Fussball

Mittwoch, 30. Mai 2007

Das tausendste Tor von Romário

Brasilien, Argentinien und Kolumbien noch in der "Copa Libertadores" vertreten

Von Karl Weiss

Inzwischen haben die Viertelfinale der ‚Copa Libertadores’ stattgefunden, dem südamerikanischen Gegenstück der Champions Leage. In Brasilien wurden die Halbfinals des Pokals gespielt. Die ersten Runden der brasilianischen Meisterschaft haben viele Überraschungen gebracht – und das tausendste Tor von Romário.

Beginnen wir mit der „Libertadores“. Die Viertelfinalspiele liessen nichts an Klasse und Spannung zu wünschen übrig. Libertad aus der paraguayanischen Haupstadt Assunçon trotzte dem hohen argentinischen Favoriten Boca Juniors Buenos Aires in dessen eigenen Stadion, genannt „Bonbonniere“, ein 1:1-Unentschieden ab, konnte aber die Erwartungen im Rückspiel nicht erfüllen. ‚Boca’ wurde seiner Favoritenrolle mit einem 3:1 auf gegnerischen Platz gerecht und ist jetzt der Hauptfavorit auf den Titel.

Cúcuta aus der gleichnamigen kolumbianischen Stadt, das bereits im Achtelfinale überrascht und den peruanischen Vertreter ausgeschaltet hatte, wartete auch gegen einen der zwei verbliebenen uruguayanischen Clubs, Nacional Montevideo, mit zwei starken Leistungen auf. Zun Hause legte man ein 2:0 vor, um dann in Montevideo den Sack mit einem 2:2 zuzumachen. Man wird jetzt gegen Boca Juniors anzutreten haben. Theoretisch dürfte das die Endstation sein.

Santos, frischgebackener Meister des brasilianischen Staates São Paulo, hatte mit America Mexico Stadt einen der wesentlichen Favoriten und den letzten verbliebenen mexikanischen Vertreter als Gegner. Beim Hinspiel in Mexico Stadt erreichte man mit einem 0:0 eine aussichtsreiche Ausgangsposition. Zum Rückspiel in der Vila Belmiro (der Stadtteil von Santos, in dem das vereinseigene Stadion liegt) konnte man mit einem ausgeruhten Team antreten, denn man hatte am Sonntag vorher eine fast vollständige Reservemannschaft in der brasilianischen Meisterschaft spielen lassen – und prompt gegen einen Aufsteiger verloren.

Beim Gegner aber war es genau umgekehrt. Der hatte zwei Tage nach diesem Spiel das entscheidende Spiel im Endspurt der mexikanischen Meisterschaft auszutragen. Die zählt aber für America mehr. So trat man in Santos mit einer fast nur aus Reservespielern bestehenden Elf an.

Der Berichterstatter hatte das Glück, dieses Spiel am Fernsehen verfolgen zu können. Es konnte an Klasse ohne weiteres mit einem Viertelfinale der Champions Leage mithalten. Wenn jene mexikanische Mannschaft die Reserve war, dann muss man sich fragen, wie dann die erste spielt. Auch die Fernsehkommentatoren bemerkten, es gab in der Spielstärke fast keinen Unterschied zu jenem Team, welches das Heimspiel bestritten hatte.

Erwartungsgemäss spielte Santos deutlich offensiver als der Club aus Mexiko Stadt, aber ein hervorragend nach vorn getragener Konter liess America mit 1:0 in Front gehen. Auch zur Halbzeit stand es noch so. Santos liess Chancen im Dutzend aus. Davon eine auch von Zé Roberto, was einen gleich an seine Vorstellung im letzten Jahr bei den Bayern erinnerte.

Das Spiel fand vor den Augen Pelés, des besten Spielers von Santos und der Welt, im strömenden Regen statt, doch zur Mitte der zweiten Hälfte liess der Regen nach, die aufopfernd kämpfenden mexikanischen Ersatzspieler wurden langsamer und die technische Überlegenheit Santos begann sich durchzusetzen. Nun kam America kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus. Logische Folge waren zwei Santos-Tore, die der Mannschaft aus der brasilianischen Hafenstadt das Tor zum Halbfinale aufstiessen, während America sich erneut mit dem guten Eindruck zufriedengeben musste, den die mexikanischen Teilnehmer nun schon seit Jahren in der Libertadores hinterlassen – ohne am Ende ganz vorne zu sein.

Zé Roberto erwies sich erneut als wichtige Stütze von Santos und war an der Entstehung beider Tore beteiligt. Inzwischen hat auch der brasilianische Nationaltrainer Dunga erkannt, auf welch weltmeisterlichen Niveau Zé Roberto spielt, der eigentlich schon auf dem Altenteil war, und ihn ins Aufgebot für die „Copa America“ berufen, die demnächst die Nationalmannschaften Südamerikas um die im Zweijahresrhythmus ausgetragene südamerikanische Krone austragen werden.

Die vierte und letzte Auseinandersetzung des Viertelfinales schliesslich führten die brasilianische Mannschaft Gremio Porto Alegre, letztjähriger Dritter der brasilianischen Meisterschaft und soeben Meister des Staates Rio Grande do Sul geworden, und den zweiten verbliebenen uruguayanischen Club gegeneinander, Defensor Montevideo.

Das erste Spiel in Montevideo war eine einseitige und klare Sache. Das hoch eingeschätzte Team von Gremio holte sich eine 2:0-Abreibung. Im Rückspiel im brasilianischen Süden (nur etwa 250 Kilometer von der uruguayanischenn Grenze entfernt) hätte man also mit drei Toren Unterschied gewinnen müssen, um weiterzukommen. Das war extrem unwahrscheinlich. Doch Gremio schaffte in einem Kraftakt ebenfalls ein 2:0 in der regulären Spielzeit. Nun war Elfmeterschiessen angesagt. Die beiden ersten uruguayanischen Schützen trafen das Gebälk bzw. die Ränge des „Olympischen Stadions“ von Porto Alegre. Die vier ersten brasilianischen Schützen dagegen trafen ins Ziel. Damit war mit Gremio der zweite brasilianische Verein im Halbfinale, wo er nun auf den anderen brasilianischen Vertreter Santos trifft.

Damit ist sichergestellt: Ein brasilianischer Verein wird im Endspiel stehen. Diesmal kann aber nicht passieren, was in den letzten zwei Jahren der Fall war, als jeweils zwei brasilianische Vereine das Endspiel unter sich ausmachten, 2005 São Paulo und Atletico Paranaense und 2006 Internacional Porto Alegre und São Paulo.

Im brasilianischen Pokal legten in den beiden Halbfinalbegnungen die beiden ersten Heimmannschaften jeweils einen Zweitorevorsprung vor, was es fast unmöglich machte, im zweiten Spiel das Geschick noch drehen zu können. Fluminense Rio de Janeiro hatte Brasiliense mit 4:2 abgefertigt, den besten Club aus der Hauptstadt, während Botafogo Rio de Janeiro bei Figuerense aus der Hauptstadt des südlichen brasilianischen Staates Santa Catarina, Florianopolis, sich eine 2:0-Niederlage abgeholt hatte.

Die Rückspiele begannen beide mit einem schnellen Tor der unterlegenen Mannschaft, so dass die Anhänger von Brasiliense und Botafogo Hoffnung schöpfen konnten. Botafogo schaffte auch das 2:0, was ein Elfmeterschiessen im Maracana-Stadion bedeutet hätte (im brasilianischen Pokal gibt es keine Auswärtstor-Regelung). Doch dann schlugen die im ersten Spiel siegreichen Mannschaften zurück. Fluminense erreichte noch den 1:1-Ausgleich, während Figuerense kurz vor Schluss der Begegnung mit dem Anschlusstor noch das Elfmeterschiessen verhindern konnte.

Damit stehen also Fluminense und Figuerense im Pokalendspiel, das in Brasilien in zwei Spielen auf den jeweiligen Heimplätzen der Vereine ausgetragen wird.

Die Halbfinale der „Copa Libertadores“, ebenso wie die beiden Endspiele des brasilianischen Pokals, werden am 30. (bzw. 31.) Mai sowie am 6. (bzw. 7.) Juni ausgetragen (die beiden späteren Termine treffen nur auf die Boca Juniors-Spiele zu).

Im Mai wurden bereits die ersten drei Spieltage der brasilianischen Meisterschaft absolviert.

Als wichtiges Ereignis ist das tausendste Tor von Romário zu vermelden, das er im heimischen Stadion São Januario (einem kleinen vereinseigenen Stadion von Vasco Rio de Janeiro in der Nähe des Maracana-Stadions) per Elfmeter gegen den Aufsteiger Sport Recife erzielte und damit zum 3:1-Sieg seiner Mannschaft beitrug.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel
Romário mit dem zweimaligen brasilianischen Nationaltrainer Parreira (WMs 1994 und 2006) bei seinem Abschiedspiel von der Nationalmannschaft vor zwei Jahren

Mit 41 Jahren als lupenreiner Stürmer noch in der ersten Division einer der grossen Fussballnationen zu spielen und dann auch noch auf 1000 Tore zu kommen, das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Er ist nun in den exklusiven Club der „Tausender“ aufgerückt, in den es bisher nur Pelé (mit über 1200 Toren wohl auf Dauer einmalig – und das als Mittelfeldspieler, nicht als Stürmer) und der Ungar Puskas (ebenfalls Mittelfeldspieler, allerdings aus einer Zeit des offensiven Fussballs) geschafft haben, der letztes Jahr verstorben ist (bei dieser Zählung ist der gesamte Fussball vor dem zweiten Weltkrieg ausgeblendet, denn er ist wirklich nicht mit dem heutigen vergleichbar).

Siehe zu Romário auch noch diesen ausführlicheren Artikel:

http://karlweiss.twoday.net/stories/3688824/

Nach drei Spieltagen hat nur eine Mannschaft alle drei Spiele gewonnen: Parana Clube aus Curitiba, der gerade eben noch die Endspiele der Staatsmeisterschaft gegen einen drittklassigen Verein verloren hatte. Dahinter bildet sich ein Verfolgerfeld aus vier Vereinen, die mit 7 Punkten eine gute Ausgangsposition haben: Corinthians São Paulo, Palmeiras São Paulo, Vasco Rio de Janeiro (mit Romário) und Botafogo Rio de Janeiro.

Klingt fast wie eine Aufzählung derer, die nicht als Favoriten in die Meisterschaft gingen, aber im Fussball will eine Tabelle nach drei Spielen nichts heissen.
Dazu kommt, dass die beiden im Moment wahrscheinlich besten Mannschaften Brasiliens, Gremio und Santos, einen Teil der Spiele bisher mit Reservemannschaften bestritten haben, weil sie Mittwochs noch in der „Taça Libertadores“ eingespannt sind (Santos steht mit drei Punkten auf einem Abstiegsplatz).

Nun, bis Ende Dezember ist es lang und es wird noch viel Wasser (und Pisse) den Tieté hinunterfliessen. Der Tieté, das ist der kleine unschuldige Fluss, der das Pech hatte, genau dort entlang zu fliessen, wo die 20-Millionenstadt Sâo Paulo wuchs (Grösste Stadt der südlichen Hemispäre). Heute ist er ein schwarzer, stinkender Abwasserkanal, weil er fast alle Abwässer der Metropole aufnehmen muss.


Veröffentlicht am 30. Mai 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Den vorhergehenden Artikel zum Südamerikanischen Fussball kann man hier lesen.

Montag, 14. Mai 2007

Fussball - Brasilien und Südamerika

Noch sechs Länder in der Copa Libertadores vertreten

Von Karl Weiss


Der Mai ist gekommen.... Für den brasilianischen Fussball heißt das, die regionalen Meisterschaften sind abgeschlossen, es beginnt die brasilianische Meisterschafts-Runde. Der brasilianische Pokal steht auch schon in der Endphase. In Südamerika tritt die Copa Libertadores, das Gegenstück zur Champions Leage, mit den Viertelfinalen in die entscheidenden Spiele.

Zunächst zu den regionalen Meisterschaften in Brasilien: Aus langer Tradition, als man überhaupt keine brasilianischen Meisterschaften hatte, werden in Brasilien immer noch regionale Meisterschaften in den einzelnen Bundesstaaten ausgetragen. Das ist natürlich bei den kontinentalen Ausdehnung des Landes auch kein Wunder. Allein der Staat, in dem der Berichterstatter lebt, Minas Gerais, ist bereits deutlich grösser als Deutschland – und das ist nur einer von 26.

Die Entfernungen der nun beginnenden brasilianischen Meisterschaft sind denn auch beeindruckend. Bis vor kurzem, als noch Paysandú, ein Verein aus Belém an der Mündung des Amazonas, fast genau auf dem Äquator gelegen, in der ersten Liga war, musste ein Flugzeug von dort bis Porto Alegre im südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul, wo im Winter schon einmal Temperaturen unter Null Grad vorkommen und wo es zwei Traditionsvereine gibt, etwa 4500 Kilometer zurücklegen, das ist mehr als die grösste Nord-Süd– oder Ost-West-Ausdehnung Europas.

In den Regionalmeisterschaften (eigentlich Staatsmeisterschaften) von Februar bis Anfang Mai müssen sich also die Traditionsclubs der ersten Liga mit zweit- und drittklassigen Vereinen herumschlagen, die aus ihrem Staat kommen. Das geht keineswegs immer zugunsten der Erstligavereine aus.

So hat z.B. in diesem Jahr im südlichen Bundesstaat Paraná, wo es in der Hauptstadt Curitiba drei Erstligavereine gibt, der Drittligaclub Paranavaí die Meisterschaft gewonnen, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte, im Endspiel gegen einen der Traditionsvereine, Paraná Clube.

Auch in Goiás im Landesinneren Brasiliens, wo es mit Goiás einen Club der ersten Liga gibt, der noch im letzten Jahr mit um die Libertadores, die südamerikanische Vereinsmeisterschaft spielte, war dieses Mal ein Club aus der dritten Division erfolgreich, Atlético Goiás, nach 19 Jahren erneut Staatsmeister.

Zweitligaverein mit Überaschung
Im Endspiel im Staat São Paulo, der allgemein als am stärksten eingeschätzten regionalen Meisterschaft, hätte fast ein Zweitligaverein eine Überraschung geschafft, São Caetano, Ende letzten Jahres aus der Ersten Division abgestiegen und nun sicherlich einer der Favoriten für die Meisterschaft der Zweiten Liga. Man hatte im ersten Finalspiel den Favoriten Santos 1:0 geschlagen, musste dann aber im Rückspiel eine 2:0-Niederlage einstecken.

Santos, nun erneut einer der Mitfavoriten um die jetzt beginnende brasilianische Meisterschaft, ist neu formiert, nachdem man im vergangenen Jahr ebenfalls die São Paulo-Meisterschaft gewonnen hatte, aber dann in der brasilianischen Runde nicht in den Kampf um die Meisterschaft eingreifen konnte. Man hat weiterhin den Erfolgstrainer Luxemburgo unter Vertrag, der vorher Real Madrid trainiert hat, und kann sich jetzt vor allem auf den von den Bayern heimgekehrten Zé Roberto stützen, von dem noch zu reden sein wird.

In der Rio-Staatsmeisterschaft schaffte es diesmal keiner der „Kleinen“ ins Endspiel. Die beiden Traditionsvereine Flamengo und Botafogo machten in zwei mitreißenden Begegnungen die Meisterschaft unter sich aus. Nach zweimal 2:2 musste das Elfmeterschießen entscheiden, aus dem schließlich Rekord-Meister Flamengo, der Verein mit den meisten Anhängern in Brasilien, als Sieger hervorging.

Symboltier des Vereins: Der Hahn
Im Staat, aus dem berichtet wird, Minas Gerais, hat Atlético Mineiro, eben aus der Zweiten Liga als deren Meister in die erste Division zurückgekehrt, den Erzrivalen Cruzeiro im ersten Endspiel mit einer überraschenden Leistung mit 4:0 vom Platz gefegt. Zwar schaffte Cruzeiro im Rückspiel einen 2: 0-Erfolg, aber das reichte eben nicht. Damit hat Atlético, mit der zahlreichsten Anhängerschaft in Minas Gerais, nach 2000 endlich einmal wieder die Regionalmeisterschaft gewinnen können, nachdem die für lange Zeit fast immer an den Lokalrivalen Cruzeiro ging. Am Sonntagabend hallten hier in Belo Horizonte noch lange die Rufe „Galo“ durch die Stadt. „Galo“, das ist der Hahn, das Symboltier des Vereins. In Brasilien habe viele Vereine Symboltiere, Cruzeiro zum Beispiel die Füchsin. Einer, Palmeiras São Paulo, hat sogar das Schwein zum Symbol.

Im äußersten Süden Brasiliens, wo gestern Temperaturen von 3 Grad herrschten, in Rio Grande do Sul, konnte es der Vereinsweltmeister Internacional Porto Alegre, der im Dezember noch Barcelona im Endspiel besiegt hatte, nicht schaffen, auch nur ins Endspiel der regionalen Meisterschaft zu kommen. Man ist im Moment in einer schwachen Phase, wovon auch noch zu reden sein wird. Die beiden Endspiele wurden stattdessen von den beiden anderen Erstligaclubs aus dem Staat, Gremio Porto Alegre und Juventude Caxias do Sul, ausgetragen. Gremio, in einer hervorragenden Spiellaune, schaffte mit einem 4:1 die Meisterschaft, nachdem das Hinspiel noch 3:3 ausgegangen war.

Einige weitere Staatsmeister:
In Bahia gewann der ebenfalls nun in die erste Liga zurückkehrende Traditionsverein Vitória in der einzigen Meisterschaft, die nach Punkten und nicht im Turniermodus ausgetragen wurde, mit 5 Punkten Vorsprung vor dem Lokalrivalen Bahia, einem Traditionsclub, der eben in die dritte Liga abgestiegen ist.

In Ceará konnte der Traditionsclub Fortaleza gegen Icasa die Oberhand behalten.

In Santa Catarina, dem Bundesstaat, der stark durch deutsche Einwanderung geprägt ist, gewann Chapecoense nach 11 Jahren einmal wieder eine Meisterschaft, während der herausragende Club des Staates, Figuerense leer ausging. Man kann sich aber mit dem Halbfinale de brasilianischen Pokals trösten.

Damit sind wir denn auch schon beim Pokal. Am 16. und 23. Mai werden die beiden Halbfinals ausgetragen und bereits am 30. Mai wird der Sieger ermittelt. Das erste Halbfinale ist zwischen dem Rio-Traditionsverein Fluminense und der besten Mannschaft aus Brasilia, Brasiliense. Das zweite führt einen anderen Traditionsverein aus Rio, Botafogo, der eben den Minas-Meister Atlético in einem Spiel mit stark umstrittenen Schiedsrichterleistungen 2:1 ausgeschaltet hat, gegen jene Mannschaft aus Santa Catarina, Figuerense. Alle „Grossen“ aus São Paulo, Rio Grande do Sul, Minas und Paraná sowie die beiden anderen Traditionsvereine aus Rio sind also bereits eliminiert.

Nun zur Copa Libertadores, dem Gegenstück der Champions Leage in Südamerika. Genau gesagt, ist es eigentlich eine Vereinsmeisterschaft Südamerika plus Mexiko, denn der südamerikanische Verband lädt jedes Jahr den mexikanischen Pokalsieger und die beiden ersten der mexikanischen Meisterschaft ein teilzunehmen.

Die Gruppenphase war bis zum 19. April durchgeführt worden.In ihr war bereits der Vereinsweltmeister und letztjährige Sieger Internacional Porto Alegre ausgeschieden, der tatsächlich nach der Weltmeisterschaft ein tiefes Tal durchläuft. In die Achtelfinale gingen dann 5 Teams aus Brasilien (wobei zwei bereits gegeneinander kamen), 3 aus Mexiko, 2 aus Argentinien (die ebenfalls gegeneinander kamen), 2 aus Uruguay und jeweils einer aus Paraguay, Venezuela, Chile und Kolumbien.

Nun sind soeben die Achtelfinalspiele beendet worden. Wie auch in der Champions Leage, bewahrheitete sich einmal mehr die alte Weisheit, das erste Spiel ist meist ausschlaggebend. Wer sich eine gute Ausgangsposition geschaffen hat, überlebt meistens auch am Ende. Sei es, dass man auswärts ein Unentschieden schafft oder nur mit einem Tor Unterschied verliert, sei es, dass man zu Hause einen Sieg mit mindestens zwei Toren Unterschied vorlegt. In den acht Achtelfinalspielen gab es nur eine Ausnahme von dieser Regel. Im Spiel zwischen Necaxa aus Mexiko und Nacional aus Uruguay hatte Nacional nur ein 3:2 zu Hause geschafft. Im Rückspiel aber konnte das Team mit 1:0 in Mexiko gewinnen und qualifizierte sich.

Die brasilianischen und argentinischen Vereine scheinen dieses Jahr nicht so zu dominieren, wie es früher schon vorkam.

