Steigert Kurzarbeit die Arbeitskosten?

Wie man eine Schimäre erfindet

Von Karl Weiss

Am 30. März, zwei Tage zu früh für einen Aprilscherz, mussten die Deutschen mal wieder lesen, wie man sie zu veräppeln versucht. Eine Meldung, die in fast allen Zeitungen und Magazinen gedruckt wurde und am Fernsehen in den Nachrichten kam, offenbar vom Arbeitgeberverband lanciert: Die Arbeitskosten in Deutschland würden angeblich steigen, die Kosten des Faktor Arbeit seien 2009 um 4,1% in der Privatwirtschaft gestiegen und in der Industrie sogar um 5,1%. Im EU-Vergleich sei dies eine der größten Steigerungen. Das ist natürlich ein Riesenhaufen Bullshit!

Stahlindustrie

Nun mag der deutsche Michel gestutzt haben, denn er kann sich schon nicht mehr an ein Jahr erinnern, in dem er wirklich mehr zur Verfügung hatte. Bekanntlich sind sowohl die Lohnsummen als auch die Reallöhne seit 2000 Jahr für Jahr gesunken, im Jahr 2009 sogar so stark, dass selbst die Brutto-Löhne niedriger lagen als im Jahr zuvor, was vorher noch nie geschehen war.

Statistik Reallöhne

Wie kommt da also jemand auf diese Zahlen mit erhöhten Lohnkosten?

Nun, das sind natürlich Taschenspielertricks, so lächerlich, dass man sie diesen Leuten um die Ohren schlagen müsste. Aber die gehorsamen Redakteure bringen die Meldung, als ob sie irgendeine Art von Wahrheit darstellen würde.

Wie geht nun der Taschenspielertrick? Nun, zunächst einmal berücksichtigt man nicht die Inflation und tut so, als ob eine Lohnsteigerung, die von der Inflation aufgefressen wird, Arbeitskostensteigerung hervorrufen. Das ist natürlich Quatsch. Für die Unternehmen kommt ja (im Schnitt) das mehr herein, was die Inflation darstellt, denn es sind ja eben jene, die durch Preiserhöhungen die Inflation verursachen. In Wirklichkeit rechnen natürlich alle Unternehmen, wenn sie nicht gerade Leute täuschen wollen, mit preisbereinigten Werten.

So ist es typisch, dass die Angaben über angebliche Arbeitskosten in „Euro pro Stunde“ angegeben wurden. Nur ist aber „Euro pro Stunde“ überhaupt nichts, was als „Arbeitskosten“ ausgegeben werden könnte. So haben zum Beispiel deutsche Arbeitnehmer im Schnitt die doppelte Produktivität wie etwa die polnischen. Hätten also diese deutschen Arbeiter das doppelte an Euro pro Stunde wie die polnischen, so hätte der Unternehmer immer noch die gleichen Lohnstückkosten.

Alt-EU der 15: Entwicklung Arbeitskosten von 2000 bis 2008

Ebenso kann man „Euro pro Stunde“ nicht als Arbeitskosten ansehen, weil ja nichts darüber ausgesagt wird, wie viele Arbeitnehmer denn diese „Euros pro Stunde“ bekommen. Hat ein Unternehmen zum Beispiel die Hälfte der Mitarbeiter entlassen und der Rest bekommt um 4% mehr Euro pro Stunde, so sind natürlich die Arbeitskosten des Betriebs fast um die Hälfte gesunken, nicht gestiegen.

Worauf sich die Zahlen bei diesem Taschenspielertrick aber speziell beziehen im Fall von 2009, ist die Kurzarbeit. Bei Kurzarbeit wird ja etwas mehr bezahlt als die tatsächlich verkürzte Arbeitszeit, weil es ein Gesetz in Deutschland gibt, das Kurzarbeit mit geringfügigen Erleichterungen für die betroffenen Arbeitnehmer versieht. Man bekommt nicht ganz soviel abgezogen, wie es der Verminderung der Arbeitszeit entspricht. Ein Teil dieser „Ausgleichszahlung“ wird dabei vom Staat übernommen.

Nun wurde 2009 in Deutschland in so vielen Betrieben (und ganz speziell in der Industrie) kurz gearbeitet, dass diese Ausgleichszahlung, bezogen auf „Euro pro Stunde“, eine geringe Erhöhung pro Arbeitnehmer ergibt. Allerdings haben die Arbeitgeber bei diesen Berechnungen vergessen, den ihnen vom Staat ersetzten Teil der Ausgleichszahlungen von ihren angeblichen „Arbeitskostensteigerungen“ abzuziehen. Der tatsächliche Effekt auf die Einkommen der Arbeitnehmer war durch die weitverbreitete Kurzarbeit aber negativ, obwohl es in der einen oder anderen Branche noch nominale Lohnerhöhungen gegeben hatte. Im zweiten Quartal 2009 zum Beispiel waren die Reallöhne in Deutschland 2,1% geringer als im Jahr vorher.

Also ein dreifacher Trick, um Leute für dumm zu verkaufen. Nur gut, dass wir nicht so doof sind, wie die denken.


Veröffentlicht am 31. März 2010 in der Berliner Umschau

Trackback URL:
https://karlweiss.twoday.net/stories/6268409/modTrackback

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6720 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

März 2010
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 4 
 6 
12
14
15
17
18
20
21
23
26
27
28
30
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Karikatur Selbstmord Guantánamo

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren