Hartz IV - Nicht genug zu essen
Von Karl Weiss
Angesichts der frechen und arroganten Provokation des Berliner Senators Sarrazin, den Arbeitslosen zu erklären, sie könnten mit dem Geld von Hartz IV auskommen, wenn sie nur immer Leberkäse und Kartoffelsalat vom Plus-Markt essen und nur Wasser trinken, muss die Realität von Hartz IV wieder und wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Wir dürfen nicht ruhen, bis Hartz IV gekippt ist!
Ein langes Arbeitsleben – und dann arbeitslos. 61 Jahre alt – und nun nicht genug zu essen. Die ARGE verweigert Hartz-IV-Zahlungen. Das Gericht verurteilt sie zu zahlen, denn die Unterstellungen der ARGE waren unhaltbar. Trotzdem wird nicht gezahlt. Man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen. Das ist die Situation von Josef S., heute, hier, in Deutschland.
Welche Exzesse die von Party zu Party eilende Politikerkaste mit ihrem Hartz IV provoziert hat, zeigte sich einmal mehr an diesem Fall, der vom Erwerbslosen-Forum Deutschland (Elo-Forum) veröffentlicht wurde.
Nennen wir ihn Josef S.. Ihm wurde von der ARGE Dorsten unterstellt, mit seiner Vermieterin in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Das war zwar nicht der Fall, aber was kümmert eine deutsche Behörde die Wirklichkeit.
Ausserdem wurde behauptet, der Sohn von Josef S. würde bei ihm leben. Der hat zwar in Wirklichkeit einen anderen Wohnsitz, was leicht nachprüfbar gewesen wäre, aber man muss ja dem Staat Geld sparen, also behauptet man einfach einmal darauf los. Schliesslich muss der Staat sein Geld für Militäreinsätze am Hindukusch verwenden.
Da Josef S. nun weder Verdienstbescheinigungen seiner Vermieterin beibringen konnte noch die seines Sohnes, zahlte man ihm nichts. Den ‚Sozialschmarotzern’ werden wir es zeigen, nicht wahr, liebe ARGE Dorsten?
Josef S. wurde die Wohnung fristlos gekündigt. Er lebte kurzzeitig von ein wenig Geld, das ihm eine mitleidige Seele geliehen hatte. Er hatte nicht mehr genug zu essen. Als er dies dem Sachbearbeiter sagte, erntete er ein Lächeln.
Vor Gericht hielt keine der Behauptungen der ARGE stand. Sie wurde verpflichtet zu zahlen. Trotzdem schickte man Josef S. aber nach Hause. Er werde einen Anruf bekommen. Auf den wartet er heute noch. Nicht genug zu essen. Wirklichkeit, heute, hier, in Deutschland.
Währenddessen hetzen die Politiker, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben, gegen die Arbeitslosen „Anspruchsdenken, Sozialschmarotzer!“.
Wird einer von ihnen angesprochen auf so einen Fall, so erklärt er, man brauche sich nur zu rasieren und die Haare zu schneiden, dann bekäme jeder Arbeit.
Die ARGE Dorsten gibt unterdessen Josef S., dem der Magen knurrt, täglich unterschiedliche Auskünfte. Einmal ist die zuständige Sachbearbeiterin nicht im Haus, ein anderes Mal heisst es, die zuständige Stelle habe den Gerichtbeschluss noch nicht weitergegeben, dann, man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen.
Mertin Behrsing vom Erwerbslosen-Forum sagt: „Das ist absolut kein Einzelfall. Es ist menschenverachtend.“
Es sei vielmehr gängige Praxis. In Bonn z.B. sei in einem Fall erst dann gezahlt worden, als der Gerichtsvollzieher auf dem Weg war, den Dienst-BMW der Oberbürgermeisterin zu pfänden. Die Behörden verhielten sich laufend bewusst rechtswidrig.
Der Obrigkeitsstaat lässt seine Stimme aus der Gruft vernehmen: „Ich bin wieder da!“
Wird demnächst wieder jemand vorgeben müssen, ein Hauptmann zu sein, um wenigsten etwas zu essen zu bekommen? Wird es wieder in Köpenick sein oder diesmal in Dorsten?
Wesentliche Teile dieses Artikels wurden schon am 31.März 2007 in der Berliner Umschau veröffentlicht.
Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:
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"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"
"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"
"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"
"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"
"5 Millionen Arbeitslose einstellen"
"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."
"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"
"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"
.. ärgert zunehmend
Ja, die Politik in Berlin ärgert wirklich zunehmend, aber leider auch die Poltik in Land und Stadt Berlin, die ja von der Linkspartei mitgetragen wird. Nach der Aussage von Sarrazin über das Essen der Arbeitslosen hat "Die Linke" so getan, als hätten sie nichts mit Sarrazin zu tun. Sie hätten ihr Verbleiben in der Koalition natürlich von der Entlasssung Sarrazins abhängig machen müssen. Aber wenn man an den Fleischtöpfen ist, dann fallen grundsätzliche Erwägungen leicht hinten runter.
Es sieht so aus, als ob man radikal werden muss. Radikal kommt von Radix=Wurzel: Das Übel an der Wurzel packen.