Gross-Konzern = kriminelle Vereinigung?

Die kapitalistische Barbarei

Von Karl Weiss

Die Begriffe “Gross-Konzern” und “kriminelle Machenschaften“ werden mehr und mehr identisch. Die eigentlichen Mafia-Organisationen werden längst von solchen in Anzug und Krawatte übertroffen. An diesem Sonntag wurden zufällig gleichzeitig zwei dieser Gentleman-Verbrecherorganisationen an die Öffentlichkeit gebracht: Siemens (das größte deutsche Unternehmen) und Pirelli/Telecom Italia, während zwei Tage vorher veröffentlicht wurde, dass Lidl eine Millionenstrafe wegen des Ausspionierens der Mitarbeiter zu erwarten hat.

München

Siemens, so steht an diesem Tag in der Zeitung, hat seit den Fünfziger Jahren systematisch bestochen und dafür illegale schwarze Kassen angelegt

Wie die brasilianische Zeitung „Estado de Minas“ am 13.9.08, informiert, haben zwei italienische multinationale Konzerne, die Pirelli und die Telecom Italia, mit Millionenaufwand Telefone und E-mails abgehört bzw. ausspioniert, in Brasilien, daneben auch in Frankreich und in Uruguay. Es ging um den millionenschweren Markt der Telekommunikation, also von Festnetztelefonen und vor allem von Handys.

Die brasilianischen Gruppen der Telekommunikation wurden in den 90er-Jahren privatisiert und im Verlauf der letzten zehn Jahre wurden immer neue Lizenzen für Provider von Mobil-Telefonnetzen vergeben. Wie immer in solchen Fällen, setzt nach einiger Zeit der Prozess der Konzentration ein. Die kleineren werden von den Großen aufgekauft, einige werden zahlungsunfähig und verschwinden vom Markt.

In diesem Fall ging es in Brasilien um die Brasil Telecom, die einen Anteil am Festnetz hat und vor allem den höchsten Anteil an Auswärts- und Auslandsgesprächen aus dem brasilianischen Festnetz. Die Telecom Italia besaß bereits einen der drei großen Provider für Mobil-Telefone in Brasilien, aber noch keinen Festnetzanteil, wie seine beiden größeren Konkurrenten.

Die Brasil Telecom war seit zwei Jahren Kandidat zum Verkauf. Der größte Aktionär des Unternehmens war die Banco Opportunity der schillernden Person mit Namen Dantas, einem Lebemann, der inzwischen bereits zweimal einige Nächte im Gefängnis zubringen musste, aber vom höchsten brasilianischen Bundesgericht immer wieder in Freiheit gesetzt wurde (eine allgemeine Praxis hier: Reiche bleiben hier nie in Gefängnissen).

Es gab aber Konkurrenten beim Rennen um den Kauf der Brasil Telecom. Da war eine US-Firma mit Namen Kroll, die im Auftrag einer ungenannten US-Firma arbeitete und ebenfalls das Mittel des Anzapfen von Telefonleitungen und das Abschöpfen von E-Mails verwendete.

Ausserdem gab es einen dritten Kandidaten, der von der Politik, d.h in diesem Fall von Personen aus dem Umkreis von Präsident Lula und seiner Partei PT, favorisiert wurde: Eine im Besitz von Brasilianern befindliche Festnetzfirma mit Namen Telemar, die zwar auch einen Handy-Netz-Provider hat, der aber weit kleiner ist und kaum überleben könnte.

Nun begann der Krieg und der wurde mit grossem Aufwand geführt. Nach Auskünften der italienischen Staatsanwaltschaft hat die Telecom Italia über 17 Millionen Euro in die illegalen Abhör- und Spionage-Aktivitäten investiert.

Da wurden Ex-CIA-Agenten angeworben, die Erfahrungen in illegalem Abhören haben, da bezahlte man italienische Polizei-Spezialisten, darunter solche der „antimafia“ und der „carabinieres“, französischen Ex-Agenten der „Europol“ (Europa-Polizei), sogar einen ausgewachsenen ehemaligen Geheimdienstagenten der Sowjetunion und nicht zuletzt eine Unmenge von Brasilianern. Darunter waren aktive Agenten des brasilianischen Geheimdiestes Abin wie auch Ex-Agenten dieser dubiosen Organisation sowie brasilianischen Bundespolizisten in Pension.

Allein in Brasilien wurden die Telefongespräche von etwa 2000 (in Worten zweitausend) Personen abgehört und deren E-Mails überwacht, von denen man vermutete, sie könnten diesbezügliche Informationen haben und austauschen, darunter Politiker, Manager der beteiligten Unternehmen und sehr viele Journalisten, wie auch Personen des unmittelbaren Umfeldes von Präsident Lula.

In diesen Fällen geht es darum, jeden Schachzug des Verkaufskandidaten und der gegnerischen Parteien frühzeitig zu erfahren und Gegenmassnahmen zu ergreifen.

Auch die Konkurrenten bedienten sich der gleichen Mittel, so wurde von der Kroll u.a. die Ministerin Marta Suplicy abgehört und der Exminister Palloci. Die Kroll selbst wurde wiederum von Leuten der Opportunity ausspioniert, ebenso wie von der Telecom Italia usw. usf.

Die Anklagen bei der italienischen Staatsanwaltschaft beschäftigen sich mit illegaler Spionage, mit Geldwäsche, mit Korruption (Bestechung von Amtsträgern) und anderen.

Die brasilianische Übersetzerin, die von einer Firma beschäftigt wurde, welche für die Telecom Italia arbeitete und über lange Zeiträume ganze CDs mit abgehörten Telefongesprächen und ausspionierten E-Mails zu übersetzen hatte, erzählt aber, was die Inhalte der interessanten Teile der Kommunikationen waren und macht so deutlich, da ist noch mehr Illegales im Spiel:

„Was ich zu übersetzen hatte, bezog sich auf Marktstrategien, gefälschte Bilanzen, Manöver, um bestimmte Personen in einer Firma durch andere ablösen zu lassen, Informationen über das Privateben von wichtigen Figuren bestimmter Firmen und bestimmter Parteien und Informationen, wer wen als Strohmann verwendet beim Kauf und Verkauf von Immobilien und Unternehmen, weil der eigentliche Käufer/Verkäufer nicht in Erscheinung treten will.“

Und dies alles, kurz nachdem wir ausführlich darüber informiert wurden: Hunderte von Firmen haben sich unsere persönlichen Daten beschafft, oft einschliesslich der Kontonummern und haben ein Millionengeschäft aufgemacht, indem sie diese Datenbündel an interessierte Unternehmen verkauften.

Und Lidl war ja keineswegs die einzige Firma, welche die Mitarbeiter ausspioniete. In den USA ist es sogar schon für legal erklärt worden, die eigenen Mitarbeiter auszuspionieren.

Auch die Kreditkartendaten von Hunderten von Bürgern zusammen mit dem richtigen Namen sind Millionen wert.

Wenn die Herrschaften dieser Bundesreublik sich über die Stasi aufregen, die kam auch nie in die Nähe des Umfangs des Ausspionierens der Privatspäre wie die Bundesrepublik Deutschland.

Selbst die Einwohnermeldeämter haben unsere persönlichen Daten weitergegeben und entsprechende Firmen haben daraus Datensätze zum Verkauf gemacht, die von Propagandisten gekauft werden.

Und da kamen nun die Politiker auf die blendende Idde, man könne ja ein Gesetz machen, dass die Firmen ausdrücklich um unsere Zustimmung bitten müssten, wenn sie unsere Daten speichern und handeln. Da sind die jetzt schon draufgekommen???? Wo waren alle diese Politiker, diese Parteien von CDU/CSU über FDP, SPD und Grüne die letzten 20, 30 Jahre? Auf dem Mond?

D.h. ein wesentlicher Teil dieses Einbruchs in unsere Privatspäre war die ganze Zeit auch noch legal. Soweit illegal, ist es lediglich mit symbolischen Strafen belegt, denn die Politiker haben sich die ganze Zeit nicht im geringsten um unsere Privatsphäre geschert.

Und alle jene kriminellen Spionierorganisationen und alle jene, die unser Daten kaufen, sei es um Propaganda gezielt loszuwerden oder um unsere Konten abzuräumen oder unseren Kreditkartenrahmen ausznutzen, alles dieses sind Firmen, grosse Firmen – und gleichzeitig Mafiaorganisationen.

Wenn Sie oder ich noch ein klitzekleines Geheimnis haben, wir können sicher sein, bald weiss eine Firma davon und verwendet es, um Profit zu machen.

Das nennt man die kapitalstische Barbarei.


Veröffentlicht am 19. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung
steppenhund - 20. Sep, 20:31

Es mag schlimm erscheinen, die beschriebenen Spionage- und Bestechungsaffairen sind aber in meinen Augen eine Kleinigkeit im Vergleich mit dem Coltan-Handel. (Das betroffene Unternehmen nenne ich jetzt nicht, es ist ziemlich leicht ausfindig zu machen.) Die dabei gepflegten Usancen - Finanzierung der Rebellen - rechnet sich nämlich unmittelbar in Kriegsdauer und getötete Opfer um.
-
Was die Bestechung angeht, gehören auch immer zwei dazu. Siemens kann natürlich auf sämtliche Geschäfte in Ländern verzichten, wo Bestechung eine Notwendigkeit darstellt. Über die Kündigungsziffern kann man dann im Nachhinein diskutieren.

Karl Weiss - 21. Sep, 21:14

Gibt weit schlimmeres

Hallo Steppenhund,

ja Sie haben recht, es gibt noch viele andere kriminelle Aktivitäten von Firmen und die erwähnten sind keineswegs die Schlimmsten.

In diesem Artikel wurden nur die gerade aktuellen Fälle berichtet, die genau an jenem Sonntag veröffentlicht wurden.

Damit wurde gezeigt, man kann praktisch einen beliebigen Tag nehmen und wird immer auf solche Fälle treffen.

Was Sie über Bestechung schreiben, ist leider nur die Wiedergabe von faulen Ausreden und triftt generell nicht zu.

In fast allen Fällen wird Bestechung aggressiv von einer der beiden Seiten betrieben, die es für Bestechung braucht. Das wird fast immer mit Methoden gemacht, die als Nötigung oder sogar Erpressung bezeichnet werden müssen. In einigen Fällen treffen auch auf beiden Seiten professionelle Bestecher aufeinander.

Im Fall Siemens war es praktisch immer der Konzern selbst, der aggressiv Bestechungsgelder eingesetzt hat. Deutlich wird das gerade auch daran, dass ein wesentlicher Teil der Siemens-Bestechungen in Deutschland stattgefunden haben.

War nichts mit "jenen Ländern". Im übrigen sollten wir uns in Deutschland diese Art von Hochmut abgewöhnen, zumal Deutschland immer mehr Hochburg von Korruption, Schlampereien, Inkompetenz, Bürokratie, dummen und arroganten Managern, behördlichen Absurditäten und Gebaren von Obrigkeitstaaten wird.

Wir reden ja hier bei Siemens nicht von "kleinen Geschenken", wie ich sie schon selbst in meinem Berufsleben gesehen habe, wie zum Beispiel einem Grossbildfernseher zu Weihnachten. Hier ist von Millionenbeträgen die Rede, die den Empfänger reich machen.

Deshalb brauchte man ja auch die illegalen schwarzen Kassen, weil man solche Beträge ja nicht mehr unter "Sonstiges" verbuchen kann ohne damit aufzufallen.

Das Arbeitsplatzargument greift schon gar nicht. Eventuell gab es mehr Siemensarbeitsplätze, aber im gleichen Masse weniger bei anderen Firmen. Die Gesamthöhe der Investitionen wird ja durch Korruption nicht geändert.

Dass Sie nicht "deutsche" Arbeitsplätze gegen "ausländische" ausspielen wollten, davon gehe ich aus.

Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/5201911/modTrackback

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6723 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

September 2008
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 3 
 6 
11
12
16
17
18
20
23
24
25
30
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Ausschnitt aus Sexfolterphoto Abu Ghraib

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren