Stuttgart 21: Wiederwahl in Gefahr
Von Karl Weiss
Unter dem Titel “Wie einst in Wackersdorf” hetzt ein Kommentator der “Süddeutschen” gegen die Protestbewegung, die das milliardenschwere Prestigeobjekt “Stuttgart 21” verhindern will. Mit Worten wie “hysterisch”, “teuflische Verschwörung”, “nichts Schlüssiges entgegenzusetzen” bedenkt er die weit überwiegende Mehrheit der Stuttgarter Bürger (und nicht nur sie).
Dieses Ergebnis einer infratest-Umfrage vom August zeigt, wie klar die Mehrheit in Stuttgart gegen das Projekt ist und wie die Opposition bis weit in die Wählerschaft der FDP und CDU hineinreicht.
Die Dummheit des Kommentars wird nur noch von den mangelnden Kenntnissen des Kommentators übertroffen, eines gewissen Beck. So vergleicht er mit den Protesten gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf in den 80er Jahren und behauptet, deren Bau sei von den Protesten verhindert worden. In Wirklichkeit hatten damals die Atomkonzerne herausgefunden, die Wiederaufbereitung würde gar nicht die erwarteten hohen Profite bringen und haben den Bau selbst stoppen lassen.
Ebenso behauptet er wahrheitswidrig in seinem Kommentar, die Anbindung an die neue ICE-Strecke von Ulm sei nur mit dem überteuerten Projekt ‘Stuttgart21’ möglich. In Wirklichkeit zeigt das Projekt “Kopfbahnhof”, das einige der Gegner entwickelt haben, wie eine Anbindung möglich ware , ohne 11 Milliarden Euro zum Fenster hinaus zu werfen, wenn allgemein sparen, speziell bei den Armen im Lande, angesagt ist.
Er greift die Phrase der Projekt-Planer von der “Jahrhundertchance” für Stuttgart auf und behauptet, die Gegner hätten dem “nichts Schlüssiges” entgegenzusetzen. In Wahrheit geht es vor allem darum, in extrem teuren Innenstadtlagen Platz für neue Konsumtempel zu schaffen, die auch die letzten kleineren Läden in Stuttgart zum Aufgeben zwingen werden.
Dann kommt er zum Punkt: Er bangt um die CDU als “Volkspartei”.
Eine 'Wahlniederlage in ihrem Stammland hätte für die gesamte Union verheerende Folgen'. Die Wiederwahl bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg am 27. Februar 2001 für Ministerpräsident Mappus sei gefährdet!
Na da kommen uns ja allen die Tränen!
Charakteristisch für einen Hardliner vom Typ Sarrazin dann auch, was er empfiehlt: Landesregierung und Bahn sollen das Projekt gegen alle Widerstände durchpauken. Ein Moratorium würde das Ende des Projekts bedeuten, dieser Forderung dürfe man auf keinen Fall nachgeben. Der poltische Schaden sei jetzt bereits angerichtet und würde nicht grösser werden, wenn man es gewaltsam durchsetzt.
Das ist die Qualitätspresse!
Veröffentlicht am 14. September 2010 in der Berliner Umschau
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