Rettet Brasilien den Ölpreis?
Von Karl Weiss
In einem Artikel des New Yorker Wall Street Journal vom 23. Mai 2008 wird die Erwartung geäußert, die riesigen neu entdeckten Vorkommen durch die brasilianische Petrobras könnten dem knapper werdenden Öl den nötigen Nachschub verschaffen, um den Ölpreis im Zaum zu halten. Das ist aber eine eher vage Hoffnung. Währenddessen überstieg der Erdölpreis, vor wenigen Monaten noch bei 70 Dollar, die Grenze von 135 Dollar pro Barrel.
Wie bereits berichtet (hier und hier), wurden in den letzten Monaten zwei riesige und ein mittleres Feld von Erdöl vor der brasilianischen Küste gefunden. Es handelt sich um sogenannte Unter-dem-Salz-Ölfelder, die im Prinzip an mehreren Stellen der Welt bekannt sind, aber bisher noch nie erschlossen werden konnten. Sie liegen weit draußen im Meer. Eines der Felder, dessen geschätzte Kapazität in der vergangenen Woche bekanntgegeben wurde (eines der größten, das je gefunden wurde), liegt 250 km vor der Küste. Die Wassertiefen sind dort 2000 m oder noch mehr. Das Öl liegt aber nicht kurz unter dem Meeresboden. Dort finden sich vielmehr beträchtliche Salzschichten, die wegen ihrer Löslichkeit in Wasser zu gewaltigen Druckschwankungen neigen. Erst weitere zwei Kilometer unter dem Meeresboden trifft man das Öl an.
Die halbstaatliche brasilianische Petrobras und eine Anzahl von spezialisierten Firmen, die in Niteroi oder Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro angesiedelt sind, haben in den letzten zwei Jahrzehnten Methoden entwickelt, wie man in großen Meerestiefen nach Öl bohren und Öl fördern kann und im letzten Jahrzehnt auch, wie man Öl finden und pumpen kann, das weit unter dem Meeresboden liegt. Allerdings sind die Schwierigkeiten der Ausbeutung von Unter-dem-Salz-Ölfeldern bisher nur teilweise bekannt und man muss mit unangenehmen Überraschungen rechnen, die einen Förderbeginn beträchtlich verzögern können.
Selbst wenn das nicht eintritt, kann man kaum vor 2020 damit rechnen, dass diese drei Felder nennenswert fördern werden. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssen, sind beträchtlich. Allerdings hat sich die Petrobras-Aktie seit den ersten Gerüchten über grosse Ölfunde raketenhaft entwickelt. Nicht zuletzt daher auch das Interesse des Wall Street Journal an dieser Entwicklung. Wer im Oktober 2007 für eine Million Dollar Petrobras-Aktien gekauft hat, hat heute zweieinhalb Millionen an Wert auf dem Konto
Und das bei einem Konzern, der noch zu über der Hälfte dem brasilianischen Staat gehört. Jedenfalls hat die Wertsteigerung des Konzerns dazu geführt, dass die Milliardenbeträge zum Erschliessen der Felder zur Verfügung stehen. In allen drei Fällen ist die Petrobras jeweils Führer eines Konsortiums, das auch andere Ölgesellschaften einschliesst, so zum Beispiel die portugiesische Galp Energia.
Die Petrobras ist heute eine der Firmen mit dem höchsten Wert in den Amerikas und hat bereits Microsoft und General Electric hinter sich gelassen.
Sollten sich alle Erwartungen erfüllen, könnte Brasilien in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts sogar Venezuela als größten lateinamerikanischen Ölförderer überholen.
Nur- dies alles hilft im Moment nicht im geringsten, das Hoch des Erdölpreises zu stoppen. Vor etwa sieben Jahren wird nicht ein Tropfen Öl aus den neuen Feldern kommen und bis dahin wird sich das Geschick des Ölpreises schon entschieden haben, so oder so.
Es rächt sich nun das Vertrauen in die bürgerlichen Ökonomen für alle jene Länder, die von importierten Produkten auf Erdölbasis abhängig sind, aber nicht in alternative Energien investiert haben, so wie die meisten entwickelten Länder Europas (mit Ausnahme Schwedens), die USA und Japan: Ihre Ölrechnung wird gewaltig ansteigen. Bisher war das noch nicht der Fall, weil in diesem Geschäft mit langfristigen Verträgen gearbeitet wird. Wenn aber ein Preis des Rohöls von über 130 Dollar pro Barrel breit wirksam werden wird, wird das Heulen und Zähneknirschen allgemein sein.
Einige Beobachter sprechen aber bereits von Ölpreisen von 150 Dollar oder 200 Dollar in nicht allzu ferner Zukunft. Das würde alles über den Haufen werfen, was bisher so liebevoll geplant wurde.
Was man an Preissteigerungen an den Zapfsäulen sieht , ist noch gar nicht die erhöhte Rechnung, sondern einfach die Vorwegnahme und Mitnahme von Profiten durch die Ölkonzerne. Die erhöhte Rechnung wird erst gegen Ende des Jahres und mit voller Wucht 2009 kommen. Dabei wird es dann nicht nur um hohe Benzin- und Dieselpreise gehen, sondern auch um eine generelle Inflation, weil der Transport überall teurer wird, was sich auf fast alle Produkte auswirkt.
Dies, während sich gleichzeitig die Wirtschaftskrise über die Länder ausbreitet. Schnell wird deutlich werden: Die Zentralbanken können machen, was sie wollen, es wird immer falsch sein. Erhöhen sie die Zinsen, um die Inflation im Zaum zu halten, vertiefen sie die Wirtschaftskrise, erniedrigen sie die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, werden sie eine galoppierende Inflation bekommen, tun sie gar nichts, bekommen sie beides: Wirtschaftskrise mit Inflation.
Die bürgerlichen Ökomomen hatten uns immer wieder eingetrichtert: Alles bleibt, wie es ist! Grosse Veränderungen wird es nicht geben. Es braucht nicht auf alternative Energien umgestellt zu werden!
Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 40 Dollar pro Barrel zurückgehen. Später dann: Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 70 Dollar pro Barrel zurückgehen. Noch vor einer Woche versicherten alle: Das Übersteigen von 120 Dollar war nur zeitweise, bald wird sich die Spekulation gelegt haben.
Doch nun wird es langsam allen Beteiligten klar: Die bürgerlichen Ökonomen stehen in der Unterhose da, mit Nasen so lang wie Pinocchio. Nichts wird mehr so sein , wie es war. Der gute alte Karl Marx hat einmal wieder Recht behalten: “Alles, was besteht, ist Wert, dass es vergeht.“
Es wird immer deutlicher: der Kapitalismus hat keine Lösung zu bieten, für keine einzige Frage der Menschheit, lediglich die Profite der Reichen, die werden (fast) unangetastet bleiben.
Veröffentlicht am 26. Mai 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung
Gewolltes Chaos
Ich weiß, dass dieses Vorhaben kläglich scheitern wird. Aber allein die Tatsache, dass dies möglich wäre, kann einem großen Schrecken einjagen.
Wohin aber bitte soll ich mich retten? Afrika vielleicht? Da war der weisse Mann schon und hat soviel Leid und Hass erzeugt, dass sich niemand seines Lebens sicher sein kann. Also wohin den? Danke zum voraus für eine brauchbaren Vorschlag ;-)
Nachtrag, vielen Dank, Karl Weiss, ich hatte mit diesem Gedanken auch schon gespielt. Habe dann aus Kostengründen noch andere südamerikanische Länder in Betracht gezogen. Ich habe zwei Skype Freunde in Brasilien, beide Pensionisten. Brasilien ist allerdings sehr teuer geworden. Ich hatte auch PY in
Betracht gezogen, aufgrund der Freiheit, allerdings was ich in den letzten Wochen von dort hörte ... Gestern Nacht haben Unbekannte in einer bewachten Wohnzohne in ASU bei einem Bekannten von mir einen jungen Rottweiler über den hohen Zaun gestohlen. Wie er nun heraus fand, als Neueinwanderer, hat plötzlich jemand in der Nachbarschaft auch einen jungen Hund, dies berichteten ihm die Kinder in der Gegend.
Zur Zeit sehe ich auch noch Urugay als eine Alternative. Ich denke schon das es nichts schaden kann, bereits jetzt vor zu planen.
Nicht gewollt
also ich sehe das eher so, dass denen die Wirtschaft und die Preisentwicklung und die Wechselkurse und die Finanzwelt wirklich aus der Kontrolle gelaufen sind.
Da deren Ideologie aber gleichzeitig sagt, man dürfe da nicht "dirigistisch" eingreifen, sondern müsse alles laufen lassen, sind sie ja völlig machtlos. So haben sie dann letztendlich doch massiv "dirigistisch" eingegriffen, aber es hat nichts genützt. Jetzt stehen sie vor dem Scherbenhaufen ihres Systems und versuchen klein zu reden.
Der Begriff "New World Order" stammt von Bush Vater. Er kennzeichnete damit den Zustand nach dem Fall der Sowjetunion, in dem die USA als alleinige Supermacht übrig geblieben sind und seine Erwartung, nun würden sich alle bis ans Ende der Tage der Diktatur der US-Regierung unterwerfen.
Hat sich offensichtlich längst als Illusion erweisen.
Magic Light, Sie sind herzlich hier in Brasilien willkommen, aber man mache sich keine Illusionen. Hier herrscht jetzt bereits eine Doppelherrschaft von der Regierung einerseits und kriminellen Grossorganisationen andererseits, was sich in extrem hohen Kriminalitätsraten ausdrückt.
Z.B. ist ein 14-Jähriger, den ich kenne, hier in Belo Horizonte in drei Monaten bereits zweimal auf der Strasse überfallen worden und musste jeweils sein Handy abliefern. Bei solchen Überfällen ist man typischerweise in akuter Lebensgefahr, denn eine falsche Bewegung kann den Angreifer dazu bringen, einen zu erschiessen, was auch häufig passiert. In Brasilien gibt es jährlich 40 000 Tote durch Schusswaffen.