Boca Juniors Buenos Aires und Velez Sarsfield überlebten
Die Reihe der 4 argentinischen Vereine lichtete sich überraschenderweise schon in der Vorrunde und dann weiter in den Gruppenphase. Nur Boca Juniors Buenos Aires und Velez Sarsfield überlebten, kamen aber gleich gegeneinander. Boca Juniors behielt die bessere Seite für sich und ist nun der einzige argentinische Vertreter, gleichzeitig einer der Titelfavoriten. Sie werden gegen den starken paraguayischen Verein Libertad antreten müssen.

Aus der brasilianischen 5er-Phalanx schied nicht nur São Paulo aus, das gegen Gremio, einen anderen brasilianischen Verein, spielen musste, vor zwei Jahren noch Sieger und dann auch Weltmeister gegen Liverpool, im letzten Jahr im Endspiel, sondern es schieden auch Flamengo gegen die relativ unbekannte Mannschaft von Defensor aus Uruguay aus und Paraná Clube, das bereits zu Hause von der paraguayischen Mannschaft von Libertad mit einem 1:2 überrascht wurde und dann in Paraguay nur ein Unentschieden schaffte.

Damit stehen nur noch Gremio und Santos im Wettbewerb, wobei Santos grösste Schwierigkeiten gegen den venezuelanischen Verein Caracas hatte, bei dem man ein Unentschieden vorgelegt hatte, aber dann zu Hause Mitte der ersten Halbzeit 0:2 zurücklag. Santos schaffte noch das 3:2 bis zum Ende der Spielzeit, wobei der in Deutschland gut bekannte Zé Roberto eine überragende Partie lieferte und zwei Tore erzielte. Er steht auf dem Höhepunkt seines Könnens, obwohl schon 32 Jahre alt.

Mittelfeldspieler von Weltklasse
Er war ja von der Abstimmung unter den brasilianischen Zuschauern zum besten Spieler der brasilianischen Auswahl bei der WM in Deutschland bestimmt worden. Was sich die Bayern gedacht haben, als sie genau in dem Moment, als Ballack ging und ein Riesenloch im Mittelfeld hinterließ, auch mit Zé Roberto den zweiten Mittelfeldspieler von Weltklasse ziehen ließen, kann niemand erklären. Das Ergebnis liegt nun vor.

Zwar hatte Zé Roberto in der letzten Saison bei den Bayern eine Anzahl von Torchancen ausgelassen, so dass sein Ansehen schwand, aber man hatte offenbar zu schnell vergessen, wie viele von seinen Flanken von links in der Folge zu Toren geführt hatten. Jetzt hat er mit 32 auch noch den Torriecher entwickelt.

Die Bayern haben anscheinend die alte Bundesliga-Regel vergessen: Meister wird, wer die besten Brasilianer in seinen Reihen hat.

Santos mit Zé Roberto, aber auch Gremio sind ebenfalls Favoriten auf den Titel der Libertadores. Santos hat allerdings mit der mexikanischen Mannschaft von America einen der dicksten Brocken erwischt, damit haben wir schon den vierten Titelanwärter ausgemacht.

Gremio wird gegen Defensor aus Uruguay antreten und müsste das eigentlich schaffen, zumal man in Höchstform spielt.

Das letzte der Duelle im Viertelfinale ist das von Nacional aus Uruguay gegen den kolumbianischen Vertreter Cúcuta. Das müsste für Nacional zu schaffen sein.

Damit wären dann im Halbfinale America aus Mexiko, Gremio aus Brasilien, Boca Juniors aus Argentinien und Nacional aus Uruguay. Ein Endspiel Gremio gegen Boca Juniors wäre ein Klassiker. Aber solchen Vorhersageversuchen wird meist von der Realität ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die Viertelfinalspiele finden am 16. und 23. Mai statt.

Schließlich wären noch die Favoriten für die jetzt beginnende brasilianische Meisterschaft zu nennen. Die beiden noch in der Libertadores vertretenen, Santos und Gremio, sind da sicherlich zuerst zu nennen. Diese beiden spielen wohl im Moment den besten Fußball in Brasilien. Nicht zu vergessen Vorjahresmeister São Paulo, der weiterhin stark ist. Internacional Porto Alegre müsste wohl bald seine schlechte Phase überwinden und dürfte dann auch Mitfavorit sein. Aus Rio kämen wohl nur Flamengo und Botafogo in Frage, während aus der traditionellen Hochburg Curitiba wohl im Moment keiner der drei Vereine auf der Höhe eines brasilianischen Titels steht. Das gleiche gilt wohl auch für die beiden Vertreter aus Minas Gerais und für die beiden anderen Traditionsvereine aus São Paulo, Corinthians und Palmeiras.

Nun, wie pflegt man bei uns zu sagen: Schaugn mer mal.


Artikel veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 14. Mai 2007


Originalartikel

Freitag, 4. Mai 2007

999 Tore - Das Phänomen Romário

Mit fast 42 aktiv

Von Karl Weiss

999 Tore hat er in seiner Fussballerlaufbahn geschossen, er ist bald 42 Jahre alt und spielt weiterhin aktiv in der ersten brasilianischen Liga Fussball – Romário, mit vollem Namen Romário de Souza Faria. Er ist wieder zurückgekehrt zu dem Club, der ihn Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts herausgebracht hat – Vasco da Gama Rio de Janeiro. Mit dem Tor Nummer 1000, das er demnächst zu schiessen gedenkt, würde er in eine extrem kleine Gruppe von Genies des Fussballs aufsteigen. Dort befinden sich bisher nur sein Landsmann Pelé und der letztes Jahr verstorbene Ungar Puskas.

Das Phänomen, so wird eigentlich Ronaldo genannt, ein anderer Landsmann Romários, auch ein Torjäger, aber der hat heute, noch nicht einmal dreissig, schon Probleme, überhaupt wieder in die brasilianische Nationalelf zurückzukommen – der Nationaltrainer Dunga hat ihn nicht für das demnächst anstehende Turnier der Südamerika-Nationalmannschafts-Meisterschaft berufen. Das wirkliche Phänomen ist Romário.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel

Hier Romário im Gespräch mit Parreira beim Abschiedsspiel 2005

In Europa war Romário vielen ein Begriff, denn er spielte Jahre beim PSV Eindhoven (1988 bis 1992) und später beim F.C. Barcelona (1992 – 1994). In Eindhoven sorgte er wesentlich mit für drei niederländische Meisterschaften hintereinander und war vier Jahre hintereinander Torschützenkönig. Dort hat er das Wunderwerk geschafft, im Schnitt mehr als ein Tor pro Spiel zu erzielen – 165 Tore in 163 Spielen! Mit Barcelona hat er 1994 die spanische Meisterschaft gewonnen und war Torschützenkönig der spanischen Liga. Er ist bis heute ein Idol in Barcelona. Er hat für praktisch alle Vereine, bei denen er spielte, entscheidende Tore geschossen.

Sein damaliger Trainer beim F.C. Barcelona, Johann Cruyff, selbst einer der besten Spieler aller Zeiten, hat über ihn gesagt: „Er ist das Genie des Strafraums.“

71 Tore in der Nationalmannschaft

1987 wurde er zum ersten Mal in die brasilianische Auswahl berufen und erzielte auch schon im gleichen Jahr sein erstes von 71 Toren (in 85 Spielen) für die „Seleção“. Diese prozentuale Ausbeute von etwa 84% ist die höchste aller brasilianischen Nationalspieler, noch höher als die Pelés, und wahrscheinlich sogar die zweithöchste überhaupt nach Gerd Müller (wenn man nicht vergleichbare Rekorde früherer Zeiten und jene „kleiner“ Nationalmannschaften unberücksichtigt lässt). Allerdings darf man natürlich auch nicht offensive Mittelfeldspieler wie Pelé mit reinen Stürmern vergleichen.

Es lässt sich kaum zählen, wieviele Torjägerkanonen er eingeheimst hat. Genau gesagt, sind es 28, darunter allerdings einige in kurzen Turnieren. Herausragend, dass er zweimal Torschützenkönig der Champions Leage war, obwohl seine Mannschaft es nicht bis ins Endspiel geschafft hat, einmal mit Eindhoven (1990 mit 6 Toren), einmal mit Barcelona (1993 mit 7 Toren). Auch war es eine bis dahin unbekannte Leistung, als er mit bereits fast 40 Jahren im Jahr 2005 Torschützenkönig der brasilianischen ersten Liga wurde, bereits wieder für Vasco Rio.

Gott des Balles

Der Höhepunkt seiner Karriere war die Kampagne zur Fussballweltmeisterschaft Brasiliens im Jahr 1994, das Jahr, in dem er auch zum „Besten Fussballer des Jahres“ gewählt wurde (nachdem er 1993 bereits den zweiten Platz belegt hatte). Der damalige Trainer Parreira – der auch bei der WM im Jahr 2006 wieder Trainer der brasilianischen Elf war - hatte ihn wegen disziplinarischer Mängel während der Qualifikationsspiele aus der Auswahl verbannt, musste ihn aber in einer verzweifelten Situation vor dem letzten Spiel gegen Uruguay auf den Druck der Öffentlichkeit wieder ins Team holen. Romario schoss die zwei Tore zum Sieg gegen den brasilianischen Angstgegner und sorgte für die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in den USA. Dort wurde er zum dominierenden Spieler und zu einem der Hauptverantwortlichen für den Gewinn der Weltmeisterschaft, der vierten Brasiliens.

Danach spielte er nur noch gelegentlich in der Nationalmannschaft. Am 27. April 2005 wurde ein Abschiedspiel der Nationalmannschaft für Romário gegen Guatemala gespielt, bei dem er selbstverständlich auch wieder ein Tor schoss.

Frauengeschichten und Eskapaden

Romário kann am ehesten mit Gerd Müller verglichen werden, von der Statur her, von der Spielweise und der extremen Schnelligkeit der Bewegungen, wenn er den Ball bekommt. Allerdings war Gerd Müllers Karriere weit kürzer als die Romários, so dass er nie der Zahl von tausend Toren auch nur nahekam. Was beide aber am meisten vergleichbar macht, ist ihr Torinstinkt. Im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu sein, um das Tor zu erzielen, das war immer das Markenzeichen in der Karriere von beiden.

Romário ist kein Musterathlet. Er fiel oft durch mangelnde Disziplin auf. Fehlen im Training, nächtliche Eskapaden, Alkoholkonsum, Frauengeschichten, heimliches Verschwinden aus Trainingcamps, Romário hatte alles im Repertoire. Ein böses Gerücht sagte ihm nach, er habe einmal gesagt: „Wozu trainieren, ich kann schon Fussball spielen.“

Umso mehr ist zu bewundern, was er jetzt leistet. Zwar gab es schon andere Spieler, die noch mit 42 Jahren aktiv waren, zum Beispiel der legendäre Kapitän der deutschen Weltmeistermannschaft von 1954, Fritz Walter, aber das waren Mittelfeldspieler, keine Stürmer. Für den Stürmer ist Schnelligkeit ein unabdingbares Attribut und das ist genau, was rapide nachlässt, wenn man die 35 überschreitet.

Zwar gab es auch schon Stürmer, die mit ihrem Instinkt die nachlassende Schnelligkeit überspielen konnten, mit 37 noch, aber nie gab es einen Stürmer, der mit 41, annähernd 42 Jahren, noch die Leistung (und die Tore) gebracht hätte, die in einer Spitzenliga erforderlich ist. Dies macht Romário zum herausragenden Stürmer aller Zeiten. Er wird nämlich keineswegs aus Nostalgie aufgestellt, sondern ist weiter torgefährlich. In der gerade zu Ende gehenden Staatsmeisterschaft von Rio de Janeiro (Vasco ist schon ausgeschieden), die als Turnier ausgetragen wird, hat er die zweitmeisten Tore geschossen, nämlich 8. Wären ihm 9 gelungen, hätte es zur Zahl Tausend gereicht.

1000 Tore: Ticket in den Fussballhimmel

Vor zwei Wochen konnte man eines der Halbfinale des zweiten Teils des Rio-Turniers zwischen Botafogo Rio und Vasco abends nach zehn am Fernsehen sehen, was sich der Berichterstatter nicht entgehen lassen wollte, obwohl er anderntags früh raus musste, denn es hätte das Tor 1000 von Romário fallen können. Das mitreissende Spiel ging 3 : 3 unentschieden aus und Botafogo gewann im Elfmeterschiessen. Fast, fast, wäre Romário das tausendste Tor gelungen. Einer seiner Mitspieler hatte sich rechts durchgespielt und stand in extrem spitzen Winkel allein rechts kurz vor der Auslinie vor dem Tor. Er hob den Ball mit Gefühl über den Torwart und er senkte sich unter die Latte, als Romário dort heranflog, um den Ball mit dem Kopf endgültig im Tor unterzubringen. Aber, wie die Zeitlupe klar zeigte, hatte der Ball die Linie schon überschritten, bevor Romário ihn erreichte.

Nächste Woche beginnt die Runde der 1. Liga Brasiliens (die bis Dezember dauert) und Romário wird bei Vasco auflaufen. Zwar sind solche Tore immer die verzwicktesten, die einfach nicht fallen wollen, aber man kann sicher sein, es wird nicht lange dauern, bis die Kunde von Romários tausendstem Tor um die Welt gehen wird.

„Wir verhindern die Tore der anderen und vorne hilft der liebe Gott (oder Romário)“

Es gibt bisher erst 2 Spieler auf der Welt, die mehr als tausend Tore in ihrer Karriere geschossen haben, der eine ist Pelé, der über 1 200 erreicht hat, was wohl einen ewigen Rekord bedeutet, der andere ist der Ungar Puskas, der letztes Jahr gestorben ist (Die Leistung von Franz "Bimbo" Binder vor dem Ende des 2. Weltkrieges soll hier keineswegs missachtet werden, aber der damalige Fussball ist nicht mit dem heutigen vergleichbar).

Bei beiden wurden allerdings nur die Tore der erwachsenen Laufbahn und bei Pflichtspielen gezählt, während Romário auch seine Jugend-Tore und jene in einigen Demonstrationsbegegnungen zählt.

Andererseits kann man aber auch nicht den Fussball zu Zeiten von Puskas mit dem heutigen vergleichen. Damals wurde gespielt nach dem Motto: „Wir machen die Tore und hinten hilft der liebe Gott.“, heute ist das Motto: „Wir verhindern die Tore der anderen und vorne hilft der liebe Gott (oder Romário)“. Mit anderen Worten, es war zu jenen Zeiten weit leichter, auf tausend Tore zu kommen als heute. Den Vergleich mit Pelé strebt Romário sowieso nicht an.

Hier sind die Spiele und Tore von Romário bis jetzt:

Jugend- und Amateurzeit:

Verein Olaria (Vorortclub von Rio de Janeiro): 6 Spiele , 7 Tore
Verein Vasco da Gama: 110 Spiele, 59 Tore

Auswahl „unter 17“ von Brasilien: 11 Spiele, 11 Tore

Profi-Spiele:

Verein Vasco: 407 Spiele, 323 Tore
Verein PSV Eindhoven: 163 Spiele, 165 Tore
Verein F.C. Barcelona: 84 Spiele, 53 Tore
Verein Flamengo Rio de Janeiro: 240 Spiele, 204 Tore
Verein F.C. Valencia: 21 Spiele, 14 Tore
Verein Fluminense Rio de Janeiro: 77 Spiele, 48 Tore
Verein Al-Sadd (Emirate): 3 Spiele, kein Tor
Verein Miami: 29 Spiele, 22 Tore
Verein Adelaide United (Australien): 4 Spiele, 1 Tor

Seleção (Nationalmannschaft): 85 Spiele, 71 Tore

Sonstige

Auswahl von Rio de Janeiro: 2 Spiele, 2 Tore
Spiele zu festlichen Anlässen: 11 Spiele, 19 Tore

Summe über alles:

1253 Spiele, 999 Tore, im Schnitt fast genau 0,8 Tore pro Spiel, das dürfte absolut unerreicht sein (wiederum müssen hier Zahlen aus früheren Zeiten unberücksichtigt bleiben).


Veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 4. Mai 2007.

Originalartikel

Freitag, 9. Februar 2007

Fussball droht zum Gewalt-Spektakel zu verkommen

Schiedsrichter nehmen ihre Aufgabe zunehmend ungenügend wahr

Von Karl Weiss

Der internationale Profi-Fußball ist auf einem bedenklichen Pfad, dem des US-Profi-Football und professionellen nordamerikanischen Eishockey. Die haben sich heute zu Gewalt-Shows entwickelt, die bestenfalls noch nebenbei sportliche Elemente enthalten. Sie sind vor allem wegen ihrer blutigen und anderen Verletzungsszenen bekannt und zumindest ein Teil der Fans sieht sie sich an, weil es splitternde Knochen und Blut zu sehen gibt.

Auch im Fußball gibt es mehr und mehr diese Tendenz. Die ureigenste Aufgabe der Schiedsrichter, die Spieler vor gefährlichen Attacken, speziell beabsichtigten, zu schützen, nehmen sie weniger und weniger wahr.

Ein Menetekel für diese Tendenz war das Premier-Leage-Spiel zwischen Liverpool und Chelsea im Stadion der „Reds“ am 21.1.2007. Der Heimverein gewann 2 : 0 gegen die hoch eingeschätzte internationale Auswahl-Elf von Chelsea. Aber das war nicht das Entscheidende. Ebenso wenig der peinliche „Beinschuss“ durch die Beine von Mittelfeldstar und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft Ballack, ausgeführt von seinen Mitspieler Drogba, als der Deutsche mit dem Schiedsrichter diskutierte, statt seine Aufmerksamkeit auf das Spiel zu richten.

Das Wesentliche wurde exemplarisch an zwei Fakten deutlich: Chelseas tschechischer Torhüter Petr Cech, noch nicht völlig genesen von einem Schädelbruch (!), durfte mit einem Schutzhelm aus Gummi spielen, was ihm das Aussehen eines russischen Astronauten gab. Begründung: Eine erneute Kopfverletzung könnte ihm das Leben kosten. Warum man ihn dann nicht zuerst einmal seine Verletzung ausheilen lässt, diese Frage blieb unbeantwortet.

Der zweite Fakt: In einer Szene, die das britische Fernsehen in der Zeitlupe nicht zu Ende zeigte (warum wohl?), wurde in einem Zweikampf ein Chelsea-Spieler am Kopf verletzt und musste blutend vom Platz. Es ist zu vermuten, dass der Liverpooler Spieler ihn mit dem Knie am Kopf traf. Es konnte den Fernsehbildern nicht entnommen werden, ob es sich um eine der seltenen Szenen handelt, in denen tatsächlich ein Spieler ohne gegnerisches Verschulden verletzt wird oder ob es sich wieder um eine kriminelle Attacke vor aller Augen gehandelt hat. Der Schiedsrichter gab keine Foul. Die Symbolik des blutüberströmten Spielers auf der Bahre war aber das ausschlaggebende.

Der Welt-Fußball-Verband hätte statt dieser Sondergenehmigung für das Tragen eines Helms für den Torhüter die schwere Verletzung Cechs, die auch hätte tödlich ausgehen können, zum Anlass nehmen sollen, endlich generelle Anweisungen an die Schiedsrichter zu geben, die Spieler vor schwer unsportlichen Attacken zu schützen und selbst schwere Strafen anzusetzen, wenn solche Vorfälle vom Schiedsrichter nicht gesehen oder falsch interpretiert wurden.

Will man wirklich eine Tendenz wie im American Football und im Eishockey nachmachen, wo nach und nach neue Schutzbekleidungen eingeführt wurden, weil die Attacken immer lebensbedrohlicher wurden? Vollhelme, Eisenstangen zum Schutz gegen Zähne-Ausschlagen, dickste Schulter-Polster, Mundschutz, Unterschutz aus Metall usw. usf. – soll das die Zukunft des Fußballs sein?

Die Attacke auf Cech steht ja nicht allein, sondern ist nur eine Episode einer langen Reihe.

Da gab es zum Beispiel die kriminelle Attacke eines argentinischen Spielers von La Coruña auf den englischen Star Beckham, die ihn fast die Teilnahme an der WM 2002 gekostet hätte (in der Argentinien und England Favoriten waren) und wesentlich zu seiner bestenfalls mittelmäßigen Vorstellung bei jener WM
beigetragen haben dürfte.

Bereits viel früher, im Achtelfinale zwischen Brasilien und den Vereinigten Staaten bei der WM 1994 in den USA, hatte der brasilianische Weltklasse-Spieler Leonardo den US-Spieler Tab Ramos, der ihn von hinten umklammerte, mit dem Ellbogen einen so schweren Schlag ins Gesicht versetzt, dass dieser Wochen im Krankenhaus verbringen musste. Leonardo wurde vom Platz gestellt und für den Rest der WM gesperrt. Zu jener Zeit wurde noch bestraft.

Da gab es die drei Ellenbogen-Checks von italienischen Spielern gegen südkoreanische Gegenspieler in der ersten Halbzeit im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 2002, von denen keiner geahndet wurde, obwohl in einem Fall der südkoreanische Spieler blutend vom Platz musste.

Da gab es vor allem die skandalösen Vorfälle im Achtelfinale der letztjährigen Weltmeisterschaft in Deutschland zwischen Portugal und den Niederlanden. Hier ein paar Auszüge aus dem Spielbericht der „Berliner Umschau“:

„In der 42. Minute dann eine der absurdesten Szenen der Geschichte der Weltmeisterschaften. Robben dringt in den Strafraum ein mit dem Ball und wird von Valente mit einem Tritt mit den Stollen in die Brust zu Boden geschickt. Der Schiedsrichter gibt weder den fälligen Elfmeter ... noch bestraft er die Tätlichkeit.“

„Die Nächste gelbe Karte geht an Bronckhorst für eine Tätlichkeit an Deco (Zu diesem Zeitpunkt hätten bereits mindestens vier Spieler des Feldes verwiesen sein müssen). Nach dieser Szene in der 59. Minute gleitet das Spiel völlig ab. Die Spieler beginnen zu diskutieren statt zu spielen.“

„Figo gibt dem holländischen Spieler Boularouz einen Kopfstoß und erhält (nein, keine rote) eine gelbe Karte.“

„Kurze Zeit später rächt sich Boularouz an Figo. Er schlägt ihm scheinbar ungewollt ins Gesicht. Doch auch dafür erhält er nicht sofort die Rote Karte, sondern nur gelb.“

„Kurz danach ist das nächste Opfer Carvalho nach einem weiteren harten Foul.
Ein Holländer behält kurz danach den Ball, als die Portugiesen Einwurf haben - keine Bestrafung. Gleich danach steigt Deco von hinten kriminell gegen einen Holländer ein - wieder nur gelb für ein klares Rot-Foul.“

“Wieder Diskussionen, Schubsereien. Diesmal gibts gelb für Sneijder. Weitere Diskussionen, Spielertrauben. Noch ein Gelb, diesmal für van der Vaart. Eine Minute später weitere Diskussion. Diesmal gelb für Torwart Ricardo. Gleich danach ein neues schweres brutales Foul, wiederum rotwürdig, von Valente an van Persie. Wieder nur gelb.”

„In der 80. Minute ein kriminelles Einsteigen von Kuyt gegen Torhüter Ricardo. Keine Reaktion vom Schiedsrichter. Die Nerven der Spieler liegen sichtlich blank. Man wartet nur auf die nächste Gelegenheit, einen Gegner verletzen zu können.“

“Nach 90 Minuten hat es Tiago erwischt, erst Minuten vorher eingewechselt. Er muß behandelt werden. In der Nachspielzeit dann erneut schweres Einsteigen gegen Torhüter Ricardo. Gleich danach begeht van Bronckhorst ein kriminelles Foul und erhält - nein wieder kein rot, sondern gelb...“

Obwohl nach diesem Spiel verschiedene Kommentatoren und Offizielle Folgerungen von der FIFA verlangte, weigerte die sich, auch nur eine Untersuchung durchzuführen. Bei solchen Gelegenheiten geben FIFA, aber auch die UEFA und andere Verbände des Fußballs, meist an, man dürfe die Autorität des Schiedsrichters nicht untergraben. Wenn er eine Tatsachenentscheidung gefällt habe, dürfe die nicht nachträglich aufgehoben oder geändert werden.

Auch dürfe man nicht das „Fass aufmachen“. Würde einmal erlaubt, noch nachträglich Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters zu ändern (also z.B. eine gelbe Karte in einen Sperre umwandeln oder ein Spiel wegen einer krassen Fehlentscheidung zu wiederholen), gäbe es nach jedem Spiel eine Lawine von Prozessen vor Sportgerichten.

Diese Argumente greifen allerdings nicht wirklich.

Es wird mit dem Zwang zur absoluten „Tatsachenentscheidung“ dem Schiedsrichter eine Bürde aufgeladen, die für ihn oft zu schwer sein mag. Manchmal sieht er eine Szene aus einem ungünstigen Winkel, manchmal mag er um seine Sicherheit fürchten und so können völlig unbewusst Fehlentscheidungen entstehen, die schwerste Auswirkungen für die gesamte Zukunft des Fußballs haben können.

Würde man die Möglichkeit eröffnen, in besonders einschneidenden Fällen nach dem Spiel eine Entscheidung eventuell revidieren zu können, könnte der Schiedsrichter mit weniger Stress seine Entscheidungen fällen. Auch die oft aggressiven Reklamationen der Spieler, den Schiedsrichter häufig zum Rückwärtsgang zwingend, sind ja hauptsächlich Ausfluss der sturen „Tatsachenentscheidungs“-Regel. Die Spieler wissen, später kann man nichts mehr ändern, nur in den Momenten unmittelbar nach dem Ereignis ist eine Einflussnahme möglich.

Dazu kommt, es wurden bereits entsprechende Präzedenzfälle geschaffen. Berühmt wurde die angesetzte Spielwiederholung Nürnberg gegen Bayern, weil der Ball im Tor zum einzigen Treffer der Münchener durch ein seitliches Loch im Netz Eingang gefunden hatte. Die Nürnberger waren mit dieser Fehlentscheidung abgestiegen und konnten ein Wiederholungsspiel durchsetzen (was allerdings ihren Abstieg nicht verhinderte).

Ein anderer Präzedenzfall wurde von der UEFA geschaffen. In einem Champions-Leage-Spiel hatte ein Spieler einer spanischen Mannschaft für eine Tätlichkeit gegen einen der Spieler des italienischen Gegners nur eine gelbe Karte bekommen. Die UEFA entschied nach Ansehen der Video-Aufzeichnungen, den Spieler für das Rückspiel zu sperren.

Wenn also Präzedenzfälle vorliegen, warum nicht eine Bresche öffnen für wirklich einschneidende Fälle. Alle anderen könnte man vor den Sportgerichten nicht zulassen und damit Prozesslawinen verhindern.

Wirklich große Ungerechtigkeiten können so verhindert werden. Die WM in Deutschland und die beiden „Spieler des Jahres“ Figo und Zidane sind ein klares Beispiel. Figo erhielt für das gleiche Vergehen (Kopfstoß) nur gelb und keinerlei Sperre oder Geldstrafe, Zidane musste nicht nur vom Platz, sondern auch noch eine Bestrafung zum Ende seiner Karriere hinnehmen.

Wichtiger als das Verhindern großer Ungerechtigkeiten ist aber der Schutz der Gesundheit der Spieler.

Es wurden über Jahrzehnte schleichend die Regelauslegungen geändert, so dass heute eine Vielzahl von aggressiven Fouls nicht geahndet werden oder nicht entsprechend der Tat. Man braucht sich nur einige Spiele aus den Fünfziger und Sechziger Jahren im Vergleich mit heutigen ansehen und wird grundlegende Unterschiede feststellen.

Damals z.B. wagte es nie ein Spieler, den anderen am Trikot festzuhalten, denn das hätte immer und ohne Ausnahme Platzverweis bedeutet. Mit der Zeit wurde diese Regelauslegung aufgeweicht. Obwohl „Am-Trikot-Halten“ immer absichtlich ist und für absichtliche Fouls in den Regeln eindeutig Platzverweis vorgesehen ist, wird so getan, als wüsste man das nicht. Heute sieht man dutzendweise Szenen, bei denen die Spieler sich am Trikot ziehen und meist wird überhaupt nicht bestraft unter den Vorwand, es hätten ja beide getan.

Wenn beide absichtliche Fouls begehen, müssen eben beide vom Platz!

Eine andere Tätlichkeit ist das Hineinrutschen in den Gegner mit beiden Beinen zuerst. Auch das hätte früher niemand gewagt. Heute ist es an der Tagesordnung. Auch das ist immer absichtlich, immer eine Tätlichkeit und wird kaum je einmal so bestraft (Ausnahme: Ein Spieler von Trinidad-Tobago sah bei der WM in Deutschland rot für dieses Foul, zig andere nicht).

Bei Spielen aus den Fünfziger und Sechziger Jahren kann man auch etwas anderes sehen: Die Spieler agieren fast durchweg mit am Körper angelegten Ellenbogen. Das war damals die Regelauslegung: Sobald man in der Nähe anderer Spieler ist, müssen die Ellenbogen am Körper angelegt bleiben. Auf diese Art und Weise kann es nicht passieren, dass man – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – dem Gegner den Ellenbogen an den Kopf knallt, was heute fast schon Standardsituation in jedem Spiel ist.

Damals wurde schon das Heben des Armes als Foul geahndet, Körperkontakt mit gehobenem Arm ergab eine Verwarnung, also heute gelbe Karte – wohlgemerkt ohne Schlag mit dem Arm oder Ellenbogen. Ein wirklicher Schlag oder Ellenbogencheck, wie wir ihn heute regelmäßig auf den Spielfeldern sehen, hätte damals schwerste Strafen nach sich gezogen, nicht nur den Platzverweis, sondern auch lange Spielsperren.

Und waren damals die Spiele weniger mitreißend, weniger spannend und zum Mitfiebern geeignet? Nein.

Heute ist der Fußball weit schneller, weit athletischer, weil die Trainingsmethoden bei weitem verbessert wurden. Dadurch ist die Verletzungsgefahr sowieso schon grösser, da braucht man nicht auch noch die
Regelauslegung zu verwässern.

Die FIFA und die anderen Verbände müssen sich überlegen, ob sie den Fußball wirklich in die Nähe des Catchens abgleiten lassen wollen, wo fast nur noch gewaltbereite junge Männer zuschauen wollen oder ob sie den bei weitem beliebtesten Zuschauersport auf der Welt nicht offen halten wollen für die Familien, indem keine Gewalttätigkeiten mehr vom Spielfeld aus initiiert werden.

Veröffentlicht am 9. Februar 2007 in der "Berliner Umschau"

Montag, 18. Dezember 2006

Internacional Porto Alegre ist Fussball-Vereinsweltmeister 2006

... durch ein 1 : 0 gegen den F.C. Barcelona

Von Karl Weiss

Der diesjährige Sieger der „Copa Libertadores“, dem südamerikanischen Gegenstück zur europäischen „Champions Leage“, der südbrasilianische Club Internacional Porto Alegre, hat am 17.12. 2006 durch einen 1: 0-Erfolg gegen den europäischen Titelträger F.C. Barcelona die FIFA-Vereinsweltmeisterschaft gewonnen. Damit sind alle drei bisher von der FIFA ausgetragenen Vereinsweltmeisterschaften an brasilianische Vereine gegangen.

Im Jahr 1999 hatte die FIFA versuchsweise eine erste Vereinsweltmeisterschaft in Brasilien ausgetragen. Die hatte damals Corinthians São Paulo im Endspiel gegen Vasco da Gama Rio de Janeiro gewonnen, das vorher den damaligen europäischen Champion Manchester United eliminiert hatte. Mit geändertem Qualifikations- und Wettbewerbs-Schema wurde dann zum zweiten Mal eine FIFA-Vereinsweltmeisterschaft letztes Jahr (2005) veranstaltet, die wie diesmal den europäischen Champions-Leage-Sieger, damals den F.C. Liverpool, gegen eine brasilianische Mannschaft führte, die aktueller Sieger der „Libertadores“ war, damals der São Paulo F.C., der in diesem Jahr die brasilianische Meisterschaft gewonnen hat. Auch letztes Jahr gewann die brasilianische Mannschaft.

Der São Paulo F.C. aus der grössten Stadt der südlichen Hemisphäre war auch in diesem Jahr bis ins Finale der „Copa Libertadores“vorgestoßen und war Favorit, aber in zwei Spielen musste São Paulo Niederlagen hinnehmen gegen eine zeitweise unwiderstehlich aufspielende Mannschaft von Internacional. Allerdings gingen nach dieser großen Entscheidung insgesamt drei wichtige Spieler von Internacional weg (Tinga, Sobis und Bolivar), darunter der wichtigste Stürmer, Sobis, heute Stammspieler in der brasilianischen Auswahlelf, der jetzt bei Betis in Spanien spielt.

Der Berichterstatter hatte schon Bedenken, ob Internacional wirklich mit dem Super-Team aus Barcelona mithalten könnte, aber wieder einmal zeigte der Fußball, dass er unvorhersehbar ist. Immerhin hatte Barcelona „standesgemäß“ das starke Team von America aus Mexiko im Spiel um den Einzug ins Finale mit 4 : 0 abgefertigt. „Inter“, wie die Mannschaft in Brasilien kurz genannt wird, kann nur als etwa gleichwertig mit America angesehen werden.

Aber vielleicht hat irgendjemand genau dies auch den Spielern von Barcelona gesagt. Die Mannschaft ließ viel von ihrem üblichen Können im Endspiel vermissen, speziell in der zweiten Halbzeit. Vielleicht hatte man Inter unterschätzt und fast nicht ist tödlicher im Fußball als den Gegner zu unterschätzen (lediglich Angst vor ihm zu haben) – die Ungarn von 1954 im Weltmeisterschaftsendspiel können ein Lied davon singen.

Da gibt es natürlich auch noch ein kleines pikantes Detail, wie das so üblich ist bei großen Entscheidungen. Ronaldinho Gaúcho, der Superstar von Barcelona, war, solange er noch in Brasilien spielte, bei Inters Lokalrivale Gremio beschäftigt und man kennt ihn und seine Spielweise sehr gut in Porto Alegre. Er wurde in „liebevolle“ Spezialüberwachung genommen von Inters rechtem Außenverteidiger Ceará und konnte nicht zu seinem gewohnten Spiel finden, wenn er natürlich auch nie völlig auszuschalten ist. Das war denn auch Ronaldinhos Kommentar nach Spielende: „Ich wurde sehr stark bewacht. Internacional hat die Räume dicht gemacht und spielte taktisch perfekt.“

Barcelona will sich jetzt darauf konzentrieren, das „Doppel“ zu machen und die Champions Leage zweimal hintereinander zu gewinnen – was bisher noch niemanden gelungen ist (seit sie „Champions Leage“ heißt). Allerdings hat Chelsea, das ja in der gleichen Gruppe wie Barcelona war (mit dem unglücklichen deutschen Club Werder), bereits gezeigt, dass mit dieser Mannschaft zu rechnen ist.

Inter, das bereits 3 nationale brasilianische Titel und einen Pokalsieg vorzuweisen hat, hatte vor 2006 im internationalen Geschäft noch nichts Zählbares zustande gebracht. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Nun hat man mit dem Lokalrivalen Gremio gleichgezogen, der ebenfalls in einem Jahr den „Libertadores“-Titel und danach die Vereinsweltmeisterschaft nach Porto Alegre bringen konnte – das war 1983.

Zwei andere brasilianische Mannschaften haben diese Errungenschaft bereits (außer Gremio Porto Alegre) geschafft, nämlich Flamengo Rio de Janeiro und Corinthians São Paulo – die beiden Clubs mit der grössten Anhängerschaft in Brasilien. Allerdings gibt es auch bereits einen Club, der zwei Libertadores und anschließende Welt-Titel verbuchen konnte, der Santos F.C. (das war zu Zeiten Pelés). Allen voran aber ist der eben gekürte brasilianische Meister São Paulo F.C., der bereits drei dieser Kunststücke fertig gebracht hat, 1991 gegen den A.C. Mailand, 1992 gegen Barcelona und eben, wie schon erwähnt, 2005 gegen Liverpool.

Damit ist die Metropole des äußersten Südens, Porto Alegre, nach São Paulo die zweite Stadt in Brasilien, die zwei Vereine beherbergt, die solches zu verbuchen haben. In Europa können wohl nur Mailand und London solches von sich sagen. Bemerkenswert, dass der Lokalrivale, gerade erst wieder aufgestiegen, auch sonst mit Inter mithalten kann: Man hat den dritten Platz in der Meisterschaft belegt, hinter Inter, das Zweiter wurde, mit nur zwei Punkten Rückstand (das ist fast nichts nach einer langen Saison).

Nachdem nun alle drei FIFA-Vereinsweltmeisterschaften von brasilianischen Vereinen geholt wurden, könnte natürlich jemand die Theorie der Überlegenheit der brasilianischen Liga erfinden. Aber dem ist nicht so. Zum einen gibt die Statistik klare Hinweise, dass die argentinische erste Division immer gleichwertig mit der brasilianischen war und ist, zum anderen kann die überragende Stärke der italienischen und spanischen Liga nicht geleugnet werden.

Auf jeden Fall können diese Ergebnisse aber die penetrante europäische Arroganz widerlegen, die den europäischen Teams eine absolute Überlegenheit zugestehen will. Dem ist nicht so. Sowohl die argentinische Spitzenliga wie auch die brasilianische kann mit den besten europäischen Ligen mithalten – und das, obwohl die besten argentinischen und brasilianischen Spieler bei europäischen Clubs spielen. In beiden Ländern gibt es ein Potential von ständig nachwachsenden Talenten, das ein Deutschland gelb vor Neid werden lassen könnte.

Man sehe sich nur die zwei 17- bzw. 18-jährigen an, die bei Inter im Endspiel zum Einsatz kamen. Sowohl Alexandre Pato als auch Luis Adriano, den dieser ersetzte, sind aufkommende Talente, die allerdings keine sichtbare Marke im Endspiel hinterließen.

Im Spiel um den Einzug ins Finale allerdings, gegen die ägyptische Mannschaft von Al Ahly, den afrikanischen Meister, haben beide gezeigt, was sie können und für die beiden Tore gesorgt, die Inter ins Endspiel brachten. In jenem Spiel zeigte Inter seine eher schwache Seite und musste auf Einzelleistungen hoffen, um am Ende mit 2 : 1 die Nase vorn zu haben. Im Spiel um den dritten Platz bewies Al Alhy mit einem Sieg gegen America Mexico Stadt, dass es sich wirklich um ein starkes Team handelt.

Held der Eroberung war Adriano, ein Spieler, der mehrfach harsch kritisiert worden war und sich in letzter Zeit in Heimspielen mehrfach Pfeifkonzerte (Buh-Konzerte) anhören musste. Er erzielte das entscheidende Tor gegen Barcelona in der 36. Minute der zweiten Hälfte und ließ alle schwachen Vorstellungen vergessen. Besonnene Beobachter weisen allerdings darauf hin, dass es Iarley war, der mit einem überragenden Sturmlauf in eine aussichtsreiche Position kam, in der er nur den mitgelaufenen Adriano bedienen musste und der stand allein vor dem Torwart.

Der Trainer von Inter, Abel Braga, hat mit diesem Sieg zweifellos sein Meisterstück vollbracht. Er hatte auch zuvor schon eine erfolgreiche Karriere hinter sich, konnte sie aber nun krönen. Dabei wiegt besonders schwer, dass vor allem die taktische Meisterleistung in der zweiten Halbzeit den Ausschlag für Inter gab. Vielleicht sollte der eine oder andere deutsche Verein mal nach guten brasilianischen Trainern Ausschau halten. Hamburg z.B. könnte nur gewinnen mit einem gewieften Taktiker als Trainer anstatt mit Auslaufmodellen wie Airton als Stürmer.


Artikel veröffentlicht am 18.12.2006 in der "Berliner Umschau".

Donnerstag, 30. November 2006

São Paulo F.C. ist brasilianischer Fussballmeister

Fast alle Entscheidungen vor dem letzten Spieltag gefallen

Von Karl Weiss

Nach langen Jahren des Versuchens hat es der São Paulo Futebol Clube geschafft: Er wurde zum vierten Mal brasilianischer Meister. Er liegt damit gleichauf mit weiteren vier Vereinen, die jeweils 4 Titel aufweisen können. Die brasilianische Fußballmeisterschaft wird erst seit 1971 ausgetragen. Davor gab es nur regionale Meisterschaften.

São Paulo wurde bereits praktisch am viertletzten Spieltag Meister, als man Santos auswärts schlug und dann am drittletzten Spieltag auch rechnerisch, als sein einziger verbliebener Rivale Internacional Porto Alegre (bei Paraná Clube in Curitiba) stolperte, der dieses Jahr gegen São Paulo die Endspiele der „Taça Libertadores“- dem südamerikanischen Gegenstück zur „Champions Leage“ – gewonnen hatte und nun in der von der FIFA veranstalteten Vereinsweltmeisterschaft steht, die letztes Jahr São Paulo gegen Liverpool gewonnen hatte.

Es schien schon fast ein Fluch über dem São Paulo F.C. zu liegen, denn es wollte einfach nicht klappen mit der vierten nationalen Meisterschaft, obwohl man die ganzen letzten Jahren immer unter den besten brasilianischen Vereinen war. Im Vorjahr konnte man sogar die „Libertadores“ gewinnen, aber in der Landesmeisterschaft musste man sich mit einem Mittelplatz zufrieden geben und dem Lokalrivalen Corinthians dem Vortritt als Meister lassen.

In Europa gibt es weithin eine Unterschätzung der brasilianischen und argentinischen ersten Ligen, weil die besten Spieler beider Länder zum großen Teil bei europäischen Vereinen ihre Brötchen verdienen. Man meint offenbar, was da im Lande übrig bleibe, könne nicht mehr allzu viel hermachen. Tatsache ist aber: Die Meisterschaften der beiden führenden südamerikanischen Fußballnationen könne sich absolut mit den großen europäischen Fußball-Ligen messen.

Dies wird ja alljährlich deutlich, wenn die jeweiligen Sieger der Champions-Leage und der Libertadores – meistens im Dezember – ihre Kräfte messen, so wie dies über viele Jahre mit dem Ausscheidungsspiel in Tokio der Fall war und wie es heute als Vereinsweltmeisterschaft von der FIFA organisiert wird. Die Ergebnisse der Spiele sind extrem ausgeglichen, der Sieger hängt weitgehend von der Tagesform und anderen Zufällen ab, kurz: Die beiden besten Mannschaften der beiden Kontinente sind im wesentlichen gleichwertig. Und hier reden wir vom Sieger der Champions Leage, nicht einfach nur vom Niveau der Bundesliga oder der englischen Premier Leage.

