Großbritannien als nächster PIGS-Staat?

Das Vereinigte Königreich in der Bredouille

Von Karl Weiss

Alles spricht von Griechenland, spricht von den PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien), die als Kandidaten für einen Staatsbankrott gelten. Allerdings hat das Vereinigte Königreich, meist einfach England genannt, deutlich schlechtere Daten als alle diese Länder des Euro-Verbundes. Die Briten verbuchten im Januar erstmals mehr Ausgaben als Einnahmen. Die Netto-Verschuldung (und das sind getürkte Zahlen) stieg auf fast genau 60% des Brutto-Inlandsproduktes (BIP).

Die wirkliche Zahl ist höher. Das Pfund sieht sich bereits Wetten gegen seinen Bestand gegenüber.

Northern Rock Pleite

Die Quote der Verschuldung steig in den vergangenen 12 Monaten um fast 10%. Das Haushaltsdefizit ist mit 13% eines der höchsten weltweit. Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für den Schuldenstand im Jahr 2020, wenn nicht rücksichtslos gespart wird, kommen auf Schulden Großbritanniens von 200% des BIP in jenem Jahr. Das wird nur noch von Japan getoppt, mit 300 %.

Die Ökonomen verlangen nun drastische Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Die Labour-Regierung hat die auch schon geplant, aber es stehen Wahlen an.

Der IWF hat errechnet, dass Großbritannien in den kommenden Jahren Sparmassnahmen im Umfang von 13 % des BIP auf den Weg bringen müsste. Bei Griechenland sind es nur 9%. Die politische Durchsetzbarkeit ist fraglich.

Allerdings hat das Vereinigte Königreich noch einen Trumpf in der Hand: Die Abwertung des Pfundes. Etwas, was die einzelnen Länder der Euro-Zone nicht mehr haben. Auch wenn eine Abwertung des Euro als Ganzes immerhin denkbar wäre, würde dies das Ansehen dieser Währung wohl unwiderruflich erschüttern. Und für England gilt: Eine Abwertung löst zwar auf der einen Seite Probleme, bringt aber neue auf der anderen Seite. Ein wesentlicher Teil des Inlandskonsums in England beruht auf Importen, die dann teurer werden.

Ja, man muss sich das einmal ganz nüchtern ansehen: Gehen wir einmal die grössten Volkswirtschaften der Erde durch, eine nach der anderen:

Die USA, die bei weitem größte Volkswirtschaft der Welt (wenn man die Wechselkurse als Vergleichs-Grundlage nimmt), sind praktisch unausweichlich zum Staatsbankrott verurteilt. Japan als (nach diesen Kriterien) zweitgrößte Wirtschaftsmacht müsste mit seinem Yen und der größten Ansammlung von Dollar-Bonds eigentlich noch eher baden gehen, wird aber spätestens beim Crash des Dollar mitgerissen.

Als nächstgrößte Macht nach diesen Kriterien wäre Deutschland dran, das (noch) keineswegs überschuldet ist wie seine beiden größeren Partner. Das Problem besteht darin, dass Deutschland keinen Weg aus der Krise hat, weil seine Politiker einen solchen nur über den Export sehen, aber die anderen Länder darauf nicht mehr so einfach eingehen werden.

In Deutschland ist das andere Problem die Anbindung an den Euro, in dem viele Crash-Kandidaten versammelt sind. Lässt man die VR China mal außen vor, die als nächstes Land drankämen, kommt dann schon England: Schwerste Verschuldungsprobleme, das Pfund ist akut gefährdet.

Danach kommt Frankreich, ebenfalls auf Gedeih und Verderb an den Euro gebunden. Als nächstes dann Italien, eines jener Länder, die das Problem des Euro darstellen.

Hat irgend jemand eine Idee, wie nach all dem eine Weltwirtschaft noch funktionieren soll? Nach aller ernsthaften Voraussicht ist das kapitalistische System am Ende.

Bereiten wir uns auf die Revolution vor!


Veröffentlicht am 8. März 2010 in der Berliner Umschau

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