Mehr konsumieren!
Von Karl Weiss
Selbst die Idioten, die weiterhin die bürgerliche Ökonomie als vertretbar ansehen, müssen inzwischen schon zugeben: Es gibt Konsum, es gibt Binnennachfrage, was bisher immer geleugnet, jedenfalls für überhaupt nicht wesentlich erklärt worden war. Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom Juni sagt u.a.: „ ... es heißt, nach Wegen zu suchen, um die Nachfrage dauerhaft anzuregen. Die Sparquote ist - im Schnitt, nicht bei Geringverdienern - höher als notwendig. Wenn die Deutschen bei gleichen Exporten mehr konsumieren, wird die Volkswirtschaft stabiler.“
Welche Erkenntnis! Ob er dazu 10 Jahre studieren musste, um das herauszufinden? Hätte er Marx gelesen, hätte er es schon lange gewusst: Die Kapitalisten sind in einer ausweglosen Situation, die am Ende zum Zusammenbruch – in der einen oder anderen Weise – des kapitalistischen Systems führen muss: Sie müssen die Löhne ihrer Arbeiter möglichst niedrig halten, um mehr Profit zu erzielen, aber dadurch gibt es immer weniger Geld in den Händen der Konsumenten, um ihre Produkte zu kaufen. Das ist die wesentliche Ursache aller kapitalistischen Wirtschaftskrisen und auch die der jetzigen kapitalistischen Endzeitkrise.
Mehr konsumieren, wie stellt man sich das vor? Die Geringverdiener können nicht, denn was sie haben, reicht sowieso vorne und hinten nicht. Die mit mittlerem Einkommen sind jetzt in der Krise massiv vom Arbeitsplatzverlust bedroht. Wie werden sie da weniger sparen? Absurde Idee – naja, Idiot eben.
Die Herren mit dem Vermögens- und Bonus-Einkommen konsumieren sowieso schon auf Teufel-komm-raus. Aber man kann eben nicht auf mehr als einer Jacht im Mittelmeer herumschippern. Und viel mehr als 3 Liter Hoch-Preis-Champagner pro Person und Tag geht auch nicht. Auch die Kapazität, Kaviar zu vertilgen – natürlich nur den echten Beluga - ist einfach begrenzt.
Woher nimmt der Idiot also den zusätzlichen Konsum? Wie wäre es, wenn er die Streiks der Kindertagestätten-Angestellten mit unterstützt, damit sie eine gute Lohnerhöhung erreichen? Na, das will er auch nicht, denn er ist ja ein Idiot.
Und der Export, das jedenfalls ahnt er schon, wird nicht mehr auf den früheren Umfang zurückkehren. So bleibt ihm denn nichts anderes übrig als zu prophezeien: „Ja, es kann alles noch schlimmer kommen, als sich mancher von Katastrophennachrichten Ermüdete heute denkt.“ Da müssen wir dem Idioten zustimmen.
Er meint, die große Gefahr sei der Protektionismus für die eigenen Industrien, der sich weltweit ausbreite. Aber das beruht auf der These, der deutsche Export als wesentlicher Teil des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) sei gesund gewesen. In Wirklichkeit bedeutete dieser Weltrekord-Export eine massive Verwerfung des Welt-Handels-und Finanzsystems, die sich die anderen Länder sowieso nicht mehr lange hätten gefallen lassen.
Die Idee der deutschen Politik war und ist, die Industrie über die Exportschiene anzukurbeln und die Deutschen mit Reallohnverlust, Ein–Euro-Jobs, Verweigerung des Mindestlohns, Rentenraub und Hartz IV gleichzeitig in die Armut zu drängen, sodass sie für Hungerlöhne in der Exportindustrie arbeiten.
Doch dieser Traum ist ausgeträumt. Zwar sind die Deutschen noch nicht auf der Strasse wie die Bevölkerung im Iran, um sich dies nicht länger gefallen zu lassen, aber der deutsche Export ist ohne Wiederkehr zusammengeschnurzelt auf einen mäßigen Export, der kaum genug Gegengewicht zu den Importen bildet.
Und das wird so auch nach der Krise sein, falls es überhaupt ein kapitalistisches „nach-der-Krise“ geben wird. Alle Hoffnungen, der deutsche Export könnte je wieder auf sein altes Niveau kommen (Referenz: April 2008), sind ohne jede reale Basis. Genauso wie die anderen Volkswirtschaften mit hoher Export-Abhängigkeit, Japan und China, wird Deutschland besonders intensiv von der Krise getroffen und wird sich nur unter besonderen Anstrengungen wieder herausarbeiten können. Der einzige Weg dazu – sofern es überhaupt einen gibt – geht nicht über den Export, sondern um die Stärkung der Inlandskaufkraft.
Das würde bedeuten, was der Idiot fordert: Mehr Konsum! Und der einzige Weg dazu wäre die Hebung der Kaufkraft der Armen und Geringverdiener in Deutschland:
Weg mit Hartz IV, wieder Arbeitslosenhilfe einführen!
Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde!
Verbot der Leiharbeit, außer für tatsächlich zeitlich begrenzte Arbeiten!
Anhebung der steuerbefreiten Verdienstgrenze auf 24 000 Euro pro Jahr!
Zurück zur Rentenformel der Kohl-Ära!
Mehrwertsteuererhöhung rückgängig machen!
Das alles ließe sich ohne Probleme durch das Rückgängigmachen der Steuerbefreiung der Großkonzerne (das waren eine Reihe von Gesetzen und Änderungen von Erlassen, hauptsächlich zu Schröders Zeiten), der Reform der Vermögenssteuer und jene der Erbschaftssteuer wie auch die Einbeziehung der Erträge aus Finanzanlagen über eine Million Euros in die normale Einkommensversteuerung gegenfinanzieren, das bedeutet, die Unternehmen und Hochverdienenden müssten wieder die Steuern zahlen wie in der Kohl-Ära (bzw. ein wenig mehr), was ihnen damals offensichtlich nichts geschadet hat.
Nun, verehrter Leser, wenn sie dieses Paket hier ansehen, dann wissen Sie, das wird mit dieser Deutschen Politik noch nicht einmal am Sankt-Nimmerleinstag passieren. Eher wird Berlusconi seine Hand von den Frauen lassen als die Verwirklichung dieses Pakets mit CDUCSUSPDGrüneFDP. Ja, nicht einmal Lafontaine als Bundeskanzler würde das durchsetzen.
Damit aber steht bereits fest: In Deutschland wird es keinen Ausweg aus dieser Krise geben. Die Deutschen werden pauschal in Arbeitslosigkeit und Armut gezwungen und das BIP wird auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus nicht oder kaum wachsen.
Wir haben nur einen Weg: Den Kampf! Streiks und Demonstrationen! Weg mit der Armutspolitik! Weg mit diesen Politikern! Weg mit diesem System!
Veröffentlicht am 3.7. 2009 in der Berliner Umschau
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