Grad API, das ist immer noch schwer, aber deutlich besser als die bisher erschlossenen Felder. Der größte Teil dieses Öls könnte in Raffinerien der Petrobras in Brasilien zu den benötigten Erdölprodukten verarbeitet werden, während die Petrobras bisher große Teile des gefundenen Öls in Länder mit entsprechenden Raffinerien exportieren musste, um dann vom Erlös Erdölprodukte zu importieren.

Brasilien ist seit 2006 autark in Erdöl, aber aus dem genannten Grund eben nicht in Erdölprodukten.

Erdöl 1

Die brasilianische Petrobras hat als erste in Meerestiefen über 500 Metern Erdöl gebohrt und gefördert und ist heute der Ölkonzern mit der größten Erfahrung mit Erdölgewinnung in großen Wassertiefen. Heute kann auch in Tiefen zwischen 1000 und 2000 Metern Erdöl gebohrt und gefördert werden. Einige Werften in Niteroi im Bundesstaat Rio de Janeiro sind inzwischen auf spezielle Bohrschiffe und Förderschiffe für solch große Wassertiefen spezialisiert.

So hat die Weigerung Brasiliens, sich entsprechend der neoliberalen Bibel des Internationalen Währungs Fonds IWF seines Ölkonzerns für einen Appel und ein Ei zu entledigen und ihn an die internationalen Grosskonzerne zu verkaufen, reiche Früchte getragen. Statt auf den IWF zu hören, brachte man fast die Hälfte des Konzerns an die Börse, nahm mehr ein, als man mit dem Verkauf des ganzen bekommen hätte, und behielt den Einfluss des brasilianischen Staates in der Gruppe.

Nicht nur, dass Brasilien bereits die Autarkie in Erdöl erreicht hat und nur noch ein geringes Handelsdefizit in Erdölprodukten aufweist, die Petrobras konnte so zum Beispiel auch in das Geschäft mit Bio-Diesel einsteigen, was die US- und europäischen Öl-Kartelle strikt ablehnen.

Brasilien wird bis zum Jahr 2020 fast alles Diesel auf Biodiesel und fast alles Benzin auf Alkohol umgestellt haben (heute sind bereits 75% des Kraftstoffes, der nicht Diesel ist, Alkohol). Ab 2008 wird mit 2% Zumischung von Biodiesel im Diesel begonnen und diese dann zukzessive erhöht. Die Produktionskapazitäten für die 2% sind bereits fertiggestellt.

Mit dem neuen Fund und der Minimisierung des internen Verbrauchs wird Brasilien zu einem bedeutenden erdölexportierenden Land werden.

Brasilien (topographisch)

Das Santos-Meeresbecken wird von der Petrobras (65%) zusammen mit der britischen BP (25%)und der portugiesischen Petrogal (10%) ausgebeutet. Das Konsortium weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Entdeckung und die Menge noch bestätigt werden müssen. Im Grunde war dieses Feld bereits 2006 entdeckt worden, aber erst jetzt hat man eine klare Vorstellung der tatsächlichen Reserven gewonnen.

Besondere Bedeutung hat für Brasilien auch, dass hier zusammen mit dem Erdöl auch Erdgas gefunden wurde. Im Moment ist Brasilien mit seinem Gasbedarf von Bolivien abhängig. Die Petrobras hatte dort massiv investiert und beide Länder hatten eine Gas-Pipeline von Bolivien nach Brasilien gebaut.

Dann kam aber Evo Morales in Bolivien an die Macht, verstaatlichte das Gas und kaufte die Petrobras-Raffinerie zurück. Jetzt will man einen um etwa 25% höheren Preis für das Gas wie vorher. Damit kommt man in etwa an die im Weltmassstab üblichen Preise heran, z.B. für russisches Gas in Westeuropa. Wenn Brasilien eigenes Erdgas haben wird, wird man nicht mehr so extrem abhängig sein.

Im Moment gibt es sogar eine echte Verknappung von Erdgas und von verfüssigtem Gas in Brasilien. Die Petrobras hat in der vergangenen Woche einige Grossverbraucher in Rio de Janeiro einfach vom Netz abgehängt – ohne Vorankündigung. Da kamen heftige Proteste. Inzwischen hat ein Sprecher der Regierung die Autofahrer davor gewarnt, weiter ihre Autos auf Auto-Gas umzustellen. Dies war bisher sehr lohnend, denn gas war der billigste Treibstoff in Brasilien und man brauchte nur noch 25% der Kfz-Steuer zahlen, wenn man sein Auto auf Gas umgestellt hatte.

Die Elektrizität Brasiliens wird zu etwa 70% aus Wasserkraft gewonnen. Die ist aber sehr von Wettterverhältnissen und Klimaveränderungen abhängig. Im Jahr 2000 kam es zu einer Verknappung und massiven Rationierungsmassnahmen des Stroms, weil es zwei Jahre hintereinander deutlich weniger geregnet hatte .

Man baute dann eine Anzahl von Ergaskraftwerken, eines zum Beispiel hier im Grossraum Belo Horizonte, wo die Pipeline aus Bolivien sowieso vorbeiführt, die mit Bolivien-Gas befeuert werden. Das wird nun aber deutlich teurer. So kann eigenes Erdgas einige Probleme lösen.

Die Entdeckung kam gerade rechtzeitig für die brasilianische Regierung, um insgesamt 41 Blöcke, die im Zusammenhang mit diesem Ölfeld stehen, aus der Versteigerung herauszunehmen, die Ende des Monats die Konzession für verschiedene Meeresgebiete vor der brasilianischen Küste an die Meistbietenden verkauft, um dort nach Öl zu bohren und ggf. Öl zu fördern. Es verbleiben aber immer noch 271 Blöcke in der Versteigerung.

Die Präsidentenamts-Ministerin Rousseff erklärte dies so: „Wir wollen unsere Souveränität verteidigen.“


Veröffentlicht am 10. November 2007 in der Berliner Umschau

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