Interessant in diesem Zusammenhang eine Diskussion, die kürzlich in einem Web-Forum stattfand, in dem über Spieler-Transfers diskutiert wird. Es wurde ein Artikel des Berichterstatters verlinkt, der zu Beginn der Bundesliga vorausgesagt hatte, dass Werder mit Diego eine gute Chance hat, mit den Bayern ohne Ballack mitzuhalten oder sie sogar zu überflügeln. Dabei wurde speziell auf die Aussage eingegangen, die brasilianische Erste Division sei von der Spielstärke her mit der Bundesliga zu vergleichen. Das sei Unsinn, wurde gesagt, einer meinte sogar, der ganze Artikel sei ein Witz.

Tatsächlich wäre der Vergleich mit der italienischen und der spanischen Ersten Liga, den beiden Vorzeigestücken Europas, wohl etwas übertrieben, wenn auch die Ergebnisse von Spielen mit den dortigen Spitzenvereinen immer ausgeglichen sind. Auf jeden Fall kann aber sowohl die argentinische als auch die brasilianische Erste Division mit der Bundesliga und der englischen Ersten Liga mithalten.

In den bisherigen 36 ausgetragenen brasilianischen Fußballmeisterschaften, davon 32 als Turnier, erst seit 2003 mit Hin- und Rückrunde aller gegen alle, haben bisher folgende Vereine 4 Mal gewonnen: Flamengo Rio de Janeiro, Vasco Rio de Janeiro, Palmeiras São Paulo, Corinthians São Paulo und São Paulo F.C. {Es gibt eine Polemik über den Meister des Jahres 1987. Damals hatte sich ein Gegenverband gebildet und eine eigene Meisterschaft ausgetragen, die von Flamengo gewonnen wurde. Wir bleiben hier aber bei der offiziellen Zählung des CBF, des brasilianischen Fußballverbandes.}

Mit 3 Meisterschaften steht Internacional Porto Alegre zu Buche, der aktuelle Meister der Libertadores, in den beiden letzten Jahren jeweils Zweiter der Meisterschaft. Im letzten Jahr wurde man nur nicht Meister, weil Spiele wegen des Schiedsrichterskandals wiederholt wurden und so Corinthians die Mannschaft aus dem Süden Brasiliens noch abfangen konnte.

2 Meisterschaften können jeweils der Santos F.C. und Gremio Porto Alegre aufweisen. Der Rest von 9 Meisterschaften verteilt sich auf 9 weitere Clubs, darunter Guarani Campinas, ein Club, der eben von der zweiten in die dritte Liga abgestiegen ist.

Damit herrscht in Campinas Trauerstimmung, denn auch der zweite Club der Stadt, Ponte Preta, steigt nun endgültig aus der ersten Liga ab. Letztes Jahr noch mit zwei stolzen Erstligavereinen, nächstes mit einem in der dritten und einem in der zweiten Division! Campinas ist eine aufstrebende Millionenstadt im Landesinneren des Staates São Paulo, etwa eine Autostunde von der grössten Metropole der südlichen Hemisphäre entfernt. Reihenweise neue Industrieansiedlungen, himmelstrebende Wohnhochhäuser und Immobilienpreise. Boomtown. Und nun dies!

Ponte Preta hätte noch eine Chance am letzten Spieltag gehabt, aber Fluminense Rio de Janeiro, in äußerster Abstiegsnot, konnte beim schon lange abgestiegenen Tabellenletzten Santa Cruz einen Auswärtssieg mit 2:1 landen und sich absetzen. Die „Ponte“, von den Anhängern liebevoll „Macaco“genannt, der Affe, verlor dagegen zu Hause gegen Goiás Goiánia und besiegelte damit den Abstieg. Die anderen Absteiger standen schon vorher fest. Santa Cruz, Fortaleza und São Caetano müssen ebenfalls den Weg in die zweite Liga antreten.

Hart gekämpft wird noch um die letzten Plätze für die Teilnahme am nächsten „Libertadores“-Cup. Gremio Porto Alegre konnte sich bereits den dritten Platz der Meisterschaft sichern und damit den zweiten Libertadores-Platz (Der Zweite Internacional als Libertadores-Sieger ist automatisch qualifiziert). Damit haben wir die einmalige Situation, dass gleichzeitig beide Mannschaften aus Porto Alegre mit den Plätzen 2 und 3 zur absoluten Creme des brasilianischen Fußballs gehören.

Der Santos F.C., bis zu seiner Heimniederlage gegen São Paulo noch Titelanwärter, legte, wie letztes Jahr, eine Negativ-Serie am Schluss hin. Ein Unentschieden gegen einen der Mitkandidaten um die beiden letzten Plätze der Libertadores, Vasco Rio de Janeiro, reichte nicht, um den vierten Platz und damit den dritten Libertadores-Platz sicherzustellen. Allerdings tritt man im letzten Spiel gegen den Tabellenletzten Santa Cruz zu Hause an. Das müsste diesmal reichen.

Der restliche Libertadores-Platz für den Fünften wird zwischen Paraná-Clube Curitiba und Vasco Rio de Janeiro ausgetragen, Paraná mit einem Punkt Vorsprung. Paraná empfängt im letzten Spiel zu Hause Meister São Paulo, dessen Spieler wohl mit einem Kater von der Meisterfeier aufs Spielfeld kommen werden, während Vasco auswärts gegen die Überraschungsmannschaft von Figuerense Florianópolis einen schweren Stand haben wird.

Bleibt zu vermelden, wer denn aufsteigen wird. Meister der zweiten Liga und damit erster Aufsteiger ist der letztes Jahr abgestiegene Club Atlético Mineiro aus Belo Horizonte (dem zukünftigen Wohnort des Berichterstatters), erster brasilianischer Meister 1971, der dort mehr Anhänger hat als der Lokalrivale Cruzeiro. Dazu kommen Sport Recife, auch bereits mit einer brasilianischer Meisterschaft (das war die Rest-Meisterschaft von 1987), Náutico, ebenfalls aus Pernambuco und mit América Rio Grande do Norte aus Natál ein weiterer Club aus dem Nordosten Brasiliens, der in der vergangenen Saison alle seine Vertreter in der ersten Liga verloren gehabt hatte und nun mit Macht und drei Vereinen wieder zurückkehrt. Allerdings werden die drei die ersten Kandidaten auf den Abstieg im kommenden Jahr sein.

Und nun noch, was interessiert: Auch dieses Jahr gibt es wieder die Entdeckung eines großen Talents in der brasilianischen ersten Liga. Kurz vor Ende der Saison, am Sonntag, dem 26. November, man meinte schon, eine neu-talentlose Spielzeit melden zu müssen, tauchte wie Phönix aus der Asche ein Siebzehnjähriger auf, machte sein erstes Spiel in der ersten Liga und zog eine Schau ab. Ein Tor von ihm, zwei weitere vorbereitet – und das gegen Palmeiras São Paulo auf deren Platz.

Der Junge ist 17, ist Stürmer, hat noch die Pubertätspickel im Gesicht und reagierte deutlich erschreckt auf den Medienauflauf, den er hervorrief. Sein Verein – und das ist das beste daran – ist Internacional Porto Alegre, der Vize-Meister und Libertadores-Sieger, den man jetzt demnächst bei der FIFA-Vereinsweltmeisterschaft besichtigen kann – und das Super-Talent ist gemeldet!

Er heißt Pato, was nichts anderes als „Ente“ heißt (hatten wir da nicht mal einen Spieler „Ente“ in Deutschland, bei Rotweiss Essen?), nur ist das sein wirklicher Nachname, nicht, wie üblich in Brasilien, ein Spitzname. Dagegen war „Ente“ Lippens einer der wenigen deutschen Spitznamen.

Der Präsident von Internacional hält ihn für ein „Phänomen“. Das letzte Mal, dass dieses Wort verwendet wurde, war bei Ronaldo. Er hat betont, er habe absichtlich verhindert, Pato früher in der Meisterschaft zu bringen, weil er ihn nicht „verheizen“ will. Immerhin stand ‚Inter’ bis zum viertletzten Spieltag noch im Kampf um die Meisterschaft. Der wirkliche Grund dürfte gewesen sein: Erst jetzt konnte man die zu zahlende Ablösesumme für ihn festlegen (die heißt jetzt anders, aber es bleibt das gleiche). Brasilianische Vereine müssen 27 Millionen Reais bezahlen, ausländische 20 Millionen US-Dollar.

Natürlich heißt ein gutes Spiel von einem 17-jährigen noch gar nichts, aber wer einmal die ersten Schritte eines möglichen neuen Ronaldo sehen will,
kann sich ja mal drum kümmern, die beiden Spiele von Internacional bei der Vereinsweltmeisterschaft sehen zu können.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 30. November 2006

Samstag, 4. November 2006

Brasilianische Fussballmeisterschaft im Endspurt

São Paulo mit Abstand in Führung

Von Karl Weiss


Die brasilianische Fußballmeisterschaft der ersten Liga steht in ihrem Schlußspurt. Noch 6 Spieltage, dann, am 3.Dezember, wird der neue Meister gekürt sein und die Absteiger, diesmal wieder vier, werden feststehen. Alle Mannschaften haben noch drei Heim- und drei Auswärtsspiele. Wahrscheinlich wird der São Paulo F.C. Meister, der aktuelle FIFA-Vereinsweltmeister.

In Brasilien, das erst vor wenigen Jahren eine landesweite Meisterschaft mit Hin- und Rückrunde Jeder gegen Jeden eingeführt hat, findet diese von April bis Dezember statt, mit im Moment 20 Vereinen. Von Februar bis April gibt es noch zusätzlich regionale Meisterschaften, an denen die Vereine der ersten Liga ebenfalls teilnehmen müssen. Das ergibt eine Unzahl von Spielen, weit mehr als in europäischen Ländern. Fast jeden Mittwoch ist Spieltag.

Oft wird die Qualität der brasilianischen Spitzenvereine in Europa unterschätzt, denn die besten Brasilianer spielen ja in Europa. Das Reservoir an Talenten ist aber so umfangreich in diesem fußballverrückten Land, daß auch ohne diese noch Fußball auf höchstem Niveau gespielt werden kann. Der damalige Champions-Leage-Sieger F.C. Liverpool kann ein Lied davon singen, denn er musste sich dem damaligen Sieger der „Copa Libertadores”, dem südamerikanischen Gegenstück, São Paulo F.C., in der Entscheidung der FIFA-Fußball-Vereinsweltmeisterschaft im Dezember 2005 geschlagen geben.

Die brasilianische Meisterschaft hat auch dieses Jahr wieder mit einer Anzahl Überraschungen aufgewartet, wenn sie auch nicht so extrem ungewöhnlich und spannend verlief wie die letztjährige. Während damals insgesamt 9 der 22 Vereine den ersten Platz einnahmen im Lauf der Meisterschaft und zwei Runden vor den Ende immer noch alles offen war, hat diesmal der São Paulo F.C. den wesentlichen Teil der Zeit die Tabelle angeführt und liegt nun mit 5 Punkten Vorsprung auf dem Meisterplatz. Wenn nicht noch ein Einbruch ungeahnten Ausmaßes passiert, wie damals den Leverkusenern, die vier Spieltage vor Schluss mit 9 Punkten Vorsprung an der Spitze lagen und es noch fertig brachten, die Meisterschaft zu verlieren, so wird der „dreifarbige” Club, wie er hier oft genannt wird nach seinen Vereinsfarben schwarz, weiß und rot, auch am Ende die Nase vorne haben.

Die wesentlichen Überraschungen bereiteten die beiden anderen Spitzenmannschaften aus der Stadt São Paulo, Corinthians, der Vorjahresmeister, sowie Palmeiras, das einmal (im Jahre 1996) die beste Vereinsmannschaft hatte, die der Berichterstatter je gesehen hat. Beide kamen dieses Jahr nicht zurecht und krebsten lange Zeit auf Abstiegsplätzen herum, obwohl sie eigentlich zu den Mitfavoriten gehört hatten. Erst jetzt, kurz vor Ende der Saison, konnten sie sich aus der Abstiegszone befreien, ohne schon rechnerisch sicher zu sein.

Eine andere Überraschung waren drei der vier Spitzenmannschaften aus Rio de Janeiro, den Traditionsclubs Flamengo, Vasco da Gama, Botafogo und Fluminense. In der Rio-Meisterschaften hatten alle desaströse Vorstellungen gezeigt, so dass man schon das schlimmste befürchten musste, z.B. den Abstieg von zweien von ihnen. In Wirklichkeit aber hat sich Flamengo neben dem Pokal-Titel einen festen Mittelplatz erkämpft, Vasco und Botafogo sind sogar noch Anwärter auf einen der Plätze für die „Libertadores“. Nur Fluminense, im letzten Jahr noch im November einer der
Meisterschaftskandidaten, steht diesmal gefährlich nahe der Abstiegszone.

Eine weitere positive Überraschung ist der Club Figuerense aus der Hauptstadt Santa Catarinas, Florianopolis, der schon letztes Jahr als Aufsteiger und Abstiegskandidat einen Mittelplatz einnehmen konnte und diesmal wieder in der „weder-noch“-Zone steht. Im Mittwochspiel (2.11.) hat man gerade einem der Titelanwärter, Gremio, gezeigt, wie stark man auch auswärts ist und mit 2:1 gewonnen in Porto Alegre.

Ein weiterer Verein, der die Erwartungen nicht erfüllen konnte, ist Atlético Paranaense Curitiba, Anfang des Jahres kurzzeitig von Lothar Matthäus trainiert. Als überragendes Beispiel deutscher Zuverlässigkeit hatte der sich nach Europa abgesetzt und nach einiger Zeit nur kurz mitteilen lassen, er werde nicht mehr zurückkommen, werde seinen Vertrag nicht erfüllen. Noch im Jahr davor im Endspiel des „Libertadores“-Pokals, springt diesmal nur ein Mittelplatz heraus, vielleicht noch der letzte Platz für die südamerikanische Vereinsmeisterschaft „Libertadores“. Allerdings ist man im noch laufenden diesjährigen südamerikanischen Cup als letzter übriger brasilianischer Club im Halbfinale. Eben hat man einem der Mit-Anwärter auf einen „Libertadores“-Platz, Vasco Rio de Janeiro, im heimischen Stadion in Curitiba mit 6:4 in einem begeisternden Spiel gezeigt, wie groß die Heimstärke der Mannschaft ist. Wann gab es in der Bundesliga das letzte Mal ein 6:4?

Etwas ähnliches gilt für Cruzeiro Belo Horizonte, ein Daueranwärter auf den Titel oder vordere Plätze. Auch dieser Verein kann bestenfalls noch einen der beiden unteren Plätze für die nächste „Libertadores“ erreichen. Allerdings konnte Cruzeiro im heimischen „Mineirão“-Stadion an diesem

Mittwoch nur ein 2:2-Unentschieden gegen einen der wesentlichen anderen Anwärter auf einen „Libertadores“-Platz, Paraná Clube Curitiba erreichen. Das könnte schon das Ende der Hoffnungen sein.

Im Prinzip hat Brasilien fünf Plätze in der „Libertadores“, davon geht einer an den Pokalsieger, das war in diesem Jahr Flamengo Rio de Janeiro. Außer dem Meister kommen also noch drei Vereine für die begehrten Plätze in Frage. Nun hat Südamerika aber auch dem Vorjahressieger einen „Libertadores“-Platz reserviert. Das war in diesem Jahr Internacional Porto Alegre, im Moment Zweiter hinter seinem Endspielgegner São Paulo F.C. Damit eröffnen sich dem Dritten, Vierten und Fünften die begehrten restlichen Plätze.

Im Moment stehen auf diesen Plätzen der Santos F.C., der Pelé-Verein, Gremio Porto Alegre, eine satte Leistung als Wiederaufsteiger, sowie Paraná Clube Curitiba. Chancen haben noch Vasco Rio de Janeiro, den man eher im Kampf um den Abstieg vermutet hätte, Botafogo Rio de Janeiro und, wie erwähnt, Cruzeiro Belo Horizonte und Atlético Paranaense.

Die Verfolgergruppe vom São Paulo F.C. mit 64 Punkten sind mit 59 Punkten Internacional Porto Alegre, und mit jeweils 55 Punkten der Santos F.C. undInternacionals Lokalrivale Gremio, die beide am Mittwoch verloren haben. Von diesen hat Gremio das leichteste Restprogramm, aber es bleibt fraglich, ob der São Paulo F.C. noch einzuholen ist.

Internacional konnte zwar die „Libertadores“ im Endspiel gegen São Paulo holen, aber in der Meisterschaft dessen Vorherrschaft kaum angreifen, denn nach dem Sieg in der „Libertadores“ gingen die drei besten Spieler nach Europa. Vor allem der Abgang des Stürmers Rafael Sobis zum spanischen Betis konnte man nicht ausgleichen. Sobis kann man übrigens wahrscheinlich wieder als Auswahlspieler besichtigen, wenn Brasilien demnächst ein Freundschaftsspiel gegen die Schweiz in Basel bestreitet.

Was den Abstieg betrifft, so ist mit Santa Cruz einer der beiden Aufsteiger bereits fast aussichtslos abgeschlagen am Tabellenende mit einem Abstand von 11 Punkten auf den rettenden fünftletzten Platz. São Caetano, vor zwei Jahren noch im Meisterschaftskampf, liegt nur zwei Punkte besser, ist aber mit seiner Kampfkraft eventuell noch in der Lage, sich zu retten. Das 1:1 gegen den Mitabstiegskandidaten Fluminense zu Hause war aber zu wenig.

Auf dem dritten Abstiegsplatz davor liegt mit Fortaleza einer der typischen Kandidaten für den Abstieg, mit 5 Punkten Abstand zum rettenden Ufer. Ein 0:4 am Mittwoch zu Hause gegen Corinthians São Paulo, das vor drei Spielen noch auf einem Abstiegsplatz stand, könnte schon das Ende der Hoffnungen bedeuten.

Mit Ponte Preta Campinas steht davor ein weiterer Verein aus dem Landesinneren von São Paulo auf einem Abstiegsplatz, mit zwei Punkten Abstand zum fünftletzten.Am Donnerstag, den 2.11., konnte man bei Spitzenreiter São Paulo ein 1:1 holen und machte gar nicht den Eindruck eines Absteigers.

Fortaleza und Ponte Preta müsse noch gegeneinander antreten (im Nordosten bei Fortaleza) und spielen jeweils auch noch gegen jeweils drei weitere extrem gefährliche Gegner, Mitkandidaten um den Abstieg oder auf einen Platz in der Libertadores. So dürfte es für beide äußerst schwer werden. Einer von beiden hat aber eine reelle Chance, dem Abstieg zu entgehen, wobei die grösseren Chancen bei Ponte Preta liegen.

Davor steht im Moment auf dem rettenden Platz Fluminense Rio de Janeiro. Er muss noch gegen drei der Mitkandidaten auf den Abstieg antreten. Es könnte zu einem Desaster am Ende der Saison werden, wenn man im letzen Spiel Palmeiras São Paulo empfängt, das zwei Punkte davor liegt und mit einem theoretisch stärkeren Team aufwarten kann.

Nur theoretisch noch mit im Abstiegsstrudel stehen Corinthians São Paulo, der aktuelle Meister, und Juventude Caxias do Sul, die voraussichtlich nicht mehr wirklich gefährdet sind.

Bleibt noch anzumerken: Es wird in Südamerika neben der Vereinsmeisterschaft „Libertadores“ auch noch der Südamerika-Cup ausgetragen, so etwas wie der UEFA-Cup (für die zweite Garnitur). Der wird aber nicht parallel, sondern nach dem Ende der „Libertadores“ durchgeführt. Im Moment ist man dort gerade bei den Semifinalspielen 2006 angelangt. Es haben sich Vereine aus vier verschiedenen Ländern qualifiziert. Das eine Halbfinale führt die brasilianische Mannschaft Atlético Paranaense Curitiba und den mexikanischen Club Pachuca zusammen (wie auch bei der „Libertadores“ werden immer mexikanische Vereine zu den Südamerika-Ausscheidungen eingeladen), das andere wird entschieden zwischen dem chilenischen Club Colo-Colo Santiago, der im Viertelfinale die Argentinier Gimnasia ausgeschaltet hat, und dem Sieger aus dem argentinisch-mexikanischen Duell zwischen San Lorenzo, dem letzten verbliebenen argentinischen Verein und Toluca Mexico. Das Hinspiel in Argentinien hat San Lorenzo 3:1 gewonnen. Das dürfte nur schwer
aufzuholen zu sein für die Mexikaner.

Fast möchte man wetten: Mindestens eine der Voraussagen des Artikels wird nicht eintreffen.

Veröffentlicht am 4. November 2006 in der "Berliner Umschau"

Link zum Originalartikel hier

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6517 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

Mai 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

USA Verkäufe neuer Häuser 1963 bis 2010

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren