Wo Roland Koch drauf steht...
Von Karl Weiss
Originalveröffentlichung
Vier hessische Steuerfahnder wurden der hessischen Landesregierung zu eifrig. Sie sollen dem CDU-Schwarzgeld-Skandal nachgegangen sein und erhielten dann Anweisung, sich mit diesem Problem nicht mehr zu beschäftigen. Sie weigerten sich, wurden dann gemobbt, versetzt und schließlich mit Gefälligkeits-Gutachten eines Nervenarztes für verrückt erklärt und pensioniert. Man sollte nicht glauben, dass solche Machenschaften bei einer deutschen Landesregierung vorkommen. Aber wo Roland Koch darauf steht, ist auch Roland Koch drin.
Die vier wollten das aber nicht auf sich beruhen lassen und begannen zu klagen. Bereits im November erzielten sie einen ersten Sieg. Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Giessen entschied, der CDU-Gutachter Thomas H. habe die Expertisen, die jene vier für verrückt erklärten, „nicht entsprechend den fachlichen Anforderungen erstellt“, „vorsätzlich“ fachliche Standards verletzt und sei voreingenommen gewesen. Das Gericht erteilte ihm einen Verweis und verurteilte ihn zu einer Geldbusse von 12 000 Euro.
Der Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth nennt das Vorgehen der hessischen CDU-Regierung einen „Skandal“. Er war in einer Jury, die den „Whistleblower-Preis“ für 2009 vergab – u.a. an diese vier Beamten. Er erklärte, das ärztliche Gefälligkeits-Gutachten sei ein Beleg für „flagrante Verletzungen der ärztlichen Sorgfaltspflicht“ und „eine Schande für den Berufsstand.“
Der hessische Gesundheitsminister (rein zufällig auch von der CDU – es geht doch nichts über wirklich gute Christen) erklärte, die Frage einer neuen gesundheitlichen Begutachtung und einer eventuellen Wiedereinsetzung ins Amt werde erst aktuell, wenn das entsprechende Urteil rechtskräftig werde – das kann dauern.
Die „Süddeutsche“ schrieb dazu:
„Die aufmüpfigen vier Beamten wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten versetzt, es gab disziplinarische Ermittlungen, und am Ende wurde die Abteilung zerschlagen. Sie wollten zurück ins Amt. Doch dann kam Dr. H. und stellte fest, dass eine Rückkehr an die Arbeitsstätte "nicht denkbar" sei. Einige der Steuerbeamten sind über all dem Ärger ernsthaft krank geworden.“
Die Opposition fordert bereits den Rücktritt des hessischen Finanzministers (warum eigentlich nicht den des verantwortlichen Ministerpräsidenten?), aber nun hat die hessische CDU reagiert: Sie greift die krank Gemobbten an. Stellvertretend findet Frau Anne Schauer, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, das Verhalten der Geschassten „etwas sonderbar“. Sie beklagt nicht, dass Leute krank gemobbt wurden, sondern bemängelt, dass sich die Kranken haben krankschreiben lassen.
Auch die Oberfinanzdirektion Frankfurt agiert als Stimme ihres Herren: Es sei das Ansehen einer ordnungsgemäß arbeitenden Verwaltung in unerhörter Weise beschädigt worden und durch einen Vergleich mit totalitären Staaten „in ungeheuerlicher Art verleumdet worden“.
Warum man nicht einfach aufhört, sich wie in totalitären Staaten zu verhalten, wird aber nicht erklärt. Immerhin ist das „für-verrückt-erklären-lassen“ eine der infamsten bekannten Methoden von blutigen Diktaturen.
Auch über Presse und Fernsehen kann man in dieser Affäre lernen. Es wird überhaupt nur rudimentär berichtet und der eigentlich Verantwortliche Roland Koch wird völlig aus der Schusslinie genommen. Bis heute hat keine Zeitung und kein Fernsehsender durchgesetzt, dass er selbst Stellung nimmt. Er wird sichtlich geschont.
Die Opposition setzte inzwischen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu diesem Fall durch. Aber die Regierungskoalition hat schon klargemacht: man wird mit seiner Stimmenmehrheit jegliche ernsthafte Untersuchung und jegliche Verurteilung dieser Praktiken verhindern. Interessant, wie die FDP, die sich früher gerne als „Bewahrer des Rechtsstaates“ aufspielte, hier beim ‚verrückt erklären lassen’ Missliebiger mitspielt.
Die gegen ihren Willen Pensionierten bereiten unterdessen Klagen gegen das Land Hessen vor, wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld. Mal sehen, ob es Koch gelingt, das auch noch auszusitzen.
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